Geschichten vom Untergang - Claudia Gürtler - E-Book

Geschichten vom Untergang E-Book

Claudia Gürtler

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Beschreibung

Ali Kumar findet endlich Arbeit, Arbeit als Telefonist. Er kommt in Kontakt mit einer vom Untergang bedrohten Welt und führt uns so durch die Geschichte. Seine Teilnahmslosigkeit, seine fehlende Empathie sind Programm und Diktat von oben, entsprechen aber auch Alis Persönlichkeit. ‘Der Boss’ will es so und Ali Kumar scheint die perfekte Besetzung für die Rolle des Telefonisten zu sein, bis er beginnt, sich den Anrufenden verwandt zu fühlen. Ihre Schicksale lassen ihn nicht so kalt wie gefordert. Die professionelle Härte bröckelt – aber da ist der Boss schon gegangen, und auch die Flut ist nicht mehr weit. Scotty Paul hat der auf der im Südostpazifik gelegenen Insel Pitcairn das Sagen. Er glaubt, die Insel sei aus der Welt gefallen und für diese unerreichbar. Nach dem Ansteigen des Meeresspiegels werden alle Protagonisten einfach mitgerissen, sind zunächst mit unbekanntem Ziel unterwegs und müssen um ihr Leben fürchten, bevor sie ausgerechnet auf Pitcairn wieder Boden unter die Füsse bekommen. Das Meer ist es, das die Richtung vorgibt. Es hält sich nicht mehr an vorgegebene Strömungen. Der Klimawandel – er ist da! Für Scotty Paul wird der schlimmste aller Alpträume Wirklichkeit: was sollen die siebzig Bewohner mit tausenden von Klimaflüchtlingen anfangen? Die Insel ist klein, die Ressourcen knapp. Ali Kumar öffnet dem Leser die Klammer zur Geschichte; Scotty Paul aus Pitcairn schliesst sie. Der Zufall und das Meer, beide launisch, manchmal verspielt, dann wieder tückisch, in jedem Falle unberechenbar, sind die wahren Drahtzieher. Sie halten die Fäden in der Hand.

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Seitenzahl: 119

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Claudia Gürtler

Geschichten vom Untergang

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Geschichten vom Untergang

Impressum neobooks

Geschichten vom Untergang

Savanne Désolée, Les Anglais, Haiti

Sie zog die Plakatwand aus dem Schutt, hob sie hoch über den Kopf und trug sie nach Hause. Erdbeben, Überschwemmungen, Plünderungen hatten von Savanne Désolées altem Leben nicht viel übriggelassen, aber der Flecken Erde war derselbe, und sie nannte den Ort gewohnheitsmässig ihr Zuhause.

Die Plakatwand war erstaunlich leicht, und die Tatsache, dass niemand sie daran hinderte, sie mitzunehmen, wertete Savanne als gutes Zeichen.

Gute Zeichen hielten sie über Wasser. Sie war immer auf der Suche nach guten Zeichen.

Sie trug die Plakatwand dorthin, wo sie auf einer schimmelnden Matratze gelegen und auf den Tod gewartet hatte, bis die Leute von der Hilfsorganisation gekommen waren und ihr Medikamente gegeben hatten, die sie aufstehen und weitermachen liessen, wofür, wusste sie nicht. Einer der Katastrophenhelfer hatte ihr angeboten, Joseph, ihren fünfjährigen Sohn, mitzunehmen nach Europa. Er war freundlich gewesen. Er hatte stark und zuverlässig ausgesehen. Er hatte auf sie heruntergelächelt, beinahe väterlich, obwohl er ziemlich sicher nur wenig älter war als sie. Schwach und verwirrt hatte sie ja gesagt, zu allem ja gesagt, ohne nach guten Zeichen zu suchen, und mit Joseph war jeder Sinn aus ihrem Leben verschwunden.

Lange vor Joseph war auch ihr Mann Louis aus ihrem Leben verschwunden. Er war gegangen, als ihr Bauch begonnen hatte, sich zu runden. Es gab nicht viele Leute, die es wissen wollten, aber immer, wenn sie gefragt wurde versicherte Savanne, Witwe zu sein. Ihr Mann sei wenige Tage nach dem Erdbeben am Typhus gestorben, schnell und leise, obwohl es sonst nicht seine Art gewesen sei, irgendetwas leise zu tun. Savanne lachte sonst nie, aber sie lachte jeweils kurz auf, wenn sie von Louis erzählte, und die Leute glaubten ihr.

Savanne Désolées Nachbarn hiessen Amélie und René Jolicoeur. Die Nachbarn hatte ihr das Erdbeben gelassen. Sie hatten zu ihrem alten Leben gehört, und nun waren sie Teil ihres neuen Lebens.

Savanne seufzte. Meist waren es die guten Dinge im Leben, die einem fast unbemerkt abhandenkamen, während die schlechten hartnäckig an einem kleben blieben. Es gab nicht einen einzigen Grund für Savanne, ihre Nachbarn zu mögen, aber tausende Gründe, sie nicht zu mögen. Amélie Jolicoeur war eine verbitterte Frau, die reflexartig handelte, ohne sich die Zeit zu nehmen, nachzudenken. Brüllte René sie an, was täglich der Fall war, einmal, zweimal, viele Male, brüllte sie jemand anderen an, vorzugsweise Savanne. Savanne war da. Savanne stand zur Verfügung, wenn Amélie Dampf ablassen und weitergeben musste, was das Eheleben an Unannehmlichkeiten mit sich brachte. Rutschte René die Hand aus, weil er noch nicht betrunken genug war, um im Schatten seines Bootes zu schnarchen, so ging Amélie, kaum stand sie nach dem Schlag ins Gesicht wieder ohne zu Schwanken da, mit ihren kleinen harten Fäusten auf ihre Nachbarin los. René und Amélie hätten Savanne gestohlen bleiben können.

René öffnete die verschwollenen Augen einen Spalt breit, als er Savannes Schritte hörte.

«Was steht auf der Plakatwand?», wollte er wissen.

«Was steht auf dem Plakat?», wiederholte Amélie sofort.

Savanne lehnte die dicke Pappe gegen die Mauer, die in besseren Zeiten eine Aussenwand ihres Hauses gewesen war und betrachtete sie. Quer über einer unbekannten Landschaft war in grossen, leuchtend roten Ziffern eine Telefonnummer aufgemalt. Savanne merkte sie sich ohne Mühe. Für Zahlen hatte sie von klein auf ein gutes Gedächtnis gehabt.

Sie überquerte den mit Müll übersäten Marktplatz und betrat die Telefonkabine, die heil geblieben war. Sie sah aus, als habe ein englischer Tourist sie hier vergessen. Das Telefon funktionierte. Savanne hörte das Freizeichen, als sie den Hörer abhob. Sie wählte die Nummer, die sie auswendig gelernt hatte. Der Anruf schien kostenlos zu sein, denn es klingelte, obwohl Savanne keine Münzen eingeworfen hatte. In der Leitung knackte es. Am anderen Ende hatte jemand abgehoben. Savanne presste den Hörer aufs Ohr und lauschte.

Ali Kumar, Basel, Schweiz

Ali Kumar fand Arbeit. Er hatte nie zuvor eine Arbeit gehabt. Er war ein den Kopf über Wasser Halter, ein die Nase aus dem Schlamm Strecker. Zeit war das einzige, was ihm im Überfluss zur Verfügung stand. Er versuchte, eine Art Alltag aufrecht zu erhalten und die Woche als Woche zu leben, auch wenn diese aus fünf Arbeitstagen bestand, an denen er nicht arbeitete und aus dem Samstag, an dem er seinen Wocheneinkauf erledigte, indem er auf Parkplätzen vor Einkaufszentren seine Dienste als Einkaufswagenschieber und Einpacker anbot. Nach einem kurzen Zögern seiner Klienten und einem prüfenden Blick in sein Gesicht wurde ihm jeweils erlaubt, volle Taschen in Kofferräumen zu verstauen. Dafür erhielt er ein Brot, eine Dose Linsen, zwei Äpfel oder auch, ausnahmsweise, ein bisschen Kleingeld. Es folgte der lange erwartete Sonntag, den Ali tatenlos verstreichen liess. Er übte sich darin, das Nichtstun nicht als Last, sondern als Gewinn zu buchen. Er freute sich an Sonntagabenden bereits auf den Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag, wenn er der Reihe nach auf bestimmten Bänken in und um seine Zufallsheimat Basel sass und mit stoischer Ruhe Bewerbungen schrieb.

Er heftete seine Bewerbungen in einem lila Ordner ab, den er im Sperrmüll gefunden hatte. Und er nummerierte sie.

Es war seine tausendste Bewerbung, die schliesslich Erfolg hatte, denn Ali Kumar war bereit zu tun, was in diesen Zeiten keiner mehr zu tun bereit war: er würde Telefonanrufe entgegennehmen.

Constantin Steiner, Brugg, Schweiz

Er ging, ging am linken Aareufer entlang bis zur Brücke, auf der er kurz stehenblieb und auf das Fliessen hinuntersah, bevor er wieder dem Stadtzentrum zustrebte. Das Gehen entspannte ihn, obwohl er die Wanderung, für die laut gelbem Wegweiser zweieinhalb Stunden einzurechnen war, in neunzig Minuten hinter sich brachte. Der Blick aufs Wasser tat ihm gut, wie immer.

Constantin Steiner hatte an so vielen Orten auf der Welt gelebt und war schliesslich dort wo Aare, Limmat und Reuss zusammenfinden, hängen geblieben. Er identifizierte sich nicht mit Städten, Ländern, Hügeln und nationalen Eigenheiten, aber ja, er mochte Wasser, und hier gab es viel davon. Wenn man sich etwas Mühe gab, konnte man schliesslich, falls man wirklich glaubte, eine Heimat zu brauchen, jeden Flecken der Erde zur Heimat machen.

Trotz des strammen Marsches an der frischen Luft kam er an diesem Abend nicht zur Ruhe; es war also wieder so weit. Er würde sich, musste sich eine Auszeit von vier Tagen gönnen. Da er freitags nicht arbeitete, gab er für das längst eingespielte und zur Routine gewordene Vorhaben nur den Montag als Urlaubstag ein. Den Mietwagen hatte er bereits reserviert. Er würde ihn sehr früh abholen, wenn der Garagist noch zu verschlafen war, um nach dem Warum und Wohin zu fragen.

Er nickte erfreut, als er den geräumigen Kastenwagen sah. Es war derselbe wie beim letzten und beim vorletzten Mal. Der Garagist, der es sich nicht gerne mit guten Kunden verscherzte, entsprach damit seinem nur gedachten, aber nicht ausgesprochenen Wunsch, und Constantin steckte den Schlüssel ins Zündschloss und schwenkte auf den Zubringer zur Autobahn Richtung Süden ein.

Ali Kumar, Basel, Schweiz

Die Stellenausschreibung war ein Dauerinserat. Solange die Rechnung beglichen wurde, wurde das Inserat gedruckt und in Tageszeitungen, Gratisblättern und auf Online-Plattformen verbreitet.

Telefonische Auskünfte erteilen wollte in diesen Zeiten, in denen Schuldzuweisungen in der Welt herumgeschoben wurden wie mit mysteriösen, vor kritischen Blicken weggeschlossenen Gütern gefüllte Container, niemand. Für einen mageren Monatslohn den Kopf hinzuhalten war nicht einmal mehr bereit, wer Hunger und kein Dach über dem Kopf hatte.

Der junge Mann sass auf einer leuchtend roten Parkbank auf einem Hügel über Basel. Es war Ende Oktober und der Morgen war sehr frisch. Mit eiskalten Fingern bemühte er sich, leserlich und sauber zu schreiben. Schwung holte er nur für die Unterschrift.

Das Foto, das er seiner sehr kurzen Bewerbung beilegte, war viel zu dunkel. Das Gesicht ein Schattenriss, die Züge kaum zu erkennen. Der Boss ärgerte sich kurz, als er es aus dem Umschlag zog, zuckte dann aber die Schultern. Es hatte sich in all den Jahren, in denen der Dauerauftrag für das Inserat lief, niemand um die Stelle beworben. Er würde nicht kommen, dieser Ali Kumar. Das unscharfe Foto war irrelevant.

Helge Heemann, Kiel, Schleswig-Holstein, Deutschland

Eine Intex Excursion hatte sich der Junge gewünscht, seit er denken konnte.

Am schwärzesten Tag in Helge Heemanns Leben verschenkte sein Grossvater so ein hochseetaugliches Schlauchboot. Mit einer beiläufigen Geste und mit einem Lächeln im wettergegerbten Gesicht tat er das. Ganz so, als habe es keine Bedeutung im Leben, eine Intex Excursion zu verschenken.

Auch Malte, der Beschenkte, der an diesem Tag im Frühsommer neun Jahre alt wurde, tat so, als sei das Geschenk etwas Nebensächliches und Entbehrliches. Als hinge nichts im Leben davon ab, ob man eine Intex Excursion besass oder nicht.

Helge war nun dreizehn und noch immer nicht im Besitz eines eigenen Bootes, von lächerlichen Spielzeugbooten einmal abgesehen.

Zu Geburtstagen, zu Weihnachten und zu Ostern hatte er nichts als Spielzeugboote geschenkt bekommen. Allerdings hatte im letzten Jahr eine Karte von Norddeutschland und Skandinavien unter dem Tannenbaum gelegen, wenigstens das! Er hatte versucht, sich nicht anmerken zu lassen, wie viel ihm dieses Geschenk bedeutete. Er hütete die Karte wie seinen Augapfel, und er faltete sie oft auseinander, um wie in einem Buch darin zu lesen. Viel mehr als das Land mit sehr grossen und lediglich grossen Städten, verbunden durch ein Geflecht von Autobahnen und Überlandstrassen interessierte ihn das hellblaue Wasser, das gegen Norden immer mehr wurde, und die in leuchtendem Rot eingezeichneten Seerouten.

Nun waren sie endlich zu gebrauchen, die kleinen Holz- und Plastikboote. Sobald Malte eingeschlafen war – sie teilten sich noch immer ein Zimmer, obwohl Helge, wie er fand, längst Anspruch auf ein eigenes gehabt hätte – zog er die Karte unter der Matratze hervor, entfaltete sie, knipste die Taschenlampe an und fuhr mit seinen winzigen Booten in alle Welt.

Von Kiel aus, wo er und Helge bei den Grosseltern lebten – vorübergehend, wie immer wieder versichert wurde – musste es möglich sein, die Kieler Bucht zu queren, auf dem Langelands Belt zwischen Lange Land und Lolland hindurch zu schlüpfen, Odense und Aarhus links liegen zu lassen, im Kattegat westlich zu halten, den nördlichsten Zipfel Dänemark ebenfalls links liegen zu lassen und an Göteborg vorbei der schwedischen Westküste entlang zu segeln, bis bei Fredrikstad die Grenze zu Norwegen erreicht wäre. Von hier aus wäre es ein Katzensprung nach Oslo. So versprachen es die roten Linien auf der Karte. So musste es sein.

Grosse Luxusfähren brauchten für die Seereise rund vier Tage. Helge rechnete für seine Intex Excursion, die er noch nicht besass, vage etwas mehr.

«Nun ist aber gut!», rief die Oma, die das Flackern seiner Taschenlampe entdeckt hatte, von unten. Helge war sich sicher, dass sie das Licht längst gesehen hatte, ihn aber Abend für Abend eine ganze Weile lesen und träumen liess.

Er löschte das Licht und seine Tagträume gingen nahtlos in die Träume der Nacht über. Er kletterte aus der schwankenden Intex auf den Pier, schloss erst Mama, dann Papa, die selbstverständlich nur vorübergehend in Oslo arbeiteten, fest in die Arme, und beide waren so beeindruckt von seinem Mut, seiner Seetüchtigkeit und seiner Sehnsucht nach ihnen, dass sie zusammenpackten, um zurückzukehren nach Kiel. Sie bezogen ihr altes Haus, waren einfach wieder Eltern, nicht nur vom kleinen, verwöhnten Malte, sondern auch von ihm, von Helge. Er erhielt sein Zimmer zurück, das ihm allein gehörte. Es gab eine brauchbare Nachttischlampe und eine freie Wand, an die er seine Karte von Norddeutschland und Skandinavien pinnte. Papa räumte ein ausreichend grosses Stück Platz in der Garage frei für Helges Intex Excursion, die ihm zustand und die ihm Malte nach seiner Entdeckerfahrt diskussionslos überliess, und Helge schnitt ein Stück Zeit aus seinem Leben heraus. Es gab keine Flicken und keine Nähte mehr. Alles war gut.

Ali Kumar, Basel, Schweiz

Das Foto, das er seiner sehr kurzen Bewerbung beilegte, war viel zu dunkel. Das Gesicht ein Schattenriss, die Züge kaum zu erkennen. Der Boss ärgerte sich kurz, als er es aus dem Umschlag zog, zuckte dann aber die Schultern. Es hatte sich in Jahren niemand um die Stelle beworben. Er würde nicht kommen, dieser Ali Kumar. Das unscharfe Foto war irrelevant.

Der Boss legte die Bewerbung im dafür vorgesehenen dünnen Ordner ab und vergass sie im selben Augenblick. Nein, er rechnete nicht mit diesem Ali Kumar, wirklich nicht.

Es war Donnerstag.

Der letzte Donnerstag im Oktober.

Der junge Mann trat in den Lift und betrachtete ratlos die Knopfreihen, während sich die Tür hinter ihm schloss. Der Boss zoomte ihn auf dem Monitor etwas näher heran. Er tippte auf einen sehr dunklen Inder oder Pakistani. Andererseits, wenn er wirklich Ali hiess, wie er behauptete, konnte er alles Mögliche sein, Kurde vielleicht? Marokkaner? Alis dunkle, schmale Hand mit den weissen Nägeln glitt suchend die Reihen hinauf und hinunter. Er entschied sich schliesslich für einen Knopf und drückte ihn. Er hatte nur vage Anweisungen erhalten, wo er sich zu melden habe, eine Adresse, eine Uhrzeit, aufgedruckt auf einem kassenbelegähnlichen dünnen Papierstreifen mit der Kopfzeile ‘Bewerbung Nummer 4'673’.

Die Zahl hatte Ali Kumar nicht entmutigt. Bei weit über sieben Milliarden Menschen auf der Welt gab es bestimmt jede Menge Bewerbungen für alles Mögliche und Unmögliche. Irgendeiner musste es sein. Irgendeiner zog das grosse Los.

Der Lift setzte sich in Bewegung und schwebte nach oben.

Der junge Mann ging einen nüchternen Korridor entlang, an dessen Ende sich eine Schiebetür lautlos öffnete. Er trat ins Halbdunkel eines kreisrunden Raums. Auf ebenfalls gerundeten Monitoren entlang der Wand erschienen Bilder, sobald ein blinkender roter Knopf einen eingehenden Anruf anzeigte. Beides erlosch, wenn der Anrufer die Geduld verlor und auflegte.

Die Monitore waren nummeriert. Vor jedem zweiten stand ein bequemer Bürostuhl auf Rollen. Ein drahtloses Headset hing rechts neben der Eingangstür.

«Ihr Arbeitsvertrag liegt vor Monitor Nummer elf. Unterzeichnen sie ihn rechts unten», verlangte eine undeutliche Lautsprecherstimme an der Zimmerdecke. «Und ziehen sie bei Arbeitsbeginn jeweils das Headset an.»

Ali sah suchend nach oben, konnte aber im gewölbten Fastdunkel nichts erkennen. Er trat zu Monitor elf und unterzeichnete den mehrseitigen Vertrag mit viel Kleingedrucktem, ohne ihn zu lesen.

Der Boss war beeindruckt.

Ali Kumar erhielt die Stelle.

Arbeitsbeginn war Dienstag, 1. November.