Gib mir 3 Worte - Dan K. Sigurd - E-Book

Gib mir 3 Worte E-Book

Dan K. Sigurd

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Beschreibung

Dan K. Sigurd ist der bekannteste Mauerparkpoet. Ja, es gibt inzwischen einige, aber kein anderer hat es auf Bilder von der East Side Gallery geschafft, ohne in Wirklichkeit davor gesessen zu haben. Dafür hängen seine Verse über Sofas und Betten auf der ganzen Welt und wurden auf Waden und anderen Körperteilen verewigt. Seit Jahren lässt Dan sich im Berliner Mauerpark von Passanten und Fans drei Worte geben, aus denen er dann spontan Gedichte verfasst. Dieses Buch ist eine Sammlung seiner besten Poems. Es erzählt aber auch Storys aus dem Alltag eines Artists in Berlin und ist deshalb ein authentisches Zeitdokument und eine Ode an die freie Kunst.

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periplaneta

DAN K. SIGURD: „Gib mir 3 Worte“ Mauerparkpoesie

1. Auflage, März 2022, Periplaneta Berlin, Edition MundWerk

© 2022 Periplaneta - Verlag und Medien

Inh. Marion Alexa Müller, Bornholmer Str. 81a, 10439 Berlin

periplaneta.com

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Übersetzung, Vortrag und Übertragung, Vertonung, Verfilmung, Vervielfältigung, Digitalisierung, kommerzielle Verwertung des Inhaltes, gleich welcher Art, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Inspiriert von wahren Begebenheiten. Die Handlung und alle handelnden Personen sind jedoch frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.

PPM & Korrektorat: Thomas Manegold

Satz & Layout: Thomas Manegold

Titelfoto by Merlot Levert (https://.shutterstock.com/g/Merlot+Levert)

Bilder im Buch: Alexander Reichel (31, 151), Dan K. Sigurd (62),

Peter Kagerer (125), Merlot Levert (175)

Made in Berlin, Germany

print ISBN: 978-3-95996-237-7

epub ISBN: 978-3-95996-238-4

Dan K. Sigurd

Gib mir 3 Worte

MAuerparkpoesie

periplaneta

Mauerpark, Liebe, Hoffnung

die Liebe ist noch immer stark

im Mauerpark

und wird sie auch zuweil verletzt

keine Bange

die Hoffnung stirbt zuletzt

sie wird noch lange

überdauern

Todesstreifen und

hohe Mauern

wird es hier nie wieder geben

Berlin bleibt bunt!

Berlin will leben!

Zuhause, zusammen, Zukunft

mit etwas Herz

und Vernunft

werden wir

auch in Zukunft

stets zusammen finden

werden uns sehen

oder sollten wir erblinden

zumindest hören

denn ein echtes Zuhause

kann nichts zerstören

und wo immer

ich auch bin

ich trage

dich in

meinem Herzen

überallhin

Eisberg, Festland, Splitter

bricht ein Eisberg

los vom Festland

ganz treulos

ist er bloß

ein Splitter

seines alten Glanzes

nunmehr ein Stück

nicht mehr ein Ganzes

eine schmelzende

Glasscherbe

hilflos treibend

im Meer

nicht mehr

Leben, Möglichkeiten, Identität

die Identität

sie gerät

manchmal ins Wanken

die Gedanken

sie wandeln in unbekannte Gebiete

überschreiten alte Schranken

entdecken neue Möglichkeiten

und unendliche Weiten

die sich in deinem Verstand

plötzlich ausbreiten

und dich dazu verleiten

jemand anders zu werden

die dir Freude bereiten

und helfen dein Leben auf Erden

zu bestreiten

also lass dich einfach gleiten

im Strom

gefangen, Angst, vorbestimmt

man kann es nicht wissen

aber erahnen

wir sind gefangen

in vorbestimmten Bahnen

wenn wir auch freien Willen verlangen

lass mich dich warnen:

es gibt ihn nicht

doch wenn dir das Angst macht

oder gar

das Herz bricht

verzage nicht

denn wer sich vom Wissen über Gene

und Umwelteinflüsse verspricht

die Zukunft vorhersagen zu können

der irrt

denn die Fülle an Möglichkeiten

verwirrt

selbst das größte

Elektronengehirn

die Frage bleibt eine ungelöste …

Dan sah von dem Gedicht auf und erblickte eine Gruppe von Männern und Frauen, die sich auf Sofas und Stühlen um ihn herum versammelt hatten. Er schaute zurück auf die Zeilen, die er soeben vorgetragen hatte, und stellte fest, dass sie nicht von ihm stammten.

‚Schon wieder am Bukowski lesen, hm?!‘, dachte er und sah zu seinem Freund Giovanni hinüber, der neben ihm Gitarre spielte. Dan erinnerte sich vage daran, dass er derjenige gewesen war, der ihn dazu angestiftet hatte. Dann bemerkte er die Bierflasche in seiner Hand und sagte sich: ‚Ich sollte wohl besser in meine Rolle schlüpfen!‘

Er nahm einen großen Schluck und murmelte in das Mikrofon: „Das hier ist nicht lebensnotwendig sondern nur eine Requisite!“

„Lies weiter, Baby, du bist ein Star!“, rief eine blonde Frau in der ersten Reihe, und obwohl Dan sich nicht sicher war, ob sie es wirklich ernst meinte, tat er, wie ihm geheißen:

„Ich furze mehr als ich ficke.

Und ich furze besser als ich ficke.

Und ich freue mich

mit einem Nebelhorn verwechselt zu werden

mitten in der Nacht.“

(Bukowski „Competition“ (übersetzt von Dan K. Sigurd), ©1983 in Pulpsmith - Vol. 2 - No. 4 - 1983)

Er trug ein Gedicht nach dem anderen vor, und die Menge feuerte ihn an, während er Bier um Bier in sich hineinschüttete. Als ein paar Männer von der nahegelegenen Tanzfläche hereinstolperten, flutete laute elektronische Musik den Raum und übertönte Giovannis sanfte Gitarrenklänge für ein paar Sekunden, bis die schwere Metalltür sich wieder schloss. Dan las ein weiteres Gedicht vor, aber die Neuankömmlinge fingen an, Bier zu bestellen und sich gegenseitig anzuschreien, während er Verse über Selbstmord und Herzschmerz vorlas. Dan ließ das letzte Gedicht ausklingen, leerte seine Flasche, rülpste ins Mikrofon und brüllte: „Machen die da ein kommerzielles Ding? Verkaufen Bier, während ich hier oben meine künstlerische Seele entblöße? Wie erniedrigend!“

Die Männer fuhren damit fort, sich gegenseitig lauthals anzuschreien, und so sprang Dan von seinem Stuhl, hob den Baseballschläger auf, der neben ihm auf dem Boden lag, winkte ihnen damit zu und drohte: „Noch ein Bier ... und ich nehm’ es mit euch allen auf!“

Sie schienen ihn endlich zu bemerken und brüllten etwas zurück, bevor sie auf die Tanzfläche zurückkehrten. Als die Metalltür hinter ihnen zufiel, beruhigte sich Dan wieder und las noch ein Gedicht vor:

„in meinem Herzen sitzt ein kleiner blauer Vogel, der

nach draußen will

doch ich schütte Whiskey auf ihn,

ziehe kräftig an der Zigarette

und die Huren, Bartender und Supermarktverkäufer

ahnen nicht mal

dass er da ist.“

( Bukowski „Bluebird“, The Last Night of the Earth Poems - pg. 120 - 1992)

Dann warf er den Stapel Papiere, aus dem er vorgelesen hatte, zu Boden und verbeugte sich vor dem sich langsam leerenden Raum. Nur das blonde Mädchen, das ihn zuvor angefeuert hatte, starrte ihn immer noch sprachlos und wie gebannt an. Dan klopfte Giovanni auf die Schulter und dankte ihm für seine Musik, während er beobachtete, wie das Mädchen zögerlich auf ihn zukam.

„Ich ... ich fand es wirklich toll!“, sagte sie schließlich, als sie neben ihm angekommen war, und zeigte dann auf die Schreibmaschine auf dem Tisch vor ihm.

„Ich habe dein Schild gesehen ... ich gebe dir also drei Wörter und du machst ein Gedicht daraus?“

„Ja, das ist richtig“, antwortete Dan und beugte sich über seine Schreibmaschine. „Hast du drei Wörter für mich?”

„Ja ... ich glaube schon ... Liebe, Wunderland ... und Seelenverwandter! Passt das?“

„Das ist perfekt!“, erwiderte Dan und machte sich an die Arbeit:

Liebe, Wunderland, Seelenverwandter

halte deine Liebe

nicht im Zaum

sie ist ein

Baum

der wachsen will

also bleib nicht still

wenn du deinen Seelenverwandten triffst

sondern höre auf deine Gefühle

nicht auf den Verstand

sie führen dich

ins Wunderland

Als er wieder von seiner Schreibmaschine aufsah, war das Mädchen verschwunden. Dan folgte Giovanni in den Backstagebereich, um sich die Gage für ihren Auftritt abzuholen. Sie torkelten in die Büroräume hinter der Tanzfläche, wo ein junger Mann mit Brille neben einer Plastikbox voller Geld saß und auf den Touchscreen in seiner Hand starrte. Als er sie bemerkte, sprang er auf. Dan wedelte mit einem zerknüllten Stück Papier vor seinen Augen herum und stotterte: „Äh, du wolltest doch, dass ich diese Rechnung schreibe ... für unseren Auftritt ... damit du das einreichen kannst ... für die Steuer oder ... oder so?!“

„Ja!“, antwortete der Mann und riss ihm das Papier aus den Händen. Nachdem er es begutachtet hatte, sagte er: „Das scheint ... in Ordnung zu sein!“, und nahm ein paar Scheine aus der Plastiktruhe auf dem Tisch. Sie teilten das Geld untereinander auf und Giovanni stammelte mit müden Augen: „Ich glaube, ich sollte nach Hause gehen ... oder vielleicht etwas essen!“

„Ja, wir machen den Club jetzt sowieso dicht!“, sagte der Mann, während er sein Büro abschloss.

Dan umarmte Giovanni hastig und machte sich wieder auf die Suche nach dem Mädchen, das ihm eben drei Worte gegeben hatte. Als er die Tanzfläche absuchte, konnte er sie unter den paar müden Menschen, die sich noch immer langsam zu den harten Beats bewegten, nicht entdecken. Dan ging zurück zur Bühne und begann, seine Ausrüstung einzu­sammeln. Als er es gerade geschafft hatte, seine Schreib­maschine in den Rucksack zu stopfen, ging das Licht an und eine muskulöse Frau betrat den Raum.

„Wir schließen, Zeit zu gehen!“, sagte sie. Dan folgte ihr zum Ausgang, wo sie einen geräumigen Aufzug mit einer Couch betraten, der sie hinauf zur Straße brachte.

Als Dan auf den Bürgersteig stolperte, wurde er von der aufgehenden Sonne geblendet. Nachdem er sich einige Augenblicke verwirrt umgesehen hatte, bemerkte er die vertraute graue Säule des Fernsehturms, der zu seiner Rechten in den Himmel ragte. Er beschloss, darauf zuzusteuern, um den nahe gelegenen Park zu erreichen, in dem sich jedes Wochenende Händler und Musiker versammelten, die ihre Kunst feilboten.

Als Dan dort ankam, stellte er fest, dass es für all das noch viel zu früh war. Er ging trotzdem in den leeren Park und ließ sich unter einem Baum nieder, wo er seine Schreibmaschine wieder aufstellte, sowie das Schild, auf dem stand:

„Gib mir 3 Worte und 3 € (oder was immer du dir leisten kannst) und ich gebe dir ein Gedicht“

Mit zitternden Händen kramte er in seinen Taschen, bis er in einer davon eine dünne Tüte fand, die er sich anzündete, während er die Krähen beobachtete, die sich um ihn herum durch den Müll wühlten, der auf dem grünen Gras verstreut lag. Dann wandte Dan sich seiner Schreibmaschine zu und schrieb:

so was this one

worth it

was it fun

for you and for all

those people out there in the crowd

what was it all about

in the end?

I did get paid

more than ever before

but I did not get laid

so it all seems a bore

as if I tore

out

my heart

for nothing

up there on the stage

Er zog das Papier aus der Maschine, zerknüllte es und warf es den Vögeln zum Fraß vor. Ein paar Frauen gingen an ihm vorbei und ihr kleiner Hund verscheuchte die Krähen mit seinem schrillen Gebell. Als der Köter sich ins Gras hockte, kniete eine der Frauen neben ihm nieder und sammelte seine Exkremente mit einer Plastiktüte auf. Plötzlich nahm Dan einen süßlichen Gestank wahr, der auch um ihn herum in der Luft lag, und als er sich umdrehte, bemerkte er neben dem Baum, gegen den er sich gelehnt hatte, ebenfalls einige vertrocknete Hundekotreste. Er suchte seine Jacke ab, um sicherzugehen, dass er nichts davon abbekommen hatte, hob einen alten Plastikbecher vom schmutzigen Boden auf, kickte dann die Wurstreste hinein und trug diese zu den nahegelegenen Mülleimern.

Als er zu seinem Platz zurückkehrte, roch es noch immer nach Scheiße. Aber er war zu müde, um sein schweres Schreibgerät anzuheben und es an einen neuen Platz zu tragen. Stattdessen zündete er seinen Joint wieder an und versuchte, den Geruch damit zu übertünchen.

Der Park füllte sich langsam mit Joggern und Leuten, die auf dem Flohmarktgelände ihre Stände errichteten. Ein paar zerlumpte Gestalten kamen aus den Büschen gekrochen, die ihnen als Nachtlager gedient hatten. Am anderen Ende der Wiese setzte sich ein Mädchen mit einer Gitarre in das Licht der Morgensonne. Viele der Menschen, die an ihm vorbeigingen, schienen ebenfalls gerade aus einem Club hervorgekrochen zu sein, einige von ihnen noch aufgeregt und voller Energie, andere betrunken und müde. So staksten sie durch den Park in Richtung Straßenbahnhaltestelle. Plötzlich kam ein Mann mit farbbespritzter Kleidung auf ihn zu. Als er Dans Schild bemerkte, blieb er stehen und sagte: „Coole Idee! Also was genau machst du?“

Bevor Dan Zeit zum Antworten hatte, fuhr er fort: „Kannst du ein Gedicht über das Wort ‚Erdnuss‘ schreiben?“

„OK ... und was sind deine anderen beiden Wörter?“, fragte Dan, aber der Mann schüttelte den Kopf und sagte: „Nur Erdnuss! Das ist mein Künstlername, weißt du ... peanut ... die Nuss! Und Erdnuss! Das isses! Ich meine, für drei Euro ... ich würd’ ja nicht anfangen zu schreiben, bis mir jemand mindestens 40 Kröten bietet! Ich meine, ich bin kein Schriftsteller, aber ich verkaufe meine Bilder für so 10.000 Euro!“ Er zeigte die Straße hinunter und sagte: „Ich gehe jetzt nach Hause und frühstücke! Lass dir Zeit ... Ich bin in ’ner Stunde zurück!“ Er verschwand ohne ein weiteres Wort und Dan machte sich an die Arbeit:

peanut, Erdnuss

call me peanut

but

don’t worry if you’re allergic

I won’t make you sick

I’ll stick

to what I do best

you’ll like it, you’ll see

some oil paintings

some graffiti

to make this city

less gritty

I’ll draw you something pretty

something witty

and meaningful

check it out

don’t be a wuss

enter the world

of the

ERDNUSS

Als Dan wieder von seiner Schreibmaschine aufblickte, sah er zwei Mädchen an sich vorbeigehen, die eine große Tasche trugen, in der sich anscheinend irgendein Instrument befand.

„Oh wie süß!“, rief eine von ihnen, nachdem sie sein Schild gelesen hatte, aber als sie unter dem Baum neben ihm zum Stehen kamen und Dan hinüberrief: „Willst du eins?“, schüttelte sie den Kopf. Die Mädchen wurden von einer anderen Frau angesprochen, die sie fragte: „Habt ihr euch schon einen Platz ausgesucht?“

„Ja, ich denke, wir werden genau hier auftreten!“, antwortete eine von ihnen.

„Meinst du, wir könnten uns den Platz teilen ... ihr tretet 20 Minuten auf, und dann mach ich 20 Minuten mit meiner Band ... ?“

„Ja, klar!”

“Super!”, antwortete die Frau und sie begannen, ihr Equipment aufzubauen. Dan fragte, ob sie kurz auf seine Sachen aufpassen könnten, und als sie nickten, eilte er zur Straße hinüber, um sich etwas zu essen zu holen. Doch als er den Park verließ, stellte er fest, dass die meisten Geschäfte und Gemüsehändler noch geschlossen waren. Nur ein teuer aussehender Supermarkt hatte geöffnet. Er warb mit der Behauptung, seine Lebensmittel seien natürlich und Bio.

Dan fragte, ob sie Brot vom Vortag zum halben Preis hätten. Die Angestellte hinter dem Tresen schüttelte den Kopf und so kaufte er sich stattdessen eine sündhaft teure Brezel.

Als er zu seiner Schreibmaschine zurückkehrte, stand der Mann, der ein paar Zeilen zum Thema „Erdnuss“ verlangt hatte, daneben und wartete auf sein Gedicht. Dan reichte es ihm.

Der Mann las es und kicherte. Aber dann gab er es Dan zurück und erklärte: „Das ist schön, aber ich wollte keinen Rap-Song, weißt du. Es geht mehr um das Wort ... Erdnuss ... seine lyrischen Qualitäten!“

Er kniete neben Dan nieder und holte eine kleine Digitalkamera heraus.

„Da, vielleicht hilft es dir, wenn ich dir ein paar hiervon zeige!“

Er schaltete die Kamera ein, und auf dem winzigen Bildschirm erschienen ein paar Bilder von mit Graffiti besprühten Wänden.

„Kannst du was davon lesen?“, fragte der Mann.

Dan schüttelte den Kopf. Nicht sicher, was von ihm erwartet wurde, fragte er nach: „Machst du auch Tags? Oder nur große bunte Wandbilder wie das hier?“

„Nein! Nun ... ja, natürlich mach ich auch Tags, aber hauptsächlich diese großen Dinger, ja! Also versuch’s noch mal, ich bin in einer halben Stunde oder so wieder da!“ Der Mann verschwand wieder und Dan machte sich erneut an die Arbeit:

peanut, Erdnuss

what I do might be

against the law

but what if no one ever saw

art

locked away in some museum

a cellar

or a darkened hut

no more

thanks to

peanut

Erdnuss lets you see

art out in the open

turns the streets

into a gallery

Dan blickte auf und sah, wie sich weitere Musiker mit Instrumenten und Lautsprechern näherten. Als einer von ihnen neben ihm stehenblieb, um sein Schild zu lesen, fragte Dan ihn nach drei Worten.

„Mascara!“, antwortete der junge Musiker, drehte sich dann zu seinen Bandkollegen um und rief: „Gebt mir ein Wort ... wir brauchen Worte für ein Gedicht!“

Dan hörte „Trauerweide“ und „Chaos“:

Mascara, Trauerweide, Chaos

wenn dir das Chaos

in dieser Welt

nicht gefällt

weine nicht

lass dein Mascara nicht verlaufen

versuche nicht den Schmerz

mit Saufen

zu ersticken

denn es gibt so viele Dinge

an denen man sich erquicken

kann

und auf jeder Trauerweide

dort draußen in der Heide

singen Vögel ihre Lieder

und hörst du sie

wirst auch du wieder

lächeln

Eine weitere Person trat an ihn heran, mit den Worten: „Information, energy und matter!“

„Gib mir kurz Zeit!“, bat Dan.

Der Mann nickte und sagte: „Ich muss sowieso zu ’nem Geldautomaten, ich bin gleich wieder da!“

information, energy, matter

digital information

travels fast across this nation

and all around the globe

it’s pure energy

that you cannot see

buzzing through the air

to deliver a message to the screen

of your phone

greetings from home

but still sometimes you feel alone

for what’s missing is something to grasp

the scent of a letter

actual matter

between your fingertips

that would be better

Just als er das letzte Wort tippte, kam der Mann zurück, und als er begann, das Gedicht zu lesen, rief er aus: „Digital! Das habe ich noch nicht mal gesagt!“

„Naja ... da stehen ganz viele Wörter drin, die du nicht gesagt hast ... “, bemerkte Dan.

Der Mann reichte ihm ein Flugblatt und zeigte auf die Überschrift. In großen Lettern stand dort:

„Radionik - Digitale Alchemie“

„Das ist es, was ich mache ... “, erklärte der Mann. Beide studierten fasziniert die Zettel, die sie jeweils in den Händen hielten.

„Kreative Instrumentelle Biokommunikation“, las Dan

„Balancieren, Regulieren, Harmonisieren, Affimieren.Aktive Sendung Biologischer Informationen.

Der RADIONIK SOFTWARE BROADCASTER ist ein Forschungsprogramm, das biologische Botschaften via Radionik auf den Probanden übertragen soll.

Eine reine Softwarelösung die die Register des PersonalComputers zur entsprechenden Hardware macht.

Ein Programm arbeitet nach kosmologischen (nicht Astrologischen) Gesetzmäßigkeiten eine radionische Analyse und Balancierung aus.“

Verwirrt beäugte er das seltsame Flugblatt und der Mann sagte: „Dein Gedicht gefällt mir sehr gut! Hast du zufällig eine Karte mit deinen Daten darauf? Wenn ich jemanden brauche, der etwas für meine Website schreibt, kann ich mich vielleicht an dich wenden!“

Zögerlich reichte Dan ihm einen Zettel mit seiner Mailadresse, während der Mann weiter über die elektronische Übertragung von Nahrung und andere abstrakte Konzepte sprach, die Dan nicht verstand. Schließlich verschwand er, und bald darauf bat ein junges Paar um ein Gedicht für ihre Tochter:

Naturkind, Schmetterling, Flügelschlag

mein liebes Naturkind

siehst du den Schmetterling

wie er fliegt, so geschwind?

weißt du, dass wir alle verbunden sind

und dass der Wind

den er mit seinem Flügelschlag macht

zu einem Sturm werden kann

der donnert und kracht

und die Macht hat

am anderen Ende der Welt

eine Stadt

zu verwüsten?

Die Musiker waren endlich mit dem Aufbau ihres Equipments fertig. Nach einem kurzen Soundcheck fingen sie an zu spielen. Die kleine Menschenmenge um sie herum wuchs, und immer mehr Leute, die wegen der Musik stehengeblieben waren, entdeckten Dans Schild. Plötzlich war er wie in Trance und schrieb ein Gedicht nach dem anderen:

Freude, Morgentau, Veränderung

komm, schau

aus dem Fenster und sieh

wie sich im Morgentau

die

Sonnenstrahlen brechen

die einen Tag

voller Freude versprechen

für jeden der Veränderung mag

also trau dich

und sag

was du heute von der Welt erwartest

bevor du dein Leben

auf ein Neues startest

Samantha, 314, liebe

Samantha

es ist wahr

ich liebe dich

schon seit 314 Tagen

und ich kann gar nicht sagen

wie glücklich du mich machst

wenn du singst und lachst

und ich freue