Gisianische Kaprizen - Paul Gisi - E-Book

Gisianische Kaprizen E-Book

Paul Gisi

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Beschreibung

Meinen leichtgewichtigen Flimmergedichtchen flogen ein paar neue hinzu. Mich beglückt ihre Unwichtigkeit. Bei jedem Gedicht hätte ich mehr sagen können, doch ich tats nicht und das gerade ist der künstlerische Pfiff.

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Inhalt

Milchstrassenstaub

Tänzerisch klingend

Sonnenumbra

Unterm Rahsegel

Wucherblumig?

Nachtvisionen

Jeremiaden

Milchstrassenstaub

13.1.2022

Lieber Ludwig

Mein Gedichtbuch „Milchstrassenstaub das unbekannte Zeitmass“ hat nun nur 48 Seiten anstatt 52; ich löschte die Kurzbiografie, die ist hinlänglich bekannt, setzte unters letzte Gedicht (in 10 Punkt) einfach Homepageund E-Mail-Adresse.

Ich bitte Dich dann zu kontrollieren, dass das Buch wirklich auf Seite 48 aufhört (die leeren Seiten fand ich überflüssig).

Mario Andreotti antwortete mir flugs, er fügte seine Antwort ROT in meinen Brief hinein. Das gefiel mir.

Das BoD-Büchlein habe ich bereits korrigiert, es gab nur allerkleinste Korrekturen. Du hast alles perfekt in die Verlagsform gebracht, dafür danke ich Dir sehr herzlich. Es wird jetzt wohl fehlerfrei sein, huch, doch ich werde morgen alles nochmals ganz genau lesen (damit, sprachlich gesehen, wirklich kein Haar in der Suppe ist).

Heute war ich in St. Gallen, druckte auf marmoriertem Papier Gedichte für Marco aus (ach, warum schrieb er mir gestern ein sooo liebes SMS?), kaufte auch zwei Bilderrahmen, einen gebe ich ihm, den zweiten hänge ich bei mir auf. Ich schicke Dir bei Gelegenheit per Post meine Gedichte an Marco.

Das Leben kann schön sein!

Ich danke Dir, Ludwig, für Deine Arbeit für mich; Du – und alles – erfreuen mich zutiefst.

Liebe Grüsse Paul

14.1.2022

Lodovico I.

Ich lege Dir ein paar meiner allerneusten Gedichte bei – im Zuge der neuen lyrischen Einfachheit. Ich erhole mich von den verschlungnen Wirrnissen und Stürmen der letzten Zeit in einer neuen Klarheit des Sagens.

Ich wünsche Dir herzlich einen schönen Abend.

Dein Paul

Es gibt

keine Gefahr

für dich

du bist

hinter meinem Lid

*

Ich danke dir

Möwe

dein Schrei

hat mich ermutigt

weiterzugehn

*

Schön

wie ein Fächergewölbe

dein Satz

*

Der Ziegenbock

findet

das Dasein

gar nicht

so schlecht

obwohl er

dauernd meckert

*

Die Zeit

um Murmeln

und Sterne

zu zählen

kommt nicht mehr

*

Abends

sassen wir

zusammen

und glaubten

wir hätten uns

Als es

im Kopf

zu donnern begann

verzog ich mich

in den Schutz

einer Wasserrose

*

Was kriecht

zu meinen Füssen?

eine Schlangenschleiche?

ein Gott?

*

Ich stelle

einen Wegweiser

fürs Nirwana auf

er zeigt

direkt

in deine Mitte

*

Es gibt

so viel zu tun

zu sagen

ich lache

*

tagsüber

verstanden

*

Wir hätten

einander

retten können

*

Die Fische

wissen es längst

was uns

niemals

einfallen wird

*

Das Gleiche

ist anders

ohne Ursachen

im Wind

der über

deine Lippen

zieht

*

In der Erschöpfung

tanzen

die letzte Herbstblume

küssen

mit dem Mond

sprechen

*

Nackt

wie eine Koralle

in der Karibischen See

wir taumeln

aufeinander zu

*

Dein Puls

eine Supernova

in mir

*

Zutiefst Angst

zutiefst Freude

zu leben

mit Teleskopaugen

die wechselnden Formen

sehen

den Atem

vor einer Rose

anhalten

Lieber Ludwig

Mit diesen Gedichten, die mir diese Nacht zutrug, begrüsse ich Deinen Morgen. Ich schrieb viele, sehr viele Gedichte, ich kam nicht mehr dazu, alles aufzuschreiben, es brauste und sauste atemlos, das ganze delirierende Universum besuchte mich, doch ich hielt sprachlich alles in Grenzen, hielt «schöne» Adjektive zurück. Ich klopfte den Eingebungen auf die Finger, hielt meisterlich alles (Sprach-)Überflüssige zurück. Kunst ist AUSWAHL der Mittel. Der «poetische Einfall» ist des Argen. («Ekstatische Nüchternheit» ist Vonnöten.)

Ach, mein armer Marcel! Mein Herz blutet.

Es grüsst herzlich

der verwundete Paul

15. 1.

Lieber Ludwig

Ich lernte heute den Rorschacher Bildhauer Patrick Benz kennen, er hatte neben dem Würth-Gebäude eine «Heimspiel»-Freilicht-Ausstellung. Wir hatten ein gutes Gesprächlein.

Ich schrieb ihm:

«Was für eine überraschende Unerwartetheit, bei klirrender Kälte auf Deine «Heimspiel»-Freilicht-Bilderausstellung gestossen zu sein – : Deine Bilder beeindruckten mich sehr, eine grossformatige duale Monochromie, in sich ruhend und dynamisch weit ausgreifend in fisteligen Bewegungen, geheimnisvoll in der Exaktheit. Herrligg!»

Vielleicht freuts ihn.

Heute wurde es mir warm ums Herz mit Marcel, er zauberte ein Essen hin, kochte gleichzeitig in seiner Wohnung und bei mir. Wir hatten es ein paar Stunden sehr schön miteinander.

16. 1.

Meinen leichtgewichtigen Flimmergedichtchen flogen ein paar neue hinzu. Mich beglückt ihre «Unwichtigkeit». Bei jedem Gedicht hätte ich mehr sagen können, doch ich tats nicht – und das gerade ist der (künstlerische) Pfiff.

Ich wünsche Dir herzlich einen schönen, guten Sonntag.

Herzlich grüsst

Paul

Ich lebte

volle

fünf Leben

jetzt kommen

unaufhaltbar

die nächsten

fünf

dran

*

Ich grüsse dich

lichtscheuer Hutpilz

auch wenn ich selbst

keinen Hut trage

*

Ich bleibe

versteckt

in der Kithara

solltest du mich

hören

dann bin ich

es nicht

*

Der Vogel

als Midinette

im Baumgeäst

*

Über die

Klinkerbeplankung

zieht lachend

der Wind

*

Lass es

gut sein

ob gut

oder nicht

*

Mich freuts

unbekannte Menschen

zu grüssen

*

Du und ich

werden getragen

von den

sich stets ändernden

Wellen

*

Ich weiss nicht

was das ist

das ists

*

Tun wir

nicht so

als wären wir

einander fremd

näher

gehts ja

gar nicht mehr

*

Das Leben

ist derart

versteckt

dass nicht nur Blinde

darüber stolpern

*

Ja

nein

vielleicht

hören wir auf

zu plappern

überlassen wir

alles Wichtige

dem Schweigen

*

Nach

diesem Konzert

weiss ich nicht

was machen

*

Ein Streichquartett

ist nicht

einfacher

als eine Sinfonie

*

Das Lustvolle

der Askese

ist ein Kapitel

für sich

das ich

nicht schreibe

*

Die Protuberanzen

in deinem Auge

auf mich

übergreifende Flammen

*

Allerlei einerlei

philosophiert

der Blaumaskengaukler

und schwimmt

davon

*

Uns ist

nur vergönnt

zwei drei Schritte

zu machen

jeder Vogel

misst mehr aus

*

Nach dem Traum

gibts nichts

als die Imagination

der vorbeihuschenden

Wirklichkeit

Lieber Ludwig

Ich danke Dir herzlich, dass Du mir ein paar ganz konkrete Sächelchen aus Deinem Leben mitgeteilt hast; das KONKRETE interessiert mich immer sehr. Es schafft Konturen.

Dass Du dem Restaurant Freihof drei Pendelbilder verkaufen konntest, freut mich riesig. Das finde ich sehr gut, sehr schön.

Wie geheimnisvoll, Deine sekundengenauen siebenminütigen Nachtdiktate. PHÄNOMENAL. (Das ist eine sehr erstaunenswerte Esoterik.)

Sehr, sehr schön Dein Bild, das Du mir schicktest.

Du überragst in Deinen Schriften den kleinlichen Zeitgeist, der leider dominant ist. Und Deine Bilder, ich tönte das schon mal an, finde ich eher noch grösser, weitgespannter; der Kunststellenwert wird in zukünftige Zeiten ausstrahlen. Da vollendet sich wie bei Mozart Absichtslosigkeit, da belehrst Du nicht mehr, sondern die Form vollendet sich in sich selbst.

Auf jeden «Satz» kann ein «Gegensatz» gefunden werden, Deine Pendelbilder schwingen sich aus, rhythmisch weit ausgreifend in sich ruhend in den «Gesetzen» des Universums. Das geschieht mit Dir zum ersten Mal in der bildenden Kunst. Gottgewollte Harmonie, ohne dass man das sagen müsste. Zutiefst kann man da nur staunend schweigen und sich berühren lassen.

Burckhardt lese ich zurzeit gern, doch es würgte mich, als ich mitbekam, dass er als Präsident des IKRK den Holocaust niemals verurteilt hat.

Und bei seinem Briefwechsel mit Hofmannsthal, den ich einst mit Begeisterung las, scheint für viele Wissenschaftler der Verdacht da zu sein, dass er manche Briefe Hofmannsthals selbst geschrieben habe, dass sie gefakt sind. Es gibt oft keine Belege, dass sie Hofmannsthal geschrieben habe.

Es ist auch erwiesen und belegt, dass er manchen bekannten Zeitgenossen Zitate in den Mund legte, die diese niemals gesagt haben. Das Leben eines Diplomaten baut sich immer auf Lügen und Feigheit auf. (Sonst würde er Pfründe verlieren.)

Das schmälert meine Leselust auf ihn. Seine Erkenntnisse sind manchmal genial, doch oft auch einfach schönfärberisches Geschwafel.

Wo sind ECHTE Menschen, die nicht lügen? (Es gibt sie wohl nicht.)

Wir sehen es jetzt penetrant, wie diese mediengeilen Virus«experten» Stuss mitteilen und sich dabei mästen. Und alle Spitzenpolitiker, Spitzenbankers sind korrupt, kriminell.

Als Lyriker bin ich nicht derart, dies nicht zu sehen. Es ist systemimmanent unmöglich, die politische Karriereleiter hochzuklettern, ohne dass man schmiert und geschmiert wird. Kein Politiker hat eine reine Weste, das ist per definitionem unmöglich.

Als Lyriker bin ich nicht derart weltfremd, dies nicht zu sehen.

Als Menschen sich zu umarmen, da wir ja alle auf diesem Planeten sind – davon sind wir weit entfernt. Es wird nie sein, da der Mensch die Zerstörung in sich trägt.

Du, Lu, hältst mit Deinen Schriften unermüdlich dagegen an, das ist bewundernswert. Darin liebe ich Dich auch. Du bist Botschafter des Guten, akkreditiert vom Sein, von Gott.

Du bist eine absolut überzeugende Welteinmaligkeit.

Dass Gott gut ist und kein Dämon, ist berechtigt zu fragen. Das frage ich mich manchmal. Für Dich gibt es diese Frage nicht, Du bist in Deinem Glauben seins- und gottsicher, Gott als das Gute. Dafür steht Dein ganzes Leben ein. Daran rüttle ich nicht (es wäre Dir auch gleich). Ich bin auch fürs Gute – doch es gibt das menschheitsgesamtlich nicht ausser in der individuellen Liebe.

In der Liebe zu einem Kranken, zu einem Freund, zu einer Freundin. Zu einem ganz konkreten Menschen in seinem Leid.

Manchmal weine, weine, weine ich über das Leid der Welt. Habe grosse Angst um Marcel, der unendlich liebenswert ist und der immer wieder im Finstern versinkt.

Mein neustes Büchlein beginnt mit: «Ja! zum Leben». So soll es sein. Das ist gegen alles mein Credo.

Herzlich grüsst

Paul

Ausschweifen

in der Blütenkrone

des Veilchens

mich mit dir

zu verflechten

Am Abend

noch das Gleiche

zu denken

wie am Morgen

finde ich

überflüssig

Geschichtliche

Grossereignisse

sind bloss

Konfetti

für die Gegenwart

(Notate für «Im dunklen Fischauge das Licht erkennen».)

Lieber Ludwig

Es wird Dich vergnügen – mich vergnügt es auch –, wenn ich sage, dass Albert und ich uns wieder lange Briefe ausgetauscht haben. Ha! Im Grunde genommen mag ich seine Briefe, so wie ich es auch mag, ihm ausufernd zu schreiben. Er schreibt oft mit einem köstlichen ironischen Pfiff über seinen Alltag, seine Menschen- und Bücherbegegnungen – seine sehr grosse Belesenheit stösst bei mir auf offne Ohren, so wie ich es auch liebe, literarisch anspielungsreich ein Trommelfeuer loszulassen.

Hier ein Abschnitt aus dem letzten Brief an ihn:

«Zu Martin Suter kann ich nichts sagen, ich habe noch keinen Satz von ihm gelesen, doch ich bin sehr misstrauisch (habe schon einiges über ihn gelesen). Das mit dem Fussballspieler auch, es sei Liebe auf den ersten Blick gewesen. Das ist medial gekonnt aufgemacht. Ist Martin Suter der W. Somerset Maugham der Schweiz? Vermutlich ist das eine schlechte und keine gute Frage (eine Scheinfrage; sie ist von mir, habe ich nirgends gelesen).»

(Suters neuster Roman handelt von einem Fussballspieler.)

Marco hat mich zu einem Essen eingeladen, er fragte, ob ich «Wildfleisch» mag? Ich lehnte ab, wünschte einfach ein Glas Wein mit Salzstängeli oder Pommes chips. Ich esse so wenig Fleisch, und wenn ich an «Wildfleisch» denke, dreht sich mir der Magen. Ich freue mich riesig, sagte zu auf den Februar hin. Sehe ich dann Bettina, seinen Schatz? Ich kenne sie immer noch nicht, ist wahrlich etwas geheimnisvoll. Ich bringe Marco als Geschenklein wiederum zwei Gedichtblätter in einem Bilderrahmen, das hat ihn bisher immer sehr gefreut.

(Ich schicke Dir zu gegebener Zeit meine Gedichtblätter an Marco postalisch.)

Mein letzter Brief an Dich war stellenweise etwas dunkel, verzeih. «Unendliche Gewitter» (wie mein Erstling 1970 auch heisst) entladen sich – gottseidank – halt immer noch in mir. (Ich möchte es gar nicht gemässigter.) Halkyonische Tage sind wunderschön, doch ich liebe das wilde Sturmgebrause unendlich mehr.

Als Künstler brauche ich die Nachtstrudel, den Mahlstrom, das ist unersetzbar für mein Schreiben.

Ich bin glücklich, Kurznotate zu schreiben, sehr poetische Tupfer MIT gedanklichen Spagatübungen. Diese Mischung ist zurzeit für mich das Beste … Bis jetzt ist es mir vermutlich geglückt, Oberflächliches zu meiden. «Einfaches» muss immer auch sehr komplex sein, darf niemals banal werden. Was in der Welt schon gesagt wurde, ist nicht meine Welt. Dies zu erfüllen ist gar nicht so schwierig, ich muss einfach ausschweifend tief in mich selbst eintauchen, dort finde ich das «Neue» schon. (Doch ich habe nicht immer «freien Zutritt» zu meiner Seele, zu meinen Träumen, die Gunst der inspirierten Stunde muss dazukommen, das ist nicht per Knopfdruck abrufbereit, da spielen viele «Faktoren» mit.)

Meine Kurznotate möchten OFFEN sein auf Imponderabilien hin, sinnlich nuanciert, gedanklich überraschend, rätselhaft. Ich bin kein japanischer oder chinesischer Zen-Buddhist, doch meine «Aussagen» dürfen durchaus zwischendurch paradox, unverständlich oder gar sinnlos sein. Das hat für mich mit Surrealismus zu tun. Auf meine Denkart auch mit dem «Existenziellen». Ich lasse mir einfach von nichts und niemanden dreinreden, was ich wie schreiben darf. (Es muss gisisch sein, basta.)

Jetzt höre ich Donizettis «Lucrezia Borgia» zum wievielten tausendsten Mal? Ich bin immer noch aufgewühlt begeistert!

Donizetti gehört – wie Robert Walser, Mozart – zu meinen jahrzehntealten begeisterten Lieblingen. Rilke liebe ich immer noch, doch seine fast «priesterliche», zuweilen manierierte snobistische Art (besonders in seinen Briefen) geht mir zuweilen auf den Wecker. Da bevorzuge ich den spanischen Lyriker Vicente Aleixandre.

Ich kann noch kaum was sagen, doch ich stelle fest, dass sich bei Marcel Tiefes verändert, ich glaube, zum Guten hin. Er ist immer noch oftmals sehr «schwierig», doch ich beginne, ein gutes Gefühl zu haben. Er ist im Kern ein wunderbarer Mensch, beginnt dieser Kern zu wirken? Da glaube ich an die guten Kräfte, auch wenn alles noch ungesichert ist.

«Ja! zum Leben», das ists doch.

Diese Aussage ist eine Kernaussage meines Lebens, meiner Lyrik.

Ich freue mich masslos auf meinen «Milchstrassenstaub», ich glaube, ich konnte mich da künstlerisch auf eine neue Ebene hin entfalten.

Jetzt setze ich alles, was ich kann, für «In deinem dunklen Fischauge das Licht erkennen» ein; danach denke ich, mit Gedichteschreiben aufzuhören. Ein Künstler, der nicht sieht, wann er aufhören müsste, ist eine traurige, peinliche Sache. (Das weiss ich zu vermeiden!)

Das kommende Ende wird ein Erfülltsein sein. Ich freue mich, von dieser Welt abzutreten, was danach sein wird, weiss ich nicht, habe hiefür auch keinen Glauben. Das entscheidet nichts, es ist, wies ist.

Ich bin finanziell auf dem Rumpf. Kannst Du mir was schicken? Bis zur nächsten Kebs-Zahlung halte ich nicht durch. Es ist entsetzlich. Ich ersehne den Tod.

Liebste Grüsse

vom Paul

Du kannst mich

nicht festhalten

ich schwanke

meiner Natur gemäss

hin und her

*

Trakl

du bist

mein Bruder

du kannst

immer

zu mir kommen

*

Vorwärts zu mir

rückwärts zu mir

einfach

draufloszutrampeln

*

Supernoven

sind wie Liebesbriefe

die wir

nicht verstehn

*

Sich im Schlaf

umschlingen

sich im Wachsein

umschlingen

Lieber Ludwig

SEHR SCHÖN Dein kleines Gesamtkunstwerk, «Da Ich in dem wunderbaren Garten wandle fürchte Ich die Lasten nicht» mit den hiefür symmetrisch fast zu stürmisch eingerahmten Pendelgrafiken. Alles in allem aber Balsam für die Menschlichkeit und fürs Auge.

Deine bekennenden Aussagen und Dein BLICK fürs Gute und Schöne sind wunderbar.

Da fällt mir soeben ein: am 14. März kannst Du Deinen 89. Geburtstag feiern. Wir durften uns viele Jahre begleiten, dafür bin ich unendlich dankbar.

Ich «erlebte» Dich immer als «den grössern Bruder», auf eine Art mir weit voraus (obwohl ich auch sehe, dass ich in meinen Freiheiten Dir weit voraus bin). Wir messen unsern Kosmos auf die je eigne Art aus: herrlich!

Du bist auf dem Weg des Geistes auf den Geist hin – auch von dort kommend. Das ist grossartig, überzeugt.

Der Weg meiner Kunst, meiner Gedichte, ist anders: alle Kreatur liebend, Liebe liebend, Geisteingeformtes im «Dinglichen», Sinnlichen. Den Menschen nicht «ins Höhere» bewegend, sondern ins «Tiefere» in ihm selbst.

Du hast einen «Auftrag», den Menschen göttlicher zu machen; ich bin ein Lyriker, der vom Leben, wie es ist, singt, darstellend in vielen Perspektiven. Ich versuche das auf meine Art, glaube nicht, dass das «weniger» als Deine Art ist. Es sind Verschiedenheiten (die sich als Parallelen irgendwo im Unendlichen treffen mögen).

Es ist atemberaubend, dass auf vielen, vielen Tausenden von Buchseiten bei Dir eigentlich nichts Sinnliches kommt, sondern nur hochpotenzierter Geist. Das ist ein EREIGNIS der absolut besonderen Art. Ich nahm mir letzthin wiederum Deine «Poesie des Seins» vor: allgewaltiger Geist, keine orgiastische Liebeslustbeseligung (und daher für mich etwas dünn). Du sagst unendlich viel, doch es ist nicht unverwechselbar einmalig individuell wortbildgestaltet. (Da und dort wie esoterische Kurz- und Mahnpredigten.)

Und über das Dreizeilenstarre schrieb ich Dir schon, es ist ein Skelett, kaum Organisches. Frei Atmendes.

Ha, lach jetzt einfach, Ludwig, das sind halt so meine Sehensweisen, ich bilde mir nicht ein, dass sie für Dich gültig seien. Du hast eine einmalige Lebensluzidität erreicht, die Jahrhunderte überstrahlen wird.

Dein gigantisches esoterisches Schriftwerk kennt nichts Seinesgleichen, und mit Deinen Pendelbildern, die in ihrer Absichtslosigkeit mozartnahe sind, wirst Du EWIG sein.

Liebe Grüsse aus dieser Nacht – in Deinen Morgen hinein.

Dein Paul

ICH SINGE

deinen Ozean../

..grund

ICH SINGE

deine Nähe::deine Ferne

Sternflammen HAUT

das SonnenLICHT

unter deinen Armen

das FISCH//AUGE

atem-berauscht

die Melodie der

wandernden Zunge

ICH SINGE DICH / – in den

Algenfäden

im Traum

der Schmetterlings

blütler

interstellar in deinem Herzen

UND

wenn die Nacht

sich auf/türmt

LACHEN wir miteinander

und singen

wie ein vielstimmiger Chor

ZU ZWEIT

Young captain //.. old friend Marco – :: für dich

Paul der Zackenbarschlyriker 2022

Lieber Ludwig

Danke für Dein Feedback, Deine Rückmeldung zu meinen frühern («Nachtbrand») und späten Gedichten. «Die neuen Kreationen sind ungleich besser», schreibst Du mir. Ich nehme Dein Urteilen gern an. Du findest meine frühern Gedichte «noch etwas naiv». Das darfst Du uneingeschränkt. Mich freut deine Ehrlichkeit, so muss es ja auch sein zwischen Freunden. Ich sage Dir zu meinem grossen Lob, das ich für Dich habe, zwischendurch ja immer auch wieder Sachen, die mir ein bisschen ein Unbehagen auslösen.

Das kommt von den Lebenspositionen her, die man in sich austariert zu meinen glaubt. Nähe impliziert auf der künstlerischen und philosophischen Ebene durchaus immer auch Ferneres. Das hat mit FREIHEIT zu tun. Ansichten, Durchsichten, Einsichten, Meinungen, Überzeugungen, Sicherheiten, Unsicherheiten, das finde ich ein wunderbares Bukett aller Lebensmöglichkeiten, die nicht per se eindeutig aus sich selbst heraus ein für alle Mal festgefügt sind. Ich bin für eine polyperspektivische Sicht, wellend, wogend, atmend, schwebend.

Wenn ich mein lyrisches Lebenswerk überblicke (hahaa, als ob ich das könnte – nein, ich kanns nicht) stelle ich (für mich) eine überraschende, erstaunliche EINHEIT in der Motivik, in der Bildhaftigkeit fest … Früher schrieb ich oft vom «Tod», das habe ich bewusst in den späten Gedichten ausgeblendet, das Wort «Tod» «fehlt» völlig. Da änderte ich mich existenziell ZUM LEBEN HIN.