Glaubn mechst es ja ned - Hubertus Hinse - E-Book

Glaubn mechst es ja ned E-Book

Hubertus Hinse

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Beschreibung

Die Oberpfalz ist voll von Sagen, Märchen und Legenden! Hand aufs Herz: Wer kennt noch die Geschichten von Riesen und Zwergen, die die Oberpfalz bevölkert haben? Oder die vom heiligen Petrus, der in der Oberpfalz ein paar zünftige Watschn kassiert hat? Selbst der Sternenhimmel ist in der Oberpfalz entstanden und Wasserfrauen haben hier schon manche Hochzeitsnacht platzen lassen. Die Oberpfalz ist voll von Sagen, Märchen und Legenden! Über Generationen wurden sie weitergegeben, wie es Tradition war: Sie wurden erzählt. Vor allem in den Rockenstuben, wo ganze Familien wochenlang zusammensaßen, um in mühevoller Handarbeit aus Wolle oder Flachs Garn zu spinnen. Ohne Radio oder Fernsehen mussten die Menschen selbst für ihre Unterhaltung sorgen, und so wurden im wahrsten Sinne des Wortes Abend für Abend Geschichten gesponnen. Der Spruch "Der spinnt sich was zusammen Ö" ist bis heute geblieben, genau wie die Faszination spannender Abenteuer und unglaublicher Geschichten. Oberpfälzer Sagen, Märchen und Legenden sind alt - aber nicht veraltet! Zum Glück sind viele Sagen, Märchen und Legenden in den letzten zweihundert Jahren niedergeschrieben worden - und konnten so die Zeit überdauern ...

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Hubertus Hinse / Toni Lauerer

SAGEN AUS DER OBERPFALZ

„Glaubn mechst es ja ned“

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-86646-362-2

© 2017 MZ-Buchverlag in der Battenberg Gietl Verlag GmbH, Regenstauf

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

www.mz-buchverlag.de

Alle Rechte vorbehalten!

Titelfotos: Hubertus Hinse

Bildbearbeitung: Lisa Vrabec

Inhalt

Die Sach’ mit der Geschichte

Sowas wie ein Vorwort

Die Stoapfalz

Warum die Stoapfalz Stoapfalz heißt

Wie Teufel und Geister in die Oberpfalz kamen

Warum die Oberpfalz aussieht, wie sie aussieht

Wie der Sternenhimmel entstanden ist

Teufelssteine

Arme Seelen und böse Geister

Der Feurige Mann von Schwarzenfeld

Die weiße Frau von Wolfsegg

Die Drud von Amberg

Der Geistertanz von Schneeberg

Der Rauschige und der Tod

Den Nagel auf den Kopf getroffen

Eine Etzelwanger Gespenstergeschichte

Die Thansüßer Semmeln

Vom Vertragen der Geister

Der Geisterbanner von Kemnath

Der Feilenhauer am Böhmerwald

Riesen und Hoymänner

Der große Hans von Oberbernried

Die Hoymänner und die Holzdiebe von Obermurach

Der Schwandorfer Hoymann

Die Riesengräber bei Velburg

Der Allesfresser

Zwerge

Leben, Geburt und Sterben der Zwerge

Die Zwerge von Regenstauf

Die Moosbacher Zwerge

Die Zwerge von Fichtelberg

Der Stilzl von Warzenried

Wassergeister

Die Chamer Fischsage

Der Wasserriese von Neuenhammer

Die Föhra-Lena von Waldmünchen

Jungfrauen und Wasserfrauen am Pressather Röthelweiher

Die Geisterfischchen

Feuergeister

Der Feurige Mann von Wernberg

Die Feurigen Rächer von Ich-weiß-nicht-wo

Die Irrlichter bei Velburg

Der Drache von Neubäu

Der Geisterdrache von Roding

Luftgeister

Die Wilde Jagd

Die Holzhetzer von Bärnau

Wind und Windin

Das Gewitter von Neukirchen-Balbini

Die Windsbraut von Schönau

Engel und Elben

Der Engel und die Ähren von Gefrees

Warum der Regenbogen im Fichtelgebirge ein Bogen ist

Vom Schnee in Neuenhammer

Das Geisterschloss im Labertal

Der Pyrbaumer Geleitstein

Das Seelenmäuslein

Das Kind im Wenzelberg bei Hirschau

Zauberinnen und Hexer

Die Hexe von Trichenricht

Hex’ und Zauberer bei Moosbach

Der Bilmesschnitter von Falkenstein

Das Hexenmahl

Der Henker von Lupburg

Der verzauberte Fuchs von Großmittersdorf

Die toten Pferde von Granswang

Der Bärenjäger von Rittsteig

Teuflisches Treiben

Der Tierquäler von Markstetten

Die Steinerne Brücke von Regensburg

Die Geister von Burg Stockenfels

Drei Pfarrer und ein Teufelsbund

Zweimal Hölle, nicht zurück

Der Teufel und die Spielkarten

Ritter Jobst von Wildenstein

Der Höllenbube von Hirschau

Der Tod

Die Klagemutter von Burglengenfeld

Heilige

Wie der heilige Petrus zu einer Watschn kam

Der liebe Herrgott und der Rausch

Wie der heilige Petrus zu Neustadt verdroschen wurde

Der gerechte Räuber von Regensburg

Woher Mangelsdorf seinen Namen hat

Anhang

Literatur – Die Schätze aus der Dachbodenkiste

DIE SACH’ MIT DER GESCHICHTE

Sowas wie ein Vorwort

Neulich hat ein Spezl gefragt, ob ich nicht beim Ausmisten helfen könnte. „Freilich!“, hab’ ich gesagt und bin gleich los, um die Gummistiefel zu holen. Aber die hat’s gar nicht gebraucht. Der wollte nicht den Stall ausmisten, sondern den Speicher, und zwar bei de Schwiegerleut.

„Die brauchen Platz“, hat er gemeint, „und das alte Glump, das da umeinanderliegt, damit kann sowieso kein Mensch mehr was anfangen“. Also sind wir los, und haben uns die Sach’ mal angeschaut.

Ich hab’ noch nie so einen vollgestopften Dachboden gesehen. Stapelweise Zeitschriften. Fotoalben. Zwei Telefone. Nicht Handys oder Smartphones, nein, Telefone. Große, graue Kästen mit Gabel und Hörer und einer echten Wählscheibe! Gleich daneben hat’s einen Leder-Chefsessel gegeben und ein paar Rollen orange-braune Tapete frisch aus den Siebzigern. Die Muster von der Tapete sind so verdreht gewesen, dass ich allein vom Hinschauen schon ganz wirr im Kopf geworden bin.

Aber das ist noch weiter gegangen! Eine Schreibmaschine hab’ ich gefunden, eine Triumph-Adler Marke ,Gabriele‘. Da gab’s noch kein ,Delete‘ oder ,Escape‘, sondern was auf die Finger, wenn du die falsche Taste erwischt hast.

Skier aus den Fünfzigern sind auch noch da gewesen, mit Stöcken aus Holz, und sogar ein altes Dampfradio, original von 1930.

Mir haben die alten Sachen irgendwie ganz gut gefallen, und drum hab’ ich gemeint: „Du, das ist wie ein Ausflug in die Geschichte!“

„Deswegen heißt’s ja auch so“, hat er gesagt, „weil alles aufeinander geschichtet ist. Und jetzt red nicht, sondern trag die Kisten runter.“

Das haben wir dann auch gemacht, eine Kiste um die andere, bis der Speicher fast leer gewesen ist. Und dann ist’s passiert: Bei der letzten Schachtel ist der Boden rausgebrochen und mir ist ein ganzer Stapel Bücher vor die Füße gefallen. Ein paar von denen hab’ ich sofort wiedererkannt: Märchenbücher, und zwar von achtzehnhundertirgendwas. Aus solchen Büchern hat mir meine Oma immer Geschichten vorgelesen, wenn ich nicht schlafen gewollt hab’. Das Dumme ist nur gewesen, dass ich die Geschichten meist so spannend gefunden hab’, dass an Einschlafen erst recht nicht mehr zu denken gewesen ist. Also hat sie noch eine Geschichte vorgelesen und noch eine, solange, bis ich mir nix mehr hab’ merken können.

Früher, da haben die Leute gern Märchen erzählt. Zumindest die Großen den Kleinen. Meine Oma hat gemeint, zu ihrer Zeit, da hätten die Leute allerweil die alten Sagen und Legenden erzählt. Einfach so, wenn sie abends am Kamin zusammengesessen sind, oder in den Rockenstuben, und jeder hat eine Geschichte für die anderen gewusst. Und noch früher, da hätten die Leute diese Geschichten sogar wirklich geglaubt.

Ich glaub’, dass da was dran ist. Also, daran, dass Geschichte Geschichte heißt, weil was übereinander geschichtet ist. Das eine kehrst du untern Teppich, auf dem anderen baust du auf. Und wer die Geschichten zur Geschichte kennt, der kann sich seinen ganz eigenen Reim drauf machen.

… und drum erzähl’ ich jetzt die eine oder andere.

DIE STOAPFALZ

Warum die Stoapfalz Stoapfalz heißt

Als ich noch klein gewesen bin, so fünf oder sechs, da hab’ ich im Wirtshaus mal gehört, wie einer schrecklich auf die Stoapfalz geschimpft hat. Nur hab’ ich überhaupt nicht gewusst, was er da meint. Also hab’ ich ihn gefragt. Da hat er mich ganz bös angeschaut, mit wilden Augen, und dann hat er mir erzählt, warum die Oberpfalz auch Stoapfalz heißt:

Zu einer Zeit nämlich, als der Teufel noch regelmäßig mit dem Herrgott verkehrt hat, da sind die beiden oft hier unten auf Erden spazieren gegangen. Und weil zwischen ihnen so einiges zu bereden gewesen ist, sind sie immer dort gegangen, wo’s Zeit und Ruhe gab. Das war in der Oberpfalz.

Während sie also hier herumgewandert sind, ist dem Teufel die Idee gekommen, dass es doch gut wär, sich beim Herrgott Lieb-Kind zu machen. Also hat der Teufel dem Herrgott die Oberpfalz als Geschenk angeboten. Die zwei haben sich die Sache eine Weile von einem hohen Berg aus angeschaut, und schließlich hat der Herrgott den Kopf geschüttelt und dem Teufel gesagt: „So viel Stoa? Behalt’s!“

Jetzt ist der Teufel aber im Gegensatz zum Herrgott kein echter Oberpfälzer, und drum hat er nichts verstanden. Er hat nur gehört: „Stoa?! B’halt’s!“

Und „Stoapfalz“ nennen manche Leute die Oberpfalz noch immer.

Vielleicht ist’s ja auch genau wegen dieser Geschichte, dass sich der Teufel so oft in der Oberpfalz herumgetrieben hat. Und nicht nur der Teufel. Früher, da ist die Oberpfalz voll von Riesen und Zwergen gewesen, voll Druden und Nixen, weißen Frauen und feurigen Männern. Und wer mal nachts am Bachlauf bei Tauschendorf und Schrötting die Luft anhält und so ein gruseliges Heulen im Wind hört, der könnte fast meinen, dass das nicht nur Geschichten sind.

Wenn ich’s mir jetzt so recht überleg, dann hat dieser wilde Grantler damals ganz deutlich nach Schwefel gestunken!

Vielleicht ist das wirklich der Deifl gewesen, den ich da getroffen hab’. Oder zumindest irgendein Deifl. Denn in der Oberpfalz, da gibt’s nicht nur einen Deifl, sondern viele. Sogar sehr viele. Die sind nämlich am Anfang der Welt hier vom Himmel gefallen. Und darum geht’s auch in den nächsten Geschichten …

Wie Teufel und Geister in die Oberpfalz kamen

Am Anfang hat der Herrgott Himmel und Erde erschaffen. Soweit, so gut. Doch in der Oberpfalz erzählt eine Sage, dass danach im Himmel alles drüber und drunter gegangen ist. Viele Engel haben gesehen, wie schön es die Menschen hier unten auf der Erde haben, und da sind sie neidisch geworden.

Wer will ihnen das auch verdenken? Ich meine, den ganzen Tag auf irgendwelchen Wolken sitzen und Hosianna singen, das muss auf Dauer eintönig sein. Und die Schöpfung ist ja nun wirklich eine gelungene Sache. Also, zumindest bei uns in der Gegend.

Weil Neid jetzt aber eine Sünde ist, hat der Herrgott auf den Tisch gehauen und alle Neidhammel aus dem Himmel geworfen. Die, die den Aufstand gegen den Herrgott angezettelt hatten, haben sich in Teufel verwandelt und sind gleich hinunter zur Hölle gefahren. Die anderen aber, die nur verführt worden sind, denen hat der Herrgott noch eine Chance gegeben: Während sie vom Himmel in Richtung Erde gefallen sind, haben sie bereuen dürfen. Und wer rechtzeitig bereut hat, der ist zwischen Himmel und Erde hängen geblieben. So sind die Luftgeister entstanden.

Wer etwas später bereut hat, also so spät, dass er schon am Boden aufgeschlagen ist, aus dem ist dann ein Feuergeist, Erdgeist oder Wassergeist geworden. Wahrscheinlich je nach dem, wo er grad hingefallen ist. Diese Geister sind Arme Seelen, die noch erlöst werden können, und manche erhalten vom Herrgott die Erlaubnis, sich den Menschen zu zeigen. Entweder, um sie zu erschrecken, sodass die Menschen Buße tun. Oder aber, um sie für das, was sie angestellt haben, zu bestrafen.

Also, die Neidhammel zum Beispiel fürs Neidisch-Sein.

Warum die Oberpfalz aussieht, wie sie aussieht

Über die Entstehung der Landschaft bei Tauschendorf zwischen Falkenstein und Roding haben sich ja schon viele Gscheite den Kopf zerbrochen. Die Berge steigen dort wie Mauern in die Höhe, überall liegen riesige Granitblöcke herum, und die Äcker haben ganz andere Böden als die von den Nachbarn drum herum. Aber wie es zu dieser sonderbaren Landschaft gekommen ist, das wissen nur die Tauschendorfer selber:

Vor Urzeiten, da ist die Oberpfalz noch brettleben gewesen – grüne Wiesen und kein felsiger Hügel weit und breit. Für Mensch und Vieh war genug zu beißen da, und auch die Riesen waren zufrieden und haben den Menschen ihre Ruhe gelassen. Nur einer nicht, denn immer gibt’s irgendwo einen Neidhammel, sogar bei den Riesen. Diesem einen Sturschädel haben die Menschen nicht gepasst. Also hat er einen riesigen Granitberg herangeschleppt, um die Tauschendorfer damit zu zerquetschen.

Die Tauschendorfer aber haben noch mal Glück gehabt. Die wollten sich gerade auf dem Dorfplatz versammeln und dabei haben sie gesehen, wie der Riese mit seinem Mordwerkzeug immer näher gekommen ist. Da sind sie sofort voller Angst auf die Knie gefallen und haben lauthals angefangen zu beten. Männer, Frauen und Kinder, alle miteinander. Sie alle haben die Hände zum Himmel gestreckt und den Herrgott um Gnade angefleht – und der hat sich zum Glück auch nicht lange lumpen lassen. Als der Riese den Granitberg nach den Tauschendorfern geworfen hat, hat der Herrgott ein gewaltiges Beben zur Erde hernieder geschickt. Unter Krach und Donner hat sich das Land um Tauschendorf zu einer gewaltigen Mauer aufgetürmt, und der Granitberg ist an dieser Mauer in tausend Stücke zerbrochen. Drum ist die Oberpfalz auch voller Steine, denn die Trümmer haben sich in alle Himmelsrichtungen verteilt. Überall hat’s Granit und Fels gehagelt.

Dass es bei uns jetzt aussieht wie nach einem Meteoriteneinschlag, das ist doch glatt der Beweis, dass der Herrgott ein Herz für seine Oberpfälzer hat. Und nachts, am Bach von Tauschendorf, da gibt’s ein Heulen in der Luft, dass du meinen könntest, irgendwo ums Eck ärgert sich immer noch einer von den Riesen, weil er nicht getroffen hat.

Wie der Sternenhimmel entstanden ist

Von Bergriesen erzählen die Leute nicht nur zwischen Falkenstein und Roding. Bergriesen gibt’s in der ganzen Oberpfalz. Und wenn es nach den Waldmünchenern geht, dann haben diese Riesen der Oberpfalz sogar quasi ihren Stempel aufgedrückt.

Als der Herrgott die Welt erschaffen hat, ist sie nämlich noch ganz weich gewesen. Aber überall, wo die Riesen herumgetrampelt sind, haben ihre Fußstapfen Täler und Berge hinterlassen. So haben die Riesen mit ihren Riesenhaxen die Oberpfalz geformt.

Abgesehen davon müssen sie ein ganz schön rabiates Völkchen gewesen sein. Irgendwann ist ihnen in der Nähe von Neuenhammer nämlich einmal langweilig geworden. Und da ihnen nichts besseres mehr eingefallen ist, haben sie angefangen, mit Steinen nach der Sonne zu werfen. Zum Glück waren die Riesen aber etwas kurzsichtig geraten, und weil es für Riesen keine Brillen gibt, haben sie die Sonne nicht ein einziges Mal getroffen. Drum sind sie schließlich weitergezogen. Die Menschen aber haben nicht schlecht gestaunt, als es Abend geworden ist: Durch all die Löcher, die die Riesen in das Himmelsgewölbe geschmissen haben, hat nun das Licht des Herrn gestrahlt.

So ist der Sternenhimmel, wie wir ihn heute kennen, eigentlich in der Oberpfalz entstanden.

Allerdings werden auch die stärksten Riesen einmal faul. Von einem erzählt man, dass er es Leid gewesen ist, überhaupt zu Fuß zu gehen. Den lieben langen Tag hat er auf dem Kamm des Böhmerwaldes gesessen und gewartet, bis der Mond aufgegangen ist. Dann hat der Riese auf einmal einen Sprung getan und ist wie ein Reiter auf der silbernen Kugel aufgesessen. Jede Nacht aufs Neue hat er sich vom Mond über den Himmel tragen lassen. Nur ist der Riese so schwer gewesen, dass er den Mond bei jedem Ritt ein Stückchen eingedrückt hat. Am Ende war der Mond davon so dünn geworden, dass er es mit der Angst bekommen hat. In seiner Not ist er in eine Felsspalte gerutscht und hat sich vor dem Riesen versteckt. Der Riese aber, der eine Weile ganz umsonst auf den Mond gewartet hat, ist schließlich eingeschlafen.

So kann der Mond Nacht für Nacht ein klein wenig zunehmen. Doch sobald er wieder ganz bei Kräften ist, wacht auch der Riese wieder auf … … und dann möchte ich nicht in der Haut vom Mond stecken, denn Riesen lernen dummerweise nichts dazu. Nie diese Deppen! Und darum haben wir die Mondphasen noch heute.

Das hat zumindest früher die Großtante von dem Bruder von meinem Spezl erzählt, und die hat auch genau gewusst, was die Riesinnen so machen, während ihre Mannsbilder Unfug treiben: Sie kämmen sich mit abgenagten Rossgerippen die Haare. Das tun sie so lange, bis der Mond wieder zu einer dünnen Sichel geworden ist, denn dann können sie sich mit ihm frisieren. Die Haare, die sie mit der Mondsichel abschneiden, lassen sie fallen. Das sind die Sternschnuppen am Himmel, und wenn du eine siehst, darfst du dir was wünschen. …wenn das mal meine Friseurin wüsste! Glauben, würd’s die ja nicht. Glaub ich. Oder vielleicht doch?!

Teufelssteine

Steine gibt’s viele in der Oberpfalz, und mit dem Teufel geht hier auch so manches zu. Aber dass die Oberpfalz voll von Teufelssteinen ist, das ist schon etwas Besonderes.

Wenn du die Leute fragst, was so ein Teufelsstein ist, dann gibt’s allerdings ganz unterschiedliche Antworten.

Die einen meinen mit ,Teufelsstein‘ die Belemniten. Das ist Fachchinesisch für ,Donnerkeil‘, also für versteinerte Tintenfische. Die sind meistens so groß wie ein Finger, ganz glatt, und an einem Ende laufen sie spitz zusammen. Wie eine Kralle vom Teufel eben. Wenn man diese Steine zerreibt, heißt es, dann kann man mit dem Pulver Wunden heilen. Ich hab’s noch nicht versucht, aber angeblich wirkt so ein Belemnit desinfizierend. Zumindest stinkt er höllisch nach Ammoniak, wenn du dran schabst.

Andere Leute meinen mit Teufelssteinen aber riesige Granitblöcke, die plötzlich irgendwo in der Landschaft umeinander liegen.

Was die beiden Antworten aber gemeinsam haben ist, dass sich früher keiner vorstellen konnte, woher diese Steine stammen. Und erst recht nicht, wie sie dahin gekommen sind, wo sie liegen.

Meistens liegen die Teufelssteine mitten im Wald. Bei Tirschenreuth zum Beispiel in der Teufelsküche. Oder bei Vilseck. Da liegt einer rum, der dürfte gute fünfzig Tonnen wiegen. Mit diesem Stein, so erzählen die Vilsecker, wollte vor vielen Jahren der Teufel den Vilsecker Kirchturm zerschmeißen. Aber alles der Reihe nach:

Der Teufel ist damals gerade von der Walpurgisnacht zurückgekommen. Und weil er die ganze Nacht mit den Hexen getanzt hat, ist er müde gewesen. Also hat er sich hingesetzt, genau da, wo er gestanden hat: mitten auf das Dach vom Vilsecker Kirchturm. Unter dem Gewicht vom Teufel ist das krachend in sich zusammengefallen.

Die Vilsecker haben sich geärgert, klar, aber nicht lang. Sie haben sich gedacht, wir lassen uns doch vom Teufel nicht den lieben Tag versauern, und haben gleich ein neues Dach gebaut. Nur wollten sie’s diesmal besser machen. Also ist das Dach so spitz geworden, dass der Teufel da niemals wieder drauf sitzen kann. Der Vilsecker Kirchturm ist der spitzeste in der ganzen Oberpfalz – teuflisch spitz ist der!

Als der Teufel das gehört hat, hat ihm das mächtig gestunken. Er hat einen großen Stein genommen und ist losgegangen, um den Kirchturm zu zertrümmern.

Aber er hat nicht mehr so genau gewusst, wo er eigentlich hin muss. Denn damals, nach Walpurgis, da ist’s ja finster gewesen, und vielleicht, ganz vielleicht, hatte er auch a bissl viel Hexenwein erwischt. Ganz nüchtern kann er auf jeden Fall nicht gewesen sein, denn zuerst hat er sich mit seinem schweren Stein verlaufen, und dann, mitten im Vilsecker Wald, hat er ein altes Weiberl getroffen.

„Wie weit ist das noch bis Vilseck?“, hat der Teufel gefragt, „Ich will da noch den Kirchturm umhauen.“

Das Weiberl ist stehen geblieben, hat einen schweren Sack abgestellt, und gesagt: „Noch ganz weit!“ Dann hat es den Sack aufgemacht und dem Teufel gezeigt, was drin ist: lauter durchgelaufene Schuhe!

„Ich komme gerade von Vilseck“, hat sie gesagt, „und die ganzen Schuhe hier, die habe ich auf dem langen Weg schon durchgelaufen!“ Das hat dem Teufel noch mehr gestunken als der spitze Kirchturm.

„So weit will ich den Stein nicht tragen!“, hat er gebrüllt und den Brocken einfach auf den Boden geschmissen. Dann ist er so wütend auf und davon gesprungen, dass im Wald die Bäume gewackelt haben.

Das Weiberl aber hat sich gemütlich auf den Stein gehockt, den Sack wieder zugeschnürt und erst einmal Brotzeit gemacht.

Der Teufel hat nicht gewusst, dass das Weiberl die alte Vilsecker Schusterin gewesen ist. Den lieben langen Tag war sie unterwegs gewesen, um die kaputten Schuhe von ihrer Kundschaft einzusammeln und in die Werkstatt zu bringen.

So hat ein redliches Weib den Teufel geprellt.

Aus Dankbarkeit haben die Vilsecker dann später ein Kreuz für das Weiberl errichtet, und der Berg, auf dem das Kreuz steht, der heißt bis heute ,Kreuzberg‘.

Als meine Oma mir damals die Geschichte erzählt hat, da hab’ ich gedacht, aha, der Teufel ist böse, aber dumm. Und das ist doch gut zu wissen.

Die Oberpfälzer sind viel schlauer, als der Teufel glaubt. Drum sieht die Landschaft auch aus, wie sie aussieht: Die ist nicht einfach steinig und karg, sondern der Beweis, dass der Teufel sich an der Oberpfalz die Zähne ausbeißt. Es gibt hier so viele Teufelssteine, weil immer ein schlauer Oberpfälzer oder eine schlaue Oberpfälzerin dem Teufel eins auswischt.

ARME SEELEN UND BÖSE GEISTER

Mit den Geistern ist das in der Oberpfalz so eine Sache: Es gibt sie überall. Manchmal musst du nur genau hinschauen, um sie zu erkennen. Einige sehen aus wie ganz normale Menschen. Sie sind vielleicht ein bisschen seltsam oder verwirrt, aber wer ist das nicht, hin und wieder? Andere sehen aus wie Tiere. Die kann man daran erkennen, dass sie plötzlich etwas ganz besonders Kluges tun oder etwas Überraschendes, etwas Nichttierisches. Wieder andere erscheinen als Riesen oder Zwerge oder als Wassermänner und Wasserfrauen. Vor allem aber erscheinen die Geister in der Oberpfalz nicht nur um Mitternacht. Es gibt Geister, die sogar am helllichten Tag umgehen.

Wer jetzt denkt, da könnte ja jeder ein Geist sein, der hat vielleicht gar nicht so unrecht.

Zum Glück gibt es aber ein paar Hausmittelchen, mit denen du rausfinden kannst, ob ein Geist vor dir steht – und vor allem, was für einer. Meine Oma hat da immer Rat gewusst:

Böse Geister machen Lärm, die guten Geister seufzen nur, das ist eine ganz einfache Regel. Wer sich aber nicht sicher ist, der muss rufen: „Alle guten Geister loben den Herrn!“ Denn wenn’s ein guter Geist ist, eine Arme Seele, die erlöst werden will, dann ist die Antwort stets: „Ich auch!“ Solche Geister tun einem nichts.

Wenn’s ein böser Geist ist, der den Spruch gehört hat, dann verschwindet er kurz. Dann musst du schauen, dass du weg kommst. Viel Zeit bleibt dir dafür nicht. Und schau um Gottes Willen nicht um! Sonst versuchen die bösen Geister, dir den Kopf umzudrehen.

Am besten ist’s, rückwärts von den Geistern wegzugehen. Denn wer versehentlich einen Ort betreten hat, der den Geistern wichtig ist, der kann das so wieder ungeschehen machen.

Lachen die Geister ein böses Lachen, dann heißt’s: Obacht! Solche Geister haben schon einmal einen Menschen verführt oder umgebracht. Das sind die schlimmsten!

Aber das ist noch lang nicht alles. Kompliziert wird’s bei der Frage, warum sie überhaupt Geister sind. Es gibt da die Armen Seelen und die Verdammten. Aber die dürfen nicht in einen Topf geworfen werden. Gott bewahre!

Die Armen Seelen, das sind entweder gefallene Engel, die bereut haben, oder Verstorbene, die Erlösung suchen. Die sind zwar manchmal gräuslich und erschrecken einen, aber letztendlich tun die nichts Böses. Sie suchen die Hilfe der Menschen. Nur sind sie manchmal so verwirrt, dass sie selbst nicht wissen, wonach genau sie eigentlich suchen.

Bei den Verdammten ist das ganz anders! Die haben sich von Gott abgewendet und wollen ihre Sünden gar nicht büßen. Die sind stur und deswegen gefährlich. Die wollen alle anderen büßen lassen – und landen deswegen später in der Hölle.

Und dann gibt’s da noch die Verfluchten. Die haben so richtig Pech. Sie müssen Böses tun, ob sie wollen oder nicht. Wenn sie aber ohne eigene Schuld verflucht worden sind, dann können sie erlöst werden. Ganz gleich, wie schlimm die Dinge sind, zu denen der Fluch sie zwingt. Es findet sich nur meistens keiner, der mutig genug ist, so einen Fluch zu brechen. Darum sagt man heute noch „Glump, verfluchtes“, weil sich keiner findet, der damit umgehen kann.

Der Feurige Mann von Schwarzenfeld

Feurige Männer gibt’s in der Oberpfalz unglaublich viele. Und ich meine jetzt nicht die Mannsbilder von der Kirchweih oder von der Dult. Ich meine die rastlosen Toten. Es werden zwar jedes Jahr ein paar weniger, aber das hat auch seinen Grund: Die feurigen Männer, das sind umherirrende Seelen. Die brennen, weil sie als Menschen so bös gewesen sind, dass sie eigentlich ins Fegfeuer gemusst hätten. Aber entweder ist das gerade voll gewesen, als sie gestorben sind, oder ihre Sünden waren noch gering genug, dass der Herrgott ein Auge zugedrückt hat. Drum sind sie wieder zurück auf die Erde gekommen.

Schaurig sind sie schon, die Feurigen Männer. Doch fürchten muss sich nur, wer nicht weiß, was sie hier wollen.

Die feurigen Männer irren nachts durch die Oberpfalz, um unschuldige Wanderer zu erwischen. Aber nicht, weil sie denen schaden wollen, sondern, um ihnen zu helfen. So arbeiten sie nämlich ihre Sünden ab. Mal leuchten sie einem heim, oder sie zeigen einem den Weg, wenn sich wer verlaufen hat. Die einen wollen zum Dank ein „Vergelt’s Gott!“ hören, die anderen wollen ein paar Pfennige. Und sowas muss man eben wissen!