Glücklichsein ist gar nicht so einfach: 3 bewegende Romane - Anna Martach - E-Book

Glücklichsein ist gar nicht so einfach: 3 bewegende Romane E-Book

Anna Martach

0,0

Beschreibung

Dieses Buch enthält folgende Romane: (399) Anna Martach: In tiefster Seele gekränkt Anna Martach: Zum Glücklichsein gezwungen Anna Martach: Wir brauchen keinen neuen Pai Gräfin Agneta von Listenfeld ändert kurz vor ihrem Tod ihr Testament. Sie vermacht ihr Vermögen zu gleichen Teilen ihrer Enkelin Regina Juliana Maria von Listenfeld und Raphael Markus Johannes Baron von Ulenhardt. Zwischen den Familien von Listenfeld und von Ulenhardt gibt es seit mehr als zweihundert Jahren Streit. Gräfin Agneta hofft, dass durch ihr Vermächtnis dieser alte Streit endlich beigelegt wird. Wird sich ihre Hoffnung nach ihrem Tod erfüllen oder wird der Streit eskalieren?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 320

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Anna Martach

Glücklichsein ist gar nicht so einfach: 3 bewegende Romane

UUID: cd7fb576-35de-44b7-bebe-3ae86d687c17
Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Glücklichsein ist gar nicht so einfach: 3 bewegende Romane

Copyright

In tiefster Seele gekränkt

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

38

Zum Glücklichsein gezwungen

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

​Wir brauchen keinen neuen Papi

Glücklichsein ist gar nicht so einfach: 3 bewegende Romane

Anna Martach

.

Dieses Buch enthält folgende Romane:

Anna Martach: In tiefster Seele gekränkt

Anna Martach: Zum Glücklichsein gezwungen

Anna Martach: Wir brauchen keinen neuen Pai

Gräfin Agneta von Listenfeld ändert kurz vor ihrem Tod ihr Testament. Sie vermacht ihr Vermögen zu gleichen Teilen ihrer Enkelin Regina Juliana Maria von Listenfeld und Raphael Markus Johannes Baron von Ulenhardt. Zwischen den Familien von Listenfeld und von Ulenhardt gibt es seit mehr als zweihundert Jahren Streit. Gräfin Agneta hofft, dass durch ihr Vermächtnis dieser alte Streit endlich beigelegt wird. Wird sich ihre Hoffnung nach ihrem Tod erfüllen oder wird der Streit eskalieren?

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

COVER A. PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Facebook:

https://www.facebook.com/alfred.bekker.758/

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

Erfahre Neuigkeiten hier:

https://alfred-bekker-autor.business.site/

Zum Blog des Verlags!

Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

https://cassiopeia.press

Alles rund um Belletristik!

In tiefster Seele gekränkt

von Anna Martach

Martina Johannsen gewinnt bei einem Preisausschreiben einen Urlaub in einem Schlosshotel. Und auch wenn es ihr anfangs noch recht absurd erscheint, scheint es zwischen ihr und dem Besitzer des Hotels, Graf Richard, Liebe auf den ersten Blick zu sein. Doch hält diese Liebe auch der Belastungsprobe stand, die durch die eifersüchtige Gräfin Annette, die schon seit Langem ein Auge auf den Grafen geworden hat, ausgelöst wird?

1

„Mir tun die Füße weh“, stöhnte Martina Johannsen. „Dieses Einkaufszentrum ist ja gigantisch.“

Suchend schaute sie sich um und steuerte dann zielbewusst auf ein kleines Bistro zu, in dem sie sich setzen und einen Cappuccino trinken konnten.

Sie, das waren Martina Johannsen und ihre Freundin Christiane Jansen. Die beiden Frauen hatten sich einen Tag freigenommen, um das neue große Einkaufszentrum regelrecht zu erforschen und festzustellen, ob es sich wirklich lohnte, demnächst wieder einmal hierherzukommen.

Und das tat es nun wirklich, wie beide übereinstimmend feststellten. Auf dem Gelände einer ehemaligen Zechenanlage mitten im Ruhrgebiet war ein gigantisches, ehrgeiziges Projekt entstanden, eine regelrechte Stadt für sich, die größtenteils aus Einkaufsstraßen, Parkhäusern und einer großartigen Veranstaltungshalle bestand. Für den suchenden Kunden gab es hier nichts, was es nicht gab, und fast jeder Wunsch konnte befriedigt werden.

Die beiden Frauen hatten einen ausgedehnten Einkaufsbummel hinter sich, als sie sich jetzt zufrieden hier niederließen, und freuten sich rechtschaffen auf das Konzert, das später am Abend noch folgen sollte .Jetzt aber wirkte erst einmal der Cappuccino sehr belebend.

„Der reine Wahnsinn“, stellte Christiane fest. „Hier gibt es einfach nichts, was es nicht gibt.“

Neben dem Bistro befand sich ein exklusives Kosmetikgeschäft, das schon auf den ersten Blick ziemlich teuer aussah.

„Schau dir nur mal diese Preise an“, seufzte Christiane, und Martina lächelte.

„Ach, du weißt doch, ich habe mit Kosmetik gar nicht viel zu schaffen. Mein Luxus sind teure Parfums. Und dafür werde ich hier vermutlich noch mehr bezahlen als ohnehin schon.“

„Dummchen, ich meine doch nicht die Preise zum Einkaufen, nein, die hier, die man gewinnen kann.“

Jetzt lachte Martina hell auf. „Ich habe noch nie etwas gewonnen, sondern für alles arbeiten müssen. Warum sollte es jetzt anders sein? Außerdem verabscheue ich Preisausschreiben.“

„Spielverderber“, schimpfte Chris gutmütig. „Lass uns trotzdem mitmachen.“

„Das ist doch Blödsinn“, meinte Martina. „Die suchen sicher nichts weiter als Adressen, und in den nächsten Wochen ersticken unsere Briefkästen in der Flut.“

„Hast du denn überhaupt keinen Unternehmungsgeist? Du bist doch sonst nicht so schüchtern. Schau dir nur mal den Hauptpreis an. Zwei Wochen Luxushotel mit allem Drum und Dran, sogar Vollpension. Du könntest dich rundherum verwöhnen lassen.“ Christiane musste selbst lachen bei dieser Aufzählung, denn Martina war eigentlich eher ein Arbeitstier und hielt nicht viel davon, sich verwöhnen zu lassen, würde das doch bedeuten, sie sollte faulenzen. Sie fühlte sich am wohlsten, wenn es arbeitsmäßig hoch herging und sie knifflige Probleme zu lösen hatte, was bei ihr relativ häufig vorkam.

Martina Johannsen arbeitete für eine Computerfirma und galt als Spezialistin auf dem Gebiet der Netzwerkeinrichtungen. Sie hatte hart gearbeitet, um diese Position zu erreichen, und musste sich auch heute häufig noch gegen die männliche Konkurrenz oder gar gegen Vorurteile durchsetzen. Aber das machte ihr nichts aus. Nach einer äußerst unglücklich verlaufenen Liebesbeziehung hatte sie sich geschworen, in Zukunft die Finger von den Männern zu lassen und all ihre Kraft und Energie in die Arbeit zu investieren, was einige Männer nicht verstehen konnten. Martina war eine ausgesprochen attraktive Frau von zweiunddreißig Jahren, besaß nussbraune glänzende Haare, die ihr bis auf die Schultern fielen, ein schmales Gesicht mit rehbraunen Augen, und einen Mund, der zum Küssen einlud, wie ein Mann einmal festgestellt hatte.

Christiane, ihre Freundin, war fast das genaue Gegenteil; sechs Jahre jünger, ein wenig mollig gebaut, hatte aschblondes Haar, ein vorlautes Mundwerk, das kaum stillstand, und Hände, die mitredeten. Schon aufgrund ihrer äußerlichen Attribute war sie der Meinung, dass sie ohnehin nie den Richtigen fürs Leben finden würde. Meist hielt sie sich im Schatten ihrer Freundin, die so viel selbstsicherer war, und doch auch so viel verletzlicher, wie Chris wusste.

Jetzt aber bestand sie darauf, dass sie beide an diesem Preisausschreiben teilnahmen und redete deshalb eifrig auf ihre Freundin ein.

„Du, ich habe da so ein Gefühl. Das wird klappen, ganz bestimmt. Komm, nun sei kein Frosch, eine von uns gewinnt den Preis.“

Martina lachte auf. „Bist du jetzt unter die Wahrsager und Hellseher gegangen? Dann kannst du ja in diesem Monstrum von Einkaufszentrum auch noch einen Stand aufmachen, das ist, glaube ich, das einzige, was fehlt. Ich sage Ihnen die Zukunft voraus! Handlinienlesen per Computer!“, witzelte sie.

„Dazu musst du aber erst mitmachen, damit ich weiß, wie hoch meine Trefferquote ist“, gab Chris trocken zurück. Martina gab sich geschlagen. Diesem Argument hatte sie nichts mehr entgegenzusetzen, und im Grunde war es ja auch egal. Im Übrigen waren auch die anderen Preise recht attraktiv, und vielleicht hatte sie ja wirklich Glück und gewann eine Flasche Parfum, auch wenn das in ihren Augen mehr als unwahrscheinlich schien.

Die beiden Frauen füllten also die Teilnahmekarten aus, warfen sie in die bereitgestellte Box und hatten den Vorfall gleich darauf vergessen.

2

Es war purer Zufall gewesen, der dazu geführt hatte, dass Martina an diesem Tag zu Hause war. Eine heftige Erkältung benebelte ihren Kopf, und sie fühlte sich schwach und elend. Nachdem ihr Chef ihre Stimme gehört hatte, war er ebenfalls davon überzeugt, dass Martina ein oder zwei Tage im Bett angeraten schienen, statt sich im Außendienst mit Kunden und Computern herumzuplagen.

Gegen Mittag klingelte es Sturm an der Tür, und als sie erstaunt öffnete, stand der Postbote davor und reichte ihr einen eingeschriebenen Brief, für den sie erst unterzeichnen musste.

„Du meine Güte, wahrscheinlich ein Ticket“, stöhnte sie. „Wo habe ich denn jetzt wieder falsch geparkt?“ Sie warf den Brief auf den Tisch und legte sich erst einmal wieder hin. Nach einem kurzen Schlaf fühlte sie sich aber etwas erfrischt und nahm den Brief nun zur Hand. Doch darin konnte auf keinen Fall ein Strafzettel sein. Absender war ein Schlosshotel Unstrut, und Martina fragte sich erstaunt, ob Werbung neuerdings per Einschreiben verschickt wurde.

Ein wenig ratlos hielt sie den Umschlag immer noch in der Hand, entschloss sich dann aber doch, ihn zu öffnen. Gleich darauf schaute sie fassungslos auf die Zeilen und fing dann laut an zu lachen.

„Das kann ja nicht wahr sein“, japste sie. „Das glaube ich einfach nicht. Das ist doch bestimmt ein Scherz.“

„Sehr geehrte Frau Johannsen, wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Sie die Gewinnerin des großen Kosmetikpreisausschreibens sind. Wir erwarten Sie als geehrten Gast in unserem Haus zu einem zweiwöchigen kostenfreien Aufenthalt, in dem Sie selbstverständlich all die uns angeschlossenen Räumlichkeiten und Vorteile nutzen können. Eine Auflistung entnehmen Sie bitte dem beigefügten Prospekt. Um einen Ihn genehmen Termin auszumachen, bitten wir Sie, sich kurz mit uns in Verbindung zu setzen. Soweit es uns möglich ist, werden wir gerne auf Ihre Wünsche eingehen. Und selbstverständlich ist in Ihrer Begleitung eine zweite Person willkommen.

Wir freuen uns darauf, Sie kennenzulernen und werden alles daransetzen, dass Sie sich in unserem Haus wohlfühlen und mit all unseren Einrichtungen zufrieden sind. In Erwartung Ihrer freundlichen Anmeldung verbleiben wir mit freundlichen Grüßen.“

Die Unterschrift war fast ehrfurchtgebietend: Richard Graf von Enningsen. Du lieber Himmel, auch noch ein Graf. Martina war für einen Augenblick regelrecht geschockt. Das konnte doch nicht wahr sein. Sie, ausgerechnet sie, hatte bei diesem Preisausschreiben gewonnen? Sie hatte schon vergessen, dass sie da überhaupt teilgenommen hatte, und jetzt hielt sie im ersten Augenblick dieses Schreiben für einen Scherz ihrer Freundin.

Aber nein, das Briefpapier und auch der Prospekt schienen echt zu sein. Vielleicht stimmte es ja doch, und für einen Augenblick versank die junge Frau in Träumen, wie ein Filmstar von oben bis unten verwöhnt zu werden, auch wenn das gar nicht ihrer Natur entsprach.

Aber ein heftiger Niesanfall brachte sie dann wieder zur Besinnung. Sie griff zum Telefon und rief Christiane an. Und ohne ihr etwas Genaueres zu sagen, bat sie sie dringend, am Abend herzukommen. Na, die würde eine Überraschung erleben.

3

Chris tanzte übermütig durch die kleine Wohnung von Martina, schwenkte immer wieder den Brief, und fiel ihrer Freundin schließlich um den Hals.

„Du hast wirklich gewonnen, Martina. Mensch, ist das nicht klasse? Überleg doch nur mal, besser und billiger kannst du keinen Urlaub machen.“

„Ich?“, grinste Martina. „Wir. Du kommst natürlich mit, schließlich hast du mir das eingebrockt.“

Chris schnappte nach Luft. „Das meinst du ernst? Du willst mich mitnehmen?“

„Klar, wenn wir uns auf einen gemeinsamen Termin einigen können?“, lächelte Martina.

„Ich möchte den sehen, der mich daran hindert, mich nach deinen Urlaubsplänen zu richten. Und dann gibt es ja jetzt nur noch ein Problem“, verkündete Chris.

„Ein Problem?“, wunderte sich Martina. „Wo hast du das denn entdeckt?“

Chris schaute kritisch an ihrer Freundin entlang. Martina war schlank, bevorzugte aber Jeans und Schlabberpullis, was ihr manchmal ein etwas unförmiges Aussehen gab.

„Nun, ich denke, in so einem piekfeinen Hotel müssen wir ein bisschen darauf achten, was wir anziehen“, stellte Chris fest.

Auch Martina schaute jetzt prüfend an sich herunter und seufzte dann. „Ich fürchte, du hast recht. Diesen Aufzug könnte man mir übel nehmen. Und dabei hasse ich es, geschniegelt herumzulaufen. Und womöglich müssen wir uns noch dreimal am Tag umziehen. Das gefällt mir natürlich gar nicht“, stellte sie düster fest.

„Du willst doch jetzt nicht etwa kneifen? Sei bloß nicht verrückt. Tausende von Menschen träumen davon, einen solchen Preis zu gewinnen, und du willst nicht?“

„Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht will“, wehrte sie ab. „Aber so ganz mein Fall ist das nicht.“

„Nun mach aber mal einen Punkt“, forderte Chris energisch. „Am Wochenende gehen wir zusammen einkaufen, dann wird deine Erkältung wohl auch weg sein. Und jetzt sofort werden wir ganz einfach einen Termin ausmachen und buchen.“

Wenn Christiane auf diese Weise energisch wurde, hatte es wenig Zweck zu widersprechen, wie Martina wusste. Sie konnte in manchen Dingen ausgesprochen stur sein. Und dazu gehörte auch, dass sie ständig auf der Suche nach einem Mann für ihre Freundin war. Schließlich war Martina eine attraktive Frau. Und nach dem Reinfall mit einem Mann musste sie es sich doch nicht mit allen verderben. Aber das sagte sie besser nicht laut, da wurde dann Martin ausgesprochen empfindlich.

„Also, auf in die Einkaufsschlacht“, verkündete Martina mit wenig Begeisterung. Chris lachte über das ganze Gesicht.

„Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn wir aus dir nicht noch eine große Dame machen.“

Martina schüttelte sich unwillkürlich. „Eine große Dame, ja? Und dann hängst du mir gleich diesen Graf Dingenskirchen an, dem das Hotel gehört?“

„Warum nicht?“, lachte Chris. „Gräfin Martina hört sich doch ausgesprochen edel an, oder nicht?“

4

An der Rezeption des Schlosshotels Unstrut war man mit verbindlicher Freundlichkeit auf Martinas Wünsche eingegangen, und so war der Termin schnell gefunden.

Martinas Chef hatte sich mit ihr gefreut, und so war eben als Problem wirklich nur der Einkaufsbummel geblieben, aus dem Chris eher einen Kleidermarathon machte. Martina hatte vieles ablehnen wollen: zu teuer, zu vornehm, zu elegant, passt nicht zu mir. Aber ihre Freundin hatte nicht locker gelassen.

Doch je näher jetzt der Reisetermin rückte, umso aufgeregter und nervöser wurde die junge Frau. Sie hatte in ihrem Beruf zwar viel mit Menschen zu tun, trotzdem war sie eher schüchtern anderen gegenüber, wenn es nicht um ihre Arbeit ging. Und so bekam sie jetzt einen regelrechten Horror davor, als Ehrengast zu diesem Aufenthalt anzureisen.

„Nun sei doch nicht so überdreht“, mahnte Christiane. „Niemand wird dir den Kopf abreißen. Im Übrigen bist du eine hochintelligente Frau, die mit beiden Beinen fest auf der Erde steht. Was macht dir also jetzt Sorgen?“

„Stell dir nur mal vor, welche Art Leute dort verkehren“, seufzte Martina. „Ich werde bestimmt auffallen wie ein gescheckter Hund.“

„So ein Unsinn, du machst das schon. Und außerdem bin ich ja auch noch dabei. Solltest du dich wirklich danebenbenehmen, wird man es sicher mir zuschreiben.“

Martina konnte nicht anders, sie lachte laut auf. „Du bist wirklich verrückt.“

„Kann schon sein“, grinste Chris. „Aber es scheint mir eine nette Art von Verrücktheit, sonst hätte man mich schon eingesperrt.“

„Also gut“, Martina gab sich einen Ruck. „Nächste Woche fahren wir, es bleibt dabei.“

Aber das flaue Gefühl im Magen blieb doch noch vorhanden, Martina hatte schlicht und ergreifend Angst.

5

Die Landschaft war im Verlauf der letzten zwei Stunden immer malerischer geworden. Martina und Chris fuhren in Martinas kleinem Corsa vor dem Hotel vor.

Schon aus der Ferne war das Schloss zu sehen gewesen. Es war viereckig, und an den Ecken gab es dicke Rundtürme. Gepflegte Parklandschaft erstreckte sich schon lange vor der direkten Zufahrt, und das ganze Anwesen machte einen ausgesprochen teuren Eindruck. Eine große Freitreppe befand sich direkt vor dem Portal. Und als Martina den Wagen jetzt anhielt, kamen zwei Männer wie auf Kommando heraus. Der eine ging um den Wagen herum, öffnete Martina die Tür und ließ sie aussteigen. Dann bat er um den Schlüssel, während der andere sich am Kofferraum postierte, nachdem er Christiane die Tür geöffnet hatte. Er nahm die beiden schweren Koffer mit einer Leichtigkeit heraus, die von langer Übung zeugte.

Martina wirkte ein wenig verlegen, sie war es nicht gewöhnt, dass jemand ihr die Arbeit abnahm, aber sie sagte nichts. Augenscheinlich musste das hier so sein.

Die beiden Frauen stiegen die Freitreppe hoch und betraten die Empfangshalle. Sie war sehr geschmackvoll eingerichtet. Es gab viele Grünpflanzen, einen großen, aber nur dezent leise plätschernden Springbrunnen, gemütliche Sitzecken und dicke Teppiche. Die Rezeption war geschickt in den Raum eingepasst, und dahinter stand eine junge schwarzhaarige Frau, die den beiden neuen Gästen erwartungsvoll entgegenlächelte.

„Wir sind Martina Johannsen und Christiane Jansen“, erklärte Chris resolut, als Martina keine Anstalten machte sich anzumelden.

Das Lächeln im Gesicht der jungen Frau wurde womöglich intensiver. „Wie schön, dass Sie schon so früh anreisen konnten. Hatten Sie eine gute Fahrt? Ich bin Inga und werde mich bemühen, alles für Sie zu arrangieren, was Sie wünschen. Nun möchte ich Sie bitten, einen Augenblick zu warten.“

Sie verschwand im Hintergrund in einem Raum, und Martina, der das Herz bis zum Halse pochte, wäre in diesem Augenblick am liebsten wieder gegangen. Aber dann erstarrte sie fast zur Salzsäule.

Aus dem Raum trat ein Mann und kam mit einem professionellen Lächeln auf die beiden Frauen zu. Dann blickte er Martina bewusst ins Gesicht, stockte und blieb für einen Augenblick stehen.

Martina fühlte sich unwohl. Hatte sie sich vielleicht falsch gekleidet? Aber nein, sie trug das neue Kostüm, das sie ja schließlich speziell für diesen Anlass gekauft hatte; mitternachtsblaue Wildseide mit einer raffiniert geschnittenen Jacke im Mandarinstil, und darunter eine goldgelbfarbene Seidenbluse. Die Haare hatte sie mit einer Spange im Nacken zusammengebunden, und sie sah einfach nur entzückend aus, wie Chris festgestellt hatte.

Das Lächeln im Gesicht des Mannes veränderte sich jetzt, es wirkte nicht mehr professionell, sondern persönlich, ja fast herzlich. Mit ausgestreckter Hand ging er auf Martina zu und stellte sich vor.

„Ich bin Richard von Enningsen“, sagte er und schaute Martina tief in die Augen. Die war jetzt vollkommen verwirrt, und Christiane bemerkte mit diebischer Freude, dass dieser Mann ihre Freundin ganz aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Aber sie musste zugeben, er sah auch unverschämt gut aus. Aus einem markanten, braungebrannten Gesicht heraus blitzten zwei braune Augen, das dunkle Haar zeigte an den Schläfen erste Grauschimmer, und die Stimme klang wie eine Mischung aus Samt und Seide. Er trug eine graue Kaschmirhose von perfektem Schnitt und ein seidenes hellblaues Hemd mit einer geschmackvollen Krawatte, was seine Bräune noch betonte.

Er hielt Martinas Hand länger, als es die Schicklichkeit erforderte, und schien gleich auf den ersten Blick von ihr fasziniert zu sein.

Aber Martina erging es ähnlich. Das war so ein Typ, den sah man sonst höchstens in einem Kinofilm, doch dass solche Exemplare frei herumliefen, war ihr neu.

„Ich freue mich ganz besonders, Sie hier im Schlosshotel begrüßen zu dürfen. Sollten Sie einen Wunsch haben, zögern Sie bitte nicht, mich das wissen zu lassen.“ Er schien nur zu Martina zu sprechen, aber schließlich riss er sich von ihrem Anblick los und reichte auch Chris die Hand.

„Das gleiche gilt natürlich auch für Sie. Ich freue mich wirklich, Sie hier zu sehen und hoffe, Sie beide werden einen unvergesslichen Aufenthalt haben.“

Martina räusperte sich, als hätte sie einen dicken Kloß im Hals.

„Sie sind sehr freundlich, Graf“, sagte sie dann. „Und ich bin sicher, dass wir uns hier wohlfühlen werden.“

„Darf ich Ihnen jetzt Ihr Appartement zeigen?“, fragte er weich. „Nach der Reise werden Sie sich sicher etwas frisch machen wollen.“

Mit geschmeidigen Schritten ging er voran und führte die beiden Frauen in ein großzügig eingerichtetes Appartement, in dem bereits ihre Koffer standen. Es handelte sich um insgesamt drei Zimmer, ein großzügig gestalteter Wohn-Schlaf-Bereich und ein kleines Ankleidezimmer wurden ergänzt durch ein wunderschönes, riesiges Bad mit allen Annehmlichkeiten.

„Das ist ja traumhaft“, bemerkte Chris und ließ sich ganz ungeniert in den nächsten Sessel fallen, während Martina sich fast ein wenig eingeschüchtert umsah.

Graf Richard stand da und beobachtete Martina. Dann räusperte er sich.

„Darf ich mir erlauben, Sie beide heute Abend in meinen Privaträumen zum Essen einzuladen? Sie würden mir damit eine große Freude machen, und es wäre auch sicher dem Hauptpreis, den Sie ja gewonnen haben, angemessen. Schließlich sind Sie sehr wichtige Persönlichkeiten.“

Martina riss sich energisch zusammen. Was fiel ihr eigentlich ein, hier wie ein kleines, albernes Mädchen rot zu werden und nach Worten zu suchen. Das war für sie doch nun wirklich nicht angebracht. Also straffte sie die Schultern und verzog die Lippen zu einem Lächeln, obwohl ihre Augen im Augenblick eine ganz andere Sprache anzeigten, sie hatte sich auf den ersten Blick hoffnungslos verliebt, was ihr allerdings noch nicht klar war.

„Wir freuen uns sehr über die Einladung, Graf, und nehmen sie gerne an.“

Noch immer zögerte Graf Richard wieder zu gehen, gab sich dann aber einen Ruck und schaute Martina noch einmal intensiv an. „Sie machen mir damit eine große Freude“, versicherte er treuherzig, und es klang fast ehrlich.

Dann schloss sich die Tür hinter ihm, und Christiane fing vor Lachen an zu prusten.

„Was soll das denn heißen?“, fauchte Martina ungewollt. „Was ist denn hier so lächerlich?“

Jetzt prustete Chris erst richtig los. „Ich hab es ja nicht geglaubt, aber du meine Güte, es gibt sie wirklich: Die Liebe auf den ersten Blick!“

„Wovon redest du eigentlich?“, fragte Martina verständnislos.

„Ach, nun tu doch nicht so“, lachte Chris. „Ein Blinder mit einem Krückstock konnte sehen, dass ihr euch gegenseitig angehimmelt habt.“

„Also wirklich, ich finde, du übertreibst maßlos“, rügte Martina ihre Freundin.

„Und ich finde, er sieht verdammt gut aus“, antwortete die.

„Nun, er scheint nett zu sein“, wiegelte Martina ab, aber die Augen von Chris sprühten vor Vergnügen.

„Ganz bestimmt sogar ist er nett, sehr nett sogar“, fuhr sie dann fort. Und ich kann mich einfach nicht erinnern, dass ein Essen in seinen Privaträumen mit zum Preis gehörte.“

„Aber du hast doch gehört ...“

„Ich habe gehört“, bestätige Chris lachend. „Eigentlich bin ich ja das fünfte Rad am Wagen und sollte wohl besser hierbleiben.“

„Auf gar keinen Fall“, fuhr Martina auf. „Du willst mich doch nicht etwa mit diesem Mann allein lassen.“

„Nun, weißt du, ich eigne mich nicht besonders gut als Anstandsdame.“

Martina ließ sich in den anderen Sessel fallen und griff nach der Hand von Christiane. „Tu mir das nicht an“, bat sie. „Lass mich nicht mit ihm allein. Der Mann beunruhigt mich.“

„Das hoffe ich doch sehr. Zumindest dann, wenn er noch nicht vergeben ist. Hast du einen Ring gesehen?“

„Ach, das muss nichts heißen, wenn da keiner ist“, erwiderte Martina leichthin. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ein Mann wie er noch nicht verheiratet sein soll.“

„Vielleicht ist er wählerisch und hat nur auf dich gewartet.“

„Jetzt ist aber Schluss mit diesem Thema“, bestimmte Martina. „Wir sollten uns umziehen und das Hotel ein bisschen erkunden.“

Dies war nun ein praktischer Vorschlag, dem Chris sich gerne anschloss.

6

Graf Richard klopfte das Herz bis zum Halse. Martina Johannsen schien auf den ersten Blick die Frau zu sein, von der er sein Leben lang geträumt hatte. Wirklich, der erste Blick war entscheidend gewesen, ein Umstand, den er nie vorher geglaubt hätte.

Er hatte versucht seine Verwirrung zu überspielen, war sich aber nicht sicher, ob ihm das gelungen war. Doch diese Frau wollte, nein, musste er auf jeden Fall näher kennenlernen, sie verkörperte genau das, was er sich gewünscht hatte. Und so war ihm die spontane Idee zu einer Einladung in seine Privaträume gekommen. Allerdings gab es da ein kleines Problem. Die Freundin seiner Angebeteten war eigentlich ein Störfaktor, den er im Augenblick aber in Kauf nehmen musste. Doch auch da würde sich eine Lösung finden lassen.

Fröhlich pfeifend ging er in sein Büro und griff gleich nach dem Telefon. Er war sicher, genau den passenden Tischherrn für Christiane zu haben. Und so zögerte er nicht eine Sekunde ihn herzuzitieren.

„Duncan, kommst du bitte mal in mein Büro, es ist wichtig!“

7

Duncan Harrisford war achtundzwanzig Jahre alt, stämmig gebaut, mit leuchtend blondem Haar und strahlend blauen Augen. Er war durch weitreichende Familienverbindungen mit dem Grafen verwandt, Schotte von Geburt her, und verbrachte jetzt ein Jahr im Schlosshotel, um seine Ausbildung weiterzuführe n. Er war gelernter Hotelfachmann und würde später einmal das heimische Hotel in Schottland übernehmen. Und jetzt traf es sich für Graf Richard ausgesprochen gut, dass er für ihn zu Verfügung stand.

Duncan war ein ruhiger Typ, aber ganz sicher würde er an Chris Gefallen finden, und sei es nur für diesen Abend, die beiden waren auf jeden Fall wie Feuer und Wasser, und Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. Außerdem schien Chris schlagfertig und dabei sehr nett zu sein. Das war zumindest der Eindruck, den Graf Richard von ihr hatte.

Duncan maulte zunächst ein wenig, weil er so regelrecht abkommandiert wurde, aber er sträubte sich auch nicht lange, vielleicht wurde es ja auch ein netter Abend.

Graf Richard pfiff noch einmal fröhlich vor sich hin, bevor er sich gutgelaunt an seine Arbeit machte.

8

Martina und Chris hatten gerade das im Keller eingebaute Schwimmbad entdeckt. Zusätzlich gab es eine Sauna und Massageräume, es war wirklich an alles gedacht.

„Eine Runde schwimmen wäre jetzt genau das richtige“, stellte Chris begeistert fest. „Und danach ein gemütlicher Kaffeeklatsch und später eine Partie Badminton auf dem Platz.“

Martina lächelte und studierte einen Aushang. „Wir können hier auch Golfen lernen.“

„Das ist mir zu snobistisch. Aber Minigolf, das liegt mir“, verkündete Christiane.

„Es ist vollkommen egal, was wir tun, wir haben Urlaub“, sagte Martina.

Chris schaute sie skeptisch an. „Willst du mir jetzt allen Ernstes erzählen, dass du zwei Wochen ohne deine geliebten Computer auskommen kannst?“

Martina lachte auf. „Nein, wahrscheinlich nicht. Mal sehen, was sich in dieser Beziehung hier noch finden lässt.“

Nachdem die beiden im Schwimmbad ausgiebig herumgeplanscht hatten, ließen sie sich dankbar in die bequemen Liegestühle sinken, die für die Gäste bereitstanden. Lautlos tauchte ein Kellner auf und fragte nach ihren Wünschen.

„Es ist erstaunlich leer hier unten“, stellte Martina dann fest.

„Schau mal auf die Uhr, es ist kurz vor Mittag. Ich bin sicher, dass sich die meisten Leute gerade umziehen, um perfekt gestylt im Speisesaal aufzutauchen.“

Martina zog eine Flunsch. „Du hast recht, schwimmen macht hungrig. Aber ich werde mich trotzdem nicht dreimal umziehen, nur um jedes Mal andere Garderobe vorzuführen.“

„Ich glaube auch nicht, dass das jemand von uns erwartet“, meinte Chris. „Und falls wir jemandem nicht gefallen, muss er halt eben weggucken.“

„Du hast recht, das ist die richtige Einstellung. Lass uns den Mittagstisch stürmen, ich könnte ein Ochsenviertelchen verdrücken, so hungrig bin ich.“

9

Die Privaträume Graf Richards befanden sich im Westflügel, der für die Hotelgäste gesperrt war. Nur zu besonderen Gelegenheiten wurden einige der Säle für die Öffentlichkeit freigegeben. Hier befand sich im Erdgeschoss auch ein riesiger Spiegelsaal, der zusätzlich eine Gemäldegalerie beherbergte, die einen besonderen Anziehungspunkt bei den Familienfesten der weitverzweigten Linie derer von Enningsen bildete. Graf Richard führte seine beiden Gäste mit einem gewissen Stolz durch diesen Saal und freute sich darüber, dass besonders Martina beeindruckt war. Er konnte noch nicht wissen, dass es ihr immer wieder eine Freude war, durch Gemäldegalerien zu gehen und die Kunst der alten Meister zu bewundern. Deswegen erstarrte sie aber noch lange nicht in Ehrfurcht vor dieser Galerie.

Christiane nahm das Ganze gelassener. Sie machte sich nicht viel aus Malerei, und die Gemälde waren für sie nicht viel mehr als eine historische Ansammlung von Porträts, auf denen man bestenfalls die Familienähnlichkeit erkennen konnte. Aber Martina erkannte sehr wohl die feine Pinselführung und auch einige große alte Meister.

Vom Spiegelsaal aus ging es weiter in die kleineren intimeren Räume, wie Graf Richard sie lächelnd nannte. Fast alle Räume waren mit antiken Möbeln eingerichtet, hatten teure Seidentapeten oder wertvollen Stuck an Decken und Wänden.

„Diese ganze Pracht kann einen ja erschlagen“, bemerkte Christiane respektlos.

Der Graf lächelte. „Da muss ich Ihnen recht geben. Und deswegen gibt es schon noch ein paar Zimmer, die ich nach meinen Geschmack eingerichtet habe.“

Das Esszimmer entpuppte sich als eines d avon, und hier herrschten nun doch andere Farben und Formen vor. Helles Eichenholz in modernem Design gab es, und warme Farben bei Teppichen und Tapeten. Ein großer runder Tisch war für vier Personen mit wertvollem Porzellan und Kristall gedeckt, und als die drei jetzt hereinkamen, erhob sich jemand von einem Stuhl. Leuchtend blondes Haar, blaue Augen, eine kräftige Figur – ein Tischherr für Chris, wie Martina belustigt feststellte. Der Mund des Mannes zeigte ein höfliches Lächeln, das plötzlich übersprang zu einer erfreuten Miene, als er Chris erblickte. Graf Richard dachte sich seinen Teil und war zufrieden.

„Darf ich Ihnen meinen Cousin Duncan Harrisford vorstellen? Er stammt aus Schottland und lebt für ein Jahr hier und macht im Hotel ein Volontariat.“

„Ich freue mich, den Abend in so reizender Gesellschaft verbringen zu dürfen“, sagte er galant und küsste Chris die Hand.

Sie wurde puterrot und entzog ihm ihre Hand ganz schnell wieder. Martina lächelte nachsichtig, fast schadenfroh, und auch Graf Richard konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Das Essen selbst war dann hervorragend und zeugte von der guten Schlossküche.

Zunächst war die Stimmung noch etwas verhalten, es war wie ein gegenseitiges Beschnuppern, ein Abtasten, aber schließlich gewann die Frohnatur in Chris wieder die Oberhand, und es erklang ihr fröhliches Gelächter, das so ansteckend wirkte, dass das Eis zwischen den vier Personen bald zerbrach. Graf Richard war fasziniert von Martina, die mit ihren klugen und manchmal etwas bissigen Bemerkungen viel dazu beitrug, dass das Gespräch nicht ins Stocken kam und kein Thema zerredet wurde. Außerdem legte sie ihre Schüchternheit ab und vergaß fast ganz, in welcher Umgebung sie sich befand.

Nach dem Essen bat Graf Richard seine Gäste auf die Dachterrasse. Er hatte sich immer mehr für Martina erwärmt, und fühlte sich stark zu ihr hingezogen. So führte er jetzt stolz die Terrasse vor, die nicht jeder zu sehen bekam. Vor einigen Jahren hatte er sie mit einem großen Kostenaufwand einbauen lassen, aber diese Ausgabe bisher noch keine Minute bereut.

Die Terrasse verfügte über ein gläsernes Dach und befand sich im obersten Stockwerk, so dass man ungehinderten Blick auf einen klaren Sternenhimmel haben konnte, wenn das Wetter es zuließ. In so wundervollen lauen Nächten konnte man auch die Glastüren öffnen und die Nachtluft ungehindert genießen. Und das taten die vier bei Kaffee und Cognac.

Es hatte sich nicht nur rein zufällig ergeben, dass Martina und Graf Richard zusammensaßen, ebenso wie Chris und Duncan, die Gespräche waren mittlerweile auch etwas persönlicher geworden. Der Graf fragte Martina nach ihrer Arbeit aus, die er für sehr interessant hielt, da auch das Schlosshotel über eine Computeranlage mit Netzwerk verfügte, bei der von Zeit zu Zeit Probleme auftraten. Martina verstand es anschaulich zu erzählen, und im Gegenzug berichtete der Graf kleine Anekdoten über einige skurrile Hotelgäste. Zwischen den beiden herrschte ein Einverständnis, als würden sie sich seit Ewigkeiten kennen, und beide waren ein wenig verwundert darüber.

Aber auch Chris und Duncan schienen sich gesucht und gefunden zu haben. Sie saßen eng beieinander, und wie Martina mit einem erstaunten Seitenblick feststellte, hatte Chris es zugelassen, dass der Schotte seinen Arm um sie gelegt hatte. Sie freute sich für ihre Freundin, denn bisher war Chris immer der Meinung gewesen, es gäbe keinen Mann, der zu ihr passte. Augenscheinlich hatte sich das gerade geändert.

Und sie selbst, überlegte sie flüchtig. Sie fühlte sich angezogen von diesem Mann, der leider ein Graf war, aber sie dachte in keiner Sekunde an eine ernsthafte Beziehung, dazu schienen ihr die Welten einfach zu unterschiedlich. Aber ein bisschen zu flirten war sicher nichts Schlimmes, im Übrigen hatte sie Urlaub, und dieser Mann war attraktiv und gebildet. Martina genoss diesen Abend ganz einfach.

Es war schon weit nach Mitternacht, als sich die beiden Frauen verabschiedeten und in ihr Appartement zurückkehrten. Und jetzt plötzlich schienen die beiden jungen Frauen wie aus einem Traum zu erwachen. Martina strich sich verlegen die Haare aus der Stirn.

„Sag mal, kann es sein, dass wir beide heute Abend ganz furchtbar geflirtet haben?“

Chris nickte eifrig und grinste. „Und wie. Und weißt du was, es hat Spaß gemacht. Schade eigentlich, dass daraus nichts werden kann.“

„Warum denn nicht?“, fragte Martina erstaunt. „Ich hatte eigentlich das sichere Gefühl, dass du und Duncan ...“

„Martina, komm zu dir, das ist ein schottischer Lord.“

„Und du bist eine kluge deutsche Frau. Wo ist das Problem?“, konterte sie.

„Ach, komm, mach mich nicht verrückt. Es ist nicht gut, wenn ich mich in Träume versteige. Das wird und kann nichts geben, aber für einen Abend war es wunderschön.“

„Sei nicht so pessimistisch“, schalt Martina. „Du wirst sehen, morgen früh steht er vor der Tür und lädt dich zum Angeln ein.“

„Angeln? Igitt!“

„Naja, oder zum Golfspielen, auch wenn das für ihre hochwohlgeborene Madam Jansen zu snobistisch ist.“

„Willst du mich eigentlich auf den Arm nehmen?“

„Aber ja“, lachte Martina. „Das ist die einzige Möglichkeit, wie wir beide auf dem Teppich bleiben können.“

Die beiden Frauen gingen zu Bett, aber es dauerte noch sehr lange, bis sie einschlafen konnten. Viel zu schön war dieser Abend verlaufen. Und Martina bemerkte mit einer gewissen Wehmut, dass dieser Graf so ganz anders war, als ihr Freund, mit dem sie vor drei Jahren so schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Nicht alle Männer waren gleich, das war auch Martina klar, aber Graf Richard schien ein ganz besonderes Exemplar dieser Gattung zu sein. Und Martina Johannsen gestattete sich für eine Nacht romantische Träume.

10

„He, du Penntüte, die Sonne steht hoch am Himmel. Wie lange willst du hier eigentlich noch den Tag verschlafen?“

Jemand schüttelte Chris unsanft an der Schulter, und sie kämpfte sich aus den Tiefen eines Traumes herauf in die Wirklichkeit.

Martina stand fertig angezogen vor ihr und lachte sie schelmisch an. „Es ist halb acht, und ich habe einen furchtbaren Kaffeedurst. Und wenn du jetzt nicht ganz schnell aufstehst, dann gehe ich allein frühstücken.“

„Oh, was bist du gemein“, murrte Chris. „Ich habe so schön geträumt.“

„Ja, die Betten sind gut hier“, meinte Martina, ihre Freundin absichtlich missverstehend.

„Wie kann man nur so grausam sein“, schimpfte Chris nicht ganz ernsthaft, stand dann aber gehorsam auf und trabte ins Bad.

Wenig später befanden die beiden sich dann auf dem Weg zum Speisesaal, wo sie eine Überraschung erwartete. Extra für sie beide war ein Tisch besonders gedeckt worden, mit zwei wundervollen Blumensträußen und jeweils einem Umschlag auf dem Teller. Darin befanden sich Briefe, die jeweils das Gleiche aussagten, wenn auch mit anderen Worten.

Die beiden Männer dankten den Damen für den wunderschönen Abend und luden sie gleichzeitig für den Nachmittag zu einem Ausflug ein.

Martina hielt den Brief nachdenklich einige Zeit in der Hand, während sie in ihre Kaffeetasse starrte und mit ihrem Messer imaginäre Muster auf das Tischtuch zeichnete.

„Stimmt was nicht?“, wollte Chris wissen. „Das ist doch eigentlich ein netter Vorschlag.“

Martina seufzte. „Weißt du, das geht weit über die Freundlichkeit hinaus, die man dem Gewinner eines Preisausschreibens entgegenbringt.“

Chris grinste. „Ich glaube, irgendwo hast du etwas nicht mitbekommen. Der Graf hat sich doch auf den ersten Blick in dich verliebt.“

„Ach, du spinnst ja“, kam die entrüstete Antwort. „Er wollte nichts weiter als freundlich sein, und dafür bin ich ihm sehr dankbar.“

„Du bist ganz schön komisch“, stellte Chris sachlich fest. „Mir dichtest du gleich den schottischen Lord an, aber du selbst ...“

„Ich selbst bin ein gebranntes Kind“, warf Martina ein.

„Du kannst aber nicht alle Männer über einen Kamm scheren. Und du kannst dich auch nicht ewig vor dem Leben verkriechen. Nimm doch diese Einladung einfach an und amüsier dich. Schließlich verpflichtet sie dich zu nichts.“

„Ist das so einfach?“, fragte Martina noch immer skeptisch.

„Wenn du dir unbedingt das Leben selbst schwer machen willst, natürlich nicht“, meinte Chris spöttisch.

„Du kannst ganz schön ekelhaft sein“, stellte Martina fest. „Und sowas nennt sich beste Freundin.“

„Nur beste Freundinnen können so ekelhaft sein“, korrigierte Chris sanft. „Weil nur beste Freundinnen den Mut haben, die Wahrheit zu sagen.“

„Na ja, warum eigentlich nicht“, sagte Martina dann spontan. „Aber erst mal werden wir uns heute Morgen so richtig verwöhnen lassen. Mit einer Gurkenmaske und einer Massage. Was hältst du davon?“

„Gurken sind mir auf dem Teller wesentlicher lieber als im Gesicht. Aber wenn du meinst, dass es hilft.“

„Einen Versuch ist es wert.“

„Die letzte Optimistin“, spöttelte Chris. „Aber wenn der heutige Nachmittag so verläuft wie der gestrige Abend, werden wir viel zu lachen haben. Und lachen macht schön.“

„Und du glaubst, das hilft noch? Ich bin jenseits der dreißig“, gab Martina spottend zurück.

Chris verschluckte sich vor Lachen fast an ihrem Kaffee, aber damit war die gute Laune erst mal wieder hergestellt.

11

„Ich hätte nie gedacht, dass das so gut tun kann.“ Martina räkelte sich genüsslich wie eine Katze auf der Liege, während eine Masseurin die Muskeln durchwalkte.

„Wie recht du hast“, murmelte Chris fast schläfrig. Auch sie befand sich unter den erfahrenen Händen einer Masseurin, und fühlte, wie sich ihr Körper wohlig entspannte.

„Das ist einfach fantastisch. Kannst du nächstes Jahr den gleichen Preis noch einmal gewinnen?“

Martina lachte kurz auf. „Woher soll ich das wissen? Du bist doch die Hellseherin. Verrat du es mir.“

„Ach, so ein Pech aber auch, ich habe meine Kristallkugel vergessen.“

Nach der Massage wurden die beiden Frauen in weiche Bademäntel gehüllt, und man führte sie in einen Aufenthaltsraum, wo sie noch etwas entspannen konnten, bevor die Kosmetikerin sich mit ihnen befassen würde.

Zwei Stunden später fühlten sich die beiden komplett wie neugeboren. Geschickte Hände hatten wirklich eine Gurkenmaske aufgetragen, die Haut dann gründlich gereinigt, und schließlich ein sanftes Tages-Make-up angelegt. Martina und Chris betrachteten sich neugierig im Spiegel und waren erstaunt. So schön, so neu konnten sie aussehen, fast als wären sie gar nicht sie selbst.

Die beiden kehrten zurück in ihr Appartement und zogen sich an, um anschließend zum Mittagessen zu gehen. Und noch während sie beim Dessert saßen, kamen Graf Richard und Lord Duncan mit strahlenden Gesichtern auf sie zu.

„Den ganzen Tag freuen wir uns schon auf das Wiedersehen“, erklärte der Schotte und blickte Chris tief und verliebt in die Augen.

„Sie sind ein Schmeichler“, erklärte Chris, „aber ich glaube, das gefällt mir.“

„Dürfen wir Ihnen beim Nachtisch noch Gesellschaft leisten?“, fragte Graf Richard, und Martina nickte. Sie fühlte plötzlich ihr Herz ganz schrecklich klopfen, und ihre Hände zitterten leicht. Dieser Mann beunruhigte sie zutiefst. Meinte er es wirklich ehrlich? Oder spielte er nur mit ihr?

Martina vergaß fast, dass sie sich vorgenommen hatte, höchstens selbst ein bisschen zu flirten, es aber nicht zu einer Beziehung kommen zu lassen. Sie hatte Angst davor, wieder verletzt zu werden, und doch fühlte sie sich in der Nähe dieses Mannes seltsam wohl. So innerlich zerrissen, wäre sie am liebsten davongelaufen, aber das hätte wie Feigheit vor ihr selbst ausgesehen, und das gestattete sie sich nicht.

Mit regelrecht erzwungener Ruhe ließ sie es zu, dass Graf Richard ihre Hand an die Lippen führte.

„Ich habe in dieser Nacht nur von Ihnen geträumt“, sagte er leise, und Martina fühlte, wie sie unwillkürlich rot wurde, obwohl das sicher ein Schwindel war.

Chris schaffte es, die Schmeichelei ins Humorvolle abgleiten zu lassen.

„Hatten Sie sonst nichts Besseres zu tun?“

Der Graf lachte auf. „Ich war eigentlich der Meinung, es waren angenehme Träume. Aber viel schöner ist es natürlich, Sie jetzt vor mir zu haben. Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen und sind mit dem Service hier zufrieden. Ich sehe, dass Sie sich schon in erfahrene Hände begeben haben. Das ist sehr gut.“

„Es könnte nicht besser sein“, sagte Martina. „Ich fühle mich jetzt schon wie ein neuer Mensch.“

„Ja, ich sehe, unsere Kosmetikerinnen haben ganze Arbeit geleistet. Sie sehen noch hinreißender aus als gestern.“

Chris schien diese seltsame Befangenheit, die Martina in den Klauen hielt, gar nicht zu bemerken. Sie schaute Duncan immer wieder tief in die Augen, was der Schotte allerdings ebenso hielt.

„Wie wäre es mit einer Partie Tennis?“, schlug Graf Richard vor, aber Martina versuchte erschreckt abzuwehren.

„Wir haben nicht die passende Kleidung, und wir sind auch nicht besonders gut im Tennisspielen.“

„Für die passende Kleidung können wir sorgen“, erklärte der Graf lächelnd. „Und alles Übrige ergibt sich beim Spiel, schließlich wollen wir kein Turnier austragen, sondern nur ein Mixed zum Spaß.“

Martina blieb skeptisch, aber binnen weniger Minuten hatte der Graf passende Kleidung aufgetrieben, sowie gute Schläger und Schuhe für die beiden Anfängerinnen.

Martina konnte nicht wissen, dass der Graf schon längst einen Platz hatte reservieren lassen, denn normalerweise waren die guten Plätze hier heiß begehrt und nur selten frei.

Die beiden Frauen stellten sich dann auch gar nicht so übel an. Die Grundregeln des Spiels beherrschten sie wohl, hatten aber mangels Gelegenheit fast nie gespielt. Doch jetzt wurde es eine ausgesprochen lustige Partie, die Chris und Duncan haushoch gewannen, während der Graf und Martina damit beschäftigt waren, sich gegenseitig zu necken, statt die Bälle zu jagen.

„Hätten Sie Lust, heute Abend mit mir tanzen zu gehen“, fragte er dann, als sie zum Haus zurückkehrten. „Oder haben Sie schon etwas geplant? Ich will mich nicht aufdrängen, aber ...“

Die junge Frau wirkte für einen Augenblick irritiert, aber der Graf lächelte. „Soweit ich weiß, will Duncan mit Ihrer Freundin ebenfalls ausgehen, was aber nicht bedeuten muss, dass wir zusammen gehen müssen.“

„Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich das gerne mit Christiane besprechen“, sagte Martina und winkte ihm noch einmal zu, während sie dem Fahrstuhl zustrebte, um schnell unter die Dusche zu gehen.

12

„Das geht mir alles ein wenig zu schnell“, sagte Martina laut, während sie abwechselnd heißes und kaltes Wasser über ihren Körper prasseln ließ. Chris hörte durch die offene Badezimmertür zu.

„Schreckst du etwa immer noch davor zurück, ihn nett zu finden“, schrie Chris zurück.

„Nein, ich finde ihn schon nett. Aber ich habe das Gefühl, er überfährt mich. Und du? Geht es dir mit Duncan nicht genauso?“

„Nein, eigentlich nicht“, meinte Chris. „Es war vom ersten Augenblick etwas so Vertrautes, als ob wir uns schon ewig kennen würden. Und ich fühle mich von ihm durchaus nicht überfahren.“

„Dann ist es für dich in Ordnung heute Abend getrennt auszugehen?“

„Warum nicht? Oder hast du Angst?“, spöttelte Chris.

Martina kam mit einem kleidsamen Badetuch um den Körper aus dem Bad und rubbelte sich die Haare mit einem anderen Handtuch.

„Ich habe vor nichts und niemand Angst. Ich weiß nur nicht, ob ich das Richtige tu.“

„Wenn du es nicht ausprobierst, dann wirst du es auch nicht wissen“, erklärte Chris praktisch.

„Du nimmst das alles so locker“, seufzte Martina. „Was ist, wenn unser Urlaub zu Ende ist? Oder noch viel schlimmer? Was ist, wenn sich dann eine Beziehung aufgebaut hat?“

Chris stand auf, ging zu ihrer Freundin und fasste sie bei den Schultern, während sie ihr ernst ins Gesicht schaute. „Wenn sich etwas aufbaut, Martina, dann ist es bestimmt von beiden Seiten, und das fühlen dann auch beide, und dann wird sich immer eine Lösung finden lassen. Wenn wir aber am Ende des Urlaubs feststellen, nun gut, es war eine schöne Zeit, aber mehr wird nicht daraus, dann sagen wir fröhlich auf Wiedersehen, und der Fall hat sich. So, und jetzt gehe ich unter die Dusche. Wenn du noch weiter herumgrübeln willst, kannst du das gerne tun, ich jedenfalls werde heute Abend mit Duncan ausgehen.“

Vielleicht waren es genau diese Worte, die Martina gebraucht hatte, jedenfalls stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen, und sie fasste einen Entschluss. „Du hast vollkommen recht, geh unter die Dusche.“

13

Die Disco war laut, völlig überfüllt und voller Rauch, und trotzdem fühlten sich Richard und Martina allein wie auf einer Insel inmitten all der Menschen. Sie hatten zuerst etwas getanzt, dann etwas getrunken, und wieder getanzt. Jetzt aber saßen sie an einem winzigen Tisch, schauten sich an und versuchten mit den Augen all das zu sagen, was mit den Lippen im Lärm untergehen würde.