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Jung, Franz

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The Project Gutenberg EBook of Gnadenreiche, unsere Königin, by Franz JungThis eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and withalmost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away orre-use it under the terms of the Project Gutenberg License includedwith this eBook or online at www.gutenberg.orgTitle: Gnadenreiche, unsere KöniginAuthor: Franz JungRelease Date: July 13, 2014 [EBook #46267]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GNADENREICHE, UNSERE KÖNIGIN ***Produced by Jens Sadowski

FRANZ JUNGGNADENREICHE,UNSERE KÖNIGIN

LEIPZIG KURT WOLFF VERLAG 1918

BÜCHEREI DER JÜNGSTE TAG BAND 42GEDRUCKT BEI DIETSCH & BRÜCKNER • WEIMAR

DIE KRISE

»Ich will nicht mehr,« sagte Maria und warf die Karten hinter sich auf das Fensterbrett. Draußen regnete es.

Der Wald klebte an den Bergwänden wie ein schleimiger, schwammiger Aussatz.

Sie spielten den ganzen Tag Karten, er gab sich Mühe, geschickt zu verlieren. Von Zeit zu Zeit sagte sie: »Ich will nicht mehr« und warf die Karten hinter sich auf das Fensterbrett. Sie sprach nur, was auf das Spiel Bezug hatte. Wenige Worte. Sie sahen sich schweigend an, als ob jeder in dem anderen etwas tief Geheimnisvolles, eine letzte Erkenntnis ergründen müßte. Sie merkten nicht, daß sie aneinander vorbeisahen, durch die Fenster, den Wald und die Berge hindurch in eine unendliche Ebene, in der sie sich verloren. Von Zeit zu Zeit sagte er: »Was wird nun —« und versuchte, sich aufzurichten. Er vergaß, daß er wohl eine Antwort überhört haben mochte. Er nahm wieder die Karten auf und sagte einen Trumpf an.

Und doch glimmte ein Funken, für Sekunden leckten Stichflammen an die Oberfläche empor, es zog den Körper auf und nieder, etwas Weiches, Glitschiges, das sich ansaugte und Ekel erregte.

»Ich will nicht,« hörte er wieder und meinte, eine frische Brise müsse ihn forttragen, hinaus, weit fort. Weg von dieser Frau, und ihm Frieden geben. Blitzschnell durchzuckte ihn der Gedanke, daß er ihre körperliche Nähe nicht mehr ertragen könnte, und ließ ein Gefühl von Unbehagen zurück, das sich steigerte.

»Neulich träumte ich von dir. Du warst von mir gegangen, und ich suchte dich. In einem Konzertgarten glaubte ich dich gefunden zu haben. Du saßest in einem Kreise von Männern, die wie Kellner und Zuhälter aussahen, und schienst sehr vertraut zu sein. Ihr lachtet alle sehr laut, du erzähltest etwas und langtest ständig mit den Armen über den Tisch. Ich mußte denken, so muß es sein wenn man den Kindern Brot schneidet, und ich entdeckte an deinem Körper, daß er eckig war und starke Knochen hatte. Es war so, daß man hätte sagen müssen, diese Frau hat viele Kinder. Sie ist gut für den Staat. Ich war sehr bestürzt. Ich lief in weitem Bogen um den Tisch und traute mich nicht mehr, mich bemerkbar zu machen. Ich fühlte, daß du von mir sprachst. Aber seltsam, es traf mich nicht. Ich wußte wohl, daß alle über mich lachten, aber ich war so ruhig und dachte, das ist gut so, daß alle über mich lachen. Es ist ein so weiter Abstand. Nur die Neugierde empfand ich, zu sehen, ob du das wirklich warst, du verstehst, ich zweifelte noch. Einer der Männer hatte einen Buckel. Ich erinnerte mich, daß du von einem Vetter gesprochen hattest, der nach der ganzen Schilderung einen Buckel haben mußte. Ich war erlöst. Ich hatte Mitleid mit dir. Ohne daß es mich quälte. Doch wollte ich Gewißheit haben, ich merkte, wie ich mit dir rang, ich dachte mir, laß doch, es hat ja doch keinen Zweck, es ist gut so. Ich mochte wohl lange Zeit überlegt haben, auf einmal rief ich laut mehrmals hintereinander: Hilpert — Hilpert. Wie wenn man kurz eine Kugel nach dem Ziel stößt. Ich dachte, der Buckelige würde erschrecken oder schnell sich umdrehen und nach einem Bekannten ausschauen, aber er drehte nur langsam den Kopf mir zu und drohte lächelnd mit dem Finger. Wie wenn ein Vater sein Kind schilt und sagt: Sei brav. Mir war, als hätte ich einen Schlag bekommen. Ich sah, daß alle von meiner Anwesenheit wußten, sie war selbstverständlich. Es quälte mich so, daß ich erwachte. Ich hörte dich im Nebenzimmer im Bett, und ich gestand mir ein, du seiest vielleicht doch anders als jene Frau.«

Sie sahen wieder lange Zeit schweigend durcheinander hindurch.

Sie hatte den Kopf gestützt und schien zu lauschen.

Er hätte es gern gesehen, wenn sie gelächelt oder irgendeine Bemerkung gemacht hätte. Sie blieb unbeweglich und schwieg. Er dachte an die Möglichkeit, daß sie eingeschlafen war. Er empfand seine Unruhe wachsen. Es lastete etwas auf ihm und drohte ihn zu ersticken. Sein Atem ging kurz. Er sah sie mit flackernden Blicken an. Seine Stimme bekam einen rissigen Klang.

»Manchmal erinnere ich mich jenes Auftrittes, als ich mit dir in einer fremden Stadt in ein Tanzlokal ging. Es war ein Lokal, das in sehr schlechtem Rufe stand, aber ich wollte durchaus hin, du weißt, es spielte ein Orchestrion.« Er sprach schneller, als wollte er etwaigen Einwendungen zuvorkommen. Er sprach über sie hinweg wie zu einer fremden Person, die hinter dem Fenster stand. Ach was, dachte er, ich werde es ihr zeigen, nein, ich muß das sogar und gerade jetzt. Er suchte in ihrem Gesicht nach Spuren von Unruhe und lächelte boshaft.

»Du mußt verstehen, ich konnte nicht anders, ich mußte hingehen und um Entschuldigung bitten. Es war ja lächerlich, er kommt auf dich zu, schlägt dir mit der Faust ins Gesicht und schreit, du hättest ihm Geld genommen. Warum du nur darauf eingingst — es war ja gleich, was er auch sagte, aber du gebrauchtest Ausdrücke — du sagtest damals, du wärest noch nie dort gewesen, es war seltsam.« Er schwieg plötzlich. Ihr Gesicht bekam einen abweisenden Zug, wurde kalt, fremd, als wollte sie einem hinzutretenden Unbekannten zurufen: Wer spricht eigentlich hier?

Er nahm schnell die Karten wieder auf und sagte einen Trumpf an. Die Erkenntnis seiner Feigheit war ihm so beschämend, daß das Blut in den Kopf stieg. Er wartete nicht erst ab, ob sie auf das Spiel einging, und legte die Karten wieder hin. Er tat es behutsam, als habe er Kostbares in den Händen, und hielt den Kopf gesenkt.

Sie fragte leichthin: »Wo hast du deine Freundinnen