GODKILL - Sönke Hansen - E-Book

GODKILL E-Book

Sönke Hansen

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Beschreibung

Drogendealer Marvin versteckt sich im Schleswig Tower vor der Polizei. Fremdenlegionär Ben ist im selben Hotel gerade dabei, sich das Leben zu nehmen. Und Vater Kai will mit seiner Familie einfach nur Urlaub machen. Im Schleswig Tower kreuzen sich die Wege der drei Männer, und das Unheil bricht über sie herein. Etwas Altes ist in diese Welt eingedrungen. Etwas, das lange ruhte. Doch jetzt ist es erwacht, um sich zu holen, was einst ihm gehörte.

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Seitenzahl: 108

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Sönke Hansen

GODKILL

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

GODKILL

Danksagung

1

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EPILOG

Über den Autor

Impressum neobooks

GODKILL

Sönke Hansen

Copyright © 2015 Sönke Hansen

Cover: Sönke Hansen

Lektorat: Juliane Ehgartner [www.dastextbüro.at]

All rights reserved.

für Mama & Heinzi

Danksagung

Wenn ich schreibe, denke ich nicht darüber nach, ob das jemandem gefallen könnte. Ich mache es aus Spaß an der Sache. Wenn es anders wäre, würden Sie jetzt einen Liebesroman, einen Ratgeber oder eine beliebige Biographie irgendeiner alten Rockband oder einer anderen mehr oder weniger schillernden Persönlichkeit in Händen halten. Und keine Horrortrash-Novelle mit einem Plott, der aus dem letzten Jahrtausend stammen könnte.

Nein, ich schreibe in erster Linie für mich. Aber würde ich auch schreiben, wenn ich wüsste, dass niemand meine Texte lesen wird? Ich weiß es nicht, aber die Möglichkeit besteht durchaus, dass die Schreibdisziplin deutlich darunter leiden würde.

Doch woher kommt dann mein Vertrauen, dass es Menschen da draußen gibt, die meinen Kram tatsächlich lesen?

Das muss man sich mal vorstellen. Mir fällt das schwer. Und dennoch vertraue ich darauf.

Dafür danke ich Ihnen von ganzem Herzen.

Und jetzt viel Spaß mit GODKILL.

1

Marvin hetzte am Ufer der Schlei entlang. Er musste unbedingt untertauchen. Schnell.

Zwar hatte er heute Abend den bisher größten Deal seines Lebens gemacht, aber es war nicht ganz so glatt gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte. Als er nach Hause gekommen war, fand er das Mehrfamilienhaus von Einsatzfahrzeugen der Polizei umstellt vor. In seiner Wohnung brannte Licht und durch die Fenster hatte er beobachten können, wie Polizisten seine Sachen durchwühlten.

Bis jetzt hatte er keinen Schimmer, wer ihn verpfiffen hatte.

Doch darum musste er sich später kümmern, denn es gab eine viel wichtigere Frage zu klären: Wohin mit dem Rucksack voll Ketamine, der auf seinem Rücken auf- und abhüpfte?

Keiner seiner Kumpels würde ihn mit dieser heißen Fracht aufnehmen. Aber auf der Straße damit rumlaufen war auch keine gute Idee.

Er brauchte dringend eine Verschnaufpause. Keuchend setzte Marvin sich auf eine Bank an der Promenade. Tausend kleine Nadeln stachen in seine Lungen. Er zwang sich, seinen amoklaufenden Atem unter Kontrolle zu kriegen.

Seine Kondition ließ zu wünschen übrig. Aber was erwartete er bei dem wilden Cocktail aus Bier, Schnaps, Beruhigungsmitteln und Drogen, den er sich jeden Tag reinzog?

Sein Blick schweifte über die Schlei.

Undurchdringlicher Nieselregen hing über dem Flussbecken. Einzig die Umrisse des Schleswig Tower, der aus den Fluten herausragte, waren zu erkennen. Man sah ihn immer, bei jedem Wetter und von jeder Stelle der Provinzstadt aus. Er war die Attraktion. Seit das Hotel vor über einem Jahr eröffnet hatte, wurde es zwar von Urlaubern heiß geliebt, aber von den Einheimischen gehasst, weil er den Ausblick verbaute und für Touristenfluten sorgte.

Der kreisrunde Turm, der alle anderen Gebäude an Land weit überragte, verfügte über etliche Zimmer und Suiten, aber auch über eine Boutique, einen Wellness-Bereich, ein Restaurant, Bars und Cafés, sowohl unter dem Wasserspiegel als auch auf dem Dach. Sämtliche Außenzimmer hatten spiegelnde Glasfenster vom Boden bis zur Decke, weshalb der Turm wie eine glitzernde Glasrakete aus dem Flussbecken hervorstach. Oder wie ein Glasphallus, dachte Marvin. Direkt aus der Zukunft oder gleich von einem anderen Planeten. Zumindest aber sah er aus wie ein Fremdkörper inmitten der rauen nordischen Landschaft.

Grellrote Positionsleuchten, die in drei Querreihen um das Gebäude angebracht waren, bewahrten Schiffe und Flugzeuge vor einer Kollision, sorgten aber auch dafür, dass man den Turm sogar nachts sah.

Der Turm.

Ein Rucksack voll Ketamine.

Ein prall gefüllter Geldbeutel.

Marvin grinste.

Um die Polizei und seine Wohnung konnte er sich morgen kümmern. Oder nächste Woche.

Er stand auf, wischte sich die Regentropfen aus dem Gesicht und machte sich auf den Weg.

»Ich seh‘ ihn«, quäkte Lilly vom Rücksitz.

»Ichhab‘ ihn zuerst gesehen«, protestierte ihr zwei Jahre jüngerer Bruder Ole neben ihr.

Lilly schnaufte. »Hast du gar nicht. Ich hab’s zuerst gesagt.«

Kai König warf einen Blick in den Rückspiegel. »Schluss jetzt. Alle beide.« Dann fügte er in versöhnlichem Ton hinzu: »Wer von euch Quälgeistern weiß noch, wie hoch der Schleswig Tower ist?«

Lilly kreischte: »250 Meter und damit ist er das höchste Gebäude in Schleswig Holstein!«

»Und wie viele Zimmer hat er?«

Lilly holte schon tief Luft - für eine Elfjährige hatte sie ein erstaunliches Erinnerungsvermögen -, doch Ole kam ihr zuvor: »280, davon 18 Luxussuiten in den oberen Etagen.«

»Und was befindet sich im Keller?«, fragte Kai.

Die Kinder schrien aus voller Brust: »Waterworld!«

Auf dem Beifahrersitz presste Sandra die Hände auf die Ohren. »Hört sofort mit dem Rumgeschrei auf, davon wird man ja wahnsinnig.«

»Aber Papa hat doch - «, setzte Ole an.

»Ich meine auchalle drei Nervensägen. Und das ist mein voller Ernst. Wenn ihr so weiter macht, dann werde ich verrückt. Ich fange an zu lachen, dabei sabbere ich und brabbele unverständliches Zeug vor mir hin. Ihr könnt mich dann hier in der Psychiatrie abgeben und ohne mich heimfahren.«

»Wieso?« Kai zuckte mit den Schultern. »Wo ist der Unterschied zu sonst?«

Er und die Kinder brachen in Gelächter aus, auch Sandra wieherte los und verpasste ihrem Mann einen Schlag auf die Schulter. »Na warte. Du wirst schon sehen, was -«

Der Gurt rammte in ihre Brust, sämtliche Luft schoss aus ihren Lungen.

Ihr Kopf wurde so brutal nach vorne gerissen, dass ihre Nackenwirbel knackten.

2

Der Wagen rutschte über die nasse Fahrbahn, während Kai das Lenkrad mit beiden Händen festhielt und den Fuß auf die Bremse presste.

Er biss die Zähne zusammen, die Augen aufgerissen, den Blick auf die Gestalt gerichtet, die mitten auf der Fahrbahn stand.

Es war ein Mann. Kai erkannte einen Kopf, von dessen Kinnbereich zottelige Barthaare abstanden. Ein Umhang oder ein Mantel flatterte im Wind. In der einen Hand hielt er etwas, das wie ein Stock aussah oder wie - war das etwa ein Schwert?

Was Kai völlig irritierte und das Gefühl in ihm hervorrief, sich in einem Traum - einem Alptraum - zu befinden, war, dass die Scheinwerfer den Mann nicht erfassten. Der Lichtkegel traf auf den feucht glitzernden Asphalt, auf die Reflektoren am Straßenrand, auf die Sträucher und Büsche und vereinzelte Bäume - aber von der Gestalt war nur die schwarze Silhouette zu sehen, mehr nicht.

Der Wagen schlitterte durch den Mann hindurch und blieb schließlich stehen.

Kein Zusammenprall, kein Geräusch, das auf eine Kollision hinwies, niemand schrie oder sagte etwas.

Es war gespenstisch still im Wagen.

Der Erste, der das Schweigen brach, war Ole. »Was ist los?«, flüsterte er.

Kai König warf einen Blick in den Rückspiegel.

Die Fahrbahn hinter ihnen leuchtete rot im Schein der Rücklichter, es lag niemand auf der Straße. Zumindest nicht, soweit das Licht reichte.

Aber Kai war sich sicher, hundertprozentig sicher, dass er gesehen hatte, wie die Motorhaube den Mann traf.

»Sind alle in Ordnung?«, fragte Sandra. Ihre Stimme zitterte.

Nacheinander bejahte jeder die Frage.

»Was ist denn los?«, wollte Ole immer noch wissen.

»Ich glaube, es ist nichts«, sagte Kai. »Aber ich schau lieber mal nach.«

Er stieg aus und umrundete das Fahrzeug. Die Vorderseite - Stoßstange, Lichter, Motorhaube, Radkästen - war unversehrt. Hinter ihnen auf der Straße lag abgesehen von etwas Laub nichts. Er spähte in den Straßengraben auf ihrer Seite, dann in den gegenüberliegenden, ließ den Blick durch die Nacht schweifen. Schließlich stieg er wieder ein. »Ich dachte, ich hätte ein Kaninchen überfahren. Aber es ging scheinbar noch mal gut.«

Er fuhr weiter. Die Finger klammerte er fest um das Lenkrad, damit seine Kinder nicht sahen, wie sehr sie zitterten.

Was ging hier vor? Die Enge in Kais Brustkorb weitete sich auf seinen Geist aus. Je weiter er fuhr, desto sicherer wurde er sich, dass er tatsächlich jemanden auf der Straße hatte stehen sehen. Oder nicht?

Oh Gott, dachte er. Wenn der Mann tatsächlich dort gestanden hat, muss er tot sein. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie ihn die Motorhaube traf. Er rief sich das Bild noch mal in Erinnerung und sah es klar und deutlich vor sich: ein Mann mit einem Umhang und einem Stock in der Hand, die Haare flattern im Wind. Er weicht nicht von der Stelle, wirkt nicht einmal erschrocken, als Kai mitten in ihn hineinfährt.

Andererseits gab es weder an der Karosserie noch auf der Straße auch nur den geringsten Hinweis darauf, dass das wirklich passiert war.

Die einzig logische Schlussfolgerung schnürte Kai die Gedärme zusammen.

War es möglich, dass er sich das nur eingebildet hatte? Was hieß das? Wurde er etwa - verrückt?

Ben starrte in die regenverhangene Nacht hinaus.

Weit unter ihm kräuselte sich das Wasser im Mondschein, der durch eine Lücke in der Wolkendecke schien. In der Ferne blinkten Positionslichter - dort, wo die Schlei in die Ostsee überging.

Er stand schon eine ganze Weile am Fenster.

Zuerst hatte er den Sonnenuntergang betrachtet - ein helles Grau ging in ein dunkleres und schließlich in Schwarz über -, dann die Lichter, die überall in der Stadt angingen und sie erstrahlen und glitzern ließen. Und jetzt schaute er zu, wie die Lichter nach und nach erloschen.

Der Letzte macht das Licht aus.

Sein Blick glitt zur chromfarbenen Beretta, die er in der rechten Hand hielt. Sie wog schwer, doch es war ein vertrautes Gefühl. Unzählige Male hatte er den Abzug betätigt, hatte Kugeln in Feinde gepumpt, bevor sie überhaupt wussten, dass eine Schusswaffe auf sie gerichtet war. Der untere Teil des Griffs war von den vielen raschen Magazinwechseln mit Schrammen übersät.

Seit einem Jahr hatte die Beretta kein Leben mehr genommen, hatte sie nicht einmal mehr eine Patrone im Lauf gehabt. Dennoch - es war eine gute Waffe. Sie hatte ihn nie im Stich gelassen. Und jetzt würde sie ihn auch auf seinem letzten Gang begleiten.

Er hatte es immer geliebt, mit seiner Kompanie durch die Einsatzgebiete zu stürmen und wild um sich zu ballern. Wenn der Feind das Feuer eröffnete und ihm die Kugeln um die Ohren zischten. Wenn Männer ihr Leben ließen, wenn es knallte und krachte und Dinge explodierten und der Boden erzitterte.

Diese Momente, wenn der Fernkampf beendet war und man das Sturmgewehr beiseitelegte, um die Handfeuerwaffe zu ziehen.

Dann ging es ans Eingemachte.

Schlachten in Häuserschluchten. Zwischen den Ruinen zerbombter Stadtteile, zwischen detonierenden Rauchgranaten oder nachts, wenn die Landschaft durch das Nachtsichtgerät beunruhigend grün aussah.

Das war Ben immer der liebste Moment im Gefecht gewesen. Wenn es noch weiter ging und die Messer gezückt wurden, verlor so ein Kampf schnell seinen Reiz. Aber so weit war es selten gekommen.

Er seufzte. Das war jetzt alles vorbei.

Man hatte ihm ein Kriegstrauma attestiert. Der Psychiater sagte, er hätte eine massive Persönlichkeitsstörung erlitten. Außerdem leide er an Alkoholsucht.

Schwachsinn.

Alles Schwachsinn.

Ben hob die Flasche Wodka an die Lippen und nahm einen kräftigen Zug.

Kriegstrauma? Nochmal: Schwachsinn. Er fühlte sich blendend, er konnte sich nichts Besseres als Krieg vorstellen. Wie sollte er da ein Trauma davontragen?

Und was den Alkohol betraf: Zu dem griff er nur, wenn er nicht im Einsatz war. Aus purer Langeweile. So wie jetzt.

Er war seit einem Jahr am Stück besoffen.

Rente. Das musste man sich mal vorstellen: Die schickten ausgerechnet ihn in Rente!

Ben hatte sich ein Leben ohne Fremdenlegion nie vorstellen können.

Und tat es auch jetzt nicht.

Er hörte die Schüsse und Explosionen immer noch. Gewehrsalven, detonierende Splittergranaten, das Krachen von Faustwaffen, das Knattern von Maschinengewehren. Egal, wo er war: in einer Kneipe, beim Einkaufen, im Schlaf, in seinen Träumen. Die Schüsse waren immer da.

Für Ben ein untrügliches Zeichen, dass er den Krieg vermisste. Ein Leben ohne Kugeln, die ihm um die Ohren flogen, konnte er sich nicht vorstellen.

Er starb vor Langeweile.

Und das war eine Art zu sterben, die er auf keinen Fall wollte. Der Gedanke ans Dahinvegetieren ließ heiße Säure seine Speiseröhre hinaufsteigen.

Er nahm noch einen Schluck Wodka.

Wieder gingen ein paar Lichter in der Stadt aus.

Für diesen besonderen Anlass hatte er sich eine Suite im oberen Stockwerk des Towers geleistet. Geld hatte er durch seine Einsätze genug. Und der Ausblick wäre bestimmt phänomenal gewesen, hätte das Wetter mitgespielt. Andererseits - einen romantischen Sonnenuntergang hätte Ben als unpassend empfunden.

Zum hundertsten Mal überprüfte er die Beretta.

Das Magazin war voll.

Er hatte vor, sich den Lauf in den Mund zu schieben und so schnell wie möglich hintereinander den Abzug durchzuziehen. Vielleicht schaffte er sogar mehr als einen Schuss. So wurde sogar sein Freitod zu einer Herausforderung, zu einem Kampf.

Ob Selbstmord feige war? Auch wenn viele Söldner es so sahen, Ben empfand es nicht so. Das Nichtstun, die Langeweile - das musste ein Ende haben.

Es war sein letzter Ausweg.

Die Krone der Selbstbestimmung.

Ben staunte über seine eigene schmalzige Tiefsinnigkeit und hob nochmal die Flasche an die Lippen.

Als er sie absetzte, blickte er in die Nacht hinaus. Direkt in ein Paar kleiner, schwarzer Augen.

3

Ben riss die Waffe hoch und zielte in Richtung der Augen.