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Der Theaterregisseur Mr. Jay inszeniert am Stadttheater Jerusalem die Schöpfungsgeschichte und Szenen aus der Bibel. Nach sieben "Schöpfungstagen" soll Premiere sein. "Es werde Licht!" heißt "Scheinwerfer an!"Aber alles geht schief, denn Bühnentechnik und Schauspieler sind unberechenbar. Trotz aller Pannen wirbeln die dramatischsten Szenen der Bibel rasant und komisch über die Bühne. Die Darsteller Japhet, Masch und Raamah probieren die Kain- und Abel-Szene oder den Sündenfall – gemeinsam mit Terese Tormentina Superstar. Die Ausstatterin Ernestina van Veen bemüht sich trotz Etatkürzungen um optische Opulenz und Putzfrau Mrs. Mopp hält den Laden sauber. Auszubaden hat den Wahnsinn in diesem Welttheater der Regieassistent Goldberg, der sich immer wieder bewähren und behaupten muss. Die ewigen Pannen der Schöpfung versucht Jays Assistent zu verhindern. Schließlich muss er sogar als Jesus einspringen… Der Theaterzauberer George Tabori zeigt mit heiligem Humor die chaotische Entstehung eines Theaterstücks über die Erschaffung der Welt.
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Seitenzahl: 70
Veröffentlichungsjahr: 2020
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ISBN 978-3-7375-5605-7
MR. JAY, der Regisseur
GOLDBERG, sein Assistent
MRS. MOPP, Putzfrau
TERESE TORMENTINA SUPERSTAR
ERNESTINA VAN VEEN
JAPHET
MASCH
RAAMAH
Die Hell’s Angels
Das Goldene Kalb
Musik: Johann Sebastian Bach: »Goldberg-Variationen«, BWV 988, gespielt von Glenn Gould (1955)
Auf dem Vorhang erscheint:
GOTT IST TOT
Nietzsche
Nach fünf Sekunden erscheint:
NIETZSCHE IST TOT
Gott
Jerusalem. Eine leere Bühne. Arbeitslicht. Regietisch mit Bibel. Mrs. Mopp putzt den Boden. Bach-Musik. Goldberg kommt, mit Blume und Regiebuch.
GOLDBERG Guten Morgen, Mrs. Mopp.
MRS. MOPP Was ist so gut daran?
GOLDBERG Die leere Bühne ist eine Stätte der Schönheit, besonders am ersten Probentag, wenn noch nichts schiefgegangen ist.
MRS. MOPP Wird schon noch.
GOLDBERG Scheitern, wieder scheitern, immer scheitern, besser scheitern.
MRS. MOPP Und – wieder so ein schweinisches Stück?
GOLDBERG Tja, Mrs. Mopp, es ist zwar bedauerlich, aber niemand von uns ist unbefleckt empfangen worden.
MRS. MOPP Mit einer denkwürdigen Ausnahme.
Das Rattern eines Hubschraubers. Sie blicken nach oben und lauschen.
GOLDBERG Entweder haben wir uns verspätet, oder er hat sich verfrüht. ruft Kollege Ton, sind Sie da?
LAUTSPRECHER Ja, aber ich bin nicht vorgesehen.
GOLDBERG Egal, spielen Sie bitte die Ouvertüre rein.
LAUTSPRECHER War nicht vorgesehen, aber ich versuch’s.
laut die Carmen-Ouvertüre
GOLDBERGpanisch Falscher Knopf! Und ich höre ihn kommen.
LAUTSPRECHER Ja, wie die Vorsehung!
GOLDBERG Johann Sebastian Bach, oder die Welt geht unter.
Bach-Musik, laut und majestätisch. Auftritt Mr. Jay.
GOLDBERG Was für ein Auftritt, Sir!
MR. JAY Was für eine Rolle.
Blackout.Bach-Musik verklingt.
MR. JAYbedrohlich Ist was, Goldberg?
GOLDBERG Das wüsste ich auch gern, Sir.
MR. JAY Dunkel ist es.
GOLDBERG Am Anfang meist, Sir.
MR. JAY Ich habe nicht die Absicht, mir ein Bein zu brechen. rutscht aus Licht!
GOLDBERG Kollege Licht, sind Sie am Mischpult?
vom linken Lautsprecher ein Hustenanfall
GOLDBERG Kollege Licht leidet an den Nachwehen einer verschleppten Bronchitis.
MR. JAY Licht!
nichts
Goldberg, wenn ich mich nicht irre, steht im Text: Es ward Licht.
nichts
Wo ist die Technik, Goldberg?
GOLDBERG Die Technik ist wie immer unsichtbar, Sir.
MR. JAY Unsichtbarkeit ist eine Eigenschaft der Götter. Also – es werde Licht!
nichts
GOLDBERG Der Computer ist abgestürzt, Sir.
MR. JAY Ich will helles, strahlendes Licht über der weiten Wüstenei, die in Dunkel gehüllt ist, und es soll gut sein, oder ihr fliegt.
Ein schwacher Spot auf Mrs. Mopp. Mr. Jay tritt in den Lichtkegel.
MR. JAY Hört zu, ihr halsstarrigen Saboteure. Trotz allem gehört mein Herz den werktätigen Massen. Schalom, Moppelchen, willkommen im Gelobten Land. tätschelt Mrs. Mopp Seht euch diese Heldin der Arbeit an. Auf den Knien rutscht sie hinter eurer Schweinerei her und ist doch putzmunter wie eh und je, und warum? Weil eine leere Bühne –
GOLDBERG – eine Stätte der Schönheit ist, besonders am ersten Probentag.
MR. JAY Und warum?
GOLDBERG Weil noch nichts schiefgegangen ist.
MR. JAY Nein, weil im Theater wie in der Liebe nichts wieder so ist wie beim ersten Mal.
MRS. MOPP Ach, die Liebe, Mr. Jay. Versuchen Sie mal, in einer Seifenpfütze Sex zu haben.
MR. JAY Die Klagemauer ist bis Sonnenuntergang geschlossen, Moppelchen. Was ich brauche, ist nicht feministische Motzerei, sondern Licht! In sieben Tagen ist die erste Vorstellung, und ich bezweifle, Goldberg, dass das Publikum die Kasse stürmen wird, um Moppelchen auf ihren Grübchenknien den Boden wischen zu sehen. Benutze deinen Grips, Goldberg, versuche es mit Denken. Davon geht dir deine Orthodoxie nicht flöten.
GOLDBERG Sir, aufgrund Ihrer ständigen Änderungen während der Proben nähere ich mich einem Nervenzusammenbruch.
MR. JAY Goldberg, erinnere diese Nazitechniker an die Heilige Schrift.
GOLDBERGgeht mit dem Skript zum Spot Das sind keine Nazis.
MR. JAY Wenn sie lange genug für mich gearbeitet haben, schon. Also lies.
GOLDBERGliest »Er schied das Licht von der Finsternis. Er nannte das Licht Nacht und die Finsternis Tag.«
MR. JAY Quatsch. »Er nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht.«
GOLDBERG »Und er machte die beiden großen Lichter: das größere Licht zur Herrschaft über den Tag und das kleinere Licht zur Herrschaft über die Nacht, dazu auch die Sterne.«
Nach und nach wird eine Bühnenhälfte hell, nun erscheint die Sonne über der dunklen Hälfte, der Mond über der hellen.
»Es wurde Abend, und dann wurde es Morgen.«
Blackoutmit funkelnden Sternen
MR. JAYdrohend Stimmt was nicht, Goldberg? Du wirst mir doch wohl keinen Ärger machen?
Licht und Ton geraten außer Kontrolle. Wachsende Kakophonie.
MR. JAY »Auf deinem Bauche sollst du gehen und Erde essen dein Leben lang!«
GOLDBERG Verdammen Sie niemanden, in dessen Lage Sie nicht gewesen sind, Sir.
Stille. Bach-Musik. Das Licht stimmt: Die Bühne ist in Helligkeit und Dunkel geteilt, Sonne und Mond sind an der richtigen Stelle.
Freude erfüllt das Herz, wenn der Schmerz vergeht.
MR. JAY Das ist mein Text, Goldberg.
GOLDBERG Mit freundlicher Genehmigung des Allmächtigen, Sir.
MR. JAY Es gibt sieben Dinge, an die man sich zu halten hat, Goldberg. 1.: Der Weise redet nicht vor dem, der ihn an Weisheit übertrifft; 2.: Er verrät seine Nächsten nicht; 3.: Er antwortet nicht vorschnell; und 4.: Halt’s Maul!
Raamah und Masch, beide in Beduinenkostümen, jagen einander keulenschwingend über die Bühne und wieder hinaus.
MR. JAY Was war das?
GOLDBERG Die Herren Raamah und Masch haben, Profis, die sie sind, den ganzen Morgen die erste Mordszene probiert.
Raamah und Masch erscheinen wie zuvor.
MR. JAY Noch nicht.
Raamah und Masch bremsen ab, Masch rutscht aus.
MR. JAY Herr Romah, der »Erste Mord« ist erst für zehn Uhr fünfundvierzig angesetzt.
RAAMAH Jetzt ist es elf Uhr dreißig.
MR. JAY Wie die Zeit vergeht.
RAAMAHzu Goldberg Sagen Sie Monsieur de Sade, sein Prügelknabe zieht sich in sein Zelt zurück und ist nur noch über die Gewerkschaft zu sprechen.
MR. JAY Sie werden mir doch keinen Ärger machen, Herr Rimah?
RAAMAH Raamah! Mein Name ist Raamah.
MR. JAY Den Namen müssen Sie sich erst noch verdienen.
RAAMAH Den Ärger haben Sie bereits, Jay, im wildesten pharisäischen Sinn des Wortes.
MR. JAY Geduld ist die Mutter der Weisheit.
RAAMAH Ich bin geduldig seit Tagesanbruch.
MR. JAY Wir hatten ein paar technische Pannen mit dem klimakterischen Computer, Rumah.
RAAMAH Der Mensch ist das Theater, nicht die Technik. zu Goldberg Mit diesem Monomanen arbeite ich nie wieder. Bis ich ihn brauche.
MR. JAY Kennen Sie die Regelungen über Probenverweigerung, Reimah?
RAAMAH Wer verweigert hier was? Masch, Japhet und ich haben die ganze Nacht probiert, bis uns war, als hätte uns ein Wirbelsturm weggefegt. Wir versuchen, diese Produktion davor zu bewahren, der apokalyptische Flop des Jahrhunderts zu werden. Sie sind es, der uns daran hindert, sie zu zeigen, der sich in seiner Eitelkeit weigert, die Tatsache zu akzeptieren, dass Schauspieler keine Dorfdeppen sind. Ihr ganzes Probensystem ist eine Weigerung, überhaupt zu probieren, außer dass Sie gelegentlich bellen »Noch mal von vorn, Jungs, aber mit Gefühl«. Noch mal – was?
MR. JAY Noch mal von Anfang an!
RAAMAH Von allen Aufgaben im Theater ist nichts schwieriger, weil weniger glaubwürdig, als das Sterben, besonders wenn es durch eine Steinzeitkeule zu geschehen hat. Heute Nacht muss mich endlich die Muse geküsst haben. Ich hatte eine Lösung, elegant genug, um dem dümmsten Regisseur zu gefallen, und was tun Sie? Nichts tun Sie! Hocken auf Ihrer vergrößerten Prostata und werden ihr immer ähnlicher.
MR. JAY Na, dann zeigen Sie mal.
RAAMAH Zu spät.
MASCH Der Zug ist abgefahren.
RAAMAH Besetzen Sie mich um.
MASCH Verklagen Sie mich.
MR. JAY Mes enfants du paradis, was soll ich tun? Auf die Knie fallen?
RAAMAH Ja.
MR. JAYauf Knien Demütig sei der Mensch, denn was erwartet uns Sterbliche außer Würmern?
MASCH Sagen Sie schön bitte.
MR. JAY Schön bitte.
RAAMAH Also. Noch einmal von vorn, aber no more Mr. Nice Guy.
Japhet bringt zwei Stühle.
MASCH Ich Abel. Er Kain. zu Mr. Jay Sie mögen Abel. Kain mögen Sie nicht. Deshalb wird Er wütend. Ramaah spielt Wut.