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Als Declan Delaneys Firma Ziel eines Hackerangriffs wird, ist schnelles Handeln gefragt. Auf eine Empfehlung hin holt er Dr. Ivy ins Boot und ist zunächst irritiert, als eine junge Frau zum Meeting erscheint. Diese engelsgleiche Erscheinung soll seine Firma retten können? Doch Jamie, eine Koryphäe auf ihrem Gebiet, zerstreut nicht nur seine Vorurteile, sondern stellt ebenso schnell seine Gefühlswelt auf den Kopf. Vom ersten Augenblick an herrscht zwischen den beiden eine unwiderstehliche Anziehungskraft, und die beiden können ihr Glück kaum fassen – bis die Schatten der Vergangenheit sie einholen und das junge Glück zu verschlingen drohen. Plötzlich ist Declan im Begriff, mehr zu verlieren, als er ertragen könnte …
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Goldene Funken glühen süß
Goldene Funken glühen süß
Mariella Woolf
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
©2021 Mariella Woolfc/o Deri Service GmbH, Dorfstr. 24, CH-5606 Dintikon
http://mariellawoolf.com
Coverdesign; -bilder: Acelya Soylu
Lektorat, Satz, Layout: Tanja Balg
Korrektorat: Korrektoratia Eileen Atlas
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten und dürfen ohne Genehmigung der Autorin nicht weitergegeben werden. Sämtliche Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Inhalt
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Epilog
Rezept für Australische Lamingtons
Danksagungen
Prolog
Vorsichtig vergewisserte sie sich, dass auch wirklich niemand in Sichtweite war, dann huschte sie über die von Straßenlaternen beleuchtete Straße direkt zum Hintereingang des Gebäudes. Sie sperrte die Tür auf und nahm die Treppe, um in die fünfunddreißigste Etage zu gelangen. Ein anstrengender Aufstieg, aber dieser Weg war sicherer – zu dieser späten Stunde würde sie im Treppenhaus sehr unwahrscheinlich jemandem begegnen. Sie hatte bereits im Vorfeld alles akribisch geplant und sich absichtlich dunkel gekleidet, um mit der Nacht zu verschmelzen.
Wie ein Privatdetektiv hatte sie recherchieren müssen. In solch schwierigen Situationen war eben nur der beste Detektiv gut genug, und in diesem Fall war das sie selbst. O Mann, was mache ich hier eigentlich?! Sie atmete tief durch. Beruhig dich, du musst ihn observieren – schließlich geht es hier um eure gemeinsame Zukunft, gab sie sich die Antwort. Sie und Declan gehörten zusammen. Wie Bonnie und Clyde, Alpha und Omega oder Jekyll und Hyde. Sie kannten sich aus Studienzeiten, hatten sich danach eine Weile aus den Augen verloren und wie das Schicksal so spielte, hatte es sie später wieder zusammengeführt. Noch etwas später hatte sie dann einen folgenschweren Fehler begangen, den sie nun zutiefst bereute. Aber sie würde das wieder in Ordnung bringen.
Es war wie ein Wink des Himmels gewesen, als Declan vor einigen Tagen wieder in ihr Leben getreten war … mehr oder weniger – sie hatte ihn in Northbridge in einem Restaurant gesehen, er hatte sie aber nicht bemerkt. Auf der Stelle war sie mit einem klaren Ziel vor Augen nach Hause gefahren: den Schlüssel zu finden. Bei der Trennung hatte Dec vergessen ihn zurückzufordern, was sich nun als Segen erwies.
Sie wollte nur mal einen Blick hineinwerfen. Niemand würde je von diesem Einbruch erfahren. Und genau genommen war es ja nicht mal ein Einbruch. Einbrecher schlugen Fenster ein oder knackten Schlösser. Aber sie besaß einen Schlüssel, also war es eher ein kleiner Besuch, bei dem sie feststellen würde, dass er nicht da war, versuchte sie sich einzureden.
Auf der richtigen Etage angekommen verharrte sie einen Moment reglos an der Tür zum Treppenhaus, rang nach Luft. Dann öffnete sie sie einen Spaltbreit und lauschte. Außer ihrem Herzen, das vom Treppensteigen und vor Aufregung heftig in ihrer Brust schlug, und ihrem Atem war nichts zu hören.
Der Flur zu Declans Büro war von im Boden eingelassenen LED-Lampen gesäumt, die für weiches Licht sorgten. Mist …die waren damals noch nicht da. Missmutig verzog sie das Gesicht. Das Risiko, entdeckt zu werden, war so deutlich größer, aber nach kurzem Überlegen beschloss sie es trotzdem zu wagen. Geduckt eilte sie den Flur entlang. Mit einem Elektropick, einem Öffnungswerkzeug, das sie sich übers Darknet besorgt hatte, stellte die Tür zu Declans Büro kein Hindernis dar. Schnell schob sie sich durch den offenen Spalt. Sofort war sie von seinem vertrauten männlichen Geruch umgeben. Bald …, dachte sie. Schon bald würde sie ihr Ziel erreichen, denn Declan gehörte ihr. Er musste nur das Handy mit dem Laptop verbinden und schon würde sich die App automatisch installieren. Das hatte ihr ganze zwei Monate Arbeit beschert, ohne dabei das Ziel aus den Augen zu verlieren. Der Triumph würde umso schöner sein.
Sie stellte sich Decs heiße, tiefe Küsse vor und wie fordernd und wild er beim Sex gewesen war. Thomas, ihr aktueller Ehemann, war ein Loser, im Bett sogar ein richtiger Waschlappen. Ja, sie hatte einen Fehler begangen, als sie Dec verlassen hatte, aber nun galt es, nach vorne zu schauen.
Ihre Finger schlossen sich fester um die kleine Taschenlampe, während sie Decs Büro ableuchtete. Wie erwartet stand der Laptop auf dem Schreibtisch. Also los, an die Arbeit.
Sobald das Gerät hochgefahren war, zog sie den kleinen Stick hervor und lud die Software hoch – es war ein Kinderspiel. Nach getaner Arbeit fuhr sie den Laptop wieder herunter und schaute sich neugierig um. Seit ihrem letzten Besuch hatte sich nicht viel verändert, registrierte sie zufrieden. Er hielt an Bewährtem fest und somit an ihr. Diese Tatsache gab ihr das Vertrauen, dass ihr Plan aufgehen würde. Dec hatte sehr unter ihrer Trennung gelitten, doch leider hatte sie es damals tun müssen. Nur so hatte er verstehen können, dass er ohne sie nicht leben konnte.
Sorgsam öffnete sie alle Schubladen. Aber nichts – keine Anzeichen auf Fotos, vergessene Frauenunterwäsche oder sonst irgendetwas, das auf eine neue Frau in seinem Leben hätte schließen lassen. Zwar wäre eine Konkurrentin kein Hindernis, denn Dec hatte sie geliebt, ja, nahezu vergöttert, doch so war es natürlich angenehmer.
Plötzlich hörte sie vom Flur dumpfes Gemurmel. Sofort knipste sie die Taschenlampe aus und krabbelte hinter das kleine Sofa. Sie konnte ihren eigenen schweren Atem hören, das Blut pulsierte heftig in ihren Adern und der bloße Gedanke, gerade in Declans Nähe zu sein und vielleicht gleich erwischt zu werden, erregte sie ungemein. Ein bisschen Nervenkitzel und Spaß mussten sein. Sie grinste verwegen. Langsam schob sie eine Hand in ihren feucht gewordenen Slip – nur für dich, Dec – und begann zuerst behutsam, dann immer fester ihre Perle zu massieren. Pure Lust schoss ihr durch den Unterleib und verteilte sich glühend im ganzen Körper. Ihr entglitt ein unterdrücktes Stöhnen, während sie mit der anderen Hand ihr Shirt hochschob und die Körbchen ihres BHs nach unten zog, sodass ihre harten Brustspitzen herauslugten. Sanft strich sie mit den Fingern darüber und zwickte hinein, was sie erneut aufstöhnen ließ.
Das Gemurmel wurde lauter, sie hielt in der Bewegung inne und den Atem an, bis die Stimmen schließlich wieder leiser wurden. Erleichtert seufzte sie lautlos auf. Ihr Puls raste – vor Erregung und vor Angst, geschnappt zu werden. Sie musste schnell zum Ende kommen, schloss die Augen, stieß ein paar Mal mit zwei Fingern in sich und rieb ihre empfindliche Stelle noch fester, bis sie der heftige Orgasmus überwältigte und sie einen Augenblick blind und im freien Fall zurückließ.
„Das war für dich, Baby …“, flüsterte sie ins Dunkle. Ohne auf ihre nachklingende Mattigkeit zu achten, richtete sie hastig ihre Kleidung, erhob sich und schlich unbemerkt aus dem Gebäude.
Jetzt galt es, geduldig zu sein, und schon bald würde Declan wieder ihr gehören.
Kapitel 1
Fasziniert betrachtete Declan Delaney den Kaffeestrahl, der aus seinem modernen Vollautomaten in die Tasse floss. Am Tag zuvor hatte er bis tief in die Nacht gearbeitet und ein seit Langem anstehendes Programm für einen Kunden fertiggestellt. Es kam schon mal vor, dass er so lange arbeitete, was ihn aber nicht davon abhielt, am nächsten Tag wieder der Erste im Büro zu sein.
Er nahm die dampfende Tasse, hob sie an seine Lippen und gab sich einen Moment dem intensiven Kaffeeduft hin. So, los gehts, dachte er, trat an seinen Schreibtisch und startete den Laptop. Müde setzte er sich hin, nahm einen Schluck Kaffee und wartete … Doch nichts geschah.
Seltsam … Dec runzelte die Stirn. Er hatte das Gerät die ganze Nacht geladen. Oder hatte er das Netzteil nicht richtig angeschlossen, weil er einfach zu müde gewesen war?
Er zog das Kabel, steckte es noch einmal ein und startete einen zweiten Versuch. Zufrieden nickte er, als er das vertraute Rattern des hochfahrenden Rechners hörte. Nur passierte daraufhin immer noch nichts. Der dynamische Bildschirm, der sonst jeden Tag einen neuen Hintergrund mit verträumten Orten aus der ganzen Welt zeigte, blieb schwarz.
„Was zum Teufel?!“, fluchte er, knallte die Kaffeetasse auf den Tisch und starrte ungläubig auf das Fenster, das aufgepoppt war.
In großen dicken Buchstaben stand da: „IHRE DATEN WURDEN VERSCHLÜSSELT!“ Über der Schrift prangte groß und bedrohlich ein Banner – das Motiv eines Totenkopfes mit zwei darunter gekreuzten Schwertern. Ein roter Balken wies mahnend darauf hin, jegliche Versuche, die Verschlüsselungssoftware zu entfernen, zu unterlassen, allenfalls würde der Code zur Freigabe der Daten unwiderruflich zerstört.
„Großer Gott!“ Hektisch, fast schon panisch klickte er immer wieder auf den Desktop. Nichts geschah. Mit einem flauen Gefühl im Magen erhob sich Declan schließlich, schaute kurz auf die Uhr und rief umgehend seinen IT- und Sicherheitschef Ian Robertson an.
„Ian, ich bin es. Bist du schon da?“
„Gerade angekommen. Was gibts?“
„Hast du schon deinen PC gestartet?“
„Hm, ja. Ist aber noch nicht hochgefahren.“ Kurzes Schweigen trat ein. “Verdammt …!“, fluchte er dann. „Sag mir bitte, dass du diese Meldung nicht auch bekommen hast!“
Niedergeschlagen ließ Dec den Kopf hängen. „Doch … hab ich. Ich fürchte, wir wurden gehackt …“ Declan atmete tief durch. „Scheiße!“, schrie er dann unvermittelt in den Hörer, schnaubte wütend und hielt das Telefon so fest umklammert, dass seine Fingerknöchel weiß wurden.
„Okay, jetzt erst mal keine Panik. Ich bin gleich bei dir.“
Gleich darauf ging die Tür zu seinem Büro auf und Ian trat ein, steuerte Decs Laptop an und begann hochkonzentriert auf der Tastatur zu tippen.
„Verdammt!“, fluchte er lautstark.
Declans Assistentin Sarah erschien in der Tür. „Dec, Ian, guten Morgen. Ähm … das Internet funktioniert nicht.“
Beide drehten sich ruckartig zu ihr.
„Was?!“, fragten sie gleichzeitig wie aus der Pistole geschossen.
Verunsichert trat sie einen Schritt zurück. „Das … Internet funktioniert nicht“, erklärte sie vorsichtig noch einmal. „Ich habe meinen Laptop hochgefahren und anschließend mit dem Firmennetzwerk verbunden. Ich hatte die LAN-Verbindung getrennt, da ich gestern Abend noch im Homeoffice gearbeitet habe. Den Rechner habe ich bereits zweimal neu gestartet, aber nichts passiert.“
Ein Telefon klingelte. „Das ist meins. Moment“, sagte Dec und ging ran. Aufmerksam hörte er zu, ehe er sich verabschiedete und wieder auflegte. „Das war Frank von der Buchhaltung. Wir sind offenbar auch telefonisch nicht erreichbar. Kein Internet und kein Telefon – das bedeutet: keine E-Mails, keine Anrufe – keine Kommunikation nach draußen. Das ist eine Katastrophe.“ Niedergeschlagen ließ er sich auf die Couch fallen.
„Dec, wir sollten uns schleunigst professionelle Hilfe holen – das ist selbst für mich eine Nummer zu groß.“ Fassungslos schüttelte Ian den Kopf. „Erst kürzlich hat ein Freund von mir über eine Koryphäe auf diesem Gebiet geschwärmt – Dr. Ivy. Die Firma IvySecure Inc. bietet angeblich innerhalb weniger Stunden Hilfe an, und er schwört auf die kompetente und professionelle Arbeit. IvySecure soll die Beste auf dem ganzen Kontinent sein und Ivy ein regelrechtes Genie.
Dec zögerte kurz. „Na gut. Ich kümmere mich um IvySecure. Du holst vorsichtshalber alle Informationssysteme vom Netz.“ Ian nickte und eilte davon.
Declan schüttelte den Kopf.
„Sarah, halte bitte die Stellung und informiere alle Mitarbeiter darüber, dass wir angegriffen wurden. Sie sollen die Finger von ihren Rechnern lassen und abwarten, bis ich mehr weiß. Und bitte kontaktiere als Erstes IvySecure und mach den nächstmöglichen Termin mit denen aus.“
Zumindest da waren sie erfolgreich gewesen. Sarah hatte auf der Stelle einen Termin vereinbaren können. Der Experte würde innerhalb kürzester Zeit eintreffen. Etwas, das ihn nur noch mehr beunruhigte, da er sich somit der Tragweite des Geschehens bewusst wurde. Declan lief aufgebracht in seinem Büro auf und ab und blieb zum wiederholten Mal vor dem bodentiefen Fenster stehen. Sein Blick schweifte ins Nichts – für den unbezahlbaren Ausblick über Perth hatte er gerade nicht viel übrig. Die Lage war ernst und er konnte nichts dagegen unternehmen. Ohnmachtsgefühle und Hoffnungslosigkeit drohten ihn zu überwältigen.
Frustriert fuhr er sich mit beiden Händen durchs Haar und ließ sie im Nacken verharren, schnaubte verärgert und begann wieder wie ein Tiger im Käfig auf und ab zu gehen.
Jemand wollte seine Firma und damit ihn zu Fall bringen. Declan war sich bewusst, dass er diese Angelegenheit nicht allein stemmen können würde. Er vermochte zwar komplexe Software zu entwickeln, aber sich Hackern an die Fersen zu heften war eine ganz andere Nummer.
Wenig später klopfte es an der Tür, was sein Gedankenkreisen endlich unterbrach.
„Dec, Dr. Ivy ist da und wartet im Konferenzraum ‚Riverside‘ auf dich. Ian habe ich auch schon Bescheid gegeben“, informierte ihn seine Assistentin.
„Danke, Sarah.“
Declan machte sich auf den Weg und traf vor der Tür auf Ian. Als sie zusammen den Konferenzraum betraten, runzelte er irritiert die Stirn.
Mit dem Rücken zu ihm stand eine Frau am Tisch und tippte klackernd auf einem Laptop.
Doch ihn verwirrte weniger der Umstand, dass er statt des erwarteten Mannes eine Frau vorfand, sondern das sich ihm bietende Gesamtbild.
Seidenglattes silbrig blondes Haar fiel über den Rücken der Frau und reichte ihr bis knapp zu den Knöcheln. Die Haare flossen wie ein seidener Vorhang an ihr herab.
Verwundert fragte er: „Wer sind Sie und was machen Sie hier?!“
Die Frau hörte auf zu tippen, hob den Blick und drehte sich langsam zu ihm um. „Sie haben mich rufen lassen.“
Declan nahm nur Ians Keuchen wahr, sein Verstand war augenblicklich wie weggefegt.
Ach, du heiliger …! Ohne ein Wort zu sagen, öffnete Dec den Mund und schloss ihn wieder.
Große strahlend himmelblaue Augen funkelten ihn frech an. Die perfekte gerade Nase gekräuselt, als sich ihre vollen herzförmigen Lippen zu einem sinnlichen Lächeln verzogen. Auf der Stelle fluteten schmutzige Gedanken sein Hirn. Über ihrem rechten Mundwinkel befand sich ein stecknadelgroßer Schönheitsfleck, der sie nahezu überirdisch erscheinen ließ. Sie trug ein hochgeschlossenes blütenweißes Kleid mit weiten Ärmeln und über der Taille einen weißen Gürtel. Das Kleid endete zwei Handbreit über ihren Knien und war damit schon fast unanständig kurz. Dazu trug sie schwarze Riemchenpumps. Ihr Körper war traumhaft schön, weder zu mager noch zu füllig – kurvig und mit vollen Brüsten, aber immer noch schlank. Vollkommenheit und Perfektion.
Selbstsicher trat sie auf ihn zu und das Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen. Perfekt aneinandergereihte weiße Zähne kamen zum Vorschein. Das Haar umgab sie wie ein seidiger Mantel und wogte bei jedem Schritt sanft um ihren Körper.
Automatisch ergriff Declan die hingehaltene Hand. Sie war warm und zart, der Griff fest. Ein Prickeln wanderte seine Wirbelsäule hinab, als ihre Hände sich berührten.
„Ich bin Dr. Jamie Ivy“, stellte sie sich vor. Ihre Stimme war süß, engelhaft.
„Freut mich Sie kennenzulernen“, begrüßte Ian sie.
Dann wandte sie sich wieder an Declan. „Bitte nennen Sie mich Jamie“, fuhr sie fort und schaute ihn offen an. Dabei blitzte der Schalk in ihren Augen. „Sie hatten sicher einen Mann erwartet, nicht?“
Declan räusperte sich und schaute verlegen zur Seite. Auch das noch. Sie hatte ihn sofort durchschaut.
„Das bin ich gewohnt“, erklärte sie und grinste frech. „Aber ich muss Sie enttäuschen. Sie müssen mit mir vorliebnehmen.“
Sie sieht aus wie Rapunzel, dachte er. Und sie war in seinen Turm gekommen. O Mann, ich bin geliefert …
Vergnügt betrachtete Jamie die beiden. Sie bewegte sich seit Jahren in dieser Männerdomäne und war viel gewohnt. Zudem waren die meisten ihrer Auftraggeber männlich und erwarteten bei ihrem Namen selten eine Frau. Wenn sie ihren Irrtum dann erkannten, fielen die Reaktionen unterschiedlich aus – von peinlichen Entschuldigungen bis hin zu Einladungen zum Essen hatte sie schon alles erlebt.
Jamie war sich sehr wohl bewusst, dass sie mit ihrem Auftreten in ausgefallenen Kleidern und Pumps nicht gerade dem Klischee des Informatiknerds entsprach. Doch sie liebte es einfach und es dauerte nie länger als zwei Minuten, ehe ihre Expertise die anzüglichen Bemerkungen der Männer verstummen ließ. Außerdem hatte sie als Jugendliche viel zu viel durchgemacht, um sich von so etwas Banalem aus der Ruhe bringen zu lassen. Was sie verunsicherte, war etwas vollkommen anderes.
„Bitte setzen Sie sich!“ Declans tiefe, kräftige Stimme versetzte Jamies Körper in Vibration, was sie angenehm erschaudern ließ. Herausfordernd sah er sie an und zog dabei eine Augenbraue hoch.
Dieser eine Blick reichte und ihr Herz machte fast einen Aussetzer.
Heiliger Strohsack … Dieser Mann war unwiderstehlich. Er hatte etwas urtümlich Raues an sich, etwas unverfälscht Männliches und der Blick, mit dem er sie durchbohrte, stellte seltsame Dinge in ihrem Bauch an. Und als ob das noch nicht genug wäre, hatte er auch noch einen Traumkörper. Jamie stöhnte innerlich. Seine hellen Jeans saßen wie angegossen, und unter seinem Hemd zeichneten sich ausgeprägte Brust- und Schultermuskeln ab. Noch nie hatte ein Mann einen solch intensiven Eindruck bei ihr hinterlassen.
Jamie atmete tief ein, setzte sich und versuchte sich wieder zu sammeln. Dann wandte sie sich an Ian. „Sie haben mich kontaktiert, weil Sie Sicherheitsprobleme haben. Ist das richtig?“
Er nickte. „Das ist korrekt. Ed Garrick hat Sie wärmstens empfohlen. Er ist ein guter Freund von mir und Sie haben ihm im vergangenen Jahr geholfen ein IT-Sicherheitskonzept zu erstellen. Er ist von Ihrer Arbeit offenbar nachhaltig beeindruckt.“
Jamie lächelte. „Ja, ich habe sehr gern mit Ed zusammengearbeitet.“
In der Tat hatte sie erst eine Woche zuvor mit Ed und seinem Ehemann Dan zu Mittag gegessen – ein wunderbares Paar mit einem Start-up-Unternehmen. Wer konnte schon einem Katzenflüsterer, der nebenbei noch mit seinem Partner einen Onlineshop für Hundezubehör und einen Hundesalon betrieb, vergessen? Das Paar hatte auf Nummer sicher gehen wollen und IvySecure Inc. beauftragt sämtliche Software und Sicherheitsparameter einzurichten und anzupassen. Normalerweise übernahm Jamie nur die komplexen Fälle persönlich. Aber manchmal machte sie eine Ausnahme. Und Ed und Dan waren so was von süß mit ihren beiden Bichon Frisés gewesen, da hatte sie unmöglich Nein sagen können.
Jamie wandte sich nun an Declan. Unwillkürlich schluckte sie, als sein durchdringender Blick sie traf. Er beobachtete sie wie ein Jäger seine Beute und in ihrem Bauch stoben Funken auf.
Nervös schob sich Jamie mit der rechten Hand eine imaginäre Strähne hinters Ohr. „Okay. Mr. Delaney, können Sie kurz umreißen, an welchem Projekt Sie gerade arbeiten und was vorgefallen ist?“
„Wir haben von der Regierung den Zuschlag bekommen, ein Softwaresicherheitssystem für die nationale und internationale Flugsicherheit vom Boden aus zu erstellen. Die Software wurde am Perth Airport erfolgreich implementiert und getestet. Es ist ein komplexes, sehr effektives System, das die Suche oder Erkennung von Verbrechern, Terroristen oder Betrügern vereinfacht und weltweit eingesetzt werden könnte“, erklärte er. „Heute Morgen wurden wir offenbar Opfer eines Cyberangriffs. Die Bildschirme blieben beim Hochfahren schwarz und dann erschien diese Mitteilung.“ Declan zeigte Jamie seinen Laptop. „Im Moment funktioniert gar nichts. Wir haben kein Internet, die Telefonanlage ist auch tot – wir sind quasi von der Außenwelt abgeschnitten.“
„Dann wollten wir sicherheitshalber direkt einige Vorkehrungen treffen“, fuhr Ian fort. „Allerdings wurden sämtliche Daten verschlüsselt. Und da Hackerjagd nicht gerade unser Spezialgebiet ist“, er zögerte kurz, „sind wir im Augenblick ehrlich gesagt etwas hilflos und wissen nicht, was wir tun sollen.“
Jamie nickte verständnisvoll. „Aber dafür ist Hackerjagd mein Spezialgebiet und …“
„Aber Sie haben bereits eine Vermutung, worum es sich handelt, oder?“, unterbrach Dec Jamie. „Sie sind doch ein Profi, oder nicht?“ Seine ganze Körperhaltung und sein Blick waren voller Skepsis.
Jamie hob herausfordernd das Kinn, blieb aber ruhig, auch wenn sich dieser unglaubliche sexy Kerl gerade wie ein Arsch benahm. „Nun, Mr. Delaney“, begann sie bestimmt und schoss mit ihrem Blick Giftpfeile in seine Richtung. „Zunächst muss ich die Herkunft der Schadsoftware prüfen, denn ich kann genauso wenig hellsehen wie Sie. Aber ich vermute, dass es sich um einen Ramsomware-Angriff handelt, einen Verschlüsselungsangriff.“
„Verdammt“, fluchte Declan leise, erhob sich und fing an in seinem Büro unruhig auf und ab zu gehen.
Dabei konnte Jamie uneingeschränkt seine Rückseite bewundern, und die war wirklich sehenswert. Mein Gott, Jamie, … wie unseriös, rügte sie sich. Am liebsten hätte sie laut geschrien. Wie konnte sie ausgerechnet in dieser heiklen Situation an seinen Hintern denken?!
„Also gut. Und wie gehen die vor?“, riss Declan sie aus ihren Gedanken.
Jamie räusperte sich, um ihre unangebrachten Fantasien abzuschütteln. „Hacker finden in der Regel über eine besondere Software Zugang zum Tor-Netzwerk, in dem das Darknet läuft. Sie arbeiten über Landesgrenzen hinweg zusammen – das sind Kriminelle, die wissen, was sie tun – keine Amateure. Die Aufträge werden innerhalb der Szene ausgeschrieben“, erklärte Jamie weiter. „Im Darknet sind praktisch alle Delikte denkbar. Erpressung, Betrug, Kinderpornografie … sogar Auftragsmorde. Mit hochentwickelter Technik und spezieller Software suchen sie nach offenen Zugängen in Unternehmen – zum Beispiel ein Mitarbeiterrechner, an dem ein Update zu lange aufgeschoben wurde – und ein Algorithmus ermittelt dann das Passwort.“
„Und durch diese Sicherheitslücke wird anschließend die Malware geschoben, die einen Trojaner nachlädt, verstehe“, beendete Declan die Erklärung.
„Ganz genau“, bestätigte Jamie. „Und wie es aussieht, ist dies hier der Fall.“ Sie zeigte auf seinen Laptop.
Declan ließ sich frustriert auf den Stuhl fallen. „Wie konnte so was passieren?!“, sagte er mehr zu sich selbst.
„Hinter Hackerangriffen steckt meist organisierte Kriminalität, die solche Attacken steuert und finanziert. In diesem Bereich handelt man fast ausschließlich international. So ist es schwierig, die Hintermänner zu ermitteln. Oft müssen langwierige internationale Rechtshilfeverfahren in Gang gesetzt werden, um an die Täter zu kommen, und das dauert. Wir sprechen hier von einem Zeitrahmen von über einem halben Jahr.“
„Großer Gott!“, rief Ian aus. „Und was machen wir jetzt?“
„Ich kann Cyberangriffe simulieren, um weitere Erkenntnisse zu erlangen. Und wir müssen die Polizei hinzuziehen. Die sogenannte Digitale Streife im Darknet ist sehr wertvoll. Besteht die rechtliche Grundlage, hat die Polizei Möglichkeiten, auf Bereiche zuzugreifen, zu denen ich keinen Zutritt habe … zumindest nicht auf legalem Wege.“ Jamie machte eine kleine Pause. „Zum Schluss werden wir einen Pentest machen – einen umfassenden Sicherheitstest. Damit werden wir jeden einzelnen Rechner und das Firmennetzwerk auf Herz und Nieren prüfen und überarbeiten.“
Jamie beobachtete, wie Declan und Ian einen Blick tauschten. Die beiden sahen nicht besonders glücklich aus.
„Ich verstehe, dass das eine sehr heikle Situation für Sie und Ihre Firma ist, Mr. Delaney. Aber ich verspreche Ihnen, alles wird absolut anonym und vertraulich ablaufen.“
Declan lehnte sich zurück. „Na gut“, lenkte er ein. „Sie sind ohnehin unsere einzige Hoffnung.“
„Was ist mit den laufenden Tests Ihrer Flugsicherheitssoftware?“, wollte Jamie wissen. „Werden noch weitere durchgeführt?“
„Ja“, antwortete Declan. „Die nächste Phase ist das System im ganzen Bundesstaat Western Australia zu testen und dann national. Allerdings sehe ich ein gewaltiges Problem auf uns zukommen, falls wir diese Sicherheitslücke nicht schließen können oder sogar Daten geklaut werden. Würde das passieren, wäre es eine Katastrophe.“
„Ich werde dafür sorgen, dass es nicht so weit kommt, Mr. Delaney.“
Der Blick aus seinen stechend bronzefarbenen Augen fixierte sie und hielt sie gefangen. Unwillkürlich hielt Jamie den Atem an. Doch bevor er ihr antworten konnte, klingelte sein Smartphone. Er sah kurz auf das leuchtende Display. „Ian, übernimm du.“ Und zu Jamie: „Entschuldigen Sie mich – da muss ich rangehen.“ Dann erhob er sich und verließ den Konferenzraum.
Obwohl sie meist von zu Hause aus arbeitete, würde sie die Jungs von DeepDec Software Inc. in den nächsten Tagen vor Ort beraten, um mit ihnen eine Strategie festzulegen.
Jetzt galt es, Declan Delaneys Hals aus der Schlinge zu ziehen. Schon beim Gedanken daran, wie das in der Regel ablief, vollführte Jamies Bauch Kapriolen. Noch immer überkam sie bei jedem Start von Neuem die Aufregung, wie damals, als sie sich noch illegal im Internet getummelt hatte. Aber diese Zeiten waren zum Glück vorbei.
Nach einem arbeitsintensiven Tag wie diesem war das beste Entspannungsrezept, ihn gemütlich mit der besten Freundin ausklingen zu lassen, und so hatte Jamie Mac zu sich eingeladen. Jamie ließ sich erschöpft in den Sessel sinken und nippte an ihrem alkoholfreien Drink. Sie war unfassbar müde. Nur kurz etwas ausruhen … Mac hatte einen Zweitschlüssel und würde sich selbst reinlassen. Jamie war gespannt auf die Arbeit mit DeepDec und begrüßte die Herausforderung. Ihre Firma programmierte hauptsächlich maßgeschneiderte Softwares für andere Unternehmen, um Sicherheitslücken aufzuspüren und zu bereinigen, damit die erst gar nicht in eine solch prekäre Situation, wie die, in der sich DeepDec gerade befand, kommen konnten. Diese Art von Arbeit fand Jamie zwar eher langweilig, aber es stellte das Tagesgeschäft dar. Doch sich einem Hacker an die Fersen zu heften … das war eine ganz andere Nummer. Und ihr Fachgebiet. Es juckte Jamie bereits in den Fingern – am liebsten hätte sie noch heute losgelegt. Mit Ian zu arbeiten würde sicher Spaß machen. Beim Gedanken an ihn musste sie lächeln. Er schien sehr kompetent zu sein und war sympathisch, locker und hatte immer einen lustigen Spruch parat. Zumindest hatte er, nachdem Declan Delaney den Konferenzraum verlassen hatte, ihr gleich das Du angeboten und die gepresste Stimmung durch eine witzige Hackerparodie entschärft. Er war der klassische Surferboy: groß, blond, gut aussehend und ungefährlich.
Bei Declan Delaney sah das etwas anders aus. Er war eine Klasse für sich, hatte diese Ausstrahlung, die andere Menschen in den Bann zog. Über der linken Wange konnte man unter seinem Vollbart eine große Narbe durchblitzen sehen, sein glattes Haar trug er einen Tick zu lang und dessen dunkle Farbe stand im Kontrast zu seinen hellbraunen Augen. Man sagte ja, man könne an der Intensität des Brauns den Charakter ablesen – haselnussbraune Augen zeigten Selbstbewusstsein, davon musste Declan Delaney also nur so strotzen. Jedes Mal, wenn er sie angeschaut hatte, hatte sie das Gefühl gehabt, als ob er bis tief in ihre Seele gesehen hätte. Jamie brauchte nur an ihn zu denken und schon begann sich in ihrem Kopf alles zu drehen. Nur mit Mühe hatte sie es geschafft, ihn nicht die ganze Zeit anzustarren.Dabei war er noch nicht mal schön … zumindest nicht im klassischen Sinn. Aber attraktiv? Ja, definitiv. Sexappeal? Haufenweise. Und mehr, als gut für Jamie war.
Unbewusst fächerte sie sich Luft mit einem herumliegenden Werbeflyer zu. Irgendwie war die Temperatur gerade um einige Grad gestiegen. O Mann … Er war groß, selbstbewusst und wahnsinnig sexy – genau der Typ Mann, dem sich Frauen an den Hals warfen. Gefährlich.
„Jamie?“
Abrupt wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Wie ein Wirbelwind kam Mac die Treppen hochgerauscht, beugte sich über Jamie und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„Hallo, Schätzchen!“, begrüßte Mac sie fröhlich und ließ sich in den anderen Ohrensessel plumpsen. „Ich brauche dringend einen Drink! War ein anstrengender Tag.“
„Komm schon, Mac“, lachte Jamie. „Warst du heute nicht shoppen? Was kann daran bitte anstrengend gewesen sein …“
„Hey, sich immer wieder auszuziehen und anzuziehen ist anstrengend. Zum Glück ging mir Hudson ab und an zur Hand.“ Sie zwinkerte Jamie zu und nahm einen großen Schluck von ihrem Saft, den Jamie in weiser Voraussicht schon für sie bereitgestellt hatte.
„Du meinst wohl zur Wäsche“, verbesserte Jamie sie und die beiden prusteten los. „Du bist ein schlimmes Mädchen.“
„Was du auch sein solltest, Schätzchen“, konterte Mac.
Gott, war diese Frau glücklich – und wenn Mac glücklich war, war Jamie es auch. Ihre beste Freundin hatte so viel mit ihrem psychopathischen Bruder durchgemacht … wenn es jemand verdiente, glücklich zu sein, dann Mac. Ihrem Bruder wäre es beinahe gelungen, sie zu zerstören. Es war so schlimm gewesen, dass Jamie Mac schließlich falsche Papiere besorgte und sie jene bat unterzutauchen. Monatelang hatte sie nicht gewusst, wo sich die Freundin aufhielt und ob es ihr dort gut ging. Während dieser Zeit hatte sich Mac auf einer Station im Northern Territory verkrochen und dort den Besitzer, Hudson, kennengelernt. Alles hätte gut werden können, wäre Macs Bruder nicht überzeugt gewesen, sie, Jamie, wüsste, wo Mac war.
Ohne Vorankündigung lief der Überfall erneut wie ein Film vor ihrem inneren Auge ab. Damals war sie nach einem langen Arbeitstag auf dem Weg nach Hause gewesen, als sich ihr plötzlich zwei Schlägertypen in den Weg stellten. Zuerst schubsten sie sie herum – erst der eine, dann der andere, dabei beleidigten sie sie und lachten hämisch. Und plötzlich hatte einer ein Messer in der Hand und bedrohte sie damit, wollte wissen, wo Mac sich aufhalte. Jamie hatte Todesangst. Als sie merkten, dass sie wirklich nichts wusste oder sie zumindest nichts aus ihr herausbekommen würden, begannen sie auf Jamie einzuprügeln. Zuerst schlugen sie ihr mit der flachen Hand ins Gesicht, wobei sie sich noch zu wehren versuchte, aber dann traf sie ein Faustschlag und sie ging benommen zu Boden. Erbarmungslos schlugen und traten die Männer sie zusammen. Als sie schon dachte, sie würde das nicht überleben, hörte sie von Weitem Schreie. Eine Gruppe junger Männer hatten den Übergriff beobachtet und vertrieb die Angreifer. Dann hatten sie Jamie schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht. Die Erinnerung war einem Flashback nicht unähnlich und Jamies Herz raste. Die erste Zeit nach dem Vorfall hatte sie unglaubliche Angst gehabt und sich gar nicht mehr getraut auch nur einen Schritt vors Haus zu setzen. Nur die liebevolle Umsorgung durch ihren Bruder und ihre Eltern sowie etliche Sitzungen bei einem Psychologen hatten geholfen die Ängste zu überwinden. Sie hatte lernen müssen nicht mehr zurückzublicken, sondern in der Gegenwart zu leben und stattdessen den Moment zu erfahren, und seit gut einem Monat verzichtete sie auf ihren Leibwächter. Und jetzt lass es gut sein. Denk ja nicht weiter darüber nach!, ermahnte sich Jamie. Erfolgreich drängte sie die schrecklichen Bilder zurück in den hintersten Winkel ihres Gehirns und konzentrierte sich auf das Positive, auf das Jetzt, wo Macs Bruder seit über einem Jahr im Gefängnis saß.
„Wie bist du aus Rockingham hergekommen? Hat Hudson dich gefahren?“
Macs Ehemann überließ nichts dem Zufall – ihre Sicherheit hatte für ihn oberste Priorität, und wer konnte ihm das verübeln. In seiner Obhut hatte sich Mac von einer zaghaften, zarten Pflanze zur wunderschönen blühenden Blume entwickelt.
„Hm … ich bin selbst gefahren“, antwortete sie lahm, ehe sich ihre Augen verengten und sie Jamie aufmerksam beobachtete.
Die wich dem wachen Blick aus und schloss die Augen.
„Jamie …? Sofort raus damit! Wen hast du kennengelernt?“ Mac grinste triumphierend.
„Äh, was?! Niemanden!“
„Ach, hör schon auf damit. Du hast diesen verträumten Ausdruck im Gesicht.“
„Ich … Nein! Ich habe keinen verträumten Ausdruck im Gesicht!“, wiegelte sie ab, konnte aber ein Lachen nicht verkneifen. „Mh, ist ja gut. Ich war heute bei einem neuen Kunden.“ Jamie räusperte sich. „Er ist … ähm … nun ja, sehr attraktiv.“
Interessiert beugte sich Mac vor. „Und weiter?“
Jamie verdrehte die Augen „Nichts weiter. Er ist ein Kunde. Ich arbeite für ihn. Sonst nichts. Aber er ist wirklich sexy … und überheblich.“
Mac kicherte. „Überheblich? Wie meinst du das?“
„Die übliche Geschichte eben. Er hatte ganz offensichtlich das Gefühl, eine Frau besäße zu wenig Intelligenz, um seine Sicherheitsprobleme zu lösen.“
„Aber du hast es ihm gezeigt, oder?“
„Natürlich“, antwortete Jamie wie selbstverständlich und die beiden brachen in Gelächter aus.
„Schätzchen, du musst unbedingt mal wieder aus deinem Schneckenhaus kommen. Sonst wirst du noch komplett zur Einsiedlerin. Ich will nicht, dass du vereinsamst und dich von allen abschottest. Wann hattest du das letzte Mal Sex?“
Jamie schnaubte. „Ich bin und werde keine Einsiedlerin. Und ich habe keine Zeit für Sex … zu dem mir im Moment außerdem der Mann fehlt, für den ich genauso wenig Zeit hätte. Das nennt man die Singlelogik der Geschäftsfrauen.“ Jamie nahm einen Schluck von ihrem Drink.
„So ein Unsinn!“ Mac wischte Jamies Logik mit einer Handbewegung weg. „Und ich sagte ja auch, du wirst zur Einsiedlerin, was bedeutet, dass du es noch nicht bist, aber es wirst, falls du so weitermachst“, erklärte sie ernst. „Was du allerdings bereits bist“, Mac zeigte mit dem Zeigefinger auf sie und zwinkerte ihr zu, „ist ein Freak.“
Jamie schlug Mac spielerisch auf den Arm und lachte laut auf. „Hey! Ich bin kein Freak.“
„Schwester, ich erkläre dir jetzt mal diese Sache mit dem Freaksein“, dabei klopfte sie mit ihrem rot lackierten Zeigefingernagel gegen ihr Glas. „Ein Freak ist jemand, der über ein normales Maß hinaus, also exzessiv etwas betreibt … diese eine Sache zum Lebensinhalt macht. Natürlich bist du ein Freak. Ständig, und damit meine ich stundenlang, tagelang und wochenlang starrst du in deinen Computer. Von deiner Wohnzimmer-Computerzentrale will ich mal gar nichts sagen. Wenn ich nicht wäre, würdest du vermutlich mit deinem Computer verschmelzen.“
Wieder lachte Jamie laut auf. „Wohnzimmer-Computerzentrale? Hey, zufälligerweise mag ich meine Zentrale. Die ist mein Arbeitsplatz. Außerdem habe ich zwei Wohnzimmer. Und ich starre nicht ständig in meinen Computer, ich arbeite.“
„Sag ich doch“, erwiderte Mac fröhlich. „Du bist ein Freak. Aber lassen wir das Thema – sag mir lieber, wie es dir geht! Warst du beim Arzt?“
Mit der linken Hand berührte Jamie instinktiv ihr Brustbein. Vor zwei Wochen hatte sie plötzlich das Gefühl gehabt, ihr Herz würde ungesund schnell schlagen, und war alarmiert ins Krankenhaus gefahren. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass so was geschah. Nach etlichen Checks gaben die Ärzte aber grünes Licht. Jamie wusste, dass sie diesbezüglich ein bisschen paranoid war, aber wenn man mit einem Herzfehler geboren war, durfte man das in dieser Hinsicht wohl sein. „Es geht mir gut, Mac. Erst heute Morgen war ich beim Arzt und es ist wirklich alles in Ordnung. Und wegen der anderen Sache … Ich weiß doch selbst, dass das Herzrasen nur eine paranoide Vorstellung von mir ist.“
Mac sah ihre Freundin mitfühlend an. „Na ja, du hast jedes Recht, paranoid zu sein. Nach allem, was du erlebt hast … Aber ich mache mir trotzdem Sorgen um dich. Nicht wegen deines physischen Herzens – dem geht es bestimmt gut. Was ist aber mit dir? Ich meinte das ernst, dass du aus deinem Schneckenhaus kommen sollst.“ Sie zögerte kurz, nahm Jamies Hand und fuhr liebevoll fort. „Justin und so … Das ist jetzt schon vier Jahre her.“
Seufzend fuhr sich Jamie mit der freien Hand durchs Haar. „Ja … Irgendwie … Ich hab keine Ahnung – ich kann es eben noch nicht, und du weißt, wieso.“
Mac drückte ihre Hand. „Ach Jamie. Vergiss nicht, ich bin immer für dich da, ja? Weißt du was? Lass uns ausgehen. Was meinst du? Tanzen und was trinken im Bee88?“
Nach kurzem Überlegen sagte Jamie spontan zu.
„Super. Du ziehst dich jetzt gemütlich um, ich rufe Hudson an und sage ihm Bescheid. Vielleicht will er ja später nachkommen.“
Gesagt, getan. Wenig später betrachtete Jamie Mac eingehend. Sie kannte diese Frau bereits ihr halbes Leben lang und liebte sie wie ihre eigene Schwester. Nie würde sie das Gefühl der Traurigkeit vergessen, das sie in dieser Zeit begleitet hatte, als Mac untergetaucht gewesen war. Nicht zu wissen, wie es einem geliebten Menschen erging, war für sie eine schmerzhafte Erfahrung gewesen.
Schön war Mac schon immer gewesen, doch seit sie schwanger war, wurde ihre Schönheit noch deutlicher. Sie strahlte und sprühte regelrecht vor Glück. Man konnte ihr ansehen, dass sie vollkommen im Reinen mit sich und ihrem Leben war. Für einen kleinen Moment beneidete sie Mac fast. Nein, das ist es nicht …, korrigierte sie sich dann. Neid war das falsche Wort, es war eher Wehmut oder Melancholie. Eine eigene Familie war ein Traum, der für sie vielleicht nie in Erfüllung gehen würde. Nicht nach Justin. Seit ihm hatte sie viel zu viel Angst, zumal ein Kind auf ihrer Prioritätenliste nicht ganz oben stand.
„Ich fürchte, wir sind am Verhungern.“ Mac hatte aufgelegt und zeigte auf ihren Bauch. „Hudson muss noch ein paar Sachen im Büro erledigen und kommt später nach.“
„Okay. Dann lass uns doch zuerst was Essen, bevor wir losziehen“, schlug Jamie vor.
Mac nickte begeistert. „Wenn du Tomaten, Petersilie und Pasta hier hast, koche ich uns etwas.“
Jamie stellte Mac alle Zutaten hin und ihre Freundin machte sich sofort an die Arbeit. Binnen kürzester Zeit hatte sie ein leckeres Essen gezaubert.
Anderthalb Stunden später traten Jamie und Mac vor die Haustür und fuhren mit Jamies Wagen Richtung Innenstadt.
Entspannt lehnte sich Declan an die Theke und trank einen Schluck von seinem kühlen Bier. Nach dem anstrengenden Tag hatte er sich das redlich verdient. Und während er im Laufe des Tages einen Brand nach dem anderen löschen hatte müssen, war Dr. Ivy, diese elfenhafte Gestalt, immer wieder vor seinem geistigen Auge erschienen. Immer wieder hatte er sich ermahnen müssen bei der Sache zu bleiben – mit mäßigem Erfolg. Diese Frau war einfach die Wucht und mit voller Intensität in sein Leben gekracht.
Verflucht!Für Frauen hatte er jetzt wirklich keinen Kopf.
Sein bester Freund stand neben ihm und ließ den Eingang keine Sekunde aus den Augen. Seit Mac und er sich gefunden hatten, war er nicht wiederzuerkennen. Er war völlig verrückt nach seiner Frau und rundherum zufrieden. Hudson war im Leben angekommen. Allerdings sah er gerade eher besorgt aus.
„Es ist schon nichts passiert, Alter“, versuchte er seinen Freund zu beruhigen. „Sie werden schon noch kommen.“
„Sie kommt nie zu spät, und falls es doch einmal so aussieht, ruft sie mich immer an.“
Gerade als Declan die Flasche Bier wieder an seine Lippen führen wollte, schwang die Tür auf und er erstarrte. Es war Mac, gefolgt von der Frau, die ihm den ganzen Tag im Kopf herumgespukt war: Jamie Ivy. Sie sah atemberaubend aus.
Plötzlich erschien ihm alles unwirklich. Der Hackerangriff, Jamie Ivy, ihr mehrfaches Zusammentreffen. Was war bloß los mit ihm?! Er konnte sie gut leiden, das wusste er schon jetzt, aber mit derart intensiven Gefühlen hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Und er war nicht auf der Suche nach einer Beziehung. Zwar mochte er das weibliche Geschlecht sehr … Nein, das stimmte nicht. Er vergötterte Frauen. Sie waren wunderschöne Geschöpfe und er war der Meinung, dass man sie mit Liebe, Zuneigung und Respekt behandeln sollte.
Zwar war er ein abenteuerlustiger Mensch, aber das betraf vielmehr seine Freizeitbeschäftigungen oder sein Vorgehen im Geschäftsleben. Seine Freunde kannten Dec hingegen als tiefsinnigen und verantwortungsvollen Mann, der seine Grenzen kannte und respektierte. Im Gegensatz zu Hudson handelte er eher mit Bedacht und war zurückhaltend. Und er war nicht der Typ für einen One-Night-Stand. Es war nicht so, dass er noch nie einen gehabt hätte, aber es war leidenschaftslos gewesen, nüchtern und entwürdigend. Er hatte lieber eine Beziehung zu der Frau in seinem Bett, eine, die er mochte. Unwillkürlich erschien Kellys Gesicht vor seinem geistigen Auge. Schleunigst verdrängte er die Erinnerung. Jetzt war nicht der richtige Moment, um an Kelly und ihren Betrug zu denken.
Er nahm einen weiteren Schluck Bier und beobachtete Jamie, die sich ihnen zusammen mit Mac näherte. Als wäre sie einem Märchen entsprungen.
„Mund zu. Du sabberst“, spottete Hudson.
Declans Mundwinkel zuckten, aber er schwieg und ließ Jamie nicht einen Moment aus den Augen.
„O Mann, dass ich das noch erleben darf … Ich dachte schon, du würdest dich in ein Kloster zurückziehen, deine Aufmerksamkeit Kräutern und Tränken widmen und der Frauenwelt den Rücken kehren“, faselte Hudson weiter und stieß ihm den Ellbogen in die Seite. „Du weißt schon, dass nicht nur ich sehen kann, wie du sie gerade anstarrst und mit Blicken regelrecht verschlingst, oder?“
„Mhm.“ Declan grinste, ließ sich jedoch immer noch nicht aus der Ruhe bringen. Er wollte dieses Schauspiel ihrer Erscheinung auf keinen Fall verpassen, war viel zu beschäftigt damit, Jamie beim Gehen zuzusehen. Ihre sexy langen Beine und die wohlgeformten Hüften, die sich bei jedem Schritt sinnlich wiegten. Sie trug ein kurzes schwarzes Kleid, und, fuck, es war wirklich kurz! Den Rest erledigte seine Vorstellungskraft. „Kennst du sie?“, fragte er Hudson.
„Jamie? Ja. Sie ist Macs beste Freundin.“
Declan nickte knapp. Er war überrascht, dass Hudson und Mac sie kannten, er sie aber noch nie gesehen hatte. Immerhin war er Hudsons bester Freund. Nun sah er sie gleich zweimal an einem Tag. Und dann ging ihm plötzlich ein Licht auf. „Ach, ist das die Jamie, die damals im Auftrag von Macs Bruder überfallen wurde?“
„Jep, genau die“, bestätigte Hudson.
Declan betrachtete sie noch immer aufmerksam. Als der Blick aus ihren ausdrucksvollen himmelblauen Augen ihn traf, stockte ihm unwillkürlich der Atem. Sie hielt einen Atemzug inne und ging dann weiter auf ihn zu, ohne den Blick wieder abzuwenden.