Diamonds over the Lights - Mariella Woolf - E-Book
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Diamonds over the Lights E-Book

Mariella Woolf

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Beschreibung

Um mögliche Skandale und einen Medienrummel zu vermeiden, achtet Jackson „Jaxx“ Rose, der populäre Ruckman der West Coast Stars, privat darauf, den Ball möglichst flach zu halten. Er lässt sich von nichts und niemandem aus der Ruhe bringen. Als eines Tages die extravagante Vivi Kerr, Assistentin des CEOs der Stars, in die Spielergarderobe platzt und ihn in die Chefetage zitiert, ist er alles andere als begeistert. Doch wie es der Zufall will, ist es kurz darauf ausgerechnet Jaxx, der Vivi in der Not hilft und sich um sie kümmert. Ehe Jaxx es realisiert, hat Vivi ihn aus seiner Komfortzone katapultiert, und schon bald ist er von dem leidenschaftlichen Burlesque-Model so fasziniert, dass er bereit ist, sich mehr als nur ins Zeug zu legen, um sie von seinen Qualitäten zu überzeugen. Denn Vivi kämpft gegen ihre ganz eigenen Dämonen und hat beschlossen, keinen Mann mehr an ihr Herz zu lassen.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Diamonds over the Lights

 

Diamonds over the Lights

Mariella Woolf

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. 

 

©2024 Mariella Woolfc/o Deri Service GmbH, Dorfstr. 24, CH-5606 Dintikon

http://mariellawoolf.com

[email protected] 

Coverdesign; -bilder: Acelya Soylu

Lektorat, Satz, Layout: Tanja Balg

Korrektorat: Korrektoratia Eileen Atlas

 

 

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten und dürfen ohne Genehmigung der Autorin nicht weitergegeben werden. Sämtliche Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Epilog

Leseprobe Stars over the Lights

 

Achtung! Hinweis auf mögliche Trigger

Um ein für dich angenehmes und sicheres Leseerlebnis zu gewährleisten, möchte ich dich darauf hinweisen, dass in dieser Geschichte K.-o.-Tropfen und sexueller Missbrauch thematisiert werden. Pass gut auf dich auf!

 

Kapitel 1

Fassungslos betrachtete Vivi ihr Spiegelbild. Ihre großen braunen Augen schimmerten wie dunkle Perlen in einem tiefen See voller Tränen, während sie mit aller Kraft versuchte den See nicht über die Ufer treten zu lassen. Vergeblich. Trotz aller Mühe bahnten sich die dicken Tropfen gleich darauf ihren Weg über die Wangen und fielen geräuschlos auf den hellen Boden des Badezimmers. Die verschmierte Wimperntusche hinterließ dunkle Mascara-Schlieren auf Vivis Gesicht. Fahrig wischte sie sich die Tränen mit dem Handrücken weg, was das Geschmiere nur noch schlimmer machte. Aber wen kümmerte es schon? Sie befand sich im Ausnahmezustand und ihr Aussehen war in diesem Moment ihr geringstes Problem.

Unter normalen Umständen wäre für sie nicht mal daran zu denken gewesen, so herumzulaufen – nicht mal zu Hause. Vivi war durchaus bewusst, wie eitel sie war. Sie legte großen Wert auf ihr Äußeres und war stets bedacht, hübsch und gepflegt auszusehen. Höchst selten verließ sie das Haus ohne ein perfektes Make-up. Vielleicht lag es daran, dass sie im Grundschulalter ein formloses kleines Mädchen mit Brille und Spange gewesen war. Sie hatte ständig schlabbrige Kleider getragen, und alles in Kombination hatte dafür gesorgt, dass sich ihre Mitschüler über sie lustig gemacht hatten. Erst mit dem Einsetzen der Pubertät war sie in die Höhe geschossen, sie hatte hinreißende, sinnliche Kurven bekommen und ihr Gesicht hatte sich in ihren Augen auch deutlich zum Positiven verändert. Dennoch hatten die Hänseleien und Gemeinheiten Spuren hinterlassen. Heute bevorzugte sie die bunte Extravaganz von Farbe in allen Facetten. Ob im Gesicht, an den Haaren oder in Form von schrillen und mitunter ausgefallenen Kleidern – sie liebte es, und zog genau wegen dieser Besonderheit viel Aufmerksamkeit auf sich, wurde oft als Model gebucht und verdiente damit gutes Geld. Vivi stand mit beiden Beinen fest im Leben, war eine lebenslustige Frau und manchmal ein klein wenig verrückt.

Doch gerade in diesem Moment vor dem Spiegel sah sie nicht nur erbärmlich aus, nein, sie fühlte sich auch so. Ihr Herz blutete, die Seele weinte, so unfassbar traurig war sie. Vivi stützte sich mit den Unterarmen am Waschbecken ab, legte eine Hand über die andere und ließ ihre Stirn darauf sinken. Ihr Körper bebte und zitterte, und dann ließ sie los. Sie schrie all die Wut und Enttäuschung, die sie in den letzten Stunden zu schlucken versucht hatte, laut hinaus. Dann glitt sie kraftlos zu Boden, kauerte sich in Embryonalstellung zusammen und weinte bitterlich. Diese niederträchtigen Schweine sind keine einzige deiner Tränen wert!, versuchte sie sich selbst den Trost zu spenden, den sie so dringend brauchte. Doch wem wollte sie etwas vormachen? Vivi fühlte sich, als würde ihr Leben in Tausenden von Scherben vor ihren Füßen liegen. Verflucht sollten sie sein! Alle beide! Dass Leon ihr das antat, war schlimm. Er hatte sie hintergangen und verletzt. Aber dem Ganzen das Krönchen aufgesetzt, hatte die Tatsache, dass er es ausgerechnet mit seiner besten Freundin getan hatte. Vivis Herz schmerzte so sehr, dass sie glaubte, es würde sie innerlich zerreißen. Verächtlich schnaubte sie. Beste Freundin … Dass ich nicht lache. Wer weiß, wie lange das schon geht?!

Leon und sie waren seit zwei Jahren ein Paar gewesen, und sie hatte immer gedacht, er würde sie, Vivi, wirklich lieben. Sie war kein eifersüchtiger Typ, hatte bisher genug Selbstbewusstsein gehabt, um sich sicher zu sein, dass sie eine attraktive Frau war. So hatte sie sich nie auch nur Gedanken gemacht, wenn Leon ab und an mit Emily unterwegs gewesen war. Diese Sicherheit hatte sich dank dieser beiden Menschen nun in Luft aufgelöst. Was fällt denen eigentlich ein?! Nein, für die würde sie keine einzige weitere Träne vergießen, beschloss sie, atmete tief ein und stand träge auf, um sich starr im Spiegel zu mustern. Langsam drehte sie den Kopf erst nach links und dann nach rechts, betrachtete nachdenklich ihr blondiertes Haar. Seit fast einem Jahr trug sie es so. Es hatte ihr eigentlich gefallen … Bis jetzt.

Vivi war schon immer recht impulsiv, und heute würde ihr diese Impulsivität eine neue Frisur bescheren. Ein schmerzhafter Stich erfasste ihr Herz und sorgte dafür, dass sich ihre Augen erneut mit Tränen füllten. Nein! Entschieden drängte Vivi sie zurück. Drastische Lebenseinschnitte verlangten drastische Maßnahmen zum Ausgleich. Auf keinen Fall würde sie sich kleinkriegen lassen – jetzt war erst mal Friseur angesagt. Ein schwacher Trost, aber besser als nichts, denn wenn ihrer Meinung nach eines stimmte, dann war es die Theorie, dass eine neue Frisur perfekt war, um einen neuen Lebensabschnitt willkommen zu heißen. Vivi atmete tief durch, nickte sich im Spiegel zu. Bevor sie sich eilig auszog, um unter die Dusche zu hüpfen, schrieb sie ihrer besten Freundin schnell eine Nachricht. „Hey, kann ich im Salon vorbeikommen? Bin ziemlich fertig … Leon …“

Es war Glück im Unglück, dass ausgerechnet jetzt ihr Urlaub startete. Ursprünglich hatte sie mit Leon wegfahren wollen – stattdessen hatte sie jetzt das ganze Wochenende und die nächsten zwei Wochen Zeit, sich in Selbstmitleid zu suhlen und ihre Wunden zu lecken. Sie musste die freien Tage nutzen, um sich zu sammeln und zu erholen, damit sie im Job den Durchblick bewahren würde. Seit einem halben Jahr arbeitete sie als Jason Matt Mackleys Assistentin und unterstützte den CEO der West Coast Stars in allen Belangen. Ihre Aufgabe bestand dabei weniger darin, die Namen der Spieler zu kennen – sie leitete bereichsübergreifende Projekte, unterstützte ihren Boss bei der Führung und Organisation und manchmal waren auch strategische Entscheidungen nötig. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die ihr viel abverlangte. Doch zugleich liebte Vivi Herausforderungen und liebte ihren neuen Job. Sie war gut in dem, was sie machte, und ihr Gehirn arbeitete blitzschnell. Außerdem war sie alles andere als auf den Mund gefallen und ließ sich nichts bieten; so hatte sie auch mit ihrem neuen Boss keine Probleme, der bekannt dafür war, in der Vergangenheit mit seiner Art gleich mehrere Assistentinnen vergrault zu haben. Mit Vivi hatte er sich genau ein Mal angelegt. Ihr war ein unbedeutender, kleiner Fehler unterlaufen. Doch Vivi hatte sich das nicht bieten lassen und ihm gehörig die Meinung gegeigt. Boss hin oder her. Seitdem war es nie wieder vorgekommen und er behandelte sie stets respektvoll. Vivis Mutter behauptete immer, Jason Matt Mackley wäre von ihr eingeschüchtert und würde lieber klein beigeben, als sich mit ihr anzulegen. Aber Vivi wusste es besser. Jason Matt Mackley konnte einfach keine unsicheren, zart besaiteten Pflänzchen an seiner Seite gebrauchen. Sein Job war hart und erbarmungslos, deshalb brauchte er jemanden, der ihm den Rücken freihielt und über eine große Portion an Durchhalte- sowie Durchsetzungsvermögen verfügte. Und davon besaß Vivi haufenweise.

Das heiße Wasser prasselte auf sie nieder und linderte auch den Schmerz der tiefen Wunde in ihrem Herzen, versorgte sie mit Motivation und neuer Willenskraft. Gleich würde sie sich eine neue Farbe für ihr Haar gönnen und dann noch die Nägel machen lassen. Denn sie war Vivi Kerr. Fröhlich, einzigartig und lustig. So war es schon immer gewesen und so sollte es auch bleiben. Miesepeter und Schlampen hatten in ihrem Leben nichts verloren, und die Zeit würde ihr recht geben.

Als Vivi aus der Dusche stieg, ging gerade eine Antwort von Mika ein. „O nein, was hat er getan?! Klar, komm vorbei – gerade ist es ruhig.“

Also schminkte sie sich sorgfältig, wobei sie den Akzent auf ihre vollen Lippen setzte. Vivi liebte feuerroten Lippenstift. Im Anschluss nahm sie sich einen ausgefransten, hellen Jeans-Minirock aus dem Kleiderschrank, kombinierte ihn mit einer hippen weißen Bluse und schlüpfte in ein Paar hochhackige rote Peeptoes. Sie posierte vor dem freistehenden, antiken Spiegel, den sie von ihrer verstorbenen Großmutter geerbt hatte, und betrachtete sich erst von der einen Seite, dann von der anderen. Zufrieden nickte sie, ehe sie sich mit neuem Antrieb und Lebenskraft auf den Weg zu Mika machte.

Zwei Stunden später war der Boden im Salon mit blonden Spitzen übersät. Das verbliebene Haar war über und über mit Folienblättern bedeckt und ihr Kopf steckte unter einem Haardampfer, damit die Farbe besser einwirken konnte.

„Möchtest du noch was trinken? Vielleicht ein Bier?“, fragte Mika etwas lauter, um das Geräusch der Haube zu übertönen.

Vivi schmunzelte in sich hinein. Typisch Mika, statt Kaffee bot sie ihren Kunden Bier an. Vivi hatte sich mittlerweile alles von der Seele geredet, reichlich Trost und Bestätigung erhalten, und wie sie ihre beste Freundin kannte, würde diese alles tun, damit es ihr schnell wieder besser gehen würde. „Nein, lieber kein Bier. Bring mir erst mal ein Wasser. Gehen wir später richtig Party machen? Schließlich muss ich feiern, dass sich das miese Schwein und seine Bitch geoutet haben und ich jetzt beide los bin.“

Begeistert klatschte Mika in die Hände. „Das ist mein Mädchen! Genau die richtige Einstellung! Wir gehen so was von feiern!“ Dann eilte sie zur Küchenzeile des Salons, um das Getränk zu holen.

Was Vivi nicht sagte: Sie freute sich zwar auf den Abend mit Mika – es würde ihrem Ego garantiert guttun –, aber irgendwie hatte trotzdem alles einen bitteren Beigeschmack. Doch sie war eine Kämpferin und das bedeutete auch, sie würde sich diesen Tag nicht vermiesen lassen. Mit aller Macht verdrängte sie das aufkeimende Gefühl der Düsterheit. Es schlängelte sich weit aus den Tiefen ihres Herzens hervor, drohte sie zu überwältigen. Der Puls beschleunigte, Bauchschmerzen traten auf, was Vivi verunsicherte, ja, fast schon ängstigte. Als hätte sie an der ganzen Sache mit Leon und Emily ein Puzzleteil noch gar nicht gesehen. Irgendetwas übersehe ich … Da war sich Vivi sicher. Doch sie konnte es einfach nicht greifen. Irgendwie entwischte ihr dieses Etwas immer wieder, was ihr das Gefühl gab, dass es sich um etwas Bedeutendes handelte. Schließlich waren die Dinge nicht immer so, wie sie zu sein schienen. Genug!, wies Vivi sich selbst zurecht und schloss seufzend die Augen, um sich noch etwas tiefer in den Sessel sinken zu lassen.

Das Brummen des Haardampfers lullte sie ein. Wieder glitt Vivis Blick zum Spiegel und damit auf sich selbst. Sie sah eigentlich aus wie immer und doch fühlte sie sich seltsam. Irgendwie anders … Die Psychologie sagte, dass der Blick auf das eigene Spiegelbild förderlich für das seelische Wohlbefinden sei. Wenn das stimmte, würde sie sich einfach so lange anschauen, bis sie vor Selbstruhe wie ein kleiner Eisvogel fortflog. Zögernd legte sie sich zur Beruhigung die linke Hand auf die Brust und fühlte ihren leichten, regelmäßigen Herzschlag. Sie konzentrierte sich darauf. Er wirkte beruhigend und erdete sie. Vor nicht mal zehn Stunden hatte man ihr das Herz gebrochen, und das auf die denkbar mieseste und verräterischste Art, die man sich vorstellen konnte. Nie mehr werde ich so dumm sein und einem Kerl vertrauen.

Sie war eine selbstsichere und starke Frau und würde diesen Tiefschlag überstehen, koste es, was es wolle – da war sie sich sicher. Aber eigentlich wollte sie jetzt gar nicht weiter an Leon und Emily denken. Die beiden sorgten für schlechte Energie, und sie war doch hier bei Mika, um dieses miese Gefühl loszuwerden.

Wie auf Kommando fing ihr Smartphone an zu vibrieren. Das Display zeigte: „Leon ruft an …“

Schon wieder?! Vivi rollte mit den Augen, denn das passierte gerade nicht zum ersten Mal. Er zog das seit einer halben Stunde im Fünfminutentakt durch, und sogar Emily hatte es bereits mehrmals versucht.

„Leon oder die Schlange?“, fragte Mika und stellte das Glas Wasser vor dem Spiegel ab.

Ein verächtliches Schnauben huschte über Vivis Lippen. „Er.“ Entschieden drückte sie ihn weg. Jetzt war sie an der Reihe.

Kapitel 2

Gut gelaunt betrat Jackson Rose, von allen nur Jaxx genannt, das Underdocks und steuerte mit lässigem Gang die Theke an, an der seine Freunde bereits auf ihn warteten. Sobald sie ihn entdeckten, brach ein kleiner Tumult aus – Jubel, begleitet von begeisterten Rufen und Pfiffen. Seine Teamkollegen klopften ihm brüderlich auf die Schulter und hielten ihm die Hand hin, um ihm zu gratulieren. Obwohl Jaxx nicht gerne im Mittelpunkt stand, entlockte ihm der Rummel doch ein freudiges Lächeln. Zumindest war es unter der Woche und das Underdocks damit nicht brechend voll. So konnte man entspannt ein Bier trinken und reden, ohne sich anschreien zu müssen.

„Ich gratuliere zur Nominierung, Mann!“, sagte Ethan Tate, Flügelmann der West Coast Stars. Er begrüßte Jaxx begeistert mit einem Fistbump und legte ihm dann locker einen Arm um die Schulter. „Du wirst fliegen, Alter.“

Jaxx grinste zufrieden. „Das geht nur dank eurer Hilfe.“

Tyler Jamieson, Teamcaptain und Jaxx’ bester Freund, trat auf ihn zu und reichte ihm eine Flasche Bier. Mit einem Handschlag zog er Jaxx in eine brüderliche Umarmung und klopfte ihm anerkennend auf den Rücken. „Wie immer viel zu bescheiden. Cool, Mann, das ist verdient. Falls du gewinnst, wird gefeiert, was das Zeug hält … Und … falls nicht, dann auch.“ Er lachte.

„Danke. Die Nominierung kam echt überraschend. Ich habe nicht damit gerechnet. Irgendwie ist es ein seltsames Gefühl, unter den zehn Auserwählten zu sein“, erklärte Jaxx. „Hey, aber ich freue mich!“

Tyler hob seine Flasche und stieß mit Jaxx an. „Und ob du dich freuen kannst!“

„Wie gehts jetzt eigentlich weiter?“ John Maters, Verteidiger bei den West Coast Stars, gesellte sich zu ihnen an die Theke und bestellte sich ein Wasser.

„Na ja, ab sofort können die Fans online für ihre Favoriten stimmen“, erklärte Jaxx.

„Oh-oh … Falls du gewinnst, kannst du dich aber auf etwas gefasst machen. Das ist immer ein Riesenmedienrummel, mal davon abgesehen, dass die Fans so was von ausflippen würden.“

Ethan prostete Jaxx mit seinem Bier zu und nahm einen Schluck, bevor er lachend hinausposaunte: „Ich bin jetzt schon gespannt, wie unser zugeknöpfter Jaxx mit dem ganzen Zirkus umgehen wird. Ist ja nicht so dein Ding.“

Jaxx nickte ihm grinsend zu. „In der Ruhe liegt die Kraft. Vielleicht solltest du das mal versuchen.“

„Letztes Jahr hat ja Sam Robinson von den Brisbane Lions gewonnen. Ich war auf der Feier – das war richtig cool“, erzählte Nick McMorris lächelnd.

„Von wegen richtig cool, Alter, du hast nur in der Ecke gestanden und die Mädels mit deiner grimmigen Miene in die Flucht geschlagen“, foppte Ethan.

Nick ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Mit beiden Ellbogen lässig rücklings gegen die Theke gelehnt mahnte er: „Kann ich dir nur empfehlen. Du tätest ohnehin besser daran, mal etwas respektvoller mit dem weiblichen Geschlecht umzugehen, Ethan. Das, was du letztens geboten hast, war echt krass. Sei froh, dass die Presse nicht Wind davon bekommen hat. Sonst wäre der nächste Aufschrei über ‚Bad Ethan‘ von den West Coast Stars durch die Medien gegangen.“

Ein dreckiges Grinsen huschte über Ethans Gesicht und er hob abwehrend beide Hände. „Hey, die beiden hatten phänomenale Titten. Und solange sich die Ladys nur nach meinem gestählten Körper verzehren, sollen sie ihn haben. Ich bin für alles zu haben …“

Jaxx stöhnte innerlich auf und rollte gedanklich mit den Augen.

„Ja, für alles, außer was Ernstes“, warf John ein.

„Richtig. Sich nur auf eine Einzige festzulegen ist ein No-Go. Laufen einfach zu viele geile Bräute rum.“

„Ja, das sagst du jedes Mal“, konterte Nick. „Und was war mit den beiden verrückten Tussen, die dich letztes Jahr gestalkt haben? Hast du das schon wieder vergessen? Brauchst du das noch mal, dass man in deine Wohnung einbricht, während du schläfst? Wer weiß, was du denen versprochen hast.“

„Das war ein Missverständnis … kann passieren“, wiegelte Ethan schulterzuckend ab. „Wir hatten ein paar tolle Tage und Nächte zusammen, die beiden wollten mehr, als ich bieten konnte, und ich habe mich schweren Herzens von ihnen getrennt. Ganz einfach.“ Ethan war ein großartiger Spieler – einer der besten in seiner Klasse. Bevor er in die Profiliga gewechselt hatte, war er sogar als Wunderkind gehandelt worden, weil sein Talent so unglaublich herausragend war.

Was Frauen betrifft, bist und bleibst du ein Arsch …, ging es Jaxx durch den Kopf. Wenn Ethan nicht aufpasste, würde ihm das Ganze irgendwann um die Ohren fliegen, da war sich Jaxx sicher. Nicht mein Problem … Automatisch wanderte sein Blick zu seinen Teamkameraden, und nicht zum ersten Mal fragte er sich, wie der schüchterne Nick und der besonnene John so eng mit Ethan befreundet sein konnten. Er hatte John bisher nur ein einziges Mal richtig austicken sehen, und das war, als ein Gegenspieler Ethan dermaßen gefoult hatte, dass dieser für Wochen wegen einer Schulterverletzung ausgefallen war. Die drei Jungs waren grundverschieden, und doch schienen manchmal genau solche Gegensätze große Freundschaften zu binden.

Er persönlich bevorzugte einen engen Vertrauten – Tyler – und was Frauen anging, auch nur eine einzige Frau; am liebsten in einer Beziehung. Es war ein tolles Gefühl, eine Frau, die er mochte, zu umgarnen und ihr Liebe zu schenken. Sich auszutauschen und füreinander da zu sein – diese Vertrautheit zwischen zwei Menschen war einzigartig. Dummerweise wollte eine Beziehung aber auch gepflegt werden und war demzufolge zeitintensiv. Nicht, dass er prinzipiell etwas dagegen gehabt hätte, doch wenn es ihm an etwas mangelte, dann war es genau das. Zeit. Und so lag sein Liebesleben eben komplett brach, wenn er nicht in einer Beziehung war – so auch jetzt. Hinzu kam, dass er keine Zeit hatte, aktiv jemanden kennenzulernen, und solche, die sich ihm an den Hals warfen, wollte er schlicht und ergreifend nicht. Frauen waren für Jaxx also ein heikles Thema. Und da er den Fokus gänzlich auf seine Karriere gerichtet hatte, war diese Angelegenheit schon seit einer ganzen Weile mehr oder weniger vom Tisch.

Auf einem überdimensional großen Bildschirm wurde gerade die Wiederholung der Nominierungen übertragen. Dabei ging es um den jährlichen Wettbewerb Mark of the Year der Australian Football League, der ein gefeierter Aspekt des Sports geworden war. Und bedeutete, dass die ganze Arbeit, der Schweiß und die Kraft, die im Training aufgebracht worden waren, nicht umsonst war, sondern gewürdigt wurde. Die spektakuläre Markierung, auch bekannt als Specky, bei der ein Spieler auf den Rücken eines anderen Spielers sprang, war dabei für sich eine große Sache – und ausgerechnet hierfür war Jaxx nominiert worden. Niemals hätte er damit gerechnet – er fühlte sich mehr als geehrt, war mächtig stolz und vor allem dankbar.

In diesem Moment betraten die beiden neuen Spieler Simon Barrett und der Rookie River Southwell die Bar. Die Mannschaft traf sich jede Woche auf ein Bier oder wie Tyler zu pflegen sagte, zur Teambildung. Das Underdocks befand sich fernab vom Perther Zentrum und war bei ihnen daher sehr beliebt. Auf seine Art war es hip und trendy, doch weit entfernt von den schicken, stylischen Edelclubs, in denen sich die Upper Class der Stadt traf. Das Kulturlokal war für kleine Clubkonzerte bekannt und verfügte über eine beschränkte Zuschauerkapazität. Von Poetry-Slam und Kleinkunst-Performances über Gartenkonzerte bis zu Partys mit DJ fand man alles im Programm. Es steckte viel Herzblut und Engagement in dem kleinen Musik-Club, und die Betreiber legten großen Wert auf künstlerische Vielfältigkeit sowie Lokales. Die Atmosphäre war locker und entspannt, und Jaxx sagte vor allem zu, dass sie hier nicht wie Vieh auf dem Markt begafft, sondern wie die anderen Besucher auch behandelt wurden. Natürlich gab es immer wieder Fans, die extra hierherkamen, um die Spieler zu treffen, doch normalerweise hielten sie sich in der Regel zurück und waren nicht aufdringlich.

Sogar Trainer Davies schaute im Laufe des Abends kurz mit seiner Frau Ann vorbei, um Jaxx für die Nominierung zu gratulieren, und das wollte was heißen. Der Coach arbeitete ununterbrochen, und normalerweise hatte er für solche Ereignisse nicht viel übrig. Während Jaxx ein ganz offensichtlich frisch verliebtes Paar an einem der Tische beobachtete, schweiften seine Gedanken zur Trennung von seiner Exfreundin Lin vor drei Jahren. Das war für sie beide nicht leicht, aber unumgänglich gewesen. Sie hatte ins Ausland gehen wollen, um zu studieren, er nicht. Sein Leben war hier in Australien. Hier war sein Zuhause, hier gehörte er hin. Und so hatte Lin sich schweren Herzens dazu entschlossen, sich zu trennen.

„Wie läuft es mit Monroe?“, fragte er Tyler gedankenverloren.

Sofort grinste der übers ganze Gesicht. „Sehr gut. Jetzt, wo alles geklärt ist, steht einem Umzug nichts mehr im Weg.“

Jaxx unterdrückte ein Lachen. Monroe war nicht nur Tylers Verlobte, sondern auch die Meditationstrainerin der Stars. Als sie mit den Kursen bei den Stars anfing, war sie vor allem bei Tyler auf Ablehnung gestoßen. Sie hatte kurzen Prozess mit ihm gemacht und ihn auf seinen Platz verwiesen. Tyler hatte sich richtig ins Zeug legen müssen, um seine Angebetete zu überzeugen, die für sich mehrere Gründe gegen eine Beziehung mit ihm gehabt hatte. Gründe, die mittlerweile irrelevant geworden waren. Er war total verrückt nach Monroe und trug sie auf Händen. Falls jemand wagte ihn deswegen auszulachen, grinste er nur frech, zuckte mit den Schultern und sagte stolz: „Wir reden wieder, wenn du an der Reihe bist.“ Seitdem strotzte er nur so vor Glück, und das wollte schon was heißen, denn Tyler war von Natur aus immer gutgelaunt, locker und stets für einen Spaß zu haben.

„Meinst du nicht, dass du da ein bisschen zu dick aufträgst? Wenn ich mich richtig erinnere, war der letzte Stand, dass sie erst in ein paar Monaten zu dir ziehen will. So ab dem siebten Schwangerschaftsmonat?“

Tylers Grinsen erlosch. Mit einer Hand fuhr er sich fahrig durchs zerzauste Haar. Dabei seufzte er frustriert auf. „Sie kann manchmal wirklich stur sein …“

Jaxx brach in lautes Gelächter aus. „Ach. Und du etwa nicht?“

Tyler wollte, dass sie jetzt, da sie schwanger war, zu ihm zog. Doch Monroe wollte nichts davon wissen. „Hey, halt doch den Mund. Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Warten wir mal ab, bis du dich hoffnungslos verliebst.“

„Alter … das wird nicht passieren. Nicht in den nächsten fünf Jahren. Für so etwas bin ich zu beschäftigt.“

„Wenn da mal einer nicht zu laut schreit.“ Tyler stieß ihn mit der Schulter an. „Du sollst ja nicht gleich heiraten, aber du musst auch nicht wie ein Mönch leben. Gegen ein bisschen Spaß wäre doch nichts einzuwenden, oder? Schau dir zum Beispiel mal die Kleine da drüben an!“ Er deutete mit dem Kinn in eine Richtung. Drei junge Frauen standen an einem Bartisch, zwei davon unterhielten sich rege, die dritte hielt sich an ihrem Getränk fest und beobachtete aufmerksam ihre Umgebung.

„Seit du aufgetaucht bist, schaut sie die ganze Zeit rüber. Dazu ist sie richtig süß. Genau dein Typ. Sprich doch mal mit ihr! Oder willst du das Leben verpassen? Langsam mache ich mir Sorgen um dich.“

Jaxx beobachtete die junge Frau aus dem Augenwinkel. Ja, sie war wirklich süß – anders konnte man sie nicht bezeichnen. Klein, brünett, mit feinen Gesichtszügen und ungeschminkt. Eine natürliche Schönheit. Unauffällig und dezent – solche Frauen mochte er, und wie Tyler schon gesagt hatte, fiel sie genau in sein Beuteschema. „Kein Interesse“, entgegnete er dennoch zugeknöpft. Erstens war er eher der zurückhaltende Typ und stürzte sich nicht wie ein Wilder auf eine fremde Frau. Zweitens hatte er keine Lust auf Drama. Lieber hielt er sich im Hintergrund und umging möglichst alles, was auch nur im Ansatz für Probleme sorgen konnte. Wenn es etwas gab, das er nicht mochte, dann war es, im Fokus der Medien zu stehen. Die Nominierung war eine absolute Ausnahme. Für diesen Wettbewerb nahm er das Übel hin.

Doch Tyler kannte ihn zu gut, denn er ging gar nicht auf Jaxx’ Nicht-Antwort ein und quasselte einfach weiter, deutete mit der Flasche in der Hand auf eine Blondine, die allein am Tresen stand. „Oder guck dir mal die Kleine dort drüben an – die ist doch umwerfend. Das wäre was für dich. Natürlich gibt es für wählerische Kerle wie dich auch attraktive Rotschöpfe.“

Jaxx verdrehte innerlich die Augen.

Tylers Ellbogen stieß ihm unsanft in die Rippen. „Na los, sei nicht immer so grummelig!“

„Grummelig? Hey, du solltest mal weniger quatschen. Du bist ja schlimmer als meine Schwester.“

„Jaja. Wenigstens führt einer von uns beiden eine Unterhaltung. Mit dir ist es ja kaum auszuhalten, wenn du dich so in Schweigen hüllst“, zog Tyler ihn weiter auf und prostete ihm lachend zu.

Das war sein Freund. Stets gutgelaunt und der Auffassung, man müsste das Leben in vollen Zügen genießen. So wie Jaxx das sah, entwickelte sich die Spielsaison großartig, und er würde den Teufel tun und sich ausgerechnet jetzt von einer Frau ablenken lassen. Egal wie toll sie war.

Kapitel 3

Für einen Montagmorgen war es richtig friedlich und so konnte Vivi ohne Hektik nach ihrem Urlaub in den Arbeitsalltag starten, wofür sie sehr dankbar war. Sie hatte in aller Ruhe ihre E-Mails gecheckt und ihren Kalender auf den neusten Stand gebracht, ohne dabei ununterbrochen gestört zu werden. Dafür hatte sie umso mehr Arbeit für ihren Boss, den sie an diesem Tag noch nicht getroffen hatte. Er befand sich seit den frühen Morgenstunden mit Mr Davies, dem Coach und Trainer der Stars, in einer Sitzung, und so beschloss Vivi sich ausnahmsweise eine zweite Pause zu gönnen. Erst mal einen Kaffee holen …

Aus einem Schrank in der Gemeinschaftsküche nahm sie eine Tasse, deren schwungvoller Schriftzug sie schmunzeln ließ. „Tackled? Touch the Stars!“, stand darauf. Sie stellte die Tasse unter den Vollautomaten, drückte auf den Startknopf und machte sich gleich darauf mit einer dampfenden Tasse Kaffee auf den Rückweg in ihr Büro. Ein kurzer Blick auf ihre Armbanduhr. Gleich müsste ihr Boss aus der Sitzung zurückkommen. Das Pling! des Fahrstuhles ertönte und die Türen öffneten sich. Jason Mackley trat heraus, sein Notebook fest unter den Arm geklemmt. Abrupt blieb er stehen und hob verwundert eine Augenbraue.

Wenn man vom Teufel spricht …

„Guten Morgen, Vivienne“, begrüßte er sie und sein Blick glitt kurz über ihre Gestalt. „Sie sehen … anders aus“, sagte er trocken und ging weiter, ohne näher darauf einzugehen.

„Guten Morgen, Jason. Ich hatte eine Veränderung nötig“, gab Vivi im gleichen trockenen Ton zurück und folgte ihm. Sie rechnete es ihrem Chef hoch an, dass er sich so zurückgehalten hatte, war sich aber auch ziemlich sicher, dass der Vierundfünfzigjährige von seinen Footballspielern weit Schlimmeres gewohnt war als eine veränderte Frisur. Zusammen bewegten sie sich auf ihre Büros zu, die sich nebeneinander befanden.

„Hatten Sie einen schönen Urlaub?“, fragte er

Beim Gedanken daran presste Vivi ihre Lippen fest zusammen. „Er war … erstaunlich interessant und … aufschlussreich.“ Seit dem Vorfall mit Leon und Emily war ihr Herz taub, und manchmal hatte sie das Gefühl, dass sie sich auf emotionaler Ebene wie unter einer mit dickem Nebel gefüllten Glocke bewegte. Ihre Gefühle schwebten wie unzählige Wassertröpfchen in der Luft, reflektierten das Licht, vernebelten Vivis Sicht. Aber im Moment war das sicher noch das Beste, da sie so gar nichts fühlte, und das half ihr nach vorne zu schauen.

Prinzipiell hielt sie ihr Privatleben strickt von ihrer Arbeit getrennt. Als sie angefangen hatte für Jason zu arbeiten, hatte sie ihm klar mitgeteilt, dass sie nebenbei für diverse Labels modelte und das auch nicht aufgeben würde. Er wiederum hatte ihr erklärt, dass ihn ihr Privatleben nicht interessiere, solange es ihren Job nicht beeinträchtige. Und so waren sie quasi zu einer stillen Übereinkunft gekommen, denn Vivi war sich sicher, dass Jason sie durchleuchtet hatte und genau wusste, dass sie für extravagante Mode posierte.

Vor seinem Büro stoppte er. „Würden Sie mir gegen Mittag bitte Jackson Rose herholen? Er ist einer der Spieler. Ich würde gerne etwas Wichtiges mit ihm besprechen …“

„Natürlich. Wo finde ich Mr Rose?“

„Die Spieler trainieren jetzt – am besten suchen Sie nach dem Training die Spielerkabinen auf.“

Vivi nickte knapp und ihr Boss verschwand in seinem Büro.

 

Kurz nach ihrer Mittagspause fuhr Vivi mit dem Fahrstuhl ins Untergeschoss und folgte der Beschilderung Richtung Garderoben. Nach etwa zehn Minuten runzelte sie irritiert die Stirn. Bin ich hier nicht gerade eben schon mal vorbeigekommen …? Sie stöhnte innerlich auf. Hätte ich beim Empfang mal nach dem Weg gefragt … Das Optus-Stadion war riesig und hier unten, in den Katakomben des Gebäudes, war sie noch nie gewesen. Wozu auch? Die Spieler gehörten schließlich nicht in ihr Aufgabengebiet. Konzentriert las sie noch einmal die Beschilderungen, die zu den Garderoben führen sollten. Hier unten, abseits vom alltäglichen Rummel, war es etwas kühler und absolut still. Ab und an hörte man von Weitem dumpfe Stimmen, doch gesehen hatte sie bis jetzt noch niemanden. Okay, noch mal. Und wirklich: Je tiefer sie sich in den dunklen Gang wagte, umso lauter wurden Männerstimmen und Gejohle. Leicht verborgen hinter einer Treppe hatte sie beim ersten Mal und den sich immer wiederholenden Strukturen des Gebäudes, eine Abzweigung übersehen.

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch blieb sie schließlich vor einer roten Tür stehen, auf der in großen schwarzen Buchstaben „Garderobe“ stand. Jetzt konnte sie Lachen und Gespräche hören. Klingt wie früher aus der Jungsumkleide in der Schule … nur mit Männerstimmen. Sie rollte mit den Augen. Aus unerklärlichen Gründen war Vivi plötzlich nervös. Wild wummerte ihr Herz gegen ihre Brust, als sie zaghaft die Hand hob, um leicht anzuklopfen. Doch nichts geschah. Klar, das konnten die doch gar nicht hören. Mensch, gib dir einen Ruck, Vivi. Sonst bist du doch auch nicht zimperlich. Lautes Grölen von innen. Vivi holte tief Luft und klopfte entschieden energischer an die rote Tür, und mit dem festen Vorsatz, die Flucht nach vorn anzutreten, drückte sie die Türklinke und öffnete die Tür direkt. Ein feuchter Luftschwall, der nach schweißiger Sportbekleidung und Duschgel roch, schlug ihr entgegen. Puh, was für ein Mief … Doch davon würde sie sich nicht abhalten lassen. Entschieden machte sie einen Schritt in die Umkleide. Heiliger Strohsack! Es kam nicht oft vor, dass es ihr die Sprache verschlug, doch gerade jetzt klappte ihr Unterkiefer auf. Vivi schluckte schwer und versuchte sich wieder zu sammeln. Lautlos schloss sich die Tür in ihrem Rücken. Sie war auf vieles gefasst gewesen, doch auf diesen außergewöhnlichen Anblick sicher nicht. Mit dem Rücken zu ihr stand ein komplett nackter Mann. Schön geformte, weiße, glatte Pobacken, die nach oben in einen braungebrannten muskulösen Rücken übergingen, nahmen ihr Blickfeld ein. Das dunkle Haar klebte dem Typen klatschnass am Kopf, das heraustropfende Wasser rann den breiten Rücken hinab. Wie hypnotisiert folgte sie mit ihrem Blick den Wasserperlen, wie sie sich der Schwerkraft hingaben und von der Beleuchtung golden glitzernd zwischen seinen Gesäßbacken verschwanden.

„Jungs!“

Ertappt ruckte Vivis Kopf hoch.

„Bedeckt euch, wir haben Damenbesuch!“, rief plötzlich ein blonder Hüne. Sie erkannte ihn als Tyler Jamieson, Captain der Mannschaft. Er war der einzige Spieler, den sie jemals aus nächster Nähe gesehen hatte, und das auch nur, weil überall in Perth Werbeplakate mit ihm drauf hingen.

Unverzüglich verstummten die Stimmen und alle Blicke richteten sich auf sie, was ihr wiederum eine unangenehme Hitze am ganzen Körper bescherte. Der Nackte vor ihr wirbelte auf der Stelle herum. Wassertropfen flogen von seinen nassen Haaren in alle Richtungen, und etwas kühles, feuchtes traf ihr Gesicht, was sich auf ihren erhitzten Wangen wie ein Schock anfühlte. Instinktiv hob sie eine Hand und fasste sich leicht an die Stelle, an der sie getroffen worden war. Intensive dunkelbraune Augen musterten sie dabei neugierig. In ihnen flackerte ein wildes Licht … oder war es eher Ablehnung? Genau konnte sie es nicht sagen, denn der Anblick dieses Mannes nahm ihr die Luft zum Atmen und hinterließ das Gefühl einer leichten, süßen Schwere in ihrer Magengrube. Großer Gott. Er war umwerfend. Seine Haut schimmerte durch die kurzen, dunklen Bartstoppeln, die schmale, aber sinnliche Lippen umrahmten. Sein Oberkörper war glatt rasiert, imposant und so muskulös, dass er sicher zwei Vivis hätte umarmen können, und er hatte ein definiertes Sixpack. Den Bereich eine Etage tiefer bedeckte er schützend mit seinem Badetuch. Bis auf ihn waren alle bereits mehr oder weniger angezogen. Um ihm ins Gesicht schauen zu können, musste sie jetzt leicht den Kopf heben.

„Lady …?“, sagte der Kerl mit tiefer, rauer Stimme und bescherte Vivi damit einen kleinen Schauer, der genüsslich über ihre Wirbelsäule hinablief. Sein süffisantes Grinsen ließ ihr Herz unangebracht hüpfen. „Haben Sie sich verlaufen?“

„Nein, so wie ich das einschätze, habe ich mich nicht verlaufen“, antwortete sie rasch. Zum Glück hatte sie wieder ihre Sprache gefunden und ihr Verstand hatte ihr mitgeteilt, dass sie im Auftrag ihres Chefs hier war – nicht, um sexy Männer anzustarren. „Vorausgesetzt, das hier ist die Spielergarderobe.“

„Yeah! Hier bist du goldrichtig, Baby!“, tönte es aus den hinteren Reihen.

„Halt die Klappe, Ethan!“, konterte jemand.

„Hey, ich wollte nur nett sein.“

Mr Knackarsch runzelte die Stirn. „Aha, und was wollen Sie hier, Lady?“

„Was wollen Sie hier Lady … Darf ich Ihnen meinen Arm zum Unterhaken anbieten, Lady …“, äffte der, der Ethan genannt worden war, ihn frech nach.

Meine Güte, was für ein Kindergarten … „Ich suche Jackson Rose.“

Der Nackte vor ihr zog die Augenbrauen hoch. „Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“

„Sie dürfen“, antwortete Vivi jetzt amüsiert. „Ich bin Vivi Kerr, Mr Mackleys Assistentin.“

Leise fluchend wich jegliche Körperspannung aus dem Mann.

Unverzüglich klingelten bei Vivi alle Alarmglocken. „Nicht!“, rief sie schon fast hysterisch und hob die flache Hand als Stoppzeichen in die Luft. Vivi sah ihm dabei geradewegs in die Augen. „Lassen Sie bloß nicht das Handtuch fallen, Mister! Für Schwanz bin ich gerade nicht in Stimmung.“

Perplex, ja, fast schon schockiert starrte er sie mit offenem Mund an, während seine Teamkollegen hinter ihm vor Lachen regelrecht eskalierten. Sie klatschten einander ab, einige klopften ihm brüderlich auf die Schulter und einer – Ethan – schlug ihm ein nasses Handtuch auf den nackten Hintern. Er schien es gar nicht zu bemerken, zuckte nicht mit der Wimper und hielt schweigend ihren Blick.

„Jaxx“, sagte Tyler grinsend und zwinkerte ihr frech zu – ganz eindeutig wollte er ihr damit einen Hinweis darauf geben, dass sie den Gesuchten vor sich hatte. „Sei nett zu Miss Kerr.“

Verflixt noch eins! Auch das noch. Ihr blieb aber auch nichts erspart. Innerlich stöhnte Vivi und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Dann räusperte sie sich und fragte möglichst gleichgültig: „Dann nehme ich an, dass Sie Mr Rose sind?“

„Richtig“, brummte Jackson grummelig, während er sie immer noch auf diese intensive Weise anstarrte.

„Na dann …“, begann sie, deutete mit dem Zeigefinger auf ihn und machte damit kleine kreisende Bewegungen in der Luft. „Mr Mackley bittet Sie zum Gespräch in sein Büro. Am besten bekleidet.“ Damit drehte sie sich auf dem Absatz um und machte Anstalten, die Garderobe zu verlassen, ehe sie, die Türklinke in der Hand, noch einmal einen Blick über ihre rechte Schulter warf. Jackson Rose stand noch immer wie angewurzelt an derselben Stelle, starrte sie an. Der Blick der anderen ruhte ebenso auf ihr.

Gott, Vivi. Wieso hast du dich jetzt noch mal umgedreht?!Nicht runterschauen, nicht runterschauen, nicht runterschauen! Jetzt galt es, ihre schauspielerischen Fähigkeiten auszutesten. Vivi hob ihre freie Hand und winkte mit den Fingern. „Auf Wiedersehen, meine Herren.“ Dann verließ sie das Szenario würdevoll.

Sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, trat sie einen Schritt zur Seite, lehnte sich mit dem Rücken gegen die kühle Wand und schloss die Augen. Sie atmete tief durch. Für Schwanz bin ich gerade nicht in Stimmung? Bist du noch ganz bei Trost? Was redest du denn?! In ihren siebenundzwanzig Jahren hatte ihr loses Mundwerk schon viel Unsinn von sich gegeben. Aber das? Das übertraf alles. Allein bei der Erinnerung daran wurde ihr heiß und ihr Puls begann zu rasen. Gott, wie peinlich. Am liebsten hätte sie sich gleich hier in einem Loch verkrochen. Die Sache mit Leon musste irgendwie etwas überaus Besorgniserregendes in ihr ausgelöst haben, dass sie einen solchen Unsinn von sich gab. Ja, sie hatte mit der Männerwelt abgeschlossen, aber das hieß ja nicht, sich ausgerechnet vor einem äußerst heißen Typen plus versammelter Mannschaft zum Affen machen zu müssen. Sie konnte noch nicht mal sagen, warum sie nach dem Anklopfen nicht einfach gewartet hatte, dass man ihr die Tür öffnete? Wie normale Menschen das getan hätten, Vivi! … nichts wie weg hier und hoffen, nie wieder hier runterzumüssen. Sie stieß sich von der Wand ab und machte sich eilig auf den Weg zurück in ihr Büro. Sobald sie wieder oben war, schloss sie die Bürotür hinter sich und ließ sich stöhnend auf ihren Stuhl fallen. Toller erster Arbeitstag nach dem Urlaub … Sie stützte sich mit den Ellenbogen auf den Schreibtisch und vergrub ihr Gesicht in beiden Händen. Dabei wiegte sie den Kopf still hin und her. Das Bild von Jackson Rose’ Hinteransicht hatte sich unweigerlich in ihr Gehirn gebrannt.

Bisher hatte sie die Spieler nie zu Gesicht bekommen und in Zukunft würde das ziemlich sicher auch so sein. Dieser Gedanke tröstete sie und ließ sie beruhigt aufatmen. Professionalität am Arbeitsplatz war ihr wichtig, und soeben hatte sie sich alles andere als professionell verhalten.

Kapitel 4

Mit festem Schritt steuerte Jaxx den Fahrstuhl an und fragte sich zum wiederholten Mal, was zum Henker sein Onkel von ihm wollen könnte. Außer seinen engsten Freunden und natürlich der Familie wusste niemand, dass er mit Jason Mackley, dem älteren Bruder seiner Mutter, verwandt war. Jaxx behielt diese Information bewusst unter Verschluss, ehe Mutmaßungen und Gerüchte die Runde machen würden. In der Australian Football League zu spielen war immer sein Traum gewesen und er hatte hart dafür gearbeitet. Um dieses Ziel zu erreichen, hatte es nicht nur Talent und hartes Training gebraucht, wobei das natürlich die Hauptvoraussetzungen waren, die zum Erfolg eines Profispielers beitrugen. Doch auch das Körperliche musste stimmen – es brauchte Kraft und Ausdauer –, sowie das Mindset – Ehrgeiz und Disziplin. Manchmal trainierte Jaxx fast bis zum Umfallen. Das war der Preis, den er gerne für sein selbst gewähltes Leben bezahlte. Aufgrund dessen hatte Jaxx auch keine Lust, sich nachsagen zu lassen, er hätte es wegen Vitamin B in die AFL geschafft. Menschen neigten oft dazu, voreilige Schlüsse zu ziehen, ohne jemanden zu kennen oder sich auch nur ansatzweise für dessen Leben ehrlich zu interessieren. Schnell konnte ein Traum so zum Albtraum werden.

Auf dem Weg nach oben kreisten seine Gedanken um die irgendwie seltsame Begegnung mit Vivi Kerr. Jaxx runzelte die Stirn. Er wusste immer noch nicht, was er von dieser Frau halten sollte. Ja, es hatte ihm wortwörtlich die Sprache verschlagen, als sie vor ihm stand. Seine Ex-Freundin war das krasse Gegenteil gewesen: klein, schüchtern und zurückhaltend. Vivi Kerr hingegen verkörperte alles, was er von einer Frau auf keinen Fall wollte, und dennoch kam er nicht drum herum, an sie zu denken und auch noch Vergleiche zu seiner Ex zu ziehen. Was soll das denn?! Es war nicht das ärmellose schwarze Leinenkleid gewesen, das elegant eine Handbreit über ihrem Knie endete und ihren traumhaft kurvenreichen Körper umschmeichelte. Und auch nicht der züchtige V-Ausschnitt, ihre langen Beine, deren Füße in weiße Pumps steckten, oder ihre unübersehbare Körpergröße. Sie waren fast auf Augenhöhe gewesen, und das wollte was heißen, denn mit seinen eins achtundachtzig war er nicht gerade klein. Und, verflucht, sie hatte lila Haare mit pinken Strähnen! Zwar war zumindest das Augen-Make-up zurückhaltend gewesen, doch die vollen sinnlichen Lippen hatten im gleichen Pinkton wie ihre Strähnen geleuchtet. Als wäre sie in einen Farbtopf gefallen … Und zur Krönung waren ihre langen Fingernägel bunt in weiß-pinken Tönen manikürt und mit Strasssteinen verziert gewesen. Warum er das so genau sagen konnte? Dank seiner jüngeren Schwester Lou. Um ihn zu ärgern, schickte sie ihm regelmäßig Fotos von ihren frisch lackierten und verzierten Fingernägeln. Mit grimmiger Miene presste er die Kiefer fest aufeinander und knirschte missmutig mit den Zähnen, als ihm wieder dieser eine Satz durch den Kopf ging. Für Schwanz bin ich gerade nicht in Stimmung … Shit, diese Frau konnte doch nur Ärger bedeuten, und zu seinem Leidwesen ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf. Allem Anschein nach hatten diese rehbraunen Augen, die temperamentvoll aufgeblitzt hatten, und das freche Mundwerk etwas in ihm ausgelöst. Kopfschüttelnd betrat er den Fahrstuhl. Sobald Jaxx das Penthouse, wie das Team die Chefetage zu nennen pflegte, erreichte, begab er sich auf direktem Weg zu seinem Onkel. Vor dessen Tür blieb er stehen, klopfte kurz an und trat nach einem „Herein“ ins Zimmer.

Wieder runzelte Jaxx die Stirn. Na toll … Vivi saß neben seinem Onkel am Schreibtisch. Die Köpfe zusammengesteckt blickten sie konzentriert auf den Bildschirm eines Notebooks. Gleichzeitig sahen sie auf.

„Jaxx“, begrüßte ihn sein Onkel. „Komm doch rein! Vivienne, haben wir an alles gedacht?“

„Ja, ich kümmere mich darum“, antwortete sie, schloss das Notebook und nahm es in eine Hand. Mit dem Zeigefinger tippte sie sich gegen die Schläfe. „Alles abgespeichert. Falls noch Fragen auftreten, komme ich natürlich noch mal auf Sie zu.“

Zufrieden nickte Jason und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Gut, dann sind wir hier fertig.“

Vivi erhob sich und ihr verlegener Blick huschte zu Jaxx. Eine zarte Röte überzog ihren Hals und ihr Dekolleté. Unbewusst grinste er in sich hinein. Irgendwie sah sie ja schon niedlich aus. Schnell senkte sie ihren Blick wieder und murmelte im Vorbeigehen gepresst: „Sehr erfreut, Mister …“

„Die Freude ist ganz meinerseits, Miss.“ Belustigt schob Jaxx beide Hände tief in seine Hosentaschen und nickte ihr nur zu. Jason erhob sich und beobachtete die Szene interessiert.

Ihre Augen verengten sich zu zwei schmalen Schlitzen. „Pff … Mister Ballaballa“, schnaubt sie leise vor sich hin.

„War was?“, wollte er wissen.

„Kaum der Rede wert …“, wich Vivi aus.

Dieses kleine Biest … Jaxx fing ihren erneuten Blick auf, der jetzt widerspenstig, fast vorwurfsvoll wirkte. „Wir haben uns vorhin kurz in der Garderobe getroffen“, sagte er.

„Ähm, ja … Davon gehe ich aus – Vivienne sollte dich ja auch hochholen.“ Jason schüttelte kurz irritiert den Kopf. „Wie auch immer … Vivienne, was mir gerade noch einfällt: Besorgen Sie mir bitte noch die Unterlagen sämtlicher Sponsoren. Ich will vor der Verwaltungsratssitzung noch mal einen Blick darauf werfen.“

Stumm nickte sie. Bevor sie den Raum verließ, warf sie einen letzten Blick auf Jaxx, diesmal fast ungläubig. Er wiederum zuckte mit den Schultern.

---ENDE DER LESEPROBE---