29,99 €
Von den Höhen der peruanischen Anden bis zu den Ufern des Mekong-Deltas in Laos ist Starkoch Gordon Ramsay gereist, um sich an einigen der entlegensten Orte der Welt kulinarisch inspirieren zu lassen. Seine Mission: Einblicke in einige der reichsten Kulturen der Welt, Tipps von lokalen Spitzenköchen und »Must-tasting«-Abenteuer an nahen und fernen Orten. Darüberhinaus hat er authentische Rezepte zusammengestellt, die man auch zu Hause leicht nachkochen kann.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 221
Veröffentlichungsjahr: 2023
GORDON RAMSAY
GORDON RAMSAY
KULINARISCHEABENTEUER
ZU BESUCH BEI DEN BESTEN KÜCHENMEISTERN IN ALLER WELT
Für die Dreharbeiten zu Kulinarische Abenteuer trotzte Gordon Dschungeln, Klippen und Vulkanen, um die besten Zutaten ausfindig zu machen und regionale Kochtechniken zu erkunden.
Würziges aus Marokko: »Marokkanische Harissa-Karotten« und »Rinderschmortopf mit Ras el-Hanout« (Kapitel 2).
EINLEITUNG
KAPITEL 1Das Heilige Tal von Peru
KAPITEL 2Die Berge Marokkos
KAPITEL 3Laos und der große Mekong
KAPITEL 4Neuseelands rauer Süden
KAPITEL 5Die Hana-Küste von Hawaii
KAPITEL 6Südafrikas Wildnis
KAPITEL 7Norwegens Wikingerland
KAPITEL 8Die Gewürzmärkte Indiens
KAPITEL 9Küstenabenteuer in Kroatien
KAPITEL 10Unglaubliches Island
KAPITEL 11Portugals zerklüftete Küste
KAPITEL 12Die Küste von Maine
KAPITEL 13Die Great Smoky Mountains
KAPITEL 14Üppiges und wildes Puerto Rico
KAPITEL 15»Holy Mole« Mexiko
KAPITEL 16Englands Jurassic Coast
DANK
BILDNACHWEIS
REGISTER
ÜBER DEN AUTOR
LOS GEHT’S! Begleiten Sie mich auf abenteuerlichen Pfaden, auf eine kulinarische Erkundungstour, auf die Suche nach außergewöhnlichen Zutaten, Aromen, Gerichten und Kulturen, die weltweit einzigartig sind. Wir reisen an 16 Orte, um der lokalen Küche ihre Geheimnisse zu entlocken – so wie in Gordon Ramsay: Kulinarische Abenteuer, der gleichnamigen National Geographic-Fernsehserie.
Kulinarische Abenteuer – der Titel war von Anfang an Programm. Es war mir wichtig, die heimische Küche zu verlassen und in unbekannte Kochwelten vorzustoßen. Und das nicht zum ersten Mal. Bereits für Gordon’s Great Escape (2010 und 2011 auf dem britischen Sender Channel 4) tauchte ich tief ein in die Kochtraditionen von Indien, Thailand, Kambodscha, Malaysia und Vietnam. Heute, da Reisende sich noch stärker für die Geschichte und Bedeutung lokaler Gerichte und Zutaten interessieren, begebe ich mich auf eine neue Abenteuerreise.
Kulinarische Abenteuer bringt Ihnen die Küche verschiedener Weltgegenden durch die Augen eines Chefkochs näher. Vor Ort einzutauchen und mit anzupacken, eröffnete mir ein tiefes Verständnis für die Küchen dieser Kulturen. Und Sie können hautnah dabei sein!
Feierlicher Abschluss: Das große Kochduell vor der Kulisse des Marshall Point Lighthouse auf der Halbinsel St. George (Maine).
Die Kapitel in diesem Buch folgen grob den ersten drei Staffeln der TV-Serie. Während meiner Reisen fühlte ich mich zurückversetzt in meine zwanziger Jahre, als ich auf der Hotelfachschule war. Meine erste Kochuniform und mein Kochmesser bekam ich von einem Wohlfahrtsverein, was mich motiviert hat, besonders eifrig zu lernen und selbstsicherer zu werden. Ich war zielstrebig und begierig, jede Information in mich aufzusaugen wie ein Schwamm. Ich lernte von der Pieke auf. Zugleich war ich verletzlich, war auf der Suche nach mir selbst. Dieses Gefühl kam wieder während der Dreharbeiten zu Kulinarische Abenteuer.
So erfolgreich ich heute auch bin, ich besinne mich gern auf das Wesentliche meiner Ausbildung zurück. Ich liebe es, mit allen auf derselben Stufe zu stehen, als Mitglied eines Teams, nicht als Chef. Wo ich auch bin, es reizt mich, auf die Menschen vor Ort zu vertrauen, auf ihre umfassende Erfahrung und ihre Kenntnisse, während ich nur meine Geschmacksknospen mitbringe und mit Kochmessern umzugehen weiß. Daheim in den Restaurantküchen meckern wir, wenn der weiße Spargel aus Frankreich mit einem Tag Verspätung ankommt, weil uns das nicht in die Menüplanung passt. An den Orten, die ich für Kulinarische Abenteuer besucht habe, sind die Chefköche und -köchinnen Selbstversorger, die auf lokale Zutaten in einem Umkreis von 80 km angewiesen sind.
Meine Reisen rund um die Welt eröffnen mir die Chance, das Thema Essen aus der Perspektive eines Neueinsteigers zu betrachten, meine Erwartungen außen vor zu lassen und die Dinge mit ganz neuen Augen zu sehen. Ich bereite mich kaum auf die Orte vor, die ich besuche; ich möchte jedem Ziel frei und unvoreingenommen begegnen. Aber ich verspüre auch eine leichte Nervosität – schließlich will ich niemanden enttäuschen. Doch das Beste, was ich tun kann, ist loszulassen, den lokalen Köchen die Führung zu überlassen, mich auf das einzulassen, was sie mir zeigen und erzählen. Meine Aufgabe ist es, zuzuhören und Wissen aufzusaugen.
Dabei kommt es darauf an, die Zusammenhänge zwischen Zutaten und Kultur wirklich zu begreifen. Ich freue mich, wenn ich diese kulinarischen Traditionen mit meinen Zuschauern teilen kann, wenn ich erfahre, dass sie etwas Neues kennengelernt haben oder es kaum erwarten können, das eine oder andere Gericht selbst auszuprobieren. Dieses Abenteuer ist ohnegleichen. Ich freue mich, gemeinsam mit National Geographic dem Thema Essen abermals seinen gebührenden Platz einräumen zu dürfen.
Auf jeder Reise dreht sich alles ums Essen und darum, die kulinarischen Geheimnisse der jeweiligen Destination zu ergründen. Wir haben mehr als ein Dutzend Orte bereist und von jedem etwas Besonderes mitgenommen. Das Wesentliche dabei ist die Einfachheit des Geschmacks lokal geernteter Zutaten. So schenkt uns die Erfahrung ein besseres Verständnis der Kultur und Geschichte jedes Orts.
Ich möchte die geschmacklichen Wege einer Region erkunden, ihre Küchengeheimnisse Schicht für Schicht entblättern, um die Wurzel ihres kulinarischen Ansehens freizulegen. Und ich möchte, dass mich die lokalen Köchinnen und Köche an die Hand nehmen – sie spielen auf meiner Entdeckungsreise eine zentrale Rolle. Am Ende eines jeden Abenteuers überlege ich, wie ich das, was ich gelernt habe, mit Respekt auf den Tisch bringen kann.
Auf jeder Reise dreht sich alles ums Essen und darum, die kulinarischen Geheimnisse der jeweiligen Destination zu ergründen.
LANDESTYPISCH
Die St.-Andreas-Kirche erhebt sich über dem Dorf Mošće, Kroatien.
LANDESTYPISCH
Frische Lebensmittel gibt es im Überfluss auf den Märkten Marokkos.
GANZ ODER GAR NICHT
Das große Kochduell im Südosten von Texas: Flammen lodern über dem Grill, als Gordon die Steaks in Angriff nimmt.
Als Koch beschaffe ich mir meine Zutaten nicht immer selbst, sondern verlasse mich meist auf meine Lieferanten. Dabei entgeht mir die Reise dorthin, wo das Abenteuer kulinarischer Kreationen seinen Anfang nimmt. Kulinarische Abenteuer hat mir einige der besten Einblicke in Elemente und Methoden rund um das Thema Essen beschert. Es war ein guter Weg, aus ursprünglichen Quellen zu schöpfen, ein Weg, der mich weiter führte als jede andere Erfahrung.
Zu einer Abenteuerreise gehören Herausforderungen ebenso wie Erfolge. Wilde Natur folgt keinem Zeitplan. In schwer zugänglichen Gegenden gilt: Jagd und Nahrungssammeln sind Überlebensgrundlage. Auch das Wetter spielt nicht immer mit. Man muss sich nach der Dauer des Tageslichts richten. Solche Herausforderungen haben herausragende Küchenmeister hervorgebracht, mit einem großen Wissen über teils uralte Kochtraditionen und die besten Zeiten zur Beschaffung bestimmter Zutaten.
Auch ich muss diese Widrigkeiten erfahren, bekomme nicht immer die gewünschten Zutaten und bin mitunter gezwungen, meinen Kurs zu ändern und neue Wege einzuschlagen. Aber ich will nichts unversucht lassen. Auch wenn es mal nicht so läuft wie geplant, wenn ich den Fisch nicht fange oder ein Gericht nicht perfekt hinbekomme, will ich die Geschichte erzählen. Diese Momente der Enttäuschung sind wichtig. Sie zeigen die Realität, wie sie ist – man kommt eben nicht immer mit der erhofften Zutat nach Hause. Enttäuschungen führen uns vor Augen, wie vielfältig die Herausforderungen für die lokalen Köche tagtäglich sind. Ausreden gibt es nicht. Klappt es heute nicht, dann klappt es morgen.
Auch wenn ich am Ende meiner Zeit an einem Ort etwas von der Kultur verstanden habe und mit einem guten Gefühl zum großen Kochduell antrete, kann es sein, dass ich im letzten Moment improvisieren muss. Ein Gericht ist für mich wie ein großes kulinarisches Puzzle: Das Bild fügt sich langsam zusammen, doch oft wirft man kurz vor Schluss alles wieder über den Haufen und fängt von vorne an.
Drei Staffeln Kulinarische Abenteuer und eine Staffel Uncharted Showdown haben in mir eine Vision reifen lassen, wo ich als Chefkoch letztlich hinmöchte. Ich bin immer bereit zu lernen. Ich möchte mein Repertoire erweitern. Ich möchte immer noch die Verletzlichkeit meines 22-jährigen Ichs spüren, damals in Paris, auf meinem Weg der Selbstentdeckung, mit einem Gehalt, das kaum für die Miete reichte. Es fühlt sich gut an, nach drei Jahrzehnten hinterm Herd, neuen Herausforderungen zu begegnen.
Der tiefe Respekt für all diese Orte sowie der authentische Einblick in Kulturen auf dem Weg über ihre Küche – das kann leicht auf der Strecke bleiben, wenn man all das in schriftlicher Form von Koch zu Koch weiterzugeben versucht. Ich hatte das große Glück, die Essenz eines jeden Gerichts zu verstehen, da ich im Moment der Zubereitung unmittelbar dabei sein durfte. Die besondere Magie dieser verschiedenen Orte »schmecken« zu dürfen, war ein einmaliges Geschenk!
Die besondere Magie dieser verschiedenen Orten »schmecken« zu dürfen, war ein einmaliges Geschenk!
In Kulinarische Abenteuer geht es nicht nur um einzigartige lokale Zutaten, sondern auch um Kochmethoden: Wie wird ein Gericht zubereitet? Wie wird Feuer gemacht? Wie schneidet man einen Falterfisch? Vielleicht ist es sogar gut, dass wir nicht alles einfach so einpacken und mit nach Hause nehmen können, denn Aroma und Frische entfalten sich allein vor Ort und sind unabdingbarer Bestandteil des Ganzen. Zur traditionellen Kochmethode der Māori gehört es etwa, mit der Schaufel einen Erdofen (hangi) auszuheben, die vorbereiteten Speisen dann in Körben auf heißen Steinen im Erdloch zu platzieren, mit nassen Tüchern abzudecken, alles wieder zuzuschaufeln und abzuwarten im Vertrauen darauf, dass Hitze und Zeit die Arbeit erledigen. Die Kontrolle abzugeben und loszulassen, war für mich eine wertvolle Erfahrung.
Abzureisen fällt mir jedes Mal schwer. Und kaum bin ich fort, packt mich das Heimweh nach diesen Orten. Diese tiefe Verbundenheit bleibt mir erhalten – stärker vermutlich, als wenn ich einfach ein paar Restaurants abgeklappert hätte.
Verbunden bleibe ich auch mit den Menschen, die mir den Weg zu den Aromen ihrer Heimat gezeigt haben, sowie mit meinem Filmteam, das mich begleitet hat. Ich bin dankbar, meine gesammelten Erfahrungen in diesem Buch mit Ihnen teilen zu dürfen! Genießen Sie dieses globale Festmahl – das uns alle zusammenbringt und uns die Welt, in der wir leben, näherbringt. Guten Appetit!
DEN WASSERFALL HINUNTER!
Great Smoky Mountains (North Carolina): Gordon seilt sich seitlich an einem Wasserfall ab.
Im Südwesten Indiens: Zusammen mit Chefköchin Shri Bala genießt Gordon frisches Kokoswasser.
West-Sumatra (Indonesien): Gordon steckt mitten in der Zubereitung von Rinder-Rendang, als plötzlich ein Schauer losbricht und er kurzerhand eine Pfanne zum Regenschirm umfunktioniert.
Der neuseeländische Fischer Zane zeigt Gordon, wie man Paua-Muscheln öffnet, einen der wertvollsten Schätze des Meeres.
Laos: Gordon ist auf dem Weg nach Don Tan, um Lao-Lao zu probieren, einen hochprozentigen lokalen Schnaps.
Gordon und die neunjährige Fatima verwenden einen traditionellen Mörser und Stößel, während sie ein Festessen zur großen Neujahrsfeier der Berber (amazigh) zubereiten.
Familienessen nach einem langen Kochnachmittag – geschmortes Meerschweinchen und Lawa de Chuño, ein traditioneller Anden-Eintopf mit Lammfleisch.
Die Inka-Ruinen von Moray hoch in den Anden – wie eine wogende Welle wirken die kreisförmigen Terrassen nahe der Stadt Cusco.
VOR MEHR ALS 500 JAHREN war das Heilige Tal (Quechua: Wilka Qhichwa) das Herz des Inka-Reichs. Die frühen Bewohner dieser heute zu Peru gehörenden Region schätzten die vielen Höhenstufen, die unterschiedliche Mikroumgebungen für die Landwirtschaft boten, und bauten Terrassenfelder, um den vorhandenen Raum für den Anbau zu vergrößern. Man geht davon aus, dass die wie ein Amphitheater angelegten Terrassen von Moray ein landwirtschaftliches Versuchsgelände waren, wo die Inka auf den einzelnen mikroklimatischen Stufen mit allerlei Nutzpflanzen und Anbaumethoden experimentierten. Hier in den Anden, wo 85 der 110 Klimazonen der Welt liegen, beeinflusst die Höhe alles, vom Geschmack der Produkte bis hin zur Siedetemperatur des Wassers. Die über Jahrhunderte gewachsenen Traditionen der Anden-Küche sind hier noch gegenwärtig. Vieles hat sich zwar verändert, nicht aber die Vielfalt der Ökosysteme im 109 km langen Heiligen Tal. Die altbewährten Praktiken und Zutaten sind immer noch ein bestimmender Teil des Lebens im Anden-Hochland.
Durch nichts aus der Ruhe zu bringen – ein Alpaka vor den Ruinen von Ollantaytambo.
Machu Picchu, die alte Inka-Stadt in Peru, gehört auf jede Bucket List. Doch im drittgrößten Land Südamerikas gibt es so viel mehr zu entdecken – von Sandstränden bis zu üppigen Regenwäldern.
Der Amazonas-Regenwald bedeckt knapp die Hälfte der Landfläche Perus, 10 Prozent sind Küstenwüste. In den schneebedeckten Anden wartet Peru mit ganzen 85 der 110 Klimazonen der Welt auf.
Im Hochland von Peru gedeihen über 4000 Kartoffelsorten.
Die indigenen Gemeinschaften bewahren uralte lokale Anbau- und Kochmethoden, die andernfalls verloren gingen.
»Die Nahrungsmittel hier sind naturbelassen«, erklärt mir Sternekoch Virgilio Martínez Véliz, während wir auf einer Felsbank hoch über dem Heiligen Tal Alpaca-Dörrfleisch essen. »Die Bezeichnung Bio hat hier keine Bedeutung, alles ist Bio.« Virgilio ist berühmt für seine moderne Version der Küche aus großen Höhen. Mit seinem Restaurant Mil in Moray hat er einen Ort geschaffen, wo neue peruanische Küche und alte Landbautraditionen kreativ zusammenfinden. Die indigenen Gemeinschaften hier sind tief verbunden mit der Natur und wissen, wie die Höhe das Aroma beeinflusst und wie wichtig der Respekt für den Boden ist. Sie sind Experten für uralte lokale Anbau- und Kochmethoden, die andernfalls vielleicht verloren gingen. Und diese auf moderne Weise zu nutzen, trägt dazu bei, sie lebendig zu halten und jungen Generationen nahezubringen.
REISE-EINMALEINS
HÖHENKRANK
Wer in die peruanischen Anden reist, wähnt sich in Machu Picchu oft in größerer Höhe als in Cusco im Heiligen Tal. Aber das Gegenteil ist der Fall: Machu Picchu liegt auf 2430 m über dem Meeresspiegel, während das Heilige Tal auf 2743 m und Cusco auf 3399 m liegen. Mit der Höhe ist nicht zu spaßen – man sollte sie ernst nehmen, viel Wasser trinken und sich Zeit lassen. Experten empfehlen, bis zu sechs Tage einzuplanen, um sich an die Höhe zu gewöhnen, und den Alkoholkonsum auf ein Minimum zu beschränken.
Später treffe ich auf einem Feld, vor der Kulisse der imposanten Anden, den »verrückten Kartoffelwissenschaftler« und Kartoffelbauer in vierter Generation, Manuel Choqque Bravo. Er kreuzt Kartoffelarten, die schon von den Inka und anderen Anden-Völkern genutzt und kultiviert wurden. Über 4000 einheimische Kartoffelsorten gedeihen in diesen Höhenlagen. Da Kartoffeln selbstbefruchtend sind, also männliche und weibliche Blüten in einer Pflanze tragen, erfolgt die Kreuzung durch sorgsame Handbestäubung. Manuel hat mehr als 70 pigmentierte Hybriden gezüchtet. Die spektakulärsten sind innen tiefviolett oder rot, je nach Anbaulage. Je höher, desto intensiver ist die Färbung, da sie die Kartoffeln vor der starken UV-Strahlung in großer Höhe schützt.
Selbst Manuels selbst gebrautes Bier, Chicha de Jora, traditionell hergestellt aus fermentiertem Mais, ist Anden-Natur pur. Chicha de Jora kam im 15. Jahrhundert während der Herrschaft von Túpac Inca Yupanqui auf. Manuel nennt seine Variante Frutillada, denn er gibt Erdbeeren hinzu, die dem Bier eine leichte Süße verleihen. Inzwischen stellt Manuel sogar seinen eigenen »Wein« aus vergorenen Oca-Kartoffeln her. Herausgekommen ist eine vierteilige Produktlinie namens Miskioca (Quechua für »süßer Oca«) in den Weinfarben Weiß, Orange, Rosé und Rot, die vom Alkoholgehalt und Aussehen her mit üblichen Rebweinen durchaus mithalten können.
FRISCH GEERNTET
Grüne Wildkräuter, alte Kulturpflanzen, buntes Markttreiben – Peru bietet eine Vielfalt an Farben und Aromen, ein wahres Fest für Augen und Gaumen.
SCHLAGLICHT
CHEFKOCH UND GASTRONOM VIRGILIO MARTÍNEZ VÉLIZ
Virgilio Martínez Véliz, aufgewachsen in Lima, wollte schon immer Koch werden. Nach seiner Ausbildung in der Londoner Kochschule Le Cordon Bleu arbeitete er auf der ganzen Welt, auch im Gourmettempel Lutèce in New York. Nach zehn Jahren kehrte er in seine peruanische Heimat zurück, wurde Chefkoch im Astrid y Gastón, dem Flaggschiff von Gastón Acurio, um dann Perus Küche nach Madrid und Bogotá zu exportieren. 2008 eröffnete Virgilio ein eigenes Restaurant, das Central in Lima, kulinarisch inspiriert vom Pazifik und den Anden. Es folgte ein zweites Restaurant in London, das Lima, mit je einem Ableger in London (Lima Floral) und Dubai.
»Die Anden-Region in Peru ist sehr artenreich, doch bei der Beschaffung von Zutaten geht es um mehr, um den Respekt vor Traditionen, um den Kontakt zu lokalen Bauern, um die Ursprünglichkeit der Nahrung«, so Virgilio. Er ist Mitbegründer der Initiative Mater Iniciativa mit dem Ziel, die Biodiversität zu erhalten und ein Netzwerk zu schaffen, das auf einem nachhaltigen Verständnis von Nahrung, Kulturen und Umwelt basiert. Sein Restaurant Mil in Moray im Heiligen Tal feiert die altperuanische Küche, die Wiederverbindung mit der eigenen Vergangenheit. Und die beginnt gleich vor der Tür, denn dort liegen die alten landwirtschaftlichen Terrassen der Inka.
Gordon und Virgilio Martínez Véliz bei der Vorbereitung eines peruanischen Gerichts, das im traditionellen huatia (Erdofen) auf Glut gegart wird.
Das Heilige Tal in Peru ist eine reiche, grüne Oase in großer Höhe.
Dörfer säumen den Urubamba-Fluss im Heiligen Tal am Fuße der hoch aufragenden Anden.
An einem der höchsten Orte im Heiligen Tal bin ich zum Abendessen bei einer Familie eingeladen, die Feldbau noch nach alten Inka-Methoden betreibt. In der einfachen Küche wuseln Meerschweinchen (Cuy) rund um den mit Kuhdung befeuerten Herd – für künftige Mahlzeiten. Wir machen Lawa de Chuño, eine dicke Suppe aus gefrosteten Chuños – Kartoffeln, die mehrere Tage und Nächte draußen lagern, nachts gefrieren und tags auftauen. Die Chuños werden mit den Füßen zerdrückt, um die Schalen zu entfernen und letzte Tropfen Flüssigkeit herauszuquetschen. Anschließend werden die Kartoffeln zu Chuño-Mehl vermahlen, das sich mit Lamm, Reis, grünen Bohnen und Kartoffelscheiben sämig verbindet – eine geschmackliche Offenbarung.
Um in einer so abgelegenen Region zu überleben, braucht es neben Kartoffeln auch andere Zutaten. Den proteinreichen suksakuro (Kaktuswurm) etwa, der in der stachelblättrigen achupalla lebt, die auf Felssimsen wächst. Nur kurz in Olivenöl anschwenken, fertig. Kaktuswürmer schmecken angeblich nach Garnele und Tintenfisch, mich erinnerten sie eher an knusprige Kakerlaken. Wobei, wenn ich hier leben würde und tagtäglich auf Nahrungssuche gehen müsste, könnte ich vielleicht auf den Geschmack kommen.
Auf 3350 m Höhe, zwischen Cusco und Heiligem Tal, bietet der kristallklare Huaypo-See einmalige Ausblicke. Der See ist Heimat des peruanischen Ehrenfischs, Hauptnahrungsmittel im Heiligen Tal. Ich fange nur einen einzigen winzigen Fisch, doch mein Angelführer Domingo und ich machen daraus eine richtige Mahlzeit, füllen ihn mit einer Paste aus Kreuzkümmel, Knoblauch, Salz und Huacatay (einem aromatischen Würzkraut) und braten ihn mit … Kartoffeln (was sonst). Die Paste unterstreicht das süßliche Aroma des zarten Fischfleischs – köstlich!
Im Cajabamba-Dschungel treffe ich eine Familie, die unglaublich saftige Mangos haben soll. Früchte, die in großer Höhe wachsen, weisen häufig einen höheren Zuckergehalt auf als ihre Artgenossen im Tiefland. Die intensive Sonne und die geringe Luftfeuchtigkeit machen sie besonders süß und aromatisch – und zu meiner Geheimwaffe im Kochduell gegen Virgilio. Gut, die Zubereitung auf einem huatia, dem traditionellen Erdofen der Inka, ist nichts, womit ich gerechnet hatte. Die Herausforderung könnte nicht größer sein, aber ich habe inzwischen viel über uralte Zutaten und Kochmethoden gelernt. Tatsächlich wird meine Alpaca-Lende mit einer Marinade aus Mango und Chili zum besten Gericht gekürt.
Das Heilige Tal ist eine reiche, grüne Oase in großer Höhe. Was für eine unglaubliche Woche! In den peruanischen Anden habe ich eine faszinierende kulinarische Kultur entdeckt, die die Geheimnisse der Inka nutzt. Dank überwältigendem Einfallsreichtum und Zutaten, die von der Höhe bereichert werden, sticht das Essen hier jedes Sternerestaurant aus. Atemberaubend, in mehr als einer Hinsicht!
HINTER DEN KULISSEN
WÜRMER ERNTEN
Eine ausgezeichnete Proteinquelle sind suksakuro-Würmer aus dem Inneren wilder achupalla-Pflanzen. Achupallas ähneln kleinen Agaven, sind aber eng mit Bromelien verwandt und wachsen auf schwer zugänglichen Felssimsen hoch über dem Heiligen Tal. Um ihren kulinarischen Inhalt zu »ernten«, musste ich sogar das Lasso schwingen, während ich über der Klippe hing und hoffte, dass sich die Mühe am Ende lohnen würde. Leider aber war der Wurm-Geschmack (der Garnelen und Tintenfisch ähneln soll) nicht so ganz mein Fall.
Gordon lernt peruanische Kaktuswürmer kennen.
Rezept vonManuel Choqque Bravo
25 Babykartoffeln (verschiedenfarbig), geschrubbt und gewaschen
2 EL Salz
3 EL Entenfett
1 TL Rauchsalzflocken
1 TL frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
1 TL frische Thymianblätter
1 EL Honig
120 g Queso Fresco (ersatzweise Feta-Käse), zerbröckelt
1. Die Kartoffeln in einen Topf geben und mit Wasser bedecken. Das (normale) Salz hinzugeben, das Ganze zum Kochen bringen, dann herunterdrehen und die Kartoffeln etwa 20 Minuten köcheln, bis sie gar sind.
2. Die Kartoffeln abgießen und abkühlen lassen.
3. Sobald die Kartoffeln handwarm sind, vorsichtig mit der Handfläche einzeln auf jede Kartoffel drücken, bis sie leicht angedrückt ist; darauf achten, dass sie nicht auseinanderbricht.
4. Eine große Gusseisenpfanne auf mittlere Temperatur erhitzen und das Entenfett hineingeben.
5. Die Kartoffeln einzeln in nur einer Schicht in das heiße Fett geben und, falls erforderlich, portionsweise nacheinander braten.
6. Die Kartoffeln auf der Unterseite goldbraun braten, dann wenden und die andere Seite kross ausbraten, etwa 5 Minuten pro Seite.
7. Mit Rauchsalzflocken, Pfeffer und Thymianblättern würzen.
8. Die knusprigen Kartoffeln auf einer Platte anrichten, mit dem Honig beträufeln und mit dem zerbröckelten Queso Fresco bestreuen.
1 ganzes Schweinefilet (à 750 g), pariert
CHILI-MARINADE
120 g Chilipaste (vorzugsweise Aji-Amarillo-Püree)
2 EL Leinöl
1 EL fein gehackter Knoblauch
Saft und Abrieb von 1 großen unbehandelten Orange
2 TL Salz
1 TL frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
1 EL getrocknete Kamillenblüten, zerdrückt
1 TL Fenchelpollen
1 TL Fenchelsamen, geröstet und gemahlen
MANGO-GASTRIQUE
1 reife Mango, geschält, entsteint und gehackt
1 Habanero-Chili, ohne Stiel und Samen
1 TL Rohrzucker
60 ml Pisco (Destillat aus Traubenmost)
3 EL Honig
2 EL Chinkiang-Essig (schwarzer Reisessig)
½ TL Salz
KAMILLE-RAUCHSALZ
2 EL Rauchsalzflocken
1 TL getrocknete Kamillenblüten, zerdrückt
½ TL Fenchelpollen
1. Für die Chili-Marinade in einer großen Rührschüssel alle Marinade-Zutaten verquirlen.
2. Das Filet in eine 5 cm tiefe Auflaufform geben und mit der Marinade begießen. Zugedeckt im Kühlschrank mindestens 6 Stunden marinieren.
3. Für die Mango-Gastrique Mango und Habanero in einen Mixer geben und pürieren. Das Mango-Chili-Püree mit dem Rohrzucker in einen kleinen Stieltopf geben und bei mittlerer Temperatur 10 Minuten köcheln, bis die Sauce reduziert ist und zu karamellisieren beginnt.
4. Den Pisco hinzugeben und 1 Minute einkochen. Dann die Sauce mit Honig, Essig und Salz abschmecken. Die Hälfte der Gastrique zum Servieren des Schweinefilets beiseitestellen.
5. Für das Kamille-Rauchsalz in einer kleinen Rührschüssel alle Zutaten für das Salz vermischen.
6. Den Backofengrill auf 200 °C vorheizen.
7. Das Schweinefilet unter dem Grill von allen Seiten scharf anbraten.
8. Das Schweinefilet aus dem Backofen nehmen und mit der Mango-Gastrique bestreichen. Das Fleisch immer wieder mit der Gastrique begießen, bis es glänzend goldbraun ist, und so lange im Ofen weitergaren, bis das Fleischthermometer 62 °C Kerntemperatur anzeigt (medium), etwa 20 Minuten.
9. Das Fleisch 10 Minuten ruhen lassen, dann in Medaillons schneiden.
10. Mit dem Kamille-Rauchsalz bestreuen und die übrige Gastrique löffelweise darüber verteilen.
Rezept vonVirgilio Martínez Véliz
1 kg Rinderfilet, in 5 cm große Würfel geschnitten
ANTICUCHERA-MARINADE
180 g Chilipaste (vorzugsweise Aji-Panca-Chilipaste)*
180 ml Rotweinessig
180 ml Pflanzenöl
40 g Knoblauchpaste
2 TL gemahlener Kreuzkümmel
2 TL getrockneter Oregano
2 TL Salz
1 TL frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
QUINOA
250 ml Chicha de Jora (Maisbier)* oder helles Bier
180 g Quinoa, abgespült
2 EL Sacha-Inchi-Öl (Inka-Nuss-Öl) oder Sesamöl
Meersalzflocken
* Diese Zutaten bekommt man online oder in südamerikanischen Feinkostläden.
1. Für die Anticuchera-Marinade alle Zutaten in eine große Rührschüssel geben und verquirlen.
2. Das gewürfelte Rinderfilet in die Marinade geben und schwenken, bis es vollständig bedeckt ist. Abdecken und mindestens 4 Stunden kühl stellen.
3. Für die Quinoa in einem mittelgroßen Stieltopf das Chica de Jora mit 250 ml Wasser mischen und zum Kochen bringen.
4. Die Quinoa in die kochende Bier-Wasser-Mischung geben und bei mäßiger Temperatur etwa 10 Minuten köcheln, bis sie weich ist.
5. Die Quinoa in ein Sieb abgießen und in einer Schüssel mit dem Sacha-Inchi-Öl vermengen. Mit Meersalzflocken bestreuen.
6. Eine große (gusseiserne) Grillpfanne erhitzen.
7. Die Fleischwürfel auf 15 cm lange Spieße aufstecken.
8. Sobald die Pfanne anfängt zu rauchen, die Spieße hineinlegen und 3 Minuten scharf anbraten. Dann die Spieße wenden und das Fleisch von der anderen Seite weitere 3 Minuten braten, bis es rundherum schön kross ist.
9. Die Spieße auf der Quinoa servieren und nach Belieben mit mehr Meersalzflocken abrunden.
Frische glatte Petersilie und scharfe Jalapeños bringen Farbe und Würze in die traditionelle Amazigh-Küche.
Die gebirgige Region unweit von Fès, im Nordwesten Marokkos.
ÜBER JAHRHUNDERTE war Marokko ein Kreuzungspunkt verschiedener Kulturen, die kulinarische Spuren hinterlassen haben und die marokkanische Küche mit ihrem unglaublichen Mix aus Gewürzen, aus süßlich-pikanten Aromen und wunderbar texturierten Kompositionen so einzigartig machen. Arabische, osmanische, spanische und französische Einflüsse haben die Gerichte der einheimischen Berber geprägt (Amazigh, Mehrzahl imazighen, »freie Menschen«). Die traditionelle Berber-Küche »speist« sich aus dem marokkanischen Atlasgebirge, aus dicht bevölkerten Städten und ländlichen Regionen, mit lokalen Unterschieden quer durch Nordafrika. Jeder Bissen hier ist lebendige Geschichte. Auf dem Lande wird gesammelt und verwertet, was vor der Haustür wächst und jedem Gericht ein landestypisches Aroma verleiht. Wer seinen Blick zum ersten Mal über die marokkanische Landschaft schweifen lässt, wird kaum erahnen, welch großartige kulinarische Vielfalt sie bereithält. Marokko ist eines der Länder mit der höchsten Artenvielfalt im Mittelmeerraum.
Das Große Kochduell – Gordon und Köchin Najat Kanaache bereiten ihre Speisen zum marokkanischen Neujahrsfest vor.
Marokko ist bekannt für seine Vielfalt an Traditionen und Landschaften, überwiegend geprägt vom indigenen Volk der Amazigh und unterschiedlichen Kulturen, die hier aufeinandertrafen.
Das Atlasgebirge verläuft durch mehrere Staaten im Nordwesten Afrikas; höchster Gipfel ist mit 4167 m der Jbel Toubkal in Marokko.
Die traditionelle Amazigh-Küche ist im marokkanischen Atlasgebirge und in dicht bevölkerten Berberstädten beheimatet.
Das Wissen um wilde Kräuter und Pflanzen, um ihre Zubereitung in der Küche, wurde über Generationen weitergegeben. Wie man Palmherzen erntet, habe ich von Berbern gelernt, die die Berge kennen wie ihre Westentasche.
Das Atlasgebirge, die Berber-Kultur und die vielen Aromen aus anderen Kulturen bilden das Rückgrat der marokkanischen Küche. Doch moderne Köche und Köchinnen wie Najat Kaanache verändern gerade das kulinarische Gesicht des Landes. Sie hat in Sterneküchen in Europa und Amerika gearbeitet, und ihr Restaurant Nur im Herzen der Medina von Fès, wo sie nur Zutaten aus dem Mittleren Atlas verwendet, genießt einen hervorragenden Ruf. Den historischen Markt in der Medina gibt es seit dem 9. Jahrhundert. »Geh in die Berge, zu den Berbern, dort sind die Traditionen und die ursprüngliche Küche noch lebendig«, rät mir Najat am Ende unseres Streifzugs durch die Medina.
REISE-EINMALEINS
MARKT IN DER MEDINA