Göttliche Insignien (Cataleyas Erbe 1) - Lilly C. Zwetsch - E-Book
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Göttliche Insignien (Cataleyas Erbe 1) E-Book

Lilly C. Zwetsch

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Beschreibung

**Der Kampf um den Thron und eine verlorene Liebe** Cataleya entstammt einer von den Göttern geweihten Blutlinie. Sie ist dazu bestimmt, die Kaiserfamilie mit dem Leben zu beschützen, doch nach einem grausamen Putsch gelingt es nur dem jungen Prinzen Tarik zu fliehen. Schuld an dieser Tragödie gibt Cataleya allein sich selbst und ihrer verbotenen Liebe zu Tarik, die sie unachtsam werden ließ. Um ihren Fehler wiedergutzumachen, schmiedet sie einen Komplott, um die göttlichen Herrscherinsignien zu finden und den rechtmäßigen Erben wieder auf den Thron zu heben. Doch in dem Moment, in dem sie Tarik vor sich stehen sieht, gerät ihr Entschluss, diese Liebe nie wieder zuzulassen, gefährlich ins Wanken … Fühl dich ein in den Auftakt dieser emotionalen, spannungsgeladenen Romantasy und folge dem Ruf der Götter! //Dies ist der erste Band der atemberaubenden Fantasy-Buchserie »Cataleyas Erbe«. Alle Romane der Götter-Fantasy: -- Band 1: Göttliche Insignien -- Band 2: Göttliche Herzen// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Lilly C. Zwetsch

Göttliche Insignien (Cataleyas Erbe 1)

**Der Kampf um den Thron und eine verlorene Liebe**Cataleya entstammt einer von den Göttern geweihten Blutlinie. Sie ist dazu bestimmt, die Kaiserfamilie mit dem Leben zu beschützen, doch nach einem grausamen Putsch gelingt es nur dem jungen Prinzen Tarik zu fliehen. Schuld an dieser Tragödie gibt Cataleya allein sich selbst und ihrer verbotenen Liebe zu Tarik, die sie unachtsam werden ließ. Um ihren Fehler wiedergutzumachen, schmiedet sie einen Komplott, um die göttlichen Herrscherinsignien zu finden und den rechtmäßigen Erben wieder auf den Thron zu heben. Doch in dem Moment, in dem sie Tarik vor sich stehen sieht, gerät ihr Entschluss, diese Liebe nie wieder zuzulassen, gefährlich ins Wanken …

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Vita

Danksagung

© Antonia Fechner

Lilly C. Zwetsch schrieb schon mit 13 ihre ersten Geschichten. 2018 entschied sie sich dazu, aus ihrem Hobby einen Beruf zu machen und widmet sich seitdem voll und ganz dem Schreiben, trinkt dabei Unmengen an Kaffee und schwitzt in einer Dachgeschosswohnung in Köln. Nebenbei bloggt sie auf Instagram und YouTube als „Lillyteratur“ über Fantasy-Romane. Sie liest, lebt und schreibt ganz nach dem Motto: Warum ein Leben leben, wenn du tausend leben kannst?

Prolog

Als die Götter die Welt schufen, gaben sie ihr den Namen Dhuara.

Die Göttin Las schenkte Dhuara das Licht und die Wärme des Tages.

Der Gott Sin die Dunkelheit und die tröstende Umarmung der Nacht.

Und als die Götter die Menschen schufen, schenkte die Göttin Kit ihnen die Schönheit und die Liebe, mit denen zwangsläufig auch der Krieg einhergeht.

Nat, dem die Menschen in ihrer Jugend und Einfalt leidtaten, gewährte ihnen Zuflucht und Schutz hinter seinem mächtigen Schild.

Berge und Täler, Meere und Wüsten, Städte und Dörfer, Menschen, Tiere und allerlei wundersame Geschöpfe. Das alles war die Schöpfung der Götter.

Drei Tage und drei Nächte arbeiteten sie und am Morgen des vierten Tages blickten sie auf Dhuara herab und waren noch nicht zufrieden.

Sie wollten ein Reich schaffen, größer und wohlhabender als alle zusammen. Und so nahmen sie Erde und türmten sie zu Gebirgen auf. Eines im Norden, das nannten sie Dämmergebirge, denn es lag im tiefen Zwielicht der hereinbrechenden Nacht. Und eines im Süden, das nannten sie die Brennenden Berge, nach den Wolken, die zu jeder Zeit seine Hänge bedeckten.

Sie nahmen Steine, tauchten sie in das Licht der Sonne und warfen sie in einen Graben, den sie mit Wasser füllten, sodass es rot war wie der Lebenssaft in den Adern der Menschen, und sie nannten es Blutmeer.

Sie nahmen die Samen des Ewigen Baumes und warfen sie auf den fruchtbaren Boden zwischen dem Dämmergebirge und dem Blutmeer. Ein Wald spross da, silbern und kupferfarben und voller Magie. Und sie nannten ihn den Bronse-Wald.

Sin selbst reckte die Hand gen Himmel und nahm dem Mond einen Tropfen seines Lichts. Damit füllte er das Flussbett am westlichen Rand des Waldes und schuf so den Mondscheinfluss.

Östlich des Waldes glätteten sie die Erde und entzogen ihr das Wasser, bis trockenes Gras unter dem unbarmherzigen Schein der Sonne wogte und zahlreiche Hufe das Erdreich aufwirbelten. Dies war die Ebene von Orawyn.

Und jenseits derer, tief in den östlichen Ausläufern der Brennenden Berge, hoben die Götter einen Graben aus und warfen hinein, was selbst ihre Augen nicht zu sehen wünschten. Und sie nannten diesen dunkelsten Punkt der Welt Götterklamm.

Nur eines fehlte noch – eine Hauptstadt, schöner als alle anderen Städte der Welt. Lisur sollte sie heißen. Und wie ein bunter Fächer, wohlgestaltet und voll blühendem Leben, breitete sie sich im Norden der Ebene von Orawyn aus.

So schufen sie das Reich Borania und beschlossen, dass es einen Kaiser haben sollte, der alle Menschen, die darin lebten, vereinen und weise herrschen sollte.

Um dies zu gewährleisten, schufen sie in einer gemeinsamen Kraftanstrengung die drei Herrscherinsignien: Alhenya – den Ring des Gleichgewichts; Fuolbhura – den Kelch der Weisheit; Dahrmika – das Schwert der Gerechtigkeit.

Der eine, der Alhenya an seinen Finger stecken, aus Foulbhura trinken und Dahrmika schwingen konnte, sollte der erste Kaiser sein.

In Scharen kamen die Pilger und erbaten die Gunst der Götter – kein einziger war würdig die Krone zu tragen. Bis eines Tages ein Mann vortrat, der war bescheiden, gütig und gerecht. Und er nahm den Ring und steckte ihn sich an den Finger. Und er nahm den Kelch und trank daraus. Und er nahm das Schwert, doch er schwang es nicht, sondern kniete vor den Göttern nieder, die goldene Klinge darbietend, und schwor einen Eid, der ihn und seine Erben zu Gottesdienern machte.

Und so ward der erste Kaiser gekrönt und er herrschte weise und gerecht, bis der Tag kam, an dem er sich in Puns Arme begeben und die Welt verlassen musste. Da reichte er die Krone an seinen Sohn weiter und befahl ihm, die Prüfung der Insignien abzulegen.

Die Blutlinie jenes ersten Kaisers regierte fortan, doch stellte sich jeder neue Herrscher dem Tribunal und ein jeder wurde als würdig erachtet.

Die Götter sahen das und waren zufrieden. Und sie versprachen, die Kaiserlinie zu schützen vor allem Unbill, das da kommen möge. Und so nahmen sie einen Mann aus dem Volke, der sich durch seinen Mut, seine Tapferkeit und seine Treue hervorgetan, und schenkten ihm Stärke, Schnelligkeit und Magie. Und sie nannten ihn die Schwarze Hand. Von da an diente die Hand dem Kaiser und so tat es ein jeder Nachkomme fort.

Dreitausend Jahre Frieden kehrten ein, bis eines Tages die Hand ihr Herz verlor und das ganze Reich ins Unglück stürzte.

Kapitel 1

Leya

»Drei Wochen, Cataleya. Du hast drei Wochen Zeit, mir die Herrscherinsignien zu bringen. Danach bist du frei. Lehnst du den Auftrag ab, werde ich dich töten.«

Die Stimme des Kaisers spukte in meinem Kopf herum wie ein nerviger Ohrwurm. Vielleicht deshalb, weil sie mich daran erinnern wollte, wie schwach ich war. Wie sehr mich die Angst vor dem Tod in ihren Klauen hielt. So sehr nämlich, dass ich bereit war zu verraten, was zu schützen ich geschworen hatte.

Ich nahm noch einen weiteren Schluck. Das dunkle Bier schmeckte nach Erde und Malz. Die Schaumkrone war fest wie Eischnee und lag ölig auf meiner Zunge. Rita hatte schon immer viel Wert auf Qualität gelegt, sodass dies hier einfach mein erstes Bier hatte sein müssen – nach mehr als fünf Jahren. Ich unterdrückte ein Seufzen. Wasser und gestreckter Haferschleim – das waren in den vergangenen Jahren meine Mahlzeiten gewesen. Embarro hielt seine Sklaven nur gerade so am Leben, dass sie arbeiten konnten, sich aber niemals gegen ihn würden erheben können. Und davor? Brot, Ziegenkäse und noch mehr Wasser. Das Mahl der Götter. Wers glaubt.

Ich nippte ein zweites Mal. Dabei wanderte mein Blick durch den Gastraum. Das Pfennigfuchser hieß nicht deshalb so, weil seine Besitzerin besonders geizig war. Im Gegenteil, hier gab es das beste Bier der Stadt zum halben Preis. Und doppelt so viele Gäste wie überall sonst. Vom Reisenden bis zum Adeligen, hier traf einfach alles aufeinander.

Im Nachhinein verfluchte ich mich für meine Entscheidung, das Treffen hier abzuhalten, unter all diesen neugierigen Blicken. Aber mein Magen hatte geknurrt und Ritas Eintopf war beinahe noch besser als das Bier. Daher war ich vom Palast aus direkt hierhergekommen. Der Kaiser hatte Wort gehalten und mir alles gegeben, wonach ich verlangt hatte. So hatte ich meinen abgetragenen Rock aus kratziger Wolle gegen eine enge Hose, weiche Stiefel, ein Hemd und einen Mantel eintauschen können, dessen Kapuze nun mein Gesicht in ein undurchdringliches Halbdunkel tauchte.

Dennoch hatten mich einige von Ritas Gästen erkannt, kaum dass ich einen Fuß über die Schwelle des Pfennigfuchser gesetzt hatte. Dieselben Augen waren nun demonstrativ von mir abgewandt. Ich hatte einiges wiedergutzumachen. Dass ich die Stadt vor fünf Jahren Hals über Kopf verlassen und im Palast ein Chaos ohnegleichen hinterlassen hatte, war jedermann gut im Gedächtnis geblieben.

»Hätte nicht gedacht, dass du noch lebst.« Beim Klang der tiefen Stimme hinter mir schlich sich unvermeidlich ein Lächeln auf meine Lippen. Der Sprecher trat um den Tisch herum und ließ sich auf den Stuhl mir gegenüber fallen. Sein dunkler Mantel war feucht vom abendlichen Regen und tropfte auf die Dielen. Unter dem Stoff blitzten Dolche auf und ein Hemd, das schon bessere Tage gesehen hatte. Ich blickte seinem Träger ins Gesicht.

Er hatte es nicht für notwendig erachtet, die Kapuze aufzusetzen. Es hätte vermutlich auch nicht viel gebracht. Mit seinen zwei Metern Körpergröße, den breiten Schultern und dem Schwert auf dem Rücken fiel er einfach überall auf. Ich erkannte ihn sofort, aber es versetzte mir dennoch einen Stich, wie sehr er sich in den letzten Jahren verändert hatte. Seine Gesichtszüge waren noch kantiger, er hatte neue Narben an den Händen und eine am Hals. Seinem immer lächelnden Mund war ein harter Zug beigemischt.

»Miko«, grüßte ich. Meine Kehle war plötzlich so eng, dass ich seinen Namen kaum herausbekam. Ich dankte den Göttern, dass er meine tränenfeuchten Augen nicht sehen konnte.

Wenn ich sein sanftes Lächeln richtig deutete, wusste er trotzdem, was in mir vorging. Das machte es aber irgendwie nur noch schlimmer. Ich hatte nicht gleich bei der ersten Begegnung losflennen wollen.

»Hallo, Leya«, sagte er. Wie hatte ich seine Stimme vermisst. Das schelmische Funkeln in seinen Augen, das Lächeln, mit dem er nun der eifrigen Kellnerin dankte, die einen großen Bierkrug vor ihm abstellte. »Du bist also tatsächlich zurück.« Es war eine Feststellung, keine Frage. Dennoch nickte ich.

»Es ist Zeit.«

Miko verstand sofort. »Bist du dir ganz sicher, dass du das tun willst?«

Ich biss die Zähne zusammen. »Der Verräter hat sein Spiel lange genug gespielt. Jetzt muss er bezahlen für das, was er getan hat.«

Die blauen Augen meines ältesten Freundes blickten nachdenklich. »Glaubst du, er ist bereit?«

»Er muss.«

Miko nickte. »Du weißt, wie es steht. Ich bin auf deiner Seite, was du auch tust.«

Nach all den Jahren des Getrenntseins sprach er diese Worte so selbstverständlich, als hätte sich für ihn nichts geändert. Als wären wir noch derselbe Junge und dasselbe Mädchen von damals. Eine schöne Traumvorstellung.

Da waren sie wieder, die Tränen. Ich blinzelte sie fort. »Und der Rest?«

Mein Gegenüber senkte den Blick in seinen Bierkrug. Er dachte nach, ehe er sprach. Das hatte er früher nie getan. Aber ich hatte wohl nicht erwarten dürfen, als einzige verändert zu sein. Nicht nach allem, was geschehen war. »Damian hat sich derzeit bei einer reichen Witwe eingenistet. Die Langeweile tut ihm nicht gut. Myra arbeitet in einer Apotheke. Sie verkauft an der Hintertür Aufputschmittel und Rauschgift. Die beiden werden sich uns anschließen.«

Damit hatte ich gerechnet. »Und Jaron?«

Miko verzog das Gesicht und fuhr sich mit den vernarbten Händen durch die dichten schwarzen Haare. Ich konnte mir gut vorstellen, wie viel Anklang er in der Damenwelt fand. Früher war er ein trainierter, gut aussehender junger Mann gewesen. Jetzt saß mir ein selbstbewusster, in sich ruhender Charakterkopf gegenüber, dessen Anwesenheit allein die Atmosphäre veränderte.

»Ich weiß nicht mehr, was ich von ihm halten soll. Er hat sich in die Garde des Kaisers eingeschlichen.«

Ich hob eine Braue. »Das ist doch gut.« Einen Informanten im Palast zu haben, würde vieles erleichtern.

»Schon. Aber er hat sich verändert. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob er wirklich auf unserer Seite ist, oder …« Er ließ den Satz unvollendet.

»Oder ob er ein doppeltes Spiel spielt«, ergänzte ich.

Jaron war schon immer der Undurchschaubarste von uns gewesen. Darauf basierte sein Erfolg als Infiltrator und Spion. Aber es machte die Freundschaft zu ihm schwierig.

»Sollten wir ihn heraushalten? Wenn er uns verrät, ist es vorbei.«

Miko zog die Brauen ein winziges Stück zusammen. »Wir holen ihn ins Boot«, entschied er dann. »Aber wir behalten ihn im Auge.«

Ich nickte. »Myra soll sich darum kümmern.« Nun kamen wir zu der einen Frage, vor der ich mich die ganzen letzten Jahre gefürchtet hatte. »Kannst du Kontakt zu ihm aufnehmen?«

Mikos Blick wurde weich. »Das solltest du lieber selbst tun, Leya.«

Kopfschüttelnd schob ich den Stuhl zurück und stand auf. »Du hast zwei Tage. Dann treffen wir uns wieder hier.«

»Gut. Was wirst du in der Zeit tun?«

Ich grinste. »Ich werde alle Informationen der kaiserlichen Spione zum Verbleib der Insignien sichten. Er will, dass ich sie für ihn finde.«

Miko runzelte die Stirn. »Er weiß nicht, wo sie sind?«

»Er hat nicht die geringste Ahnung.« Mein Grinsen wurde breiter. Miko erwiderte es. Sein vertrautes, unbekanntes, kantiges Gesicht strahlte. Am liebsten hätte ich mich gleich hier und jetzt in seine Arme geworfen und über unsere Wiedervereinigung geweint. Aber dann hätte ich ihn wahrscheinlich nie wieder losgelassen. Also verschloss ich den Drang in meinem Herzen und legte nur kess den Kopf schräg.

»Du bist einfach unglaublich.«

»Ich weiß«, sagte ich, beugte mich hinab und küsste ihn auf die Wange. Der dunkle Bartschatten kratzte über meine Lippen. »Wir sehen uns in zwei Tagen.«

Er packte mein Handgelenk, ehe ich mich abwenden konnte. Trotz Kapuze sah er mir geradewegs in die Augen. »Schön dich wiederzuhaben.«

Ich drückte seine Finger, doch als ich das Pfennigfuchser verließ, fragte ich mich, ob es stimmte. Hatte er mich tatsächlich wieder? Oder glaubte Miko das nur? Zu sagen, die vergangenen fünf Jahre hätten keine Spuren an mir hinterlassen, wäre eine Lüge gewesen. Allein der allgegenwärtige sanfte Schmerz in meinem Rücken erinnerte mich an alles, was ich verloren und durchgestanden hatte. Das Einzige, was mich daran hinderte, den Verstand zu verlieren, war der Gedanke an Rache. Er trieb mich an, ließ mich kämpfen und überleben. Was sein würde, sobald das alles vorüber war … Daran wollte ich lieber nicht denken. Mein Fokus lag auf dem Hier und Jetzt. Kaiser Akkars Spione sollten fünf Jahre gebraucht haben, um mich zu finden? Das kaufte ich ihm nicht ab. Aber der Kaiser brauchte mich und ich brauchte ihn. Vorübergehend.

Als ich durch die dunklen Gassen lief, wurde es mir deutlich bewusst. Es konnte nur einen einzigen Grund geben, aus dem der Kaiser die Insignien wollte: Um seine Herrschaft vor den Göttern und dem Volk zu legitimieren.

Auch wenn ich wusste, dass er ein Verräter, Mörder und Usurpator war, den die Götter niemals für würdig erachten könnten, fürchtete ich mich davor, Akkar die Insignien zu überreichen. Ich musste einen anderen Weg finden. Zum Glück hatte ich noch ein Ass im Ärmel.

Kapitel 2

Leya

Mein kleines Zimmer im Palast lag in der Nähe der Baracken in einem Flur mit separatem Eingang. Der Kaiser wollte nicht, dass mich zufällig jemand im Schloss erkannte. Deshalb hatte er mir die Karten und Berichte seiner Spione auch aufs Zimmer bringen lassen, statt mir ein Büro zur Verfügung zu stellen. Ich beschwerte mich nicht. Auf anklagende Blicke wollte ich zumindest in meiner Freizeit verzichten.

Außer einem schmalen Bett, einer Truhe und einem Schreibtisch gab es in diesem Zimmer nichts. Nach den Jahren in Embarros Sklavenunterkünften, die ich mir mit zwanzig anderen Mädchen hatte teilen müssen, erschien mir der Raum wie ein Paradies. Es war unglaublich ruhig hier. Niemand schnarchte, niemand hustete, niemandes Magen knurrte und niemand weinte. Ich war zum ersten Mal nach so langer Zeit allein. Und ich liebte es.

Die Karten und Bücher lagen auf dem kleinen Tisch. Die Waschschüssel und die Kanne mit kaltem Wasser hatte man auf den Boden gestellt, um Platz zu schaffen. Ich nahm meinen Mantel ab und warf ihn auf die Truhe. Darin würde ich noch mehr Kleider und neue Waffen finden. Akkar konnte von meinem Versprechen an die Götter schließlich nichts ahnen.

Nacheinander breitete ich die Karten auf der Tischplatte aus. Ich würde die Informationen der kaiserlichen Spione nicht brauchen, aber es war gut zu erfahren, auf welchem Wissensstand sie sich befanden.

»Bringe mir alle drei Herrscherinsignien und du bist frei.« Das hatte Akkar gesagt. Dabei war sein spitzer Bart auf und ab gehüpft und zwischen seinen Lippen waren weiße, ebenmäßige Zähne aufgeblitzt. Akkar war ein junger Mann, gerade einmal Mitte Dreißig. Er entstammte einer Kaufmannsfamilie ohne Adelstitel und hatte den Weg des Soldaten eingeschlagen. Ich erinnerte mich noch gut, wie begeistert der ehemalige Kaiser von dem aufstrebenden Stern am Militärhimmel gesprochen hatte. Dass ebendieser Stern nur wenige Jahre nach seiner Ernennung zum General einen Putsch inszenieren und den Kaiser sowie dessen gesamte Familie umbringen würde, hatte damals niemand geahnt. Und ich verfluchte mich bis heute, dass ich nicht besser aufgepasst hatte.

Meine Aufgabe bei Hofe war denkbar einfach gewesen: Schütze die Herrscherfamilie mit deinem Leben. Aber mein Herz war auf Abwege geraten und ich war unvorsichtig geworden. Akkar war meinem Netz entschlüpft und nun saß er auf dem Thron von Borania, auf dem Kopf die Kaiserkrone und in der Hand die Besitzurkunde mit meinem Namen darauf.

Embarro war alles andere als begeistert gewesen, als vor drei Tagen plötzlich der Kaiser auf seiner Türschwelle gestanden und nach mir verlangt hatte. Noch weniger gefallen hatte ihm, dass der Kaiser mich ihm kurzerhand abkaufte und mit mir abreiste. Wie sehr mein ehemaliger Besitzer getobt und an wem er seine Wut über den Verlust seines Lieblingsspielzeugs ausgelassen hatte, wollte ich nicht wissen. Ich konnte jetzt nichts gegen sein schändliches Treiben tun. Kurz schloss ich die Augen, um die Bilder von Embarro aus meinen Gedanken zu verbannen, ehe ich mich wieder über die Karten beugte.

Wir hatten gute Chancen. Der Kaiser hatte mir drei Wochen gegeben. Eine unmögliche Aufgabe, wie man meinen sollte. Doch das war es nicht. Nicht, wenn man wusste, was ich wusste. Die Spione des Usurpators waren bis nach Rosar vorgedrungen, hatten aber kein einziges der Artefakte bergen können. In den Berichten war von kalten Spuren, Sackgassen und Ablenkungsmanövern die Rede. Akkars Männer konnten nicht halb so gut sein, wie er behauptete.

Früher einmal hatte es in meiner Verantwortung gelegen, das Spionagenetzwerk des Kaiserreiches zu führen und zu überwachen. Ich hatte das Handwerk von meiner Mutter gelernt, die es wiederum von ihrem Vater kannte und so fort. Meine Familie diente dem Kaiserreich schon seit Anbeginn der Zeit und es hatte nie, niemals einen Fall wie meinen gegeben.

Ich hatte nicht nur mich selbst und den Kaiser enttäuscht, sondern auch Schande über meine Familie gebracht. Mein Versagen würde mir stets als Makel anhaften. Ich konnte nur versuchen es wiedergutzumachen. Was damals geschehen war, würde ich kein zweites Mal zulassen, weder den Putsch noch den Grund für meine Unachtsamkeit.

Viele hatten meine Fähigkeiten und Qualifikation für das Amt angezweifelt, nachdem meine Mutter gestorben war. Aber der Kaiser hatte darauf bestanden, mich in seinen Dienst zu nehmen. Damals war ich gerade sechzehn geworden. Ein Jahr lang hatte ich durchgehalten. Ein Jahr, in dem ich meine Mutter betrauert und Trost in Tariks Armen gesucht hatte.

Damals war Miko derjenige gewesen, den ich zu den kompliziertesten Missionen ausgesandt hatte, in dem Vertrauen darauf, dass er alles meistern würde. Allein mit meiner Trauer war ich im Palast zurückgeblieben, unfähig mich Damian oder Myra anzuvertrauen. Aber Tarik war da gewesen. Und aus unseren anfänglichen Gesprächen wurden ganze Nächte gefüllt mit Worten. Aus Freundschaft und der leichten Distanz zwischen Prinz und Hand war ehrliche Zuneigung geworden. Und schließlich … mehr.

Und als dann, ein Jahr später, Akkars Putsch gelang und die Kaiserfamilie bis auf ihr jüngstes Mitglied den Tod fand, da hatte ich den Kaiser für seine leichtsinnige Entscheidung, mir zu vertrauen, verteufelt. Doch während meiner Zeit im Dienst der Götter hatte ich begriffen, dass mich mein Alter nicht entschuldigen konnte. Schuld waren allein meine Entscheidungen. Und ich hatte geschworen, derlei Gefahren nicht noch einmal in mein Leben zu holen. Das war aber nicht der einzige Grund, warum ich mich vor dem Treffen in zwei Tagen fürchtete.

Das Leben als Sklavin hatte mich in mehr als einer Weise verändert. Ich fühlte mich nicht nur körperlich schwach; mein Stolz hatte schon immer auf meiner körperlichen Überlegenheit basiert und war nun quasi nicht mehr vorhanden. Von Kindesbeinen an trainiert zu werden hatte mich überheblich gemacht, dieses Können nicht mehr anwenden zu dürfen Zurückhaltung gelehrt. Doch das war keine Eigenschaft, die wir nun brauchten. Meine Freunde verließen sich auf mich, wie sie es immer getan hatten. Ihnen zu zeigen, wie schwach ich geworden war, wäre mein Untergang. Miko würde es erkennen. Es war nur eine Frage der Zeit. Aber die anderen durften davon nichts wissen. Es war eine Rolle, in die ich schlüpfen musste. In der ich mich selbst verkörperte. Zumindest das Ich, das vor dem Putsch, vor der Flucht, vor dem Leben im Kloster und vor der Sklaverei existiert hatte.

Dass diese Leya längst tot war, musste niemand erfahren.

Kapitel 3

Leya

Rita stellte uns ihr Hinterzimmer zur Verfügung. Wir waren nicht die ersten und ganz sicher nicht die letzten Gäste, die mehr Privatsphäre wollten, als der überfüllte Schankraum zuließ.

Ich saß schon am Tisch, als Miko eintrat. Diesmal verzichtete ich auf Mantel und Kapuze. Mit einem Krug Bier in der Hand saß ich auf dem Stuhl, die Füße auf den Tisch gelegt, und kippelte vor und zurück. Bei meinem Anblick erstarrte Miko kurz, seine schönen Augen wurden dunkel. Ich wusste, was er sah.

Eine neue Narbe zog sich von meinem Haaransatz bis hinunter zum linken Auge und spaltete die Braue und die obere Hälfte des Lids. Embarro hatte seinen Vasallen auspeitschen lassen, dafür dass er sein Eigentum beschädigt hatte. Danach hatte er mich ausgepeitscht, da ihm mein Gesicht nicht mehr gefiel. Und dann hatte er mich zurück an die Arbeit geschickt. Die Wunde war erst später versorgt worden, trotzdem war die Narbe recht schmal. Ich hatte schlimmere.

Miko trat beiseite und ließ drei weitere Personen ein, ehe er die Tür schloss. Myra war die Erste. Die hochgewachsene Schönheit mit dem rabenschwarzen Haar, ihren hohen Wangenknochen und vollen Lippen war sogar noch umwerfender als bei unserem letzten Treffen. Sie musste nun Ende zwanzig sein, auch wenn sie aus der genauen Zahl immer ein Geheimnis machte. Sie trug Lederhosen, eine passende Korsage über einem weinroten Hemd, Armschienen, obwohl sie gar keine Waffen führte, und Stiefel, die bis über ihre Knie reichten. Die stechenden hellgrünen Augen fixierten mich, nahmen alles in sich auf: meine zur Schau gestellte Gelassenheit, meine Kleider, den nachlässigen Pferdeschwanz, das Bier und die Narbe in meinem Gesicht. Sie entdeckte sogar die Ausläufer meines entstellten Rückens an Schultern und Hals, die von meinem farblosen Hemd nicht verborgen wurden. Sie sagte nichts, kam herüber und setzte sich.

Als zweites kam Damian. Er trug die blonden Locken kombiniert mit einem hochgeschlossenen Wams und einem Hemd mit Rüschenärmeln. Dazu Samthosen und die feinsten Stiefel, die ich je gesehen hatte. An seiner Seite baumelte ein Degen und zwischen seinen Zähnen klemmte ein Zahnstocher. Er nahm ihn mit einer wahnsinnig lässigen Geste heraus, kam zu mir herüber und küsste mich auf die Wange.

»Nett dich zu sehen.«

»Charmeur.« Ich tätschelte seinen Arm, Damians Mundwinkel hoben sich. Er war noch immer der pikfeine, arrogante Adelssohn, als den ich ihn kennengelernt hatte, damals im Palast. Weder Miko noch ich hatten besondere Aufmerksamkeit an ihn verschwendet, bis er während einer der zahlreichen Festivitäten an uns herangetreten war und behauptet hatte, Informationen über einen gewissen korrupten Bankier zu haben. Wir waren dem nachgegangen und hatten den Übeltäter alsbald auf frischer Tat ertappt. Danach war Damian regelmäßig mit Informationen aus der Welt des ersten Standes bei uns aufgeschlagen, bis er sich zu einer festen Institution in unserer Gruppe entwickelt hatte. Jetzt nahm er mir das Bier aus der Hand und trank einen langen Zug. »Gibt dir deine Gönnerin etwa nichts zu trinken?«, spottete ich.

Damian zuckte die Schultern. »Du kennst mich. Mein Lebensmotto lautet: Nimm, was du kriegen kannst.«

»Egal wie alt, verheiratet oder hässlich sie ist«, fügte Miko an und brachte mich damit zum Lachen. Damian hingegen machte ein finsteres Gesicht, ehe er sich neben Myra fallen ließ.

»Weiß du was, Cata, ich habs mir überlegt und fände es doch schöner, wenn du wieder gehst. Dein Muskelprotz hier war viel netter, als er noch in der Unterzahl war.«

Ich sah Miko mit hochgezogenen Brauen an. »Ist das wahr?«

Er blinzelte entschuldigend. »Ein wahrer Krieger weiß, wann ein Kampf gekämpft werden muss und wann nicht.«

»Red dir das nur weiter ein.« Damian schnaubte und steckte den Zahnstocher zurück in seinen Mund.

Nun kam also das Unvermeidliche. Ich hob den Blick und begegnete Tariks dunklen Augen. Sie sahen in dem schummerigen Licht fast schwarz aus, aber ich wusste, dass die Iriden von einer ungewöhnlichen dunkeltürkisen Färbung waren, mit schwarzen und silbernen Einsprengseln darin. Am äußersten Rand waren sie noch dunkler.

Mein Herzschlag beschleunigte sich ungebeten. Sein Blick hatte mich immer an das Meer erinnert, oder an den Abendhimmel kurz nach dem Sonnenuntergang. Er hatte sich kaum verändert. Nur gewachsen war er, und zwar ein gutes Stück.

Als wir vor dem Putsch geflohen waren, war er sechzehn gewesen, dürr, schlaksig, mit großen Füßen und weichem Flaum am Kinn. Jetzt war er beinahe so groß wie Miko, breitschultrig und mit deutlich erkennbaren Muskeln an den Armen. Er hatte die Hemdsärmel hochgekrempelt und entblößte damit schwarze Tätowierungen auf seiner hellen Haut: Fünf identische Ringe umkreisten seinen linken Unterarm. Einer für jedes Jahr, das der Usurpator auf dem Thron saß. Auf Tariks Thron.

Meine Fingerspitzen kribbelten erwartungsvoll, wollten über die Zeichen streichen, seine Haut noch einmal auf meiner spüren. Ich schluckte. Tariks Blick verfolgte jede meiner Regungen. Ich spürte ihn wie eine Berührung auf mir ruhen. Mein Körper fühlte sich mit einem Mal unförmig, unbeholfen und tapsig an. Wohin mit meinen Händen? Was tun mit meinem Mund? Lächeln? Was tun mit meinen Augen? Seinen Blick halten? Die siebzehnjährige Leya – rotwangig und aufgeregt in seiner Gegenwart - hatte die Kontrolle übernommen und ich musste sie mit Gewalt zurückdrängen, um eine emotionslose Miene zu wahren. Als gäbe es den Aufruhr in meinem Innern nicht, nickte ich, wandte den Blick ab und richtete meine Worte an die Übrigen.

»Wir haben einiges zu besprechen«, sagte ich.

»Miko hat uns schon ins Bild gesetzt. Du sollst die Herrscherinsignien für Akkar finden und sie ihm bringen«, stellte Damian fest.

Ich nickte.

»Wirst du es tun?«, fragte Myra mit ihrer samtigen Stimme, die eine Spur zu dunkel war für die einer Frau. Ihr gefühlloser Blick bannte mich.

»Er wird mich töten, wenn ich es nicht tue.«

»Das ist keine Antwort«, meinte sie und hob eine geschwungene Braue.

Stimmt. Die frühere Leya hatte keine Angst vor dem Tod gehabt. Das Gefühl war ihr beinahe völlig fremd gewesen. Erst als Akkars Verbündete in den Palast gestürmt waren, den Kaiser, seine Frau und ihre drei Kinder getötet hatten, war die Angst zum Vorschein gekommen und seitdem hatte sie sich nicht mehr vom Fleck gerührt. Die Schreie jener Nacht gellten noch immer in meinen Ohren nach. Ich spürte Tariks verschwitzte Finger noch zwischen meinen, hörte seinen rasenden Atem, seinen Protest, als ich ihn durch die Geheimgänge aus dem Palast hinausgeführt hatte. Wir hatten in seinem Zimmer einen Brand gelegt, in der Hoffnung, Akkar so davon abzuhalten, nach Tarik, dem jüngsten Sohn des Kaisers, zu suchen. Es hatte funktioniert. Trotzdem hatte ich ihn mit Mikos Hilfe auf dem Land unterbringen müssen, fern der Heimat, außerhalb von Akkars unmittelbarer Reichweite. Tarik hasste mich dafür, aber er würde mich nie so sehr hassen können wie ich mich selbst.

»Er hat mir drei Wochen Zeit gegeben«, sagte ich. »Jetzt sind es noch knapp zweieinhalb. Wir müssen uns beeilen.«

»Um was zu tun?«, erkundigte sich Damian.

Ich sah verständnislos in die Runde. »Dies ist der Moment, auf den wir so lange gewartet haben«, erklärte ich das Offensichtliche. »Wir müssen handeln. Ungeschehen machen, was Akkar angerichtet hat.«

»Nichts von dem, was in jener Nacht oder seither passiert ist, kann ungeschehen gemacht werden, Leya.« Tariks Stimme war viel tiefer als früher. Selbst mit der Kälte darin fühlte sie sich auf meiner Haut an wie eine Liebkosung. Als die Bedeutung seiner Worte zu mir durchdrang, schluckte ich. Er hatte recht. Nichts würde wieder so werden wie früher. Gar nichts.

»Was wollt ihr mir damit sagen?«, fragte ich dennoch. Ich nahm die Füße vom Tisch und setzte mich aufrecht hin. »Dass ihr Akkar als euren Kaiser akzeptiert? Dass ihr das Unrecht akzeptiert, das er begangen hat? Die Zeit zum Zuschlagen ist jetzt.«

Stille kehrte ein. Meine Freunde tauschten Blicke, die ich nicht verstand. Blicke, die von jahrelanger Freundschaft, gemeinsam erlebten Gefahren und Tief- sowie Höhepunkten sprachen. Von Momenten, in denen ich nicht bei ihnen gewesen war, weil ich auf Akkars Schwarzer Liste gestanden und mich aus dem Staub hatte machen müssen, um mich zu verkriechen wie der Feigling, der ich heute war.

Miko sprach schließlich aus, was sie alle dachten: »Wir riskieren viel, Leya.« Er machte eine Bewegung, die alle Anwesenden miteinschloss. »Wir haben uns ein Leben aufgebaut. Und dieses Leben riskieren wir für etwas, von dem wir nicht sicher sagen können, dass es funktioniert. Tariks Familie hatte den Tod nicht verdient und Akkar hat weitere furchtbare Dinge getan. Aber er ist ein guter Herrscher. Wenn wir das tun, werden viele Menschen ihr Leben lassen. Für eine Eventualität, derer wir nicht sicher sein können. Was, wenn du dich irrst? Wenn dies nicht der richtige Zeitpunkt ist?«

Ich öffnete den Mund, aber er ließ mich gar nicht erst anfangen.

»Ich weiß, du glaubst, dass Akkar jetzt, nach so langer Zeit, nach den Herrscherinsignien sucht, sei ein Zeichen dafür, dass seine Legitimation angezweifelt wird. Und ja, auf den Straßen werden Stimmen laut, die ihn infrage stellen. Das heißt aber nicht, dass sie mit uns kämpfen werden. Die Menschen sind schnell mit ihren Worten und ihren Schuldzuweisungen. Aber nicht mit ihren Taten. Was, wenn wir am Ende allein dastehen? Dann hätten wir unsere einzige Chance vertan und Akkar würde ewig herrschen, während wir in unseren namenlosen Gräbern verrotten.«

»Was ist aus Ich stehe an deiner Seite, egal was du tust geworden?«, erkundigte ich mich. Zorn und Angst hielten sich in meinem Innern die Waage. Ich war in der Annahme hergekommen, sogleich planen zu können, doch wie es schien, mussten meine Freunde erst noch von der Richtigkeit dieses Unterfangens überzeugt werden. »Wie könnt ihr nur ernstlich glauben, Akkar auf dem Kaiserthron wäre annehmbar?«

Myra schnaubte. »Wir haben all diese Jahre hier gelebt, Mädchen. Direkt unter seiner Nase.« Sie beugte sich vor, das schöne Gesicht eine kalte Maske. »Und wo warst du?«

Ihre Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Dachten sie etwa, ich hätte mich versteckt und irgendwo weit weg ein schönes Leben geführt? Dass ich sie vergessen hätte und jetzt aus einer Laune heraus zurückgekehrt wäre, um ihre Leben in einem aussichtlosen Kampf zu riskieren? Ich hatte anderes gehofft, wie ich jetzt begriff, aber meine Freunde sahen in mir genau das, was auch ich sah: einen Feigling, eine Verräterin, eine Schande.

»Wo warst du, Leya?« Tariks Stimme riss mich aus meinem Schockzustand. Er hatte seinen Platz neben der Tür verlassen und stützte jetzt beide Handflächen vor mir auf den Tisch. Wie eine Schlange vor der Maus ragte er über mir auf. Angst flackerte auf, aber ich schob sie beiseite. Ich war nicht ich, ich war die Leya von vor fünf Jahren und dieses Mädchen kannte keine Furcht. Ich sah auf, begegnete dem hasserfüllten Blick aus seinen Augen.

»Ich war … fort«, sagte ich leise. »Ich konnte nicht hier sein, bei euch. Meine Anwesenheit hätte Akkar auf euch aufmerksam gemacht und eure Leben in Gefahr gebracht. Ich ging so weit weg, wie ich konnte.«

»Wohin?«, fragte Tarik unerbittlich.

»In ein Kloster. Ich schloss mich den Priesterinnen an. Zwei Jahre habe ich bei ihnen verbracht, bis …« Ich schluckte. »Bis Embarro und seine Männer uns überfallen haben. Wer nicht starb, wurde versklavt. Ich kam in Embarros Haushalt, wo Akkar mich fand.«

Stille war eingekehrt. Tarik stieß sich vom Tisch ab und wandte mir den Rücken zu. Mit einem Fluch fuhr er sich durch die schwarz gefärbten Haare. Seine Schultern bebten.

Mikos Hand legte sich auf meine und der kühle Druck seiner Finger hielt mich im Hier und Jetzt, während die schrecklichen Erinnerungen an den Angriff auf das Kloster und Embarros brutale Strafen auf mich einprasselten.

»Ihr habt recht«, sagte ich schließlich. »Ich habe nicht hier vor Akkars Nase gesessen und versucht irgendwie weiterzuleben. Aber ich kann und werde ihn nicht gewinnen lassen.«

»Er hat doch schon längst gewonnen«, fuhr Tarik mich an, ohne sich umzudrehen. »Du willst für etwas kämpfen, das nicht wiedergutzumachen ist. Die Vergangenheit wird nie wieder Gegenwart werden. Was auch immer du mit deinen Plänen erreichst, wird die Welt nicht wieder so machen wie früher, Leya. Meine Familie wird dann immer noch tot sein. Deine Mutter wird dann immer noch tot sein. Du kämpfst für nichts und wieder nichts. Die Welt dreht sich weiter. Hör auf dich dagegen zu wehren. Hol Akkar die Insignien und dann lass gut sein.« Er stapfte zur Tür, die Hände zu Fäusten geballt und den Kopf zwischen die Schultern gezogen wie ein angriffslustiger Stier. Damian stand ebenfalls auf, seine Miene drückte Mitleid aus, aber auch Zustimmung. Myra blickte mich kalt an.

Sie würden mir nicht helfen. Nach allem, was ich durchgemacht hatte, stand ich nun hier und war so allein wie nie zuvor. Die Vorstellung dieses Augenblicks hatte mich alles ertragen lassen, was Embarro getan hatte. Das Wissen, dass ich durchhalten musste, für diesen Moment, in dem wir gegen Akkar paktierten. Und jetzt war all das umsonst gewesen. Ich spürte eine leichte Berührung. Sie war warm, tröstlich. Wie eine unsichtbare Hand legte sie sich auf meinen Nacken. Ich sprang ebenfalls auf.

»Und was ist, wenn ich euch sage, dass die Götter ihn nicht auf dem Thron wollen?«, rief ich.

Tarik erstarrte an der Tür. Damian wandte sich mir zu und Miko, der als einziger noch saß und mir trotzdem bis zur Schulter reichte, blickte verwirrt zu mir hoch.

»Wie meinst du das?«, wollte Tarik wissen.

»Als ich im Kloster war, haben sie zu mir gesprochen.« Zweifelnde Blicke, ein Schnauben von Myra. Aber ich ließ mich nicht beirren. »Glaubt mir oder nicht, aber die Götter werden Akkar nicht auf dem Thron akzeptieren. Wenn ich ihm die Insignien bringe und er sie während der Zeremonie berührt, werden sie ihn töten. Und dann wird ein Krieg ausbrechen, der das Kaiserreich zerstören und tausende Leben fordern wird.«

»Es wird einen Kampf um den Thron geben«, schlussfolgerte Miko. Sein Blick huschte zur Tür. »Das Volk glaubt Tarik tot.«

Ich nickte. »Die Auswirkungen wären verheerend.« Ich sah jedem einzelnen von ihnen in die Augen. »Was ich vorschlage, mag wahnwitzig sein, ja. Und vielleicht zieht es schreckliche Folgen nach sich. Aber wir können einen Krieg trotzdem verhindern. Wir müssen etwas tun, versteht ihr? Akkar ist nicht würdig. Er ist nicht der rechtmäßige Kaiser dieses Reiches.« Ich deutete auf Tarik. »Das bist du. Wir müssen handeln, ehe etwas Schlimmeres passiert als ein paar Zweifler, die sich auf der Straße das Maul über ihn zerreißen.«

Damian kaute nachdenklich auf seinem Zahnstocher. »Und das willst du alles von den Göttern selbst erfahren haben?«, fragte er zweifelnd. »Nichts für Ungut, Cata, aber das erscheint mir doch sehr weit hergeholt.«

»Ich weiß, wie sich das für euch anhören muss«, versicherte ich ihm. »Würde mir jemand so was auf der Straße erzählen, wäre ich genauso ungläubig. Aber ich appelliere an unsere Freundschaft, wenn ich euch bitte, mir zu vertrauen.«

Myra blickte mich mit versteinerter Miene an. Zu meiner Überraschung sagte sie dann: »Selbst wenn das mit den Göttern fragwürdig erscheint und eher nach Einbildung klingt, dürfen wir das Risiko eines Erbfolgekrieges nicht eingehen. Zu viele Menschenleben stehen auf dem Spiel.«

Ich sah zu den anderen hinüber. Damian musterte Myra und zuckte dann zustimmend die Schultern. Mikos Aufmerksamkeit lag auf Tarik. Der fuhr sich erneut durch das dichte, seidig glänzende Haar, das eigentlich kupferfarben war.

»Was, wenn die Götter mich ebenfalls als unwürdig erachten?«, fragte er dann. In seinen Augen lag ein gequälter Ausdruck und seine Mundwinkel wiesen nach unten. »Immerhin habe ich den Thron an einen Usurpator verloren.«

Davor also fürchtete er sich. Glücklicherweise wusste ich, dass er sich irrte. »Nicht du hast den Thron verloren, Tarik, sondern ich. Ich habe in meiner Aufgabe, die kaiserliche Familie und ihr Reich zu beschützen, versagt. Dich trifft keine Schuld. Die Götter wissen das. Sie werden dich akzeptieren. Das verspreche ich.«

Tariks Augen wurden groß. Er war sich nur allzu bewusst, dass ich niemals leichtfertig ein Versprechen gab. Und erst recht keines, das ich nicht erfüllen konnte. »Also schön«, sagte er, zog sich einen Stuhl heraus und setzte sich mir gegenüber.

Damian und Myra folgten seinem Beispiel. Neben mir atmete Miko kaum wahrnehmbar auf. »Was tun wir?«

Ich lächelte, auch wenn es mir noch immer schwerfiel, Tarik ins Gesicht zu sehen. Er sah seinem Vater wirklich sehr ähnlich. »Wir besorgen die Insignien. Dann suchen wir uns Verbündete gegen Akkar.«

Miko räusperte sich. »Du willst einen Putsch?«

Ich nickte.

»Klingt fair«, meinte er grinsend. »Aber wozu brauchen wir dann die Insignien?«

»Sobald Akkar überwältigt ist, muss Tarik vor das Volk treten und die Zeremonie durchführen. Das wird seine Rechtmäßigkeit beweisen. Ob wir Akkar vorher selbst Gefangensetzen, ihn umbringen oder ihn während der Zeremonie sterben lassen, können wir uns noch überlegen.«

Damian schob den Zahnstocher mit der Zunge zur Seite und sagte: »Schön, aber wie sollen wir die Dinger finden? Wenn Akkars Spione sie nicht entdeckt haben …«

Ich wechselte einen Blick mit Myra. »Das wird kein Problem sein.«

Damian sah mich mit hochgezogenen Brauen an, Tarik lehnte sich interessiert vor und Miko lachte.

»Du warst das, oder? Du hast die Insignien gestohlen und versteckt«, fragte Letzterer.

Ich zuckte die Schultern, konnte das Grinsen aber nicht verbergen. »Ich habe sie geholt, nachdem Tarik in Sicherheit war. Myra hat mir geholfen, sie zu verstecken.«

»Verräterin«, murrte Damian in Myras Richtung. Sie schenkte ihm nicht einmal einen Blick.

»In Ordnung. Also …« Tarik bedeutete mir fortzufahren.

»Ja«, griff ich den Faden wieder auf, »wir gehen in Zweierteams. Myra und Damian holen Dahrmika, das Schwert der Gerechten. Miko und ich holen den Ring und den Kelch.«

»Und ich?«, fragte Tarik.

»Du suchst Leute, die uns unterstützen.«