Goya - Werner Busch - E-Book

Goya E-Book

Werner Busch

0,0
7,49 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Francisco Goya (1746 – 1828) war eine singuläre Gestalt in der europäischen Kunstgeschichte. Politisch liberal eingestellt, war er ab 1789 Hofmaler in Madrid und lavierte sich durch die wechselhaften Zeitläufte. Seine Gemälde und Graphiken revolutionierten die Kunst und stellten den Zeitgenossen vor Augen, dass Vernunft und Aufklärung immer gefährdet sind und jederzeit in Gewalt und Wahn umschlagen können. Auch Goyas bildliche Anklagen des Krieges entfalten ihre Wucht bis heute. Werner Busch zeigt den Künstler als hellsichtigen Beobachter, welcher der Moderne einige ihrer eindrücklichsten Bilder gegeben hat.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Werner Busch

GOYA

Verlag C.H.Beck

Zum Buch

Francisco Goya (1746–1828) war eine singuläre Gestalt in der europäischen Kunstgeschichte. Politisch stand er auf dem Boden der liberalen spanischen Verfassung. Gleichwohl war er Hofmaler in Madrid und lavierte sich durch die wechselhaften Zeitläufte mit ihren Phasen der politischen Repression. Seine Gemälde und Graphiken revolutionierten die Kunst und stellten den Zeitgenossen vor Augen, dass Vernunft und Aufklärung immer gefährdet sind und jederzeit in Gewalt und Wahn umschlagen können. Auch Goyas bildliche Anklagen des Krieges entfalten ihre Wucht bis heute. Werner Busch zeigt den Künstler als hellsichtigen Beobachter, welcher der Moderne einige ihrer eindrücklichsten Bilder gegeben hat.

Über den Autor

Werner Busch lehrte von 1988 bis 2010 als Professor für Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin. Bei C.H.Beck sind von ihm u.a. erschienen: «Das sentimentalische Bild» (21997), «Caspar David Friedrich. Ästhetik und Religion» (22008), «Das unklassische Bild» (2009) und «Adolph Menzel. Auf der Suche nach der Wirklichkeit» (2015).

Inhalt

Vorbemerkung

1 Prolog: Goyas Selbstbildnis mit seinem Arzt Arrieta

2 Goyas bildnerisches Denken: «Die Familie des Infanten Don Luis» (1784) und «María Tomasa Palafox y Portocarrero, Marquesa de Villafranca» (1804)

3 Kabinettbilder

4 Goya und die Herzogin von Alba

5 «Los Caprichos»

6 Die «Nackte» und die «Bekleidete Maja»

7 Die Bilder zum 2. und 3. Mai 1808

8 «Los Desastres de la Guerra»

9 Die Schwarzen Bilder

10 Epilog: «Die Kompanie der Philippinen»

Literaturverzeichnis

Bildnachweis

Für Fred Licht

Vorbemerkung

Ein kleines Buch über Goya zu schreiben, ohne das schon mehrfach Erzählte zu wiederholen, ist nicht einfach. Für viele Kunsthistoriker ist Goya ein Bekenntniskünstler. Seine drastische, erschreckende Anklage des Krieges fordert – zu Recht – eine humanistische Einverständniserklärung heraus. Das Ablegen eines derartigen Bekenntnisses führt jedoch leicht dazu, dass im Detail nicht mehr nachgefragt wird. Nun hat die spanische Kunstgeschichte in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten, was lange verabsäumt wurde, umfassendes Quellenmaterial zu Goya bereitgestellt, doch sind die Ergebnisse nur in Grenzen rezipiert worden. Die ältere engagierte Forschung hat durchaus auf die besondere Rolle der permanentem radikalen Wandel unterliegenden spanischen Geschichte abgehoben. Eine stringente historische Einbettung Goyas fehlt allerdings immer noch. Ihr Ergebnis müsste es sein, Goyas ambivalente Haltung den Ereignissen gegenüber hervorzukehren, indem sie die Konsequenzen der politischen und sozialen Entwicklung im individuellen Werk aufspürt. Der folgende Text versucht ansatzweise eben dies, soweit es auf beschränktem Raum überhaupt möglich ist. Allein auf diesem Wege scheint ein unverstellterer Blick auf Goya möglich.

Der Autor dankt erneut dem Verlag C.H.Beck und in Sonderheit der Lektorin Stefanie Hölscher für die Möglichkeit, diesen Band schreiben zu können. Der größte Dank allerdings gebührt Gudrun Maurer, Kuratorin am Prado in Madrid und dort zuständig für Goya. Sie hat mein Manuskript kritisch gelesen und eine ganze Reihe von faktischen Fehlern und Ungereimtheiten korrigieren können, die die Forschung lange mit sich herumgeschleppt hat und die ich ohne ihre Hilfe fortgeschrieben hätte. Zudem hat sie mich über Jahre mit der neuesten spanischen Literatur zu Goya versorgt – nicht selten von ihr selbst verfasst.

1 Prolog: Goyas Selbstbildnis mit seinem Arzt Arrieta

Ende 1819 erkrankte Goya zum zweiten Mal in seinem Leben schwer, es war, so schien es, eine Krankheit zum Tode. Ein erster Krankheitsschub hatte ihn in Ansätzen Ende 1792 und grundsätzlich Anfang 1793 heimgesucht. Goyas Ertaubung war die Folge. Zu diesem Zeitpunkt war er, 1746 im aragonesischen Fuendetodos geboren, längst ein nicht nur bei Hofe anerkannter Maler.

Er hatte als regionaler Kirchenmaler begonnen, strebte aber von vornherein nach Höherem. Früh versuchte er, in Madrid Fuß zu fassen, zuerst ohne rechten Erfolg. Offenbar zielte er auf Anton Raphael Mengs, der 1761 an den Hof in Madrid berufen worden war und mit seiner klassizistischen Kunstauffassung dem spätbarocken Giovanni Battista Tiepolo Konkurrenz machte, der ebenfalls aus Italien an den Hof geholt worden war. Wohl bis 1771 war Goya Schüler des wenig älteren Francisco Bayeu, und obwohl sich zwischen beiden eine Konkurrenzsituation ergab, erwies sich die Verbindung als günstig. Denn Bayeu wurde von Mengs am Madrider Hof beschäftigt und zog Goya mit, der 1773 Bayeus Schwester geheiratet hatte. Auf Bayeus Rat hin war Goya bereits 1770/71 in Italien gewesen, hatte bei einem Wettbewerb an der Akademie in Parma Erfolg gehabt und wurde schließlich von Mengs 1774 an den Hof in Madrid berufen.

Von 1775 bis 1792 arbeitete Goya als Entwerfer für die Teppichmanufaktur Santa Barbara in Madrid. Daneben war er weiterhin als Kirchenmaler tätig, lieferte Altarbilder und Fresken. Als er 1780 Mitglied der Academia de San Fernando wurde, stiegen seine Ansprüche. Er begann, Porträts von einflussreichen Persönlichkeiten zu malen, arbeitete unter anderem für den Infanten Don Luis und die Herzöge von Osuna. Schon jetzt malte er weniger für den alten Adel als vielmehr für reformwillige Adlige und Finanziers. Auch versuchte er, die kirchlichen Aufträge zu minimieren. Wie wir später sehen werden, erklärt sich dies leicht aus der Spannung zwischen dem konservativen Altadel und der Kirche auf der einen Seite und dem Hof unter dem liberalen, der Aufklärung nahestehenden König Karl III. sowie den Reformorientierten auf der anderen Seite. Goyas Aufstieg am Hof erfolgte relativ schnell. Zusammen mit Ramón Bayeu, dem Bruder seines Lehrers Francisco Bayeu, wurde er 1786 Pintor del Rey, königlicher Maler, 1789 Hofmaler (Pintor de Cámara). Er malte Porträts des Königs Karl IV. und der Königin María Luisa.

Doch dann kam der große Einschnitt durch die Krankheit. Bis heute ist ungeklärt, worum es sich dabei wirklich gehandelt hat. Goya hatte gerade seinen Report zum akademischen Curriculum abgeliefert, der eine deutliche Distanz zu einer klassisch-akademischen Kunstauffassung markierte und individuelle künstlerische Freiheit propagierte. Mit königlicher Genehmigung ging er nach Andalusien und wurde in Sevilla von der Krankheit erst recht geschlagen. Bis Juni 1793 blieb er in Cádiz unter der Obhut von Sebastián Martínez, einem wohlhabenden Kaufmann mit einer riesigen Kunstsammlung, die Goya in verschiedener Hinsicht zugute kam, besonders durch Martínez’ bedeutenden Bestand an englischen Karikaturen. Goya kehrte danach zwar nach Madrid zurück und nahm wieder an den Sitzungen der Akademie teil, doch zog er sich aufgrund seiner Krankheit mehr und mehr aus allen Ämtern und Verpflichtungen zurück und konnte nun überwiegend als freier Unternehmer agieren. Er suchte sich seine Aufträge selbst, wenn er auch wegen des Gehalts zeitlebens Hofmaler blieb, ja, 1799 zum ersten Hofmaler avancierte. Seine Freunde und Auftraggeber fand er zu einem Gutteil unter den liberalen Intellektuellen, die nicht selten auch in freieren Phasen Regierungsverantwortung übernahmen.

Im Folgenden waren die Zeitläufte von extremer Unsicherheit geprägt, die politischen Verhältnisse änderten sich permanent, kurzfristige liberale Phasen wurden von reaktionären, auf den alten Adel und die Kirche mitsamt der Inquisition gestützten Machtkonstellationen abgelöst. Die Könige ruinierten das Land schrittweise, mal dominierten in Spanien die Franzosen, mal die Engländer und dann wieder die Reaktion. So blieb Goya nichts anderes übrig, als sich durch die Zeitläufte zu lavieren. Er hing der immer nur kurzfristig gültigen liberalen, nach französischem Vorbild formulierten Verfassung von Cádiz aus dem Jahre 1812 an und zählte zum Kreis der afrancesados, der Franzosenfreunde. Seine liberalen und vor allem die in politischen Ämtern tätigen Freunde wurden verfolgt, eingekerkert und emigrierten in verschiedenen Phasen nicht selten nach Frankreich – was Goya am Ende seines Lebens ebenfalls nötig zu sein schien.

1819, als ihn die Krankheit das zweite Mal niederwarf, war er bereits 73 Jahre alt. Seit der Rückkehr des reaktionären Königs Ferdinand VII. 1814 war die Verfolgung von Liberalen besonders ausgeprägt, und auch Goya sah sich zu Vorsicht veranlasst, obwohl es ihm gelang, seinen Status als Hofmaler zu erhalten. Er kaufte sich 1819 am Rande von Madrid die Quinta del Sordo, das Landhaus des Tauben – ob er dort gewohnt oder nur gemalt hat, bleibt unklar. Bevor er mit der Ausmalung der Quinta mit den sogenannten Schwarzen Bildern begann, fertigte er 1820 das Selbstbildnis mit seinem Arzt Arrieta (Abb. 9) als Dank für die Errettung vor dem Tod. Dieses Selbstbildnis scheint dazu geeignet, eine derartige Fülle von grundsätzlichen Eigenheiten und Problemen von Goyas Kunst zu thematisieren, dass wir seine Behandlung an den Anfang stellen wollen.

War schon die Phase der Napoleonischen Kriege von 1808 bis 1814 fürchterlich gewesen, wie Goyas «Desastres» bezeugen, so mussten die Verhältnisse nach Ferdinands Rückkehr Goya als gänzlich hoffnungslos erscheinen. Es kam zu einer wahren Liberalenhatz, die Inquisition wurde wieder eingerichtet. Ferdinand schien an Goyas Kunst und Kunstauffassung nicht im Geringsten interessiert, ahnte in ihm mit Notwendigkeit den Oppositionellen. Spaniens amerikanische Kolonien gingen verloren, die Minister waren völlig zerstritten, der Staat war mehr oder weniger bankrott, die Unzufriedenheit im Land wuchs. Erste Verschwörungen in den Jahren 1817 und 1819 scheiterten, doch am Neujahrstag 1820 revoltierte General Rafael del Riego, marschierte mit seinen Soldaten durch Andalusien, proklamierte allerorten die Wiedereinrichtung der aus dem Jahr 1812 stammenden Konstitution von Cádiz und löste damit eine Aufstandswelle aus. In Madrid zwang die Bevölkerung den König, auf die liberale Verfassung zu schwören, seine Regierung brach zusammen. Noch einmal gelang es den Liberalen, die Politik zu bestimmen – allerdings nur bis 1823. Dann nämlich schickte Frankreich unter Ludwig XVIII. mit der Unterstützung der Heiligen Allianz Truppen nach Spanien, um der liberalen Politik ein Ende zu bereiten. Ferdinand wurde wieder installiert, schaffte sofort die Verfassung wieder ab, die alten Machtverhältnisse wurden erneuert. Ein letztes Mal wurde auch die Inquisition wieder eingerichtet, und noch einmal wurden die Liberalen mit allen Mitteln verfolgt, General Riego wurde hingerichtet. Ein Exodus liberaler Intellektueller und Politiker begann, dem sich auch Goya nicht mehr verschließen konnte. Trotz einer aus politischem Kalkül gewährten Generalamnestie im Mai 1824 ging er ins Exil nach Bordeaux.

Angesichts dieser Verhältnisse stellen sich zwei Fragen. Zum einen: Wo genau ist Goyas «Selbstbildnis mit seinem Arzt Arrieta» einzuordnen, und inwieweit haben die Verhältnisse auf seine Konzeption abgefärbt? Die zweite Frage soll erst später beantwortet werden: Wie erklärt es sich, dass die Schwarzen Bilder in ihrer erschreckenden, wahnhaften Verfasstheit exakt in der kurzen liberalen Phase von 1820 bis 1823 entstehen konnten, die doch auch von Goya freudig begrüßt wurde, wie nicht nur die zu dieser Zeit hinzugefügten Blätter zu seiner graphischen Serie der «Desastres» verdeutlichen können? Die Quinta del Sordo hatte Goya im Februar 1819 gekauft, die Erkrankung setzte im Winter desselben Jahres ein. Riegos Revolution begann wie erwähnt am 1. Januar 1820, und im März musste Ferdinand auf die Verfassung schwören. Das fertige Selbstbildnis Goyas mit seinem Arzt ist 1820 datiert. So müssen wir davon ausgehen, dass die Krankheit den Endpunkt einer verzweifelten Phase darstellte und das Bild der Errettung aus diesem Zustand zu einem Zeitpunkt erneuerter Hoffnung entstand.

Die Anlage des Gemäldes ist komplex. Goya hat auf verschiedene, einander durchdringende Traditionen zurückgegriffen. Was sie für das Verständnis des Bildes bedeuten, wird kontrovers diskutiert. Bis heute hat das Bild, so viel darüber auch geschrieben wurde, keine strukturelle Analyse erfahren, die nicht nur die ikonographischen Traditionen in Rechnung stellt, auf die Goya rekurriert, sondern auch die perspektivische und anatomische Anlage und die sehr unterschiedliche Präzision der Wiedergabe. Daher gilt es zu fragen, wie sich all dies zueinander verhält. Es wird sich – nicht nur in diesem Falle – zeigen, dass das Faktisch-Gegenständliche zwar wichtig ist, jedoch nur über die Erscheinung des Faktischen und seine Wirkung ein Zugang zu einem Großteil von Goyas Kunst zu gewinnen ist. Dabei ist es durchaus nicht selten, dass das Faktische und seine Erscheinung im Bilde in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Was wiederum ein Stück weit erklären kann, warum es derartig voneinander abweichende Ausdeutungen von Goyas Bildern gibt. Das liegt schlicht daran, dass die Verbalisierung der Erscheinungsphänomene notwendig subjektiv bleibt. Verzichtet man allerdings darauf, das Faktische und seine Erscheinung in ein Verhältnis zu setzen, dann sind der Willkür Tor und Tür geöffnet.

Aber auch das Faktische erschöpft sich nicht in gegenständlicher Benennung. Kurz: Wir haben zu realisieren, dass bei Goya Zeichen und Bezeichnetes häufig sehr viel weiter auseinander liegen als bei anderen Künstlern. Schon vorab kann gesagt werden, dass sich dies einer literarischen, ironisch-skeptischen Tradition verdankt, die sich mit den Namen von Erasmus, Cervantes oder Quevedo verbindet, und dass es bei Goya, selbst bei vielen seiner religiösen Bilder, keine positive, affirmative Bedeutungssetzung mehr gibt. Goya kann die Gegenwart eigentlich nur noch kritisch-negativ sehen, er kann nicht mehr an das Gute im Menschen glauben und hat deswegen auch Schwierigkeiten mit der Schönheitlichkeit der Kunst. Jegliches Ideal gerät ihm außer Reichweite.

Auf dem etwa 115 x 80 cm großen Bild sind Goya und Arrieta in Halbfigur frontal wiedergegeben. Der Arzt hat seinen Patienten im Bett von hinten aufgerichtet, stützt ihn mit seinem Körper und der linken Hand an der Schulter. Mit der Rechten, die wie ein Riegel vor Goyas Leib geschoben ist, reicht er ihm einen Heiltrank. Goya, dessen Rechte auf dem Betttuch liegt, in das die Linke sich krampft, hat den Kopf nach hinten und zur Seite sinken lassen, sein Gesicht ist aufgedunsen und erschlafft, Augen und Mund öffnen sich nur leicht und mühsam, er ist nur noch halb bei sich. Hinter der Gruppe tauchen im Halbschatten, schwer zu identifizieren, drei Gestalten auf, von denen man kaum mehr als Schemen ihrer Köpfe sieht. Sie haben zu allerlei Spekulationen Anlass gegeben: Trauerweiber hat man in ihnen sehen wollen, die sich angesichts des zu erwartenden Todes von Goya bereits eingefunden hätten, vor allem aber vermeinte man aufgrund ihrer schemenhaften Erscheinung Dämonen oder Geister zu erblicken, die Goya zu Tode ängstigten. In der Tat gibt es Derartiges in Goyas Bildern, doch dann haben die Dämonen groteske Tiergestalt und keine Menschengesichter. Die ars moriendi, die Kunst des Sterbens, hat man berufen, aber auch Engel wurden als Begleitpersonal gesehen, damit wurde das Bild mit christlicher Erlösungshoffnung verbunden.

Den christlichen Zusammenhang sah man gewährleistet durch den am Fuße des eigentlichen Bildes deutlich abgetrennten zweizeiligen Schriftbalken, der Folgendes festhält: «Goya ist seinem Freunde Arrieta dankbar für die Sorgfalt und Fürsorge, mit der er sein Leben rettete bei seiner kurzen und gefährlichen Krankheit, erlitten am Ende des Jahres 1819, im Alter von 73 Jahren. Er malte dies 1820.» Damit deklariert Goya, wie man auch immer gesehen hat, das Gemälde zu einer Art Votivbild, einer Gattung, wie sie nicht nur in Spanien vor allem in Wallfahrtskirchen zahlreich zu finden ist. Mit einem Votivbild bedankt sich der Stiftende bei Maria, einer Heiligenfigur oder einem Märtyrer für seine durchaus wundersame Errettung aus großer Not oder für Heilung von Krankheit oder Unfall. Doch auch die Adaption christlich-ikonographischer Schemata hat man für Goyas Bild in Anschlag gebracht. In der Darreichung des Heiltranks vermeinte man einen Hinweis auf den bitteren Kelch zu erkennen, den ein Engel Christus am Ölberg reicht oder der Christus dort erscheint und von dem er wünschte, er würde an ihm vorübergehen, den er aber dann doch akzeptiert, um den Heilsplan zur Erfüllung kommen zu lassen.

Von der ikonographischen Figuration her näher liegt allerdings der Verweis auf Pietà-Gruppen, wie sie in verschiedener Form auch in Spanien geläufig waren, besonders bei dem Spezialisten für dieses Thema Luis de Morales (Abb. 1). Hier wird der tote Christus, bevor er ins Grab gelegt wird, dem Mitleiden des Gläubigen anheim gegeben, indem er von Maria frontal präsentiert wird. Sein Kopf sinkt zurück, ganz wie bei Goya, die gebrochenen Augen und der leicht geöffnete Mund finden sich ebenfalls, und selbst die Hände, von denen die eine herunterhängt, während die andere um die Nagelwunde gekrampft ist, lassen sich unmittelbar mit Goyas Darstellung vergleichen. An der Übernahme des ikonographischen Typus durch Goya kann es daher wenig Zweifel geben. Noch dazu existieren bei Luis de Morales Fassungen mit Begleitfiguren, entweder hinterfangen sie die Pietà-Gruppen, wobei es sich dann um Maria Magdalena und Johannes, aber auch um Engel handeln kann, oder die Darstellung wird zum Triptychon, bei dem die trauernden Begleitfiguren auf gesonderten Tafeln erscheinen. Selbst Fassungen mit drei Begleitpersonen finden sich.

1   Luis de Morales, Pietà, um 1500, Öl auf Holz, 126 x 98 cm, Madrid, Real Academia de San Fernando

Doch was ist aus dieser Typenangleichung zu schließen? Inwieweit wird bei Goya mit dem Typus dessen christlicher Gehalt übernommen? In Minneapolis, wo Goyas Bild aufbewahrt wird, hat man die Hintergrundfiguren genauer untersucht. Aus Andeutungen bei den beiden linken Figuren kann man wahrscheinlich machen, dass es sich um einen Priester handelt, der zur letzten Kommunion und zur Letzten Ölung erschienen ist und von zwei Offizianten begleitet wird. Mit einiger Mühe kann man den Kelch eines Glases und links daneben eine flache Schale für die Letzte Ölung erkennen. Damit wäre eine denkbare reale Szene vorgeführt, und dies erscheint auch im Zusammenhang der Gattung Porträt mehr als wahrscheinlich. Doch was könnte diese Beobachtung für die christliche Dimension besagen?