Grund zu Schafen - Marion Poschmann - E-Book

Grund zu Schafen E-Book

Marion Poschmann

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Beschreibung

Marion Poschmann, bekannt durch ihren von der Kritik hochgelobten Debütroman "Baden bei Gewitter" ("Die schönste Liebesgeschichte seit langem" FAZ), legt einen neuen Lyrikband vor. "Grund zu Schafen" heißt der zweite Gedichtband der gegenwärtigen Villa-Massimo-Stipendiatin. Bereits die Titel der Gedichte Marion Poschmanns evozieren Bilder und Gefühle. Die Dichterin zeigt uns die "Geometrie der Melancholie", erzählt uns von "Glasuren des Januar" und gibt lyrische Assoziationen zu Gemälden Cy Twomblys. Das lyrische Ich von Marion Poschmann präsentiert sich ganz unverstellt. Entstanden sind wundervolle, luzide Texte, ungereimt, aber voller Rhythmus. Es ist die Faszination des Wortes, der Nachklang der Bilder, die diese Gedichte zu einem großen Kunstgenuss machen.

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Marion Poschmann

GRUND ZU SCHAFEN

Gedichte

Die Autorin dankt der Stiftung Niedersachsen für die Unterstützung ihrer Arbeit an diesem Buch.

1. Auflage 2004

Deutsche Erstausgabe

© der deutschen Ausgabe

Frankfurter Verlagsanstalt GmbH, Frankfurt am Main 2004

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Heinz Kattner

Schutzumschlag- und Einbandgestaltung: Bertsch & Holst

Herstellung: Thomas Pradel, Frankfurt am Main

eISBN: 978-3-627-02117-7

1 2 3 4 5 – 07 06 05 2004

Inhalt

ODEN NACH DER NATUR

kleines Rasenstück

Windbarriere

der deutsche Nadelbaum

der deutsche Laubbaum

Steine im Gleichgewicht

Wolkenode

Naturgeister

ET IN ARCADIA EGO

latenter Ort

Empire of Flora (nach Cy Twombly)

Take away Landscape

Heimweh, Touristen auch wir

rohe Alben

deine Sterntülle, dein Rosettenmund

Geometrien der Melancholie

berühmte Blüten

in die Farne

auf der Krone

IDYLLEN

der Kreislauf der Waldgebiete

Idylle mit Rehscheuche

Verneigung vor den eigenen Gefühlen

die Berichtigung der Moose

der Stiefmütterchenhain

wie man das Verlassen der Kindheit übt

Perioden geheimer Größe

der natürliche Platz für Ovale

die Märchenwälder kehren zu uns zurück

türkis gefärbte Margeriten

ideelle Szenerie

Monomanen

der Verlauf des Horizonts

die Ilexhexen

Böden in Stadtgebieten

WALDINNERES

verschiedene Arten von Verrücktheit

Landschaft mit Gottesbeweis

mindestens drei private Kapseln und eine Peripherie

Landschaft bei steigenden Ölpreisen

Hirschübung

Glasuren des Januar, carne vale

Lehmkürbis, ein Schmuckstück

magnetisiertes Zimmer

Unruheherde

Sfumato, Industrieflächen

Kloppitz / Kłopot nad Odrą

eine Installation zum Thema Blut

Aufrichtige Tannengesellschaft

Fruchtbringende Gesellschaft

WIESE SEIN

des Ortes hier

Grund zu Schafen

Pappelalleen, löslich in Wasser

heller Report

Bäume auswickeln

Malochen für ein schönes Wochenende

Narziß-Skizze

abgeschrägte Wäsche

Linien ziehen bei heftigem Wind

Seepoem

Fernglasazur

märkische Sandkästen

Umspannwerk Ost

die Sonne geschlossen, die gläsernen Schirme, das Klirren im Innern

Dederon läßt sich auch quer zum Fadenlauf schneiden

vom Osten träumt man, aber dorthin fährt man nicht

die Tilgung der vier Winde

wir sind nicht minder im Himmel als jene Sterne

die Nähe der Abwärme suchen

Normalverteilung der Ereignisse

die Angst vor dem Meer

ODEN NACH DER NATUR

kleines Rasenstück

100g Gras, wie Licht, das sich bewegte,

Licht, das knitterte, schnelle Lebensläufe

ohne Höhepunkte, Schwarzweißaufnahmen:

nickende Blitze.

Gras spritzte auf, fiel über, Gras, von Winden

hingekritzelt, von Winden ausgedehnt nach

Zentimetern, Gras, dieser strenge Glanz, zu

Halmen gefaltet,

Gras überwog uns schon – wuchs Gras darüber,

hob sich, senkte sich, wimmelnd, flimmernd, Gras, so

haltlos wurzelnd über dem hellen Abgrund

unserer Hirne.

Windbarriere

Rührbewegung im Wind: Büsche umkreisen uns.

Zweige wickeln sich auf, knoten den Horizont

fester, flüchtiger, binden

Lüfte wie aus dem Handgelenk,

leichthin. Wälzen sich um. Über den Hang zu Tal

kollert grünes Geröll, Knäule dahingefegt,

Windgewölle. Wir wären

gerne völlig gelöst wie sie.

Büsche, rauschendes Nichts. Büsche umbrausen uns.

Wirbel, stillgelegt, weit. Unseres Wissens sind

sie zu Päckchen geschnürte

Stürme. Durchlässig. Unberuhigt.

der deutsche Nadelbaum

Fieberkurven, verrußt, spitzten sich zu, der Berg

setzte Tarnkappen auf, färbte die Wipfel nach,

schwärzer ragten sie, Warndreiecke, über dir,

schärfer gingst du im Gegenlicht,

ausgeschnitten, die Nacht brach schon durch dich hindurch,

Dunkelziffer der Wald, reizbare Zickzackluft,

Schatten gruben sich tief, nadelte Dämmerung

auf die Äste, ins Unterholz.

Waren Bäume erlaubt, waren sie unerlaubt?

Trug man Papptannen, trug Pesthüte fort? Ich sah,

du verzweigtest dich, bogst, breitetest Arme aus.

Wind strich über die Gipfel hin.

der deutsche Laubbaum

Wäre märzhaltig noch, maihaltig dieses Laub,

nähme Februar mit, Januar mit sich fort,

leise kapitulierend

vor dem Nachdruck der Witterung.

Fänden wir ein Oval oder Ellipsen vor,

fänden Herzformen, wir wendeten um und um,

Laub und Aberlaub um, die

kleinen Baumkronen, flachgepreßt.

Hinge hoch im Geäst Regenwahrscheinlichkeit,

schlügen Böschungen durch, Serien blauen Lichts,

unerläßliche Tage

lösten Helles in Heilschlaf auf.

Steine im Gleichgewicht

Als hätten sie noch immer nicht aufgesetzt.

Sie pendeln leise, hängen in Raum und Zeit

wie abgestürzte Engel, ihre

Schwingen in Schonhaltung eingefaltet: