Grundlagen tiergestützter Dienstleistungen - Barbara F. Felde - E-Book

Grundlagen tiergestützter Dienstleistungen E-Book

Barbara F. Felde

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Beschreibung

Welches grundlegende Wissen und welche Kenntnisse benötige ich, um tiergestützt zu arbeiten? Dieser Frage geht das vorliegende Werk in enger Verbindung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen nach. Es legt sein Augenmerk auf relevante Praxisgebiete moderner tiergestützter Dienstleistungen. Diese subsummieren zielgerichtete betreuende und beschäftigende Interaktionen, die von einem Mensch-Tier-Team als Leistung angeboten werden. Sie umfassen alle Teilbereiche, von tiergestützter Therapie, tiergestützter Pädagogik bis hin zu ehrenamtlichen tiergestützten Aktivitäten. Um die Wünsche aller an einer tiergestützten Interaktion beteiligten Akteure zu berücksichtigen, greifen die Autorinnen und Autoren relevante Ausbildungsinhalte von tiergestützten Angeboten auf. Durch den interdisziplinären Überblick zu Recht, Ethik, Erziehungswissenschaft, Soziologie und Veterinärmedizin ermöglicht es einen Einblick in relevante Themenbereiche rund um den Einsatz von Tieren. Die Beiträge sollen tiergestützt tätigen Praktikern ermöglichen, theoretische, methodische und inhaltliche Kompetenzen zu vertiefen und das eigene Wissen zu erweitern.

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Seitenzahl: 475

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Katharina Ameli, Anja S. Dulleck,

Thomas Brüsemeister (Hrsg.)

Grundlagen tiergestützter Dienstleistungen

Tiergestützte Therapie, Pädagogik und

Fördermaßnahmen als interdisziplinäres

Arbeitsfeld

© 2016 Katharina Ameli, Anja S. Dulleck, Thomas Brüsemeister

Umschlag, Illustration: Katharina Ameli

Lektorat, Korrektorat: Claudia Schäfer

Weitere Mitwirkende: Petra Mayr, Barbara S. Felde, Christopher Hühn, Theresa F. Braun, Inge A. Strunz, Jessica Hornung, Edina Hickl, Mariam Gevorkyan, Daniela Zurr, Michael Schamel, Lisa Gromala

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback

978-3-7345-5133-8

e-Book

978-3-7345-5132-1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung: Zukunftsfeld tiergestützter Dienstleistungen

Katharina Ameli, Anja S. Dulleck und Thomas Brüsemeister

2 Einblick in Begrifflichkeiten, Studien und Praxisfelder tiergestützter Dienstleistungen

Katharina Ameli

3 Einführung in die wissenschaftliche Arbeit und die qualitative Sozialforschung

Lisa Gromala

4 Zur Ethik der Mensch-Tier-Beziehung

Petra Mayr

5 Rechtliche Grundlagen tiergestützter Dienstleistungen

Barbara S. Felde

6 Kommunikation (in der Mensch-Tier-Beziehung)

Michael Schamel

7 Tiergestützte Pädagogik in (vor-)schulischen Bildungseinrichtungen

Inge A. Strunz

8 Heilpädagogisches Reiten

Theresa F. Braun

9 Der Einsatz von Hunden in der Schule

Mariam Gevorkyan

10 Der Einfluss tiergestützter Dienstleistungen auf das Wohlbefinden des Tieres

Jessica Hornung und Anja S. Dulleck

11 Reptilien im tiergestützten Einsatz

Daniela Zurr

12 Zoonosen als Problemlage tiergestützter Dienstleistungen

Jessica Hornung

13 Schweinehaltung im Kontext tiergestützter Dienstleistungen

Edina Hickl

14 Unterrichtsgestaltung mit Tieren in der Grundschule

Katharina Ameli und Christopher Hühn

Autor_inneninfo

Einleitung: Zukunftsfeld tiergestützte Dienstleistung

Katharina Ameli, Anja Dulleck, Thomas Brüsemeister

Seit Jahrhunderten werden Tiere in unterschiedlichen Berufsfeldern eingesetzt. Während Tiere zu Beginn vermehrt als Lasttier oder als Unterstützung zur Jagd dienten, zeigt sich gegenwärtig ein steigender Einsatz von Tieren in pflegerischen, medizinischen oder therapeutischen Berufsfeldern.

Die Zunahme an Angeboten im Sektor tiergestützter Dienstleistungsarbeit verdeutlicht die Bedeutsamkeit der Auseinandersetzung mit Professionalisierungsprozessen und den daraus resultierenden relevanten Kennzeichen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die in der Aus- und Weiterbildung für angehende Mensch-Tier-Teams in tiergestützten Arbeitsbereichen benötigt werden.

Die Auswahl an Möglichkeiten, Tiere beruflich einzusetzen, erfordert von tiergestützt-tätigen Praktiker_innen, interdisziplinäre Tätigkeitsprofile. Diese müssen mittels theoretischer, methodischer und inhaltlicher Kompetenzen bearbeitet werden können. Damit tiergestützte Begegnungen professionell durchgeführt werden können, ist eine offene und reflektierte Herangehensweise erforderlich. Um die an der Interaktion beteiligten Akteure in ihren Bedürfnissen und Erwartungen einzubeziehen, muss der tiergestützte Einsatz so aufgearbeitet sein, dass er systematisch, vorbereitet und an ein Setting angepasst ist.

Eine besonders hervorzuhebende Aufgabe der tiergestützt-tätigen Fachkräfte ist die hochreflexive Betrachtung des Geschehens. Das bedeutet, dass das eigene Handeln hinterfragt und gleichzeitig innerhalb der Interaktionen flexibel agiert werden muss. Dabei ist eine Mischung aus wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen als Garant für gelingende Mensch-Tier-Interaktionen zu verstehen. Von Seiten der Wissenschaft und der Praxis bestehen Anforderungen an tiergestützte Dienstleistungsarbeiten in betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und ethischen Hinsichten. Entsprechende Grundkenntnisse werden durch das Wissen der berufsspezifischen Tätigkeitsfelder, in denen tiergestützt-tätige Fachkräfte agieren, gestärkt. Zu den inhaltlichen Bereichen zählen Kenntnisse in Fachdisziplinen der Psychologie, (Sozial-)Pädagogik, Humanmedizin oder Pflegewissenschaft ebenso, wie biologische und veterinärmedizinische Grundkenntnisse zu tiergerechter Haltung, Eignung der Tierarten sowie Tierschutz.

Das vorliegende Werk soll (angehenden) tiergestützt-tätigen Praktikern einen Einblick in Kernbereiche der tiergestützten Dienstleistung als Beruf liefern. Es bietet einen Überblick, der relevante und allgemeine Kenntnisse im Bereich tiergestützter Dienstleistungsarbeit aufgreift. Es soll dazu anregen, das bereits vorhandene Wissen zu vertiefen, sich neues Wissen anzueignen und gleichzeitig hochreflexiv das Aufgabengebiet zu betrachten. Dafür dienen auch Übungsfragen, die sich an jeden Beitrag anschließen.

Insgesamt soll damit einerseits das eigene Handeln in Bezug auf Tiere und die Arbeit mit den Nutzer_innen (Klient_innen, Patient_innen, Schüler_innen) reflektiert werden. Andererseits soll gleichzeitig der Blick auf die eingesetzten Tiere geschärft werden, um deren Bedürfnisse im Einsatz zukünftig noch besser betrachten zu können.

Das Werk soll anhand seiner Beiträge die Möglichkeiten eröffnen, auch über das eigene Arbeitsgebiet hinaus mit anderen tiergestützt-tätigen Kolleg_innen ins Gespräch zu kommen sowie den offenen und konstruktiven Austausch fördern. Dabei legt es sein Augenmerk auf relevante Praxisgebiete tiergestützter Dienstleistungsarbeit, für deren Ausübung wesentliche Kenntnisse nötig sind. In den einzelnen Beiträgen wird auch der tierische „Part“ verstärkt in den Fokus gerückt. Dieser muss jedoch immer durch die tiergestützt-tätige Fachkraft mitgedacht werden.

Kapitel 2 von Katharina Ameli gibt einen allgemeinen Überblick über Begrifflichkeiten, Studien und Praxisfelder innerhalb der tiergestützten Interventionsformen. Dies ist wichtig, um die derzeit existierenden wissenschaftlichen Definitionen kennenzulernen und sich in seiner beruflichen Tätigkeit verorten zu können. Es soll ergänzend einen kleinen Überblick über die derzeitige Lage des Sektors schaffen. Der exemplarische Einblick in Studien soll dazu dienen, die Bedeutsamkeit von Studien und deren Ergebnissen zu erkennen und ihre Aussagekraft einschätzen zu können.

Kapitel 3 von Lisa Gromala liefert eine Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten und die qualitative Sozialforschung. Dies soll dazu dienen, den tiergestützt-tätigen Praktiker_innen einen Überblick zu ermöglichen, wie Studien im Bereich der Mensch-Tier-Begegnungen umgesetzt werden und welche Hintergründe bei wissenschaftlichem Arbeiten zu berücksichtigen sind. Obwohl die qualitative Methodik für viele Praktiker_innen auf den ersten Blick unnötig erscheinen mag, sei hier darauf hingewiesen, dass gerade die Methodik der teilnehmenden oder nichtteilnehmenden Beobachtungen dazu dienen kann, das eigene Handeln innerhalb des Settings zu beobachten. Dabei ergibt sich beispielsweise die Möglichkeit, Beobachtungsnotizen anzufertigen, die für die gesamte Interaktion als interne Evaluation genutzt werden können.

Kapitel 4 von Petra Mayr soll das kritische Auge der tiergestützttätigen Praktiker_innen anregen, ethische Grundkonzepte auf die Beziehung zu den eigenen Tieren anzuwenden. Dieser Einstieg soll animieren, sich kritisch mit der Mensch-Tier-Beziehung auseinanderzusetzen und für das eigene Handeln zu hinterfragen, welche Rollenzuweisungen an einen selbst und das Tier gestellt werden. Es spielt damit auch im Hinblick auf die eigene Beziehung zu Tieren eine entscheidende Rolle.

Kapitel 5 von Barbara Stefanie Felde beschäftigt sich mit den rechtlichen Grundlagen im tiergestützten Einsatz. Diese stellen eine wesentliche Komponente in gelingenden Interaktionen dar.

Kapitel 6 von Michael Schamel zum Thema der Kommunikation der Mensch-Tier-Beziehung ist die Grundlage der triadischen Professionalität zwischen Mensch, Tier und Nutzer_innen. Es dient dazu, die Bedeutsamkeit der Kommunikation in den einzelnen Settings zwischen den drei an der Interaktion Beteiligten (Dienstleister_in, Tier, Nutzer_in) aufzugreifen. Es soll darlegen, welche Möglichkeiten der Kommunikation es gibt und dazu anregen, diese stets zu beobachten.

Kapitel 7 von Inge A. Strunz konzentriert sich auf den Sektor der tiergestützten Pädagogik, der als ein Teilbereich der tiergestützten Dienstleitung zu verstehen ist. So bietet der Beitrag einen Einblick in die Zielsetzung von pädagogischen Mensch-Tier-Begegnungen mit der Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen.

Kapitel 8 von Theresa F. Braun beschäftigt sich mit dem Teilbereich des heilpädagogischen Reitens und liefert einen Einblick in die Möglichkeiten dieser Interventionsform.

Kapitel 9 von Mariam Gevorkyan liefert einen Überblick über das Konzept von Hunden in der Schule. Dabei stehen besonders grundlegende Überlegungen und Möglichkeiten des Einsatzes im Fokus.

Kapitel 10 von Jessica Hornung und Anja S. Dulleck rückt die Tiersicht stärker in den Vordergrund. So werden die Wechselwirkungen zwischen dem tiergestützten Einsatz und dem Wohlergehen für die Tiere thematisiert. Dies ist zum einen dahingehend bedeutend, als das Wohlergehen der Tiere in allen Sektoren tiergestützter Dienstleistungsarbeit per se von hoher Bedeutung sein sollte. Zum anderen haben diese Wechselwirkungen aber auch direkten Einfluss auf die Sicherheit und Ungefährlichkeit des tiergestützten Einsatzes. Der Beitrag soll die kritische Auseinandersetzung mit der Thematik um das Tierwohl fördern und gleichzeitig dazu anregen, die eigene Tätigkeit im Sinne des Tieres zu reflektieren.

Kapitel 11 von Daniela Zurr ermöglicht einen Einblick in die tiergestützte Arbeit mit Reptilien. Der Einsatz dieser Tierklasse erfolgt zwar insgesamt seltener, wird dann aber häufiger „auf die leichte Schulter genommen“. Der Beitrag soll für Probleme und Tierschutzaspekte bei der tiergestützten Arbeit im Speziellen und bei der Haltung im Allgemeinen sensibilisieren und zur vertiefenden Beschäftigung mit dem eigenen Tier einladen.

Kapitel 12 von Jessica Hornung setzt sich mit infektionshygienischen Grundlagen auseinander. So werden Krankheiten thematisiert, die vom Tier auf den Mensch übertragen und damit innerhalb der tiergestützten Dienstleistungsarbeit relevant werden könnten. Diese sogenannten Zoonosen unterscheiden sich von Tierart zu Tierart und oft auch innerhalb geografischer Lagen. Das mehr als (nicht erschöpfende) Auflistung gehaltene Kapitel soll ein Bewusstsein für mögliche Risiken durch die tiergestützte Arbeit schaffen und Hinweise zu einigen möglichen Präventionsmaßnahmen geben.

Kapitel 13 von Edina Hickl beschäftigt sich mit den Besonderheiten der Schweinehaltung. Diese Tierart taucht sowohl in der Heimtierhaltung als auch in tiergestützten Settings in letzter Zeit häufiger auf. Da in diesen Bereichen die Erfahrungen und gesetzlichen Vorschriften aus der konventionellen Schweinehaltung oft entweder nicht übertragbar oder nicht akzeptabel sind, bedarf es einer neuen Auseinandersetzung mit dieser Tierart, ihrem natürlichen Verhalten und ihrer Haltung.

Kapitel 14 von Katharina Ameli und Christopher Hühn skizziert am Beispiel eines „Tag des Tieres“ an einer Grundschule die Möglichkeiten von Kooperation, um Kind-Tier-Begegnungen ermöglichen zu können. Gleichzeitig bietet der Beitrag einen kurzen Einstieg in die didaktische Ausgestaltung der Konzeption.

Die Erstellung der vorliegenden Beiträge ist in Teilen im Kontext des Projekts WM3, Weiterbildung Mittelhessen entstanden und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und aus dem Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union gefördert worden.

(www.uni-giessen.de/tdw).

Einblick in Begrifflichkeiten, Studien und Praxisfelder tiergestützter Dienstleistungen1

Katharina Ameli

Im Folgenden soll ein Einblick in Begrifflichkeiten tiergestützter Dienstleistungsarbeit gegeben werden. Dabei sollen zu Beginn bereits bestehende Tätigkeitsfelder und deren Begrifflichkeiten beschrieben werden, um daran anknüpfend Studien im Bereich der Mensch-Tier-Beziehung mit Senior_innen exemplarisch aufzuzeigen sowie Praxisfelder tiergestützter Dienstleistungsarbeit darzulegen.

1 Abgrenzung tiergestützter Begriffsbestimmungen

Die Beziehungen von Menschen mit Tieren sind bereits seit den Anfängen der Menschheit dokumentiert (vgl. Vernooij/Schneider 2010, S. 26). Der Einsatz von Tieren zu Therapiezwecken wurde erstmals im 18. Jahrhundert schriftlich erwähnt (vgl. Hegedusch/Hegedusch 2007, S. 34).

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema der Mensch-Tier-Beziehungen begann in den 1960er Jahren durch den amerikanischen Kinderpsychotherapeuten Boris M. Levinson. Der damals von ihm verwendete Begriff ,Pet Facilitated Therapy’ (tiergestützte Therapie) legte den Grundstein für diesen Wissenschaftszweig (Greiffenhagen/Buck-Werner 2009, S. 13 f.). In den darauffolgenden Jahren entstand jedoch eine Vielzahl von Begriffen, die oftmals zu Verwechselungen und Verwirrungen in Wissenschaft und Praxis führten. Seit der Gründung der „Delta Society“ im Jahre 1977 in den USA wurden erstmals Standards und Richtlinien im Bereich der tiergestützten Tätigkeiten eingeführt (vgl. Hegedusch/Hegedusch 2007, S. 35 f.). Die „Delta Society“2, eine Vereinigung von unterschiedlichen Fachleuten aus Wissenschaft und Forschung, unterscheidet hierbei in animal-assisted Activities (AAA) und animal-assisted Therapy (AAT), die in Deutschland unter dem Begriff der tiergestützten Interventionen zusammengefasst werden.

Tiergestützte Aktivitäten

Tiergestützte Aktivitäten (AAA) sind laut Delta Society: „[…] opportunities for motivational, educational, recreational, and/or therapeutic benefits to enhance quality of life. AAA are delivered in a variety of environments by specially trained professionals, paraprofessionals, and/or volunteers, in association with animals that meet specific criteria" (Delta Society o.J.: online).

Tiergestützte Aktivitäten bezeichnen also Interventionen im pädagogischen und therapeutischen Bereich, die eine Verbesserung der Lebensqualität durch speziell geschulte Fachkräfte oder Freiwillige mit Hilfe eines Tieres, erreichen wollen. Unklar bleibt bei dieser Beschreibung jedoch, worin der Unterschied zwischen geschulten Fachkräften und Freiwilligen besteht (vgl. ebd.).

Hegedusch und Hegedusch (2007, S. 36) gehen in ihrer Beschreibung weiter, indem sie die tiergestützten Aktivitäten als ein ungezwungenes, spontanes Zusammentreffen von Tier und Mensch bezeichnen, bei dem kein geplantes Ziel verfolgt wird. Die gemeinsamen Aktivitäten und die Anwesenheit des Tieres stehen hier im Vordergrund. Beispiele hierfür wären Tierbesuchsprogramme in Einrichtungen wie beispielsweise einem Kinderheim. Die Definition von Vernooij und Schneider ähnelt jener der Delta Society: „Unter tiergestützter Aktivität sind Interventionen im Zusammenhang mit Tieren zu verstehen, welche die Möglichkeit bieten, erzieherische, rehabilitative und soziale Prozesse zu unterstützen und das Wohlbefinden von Menschen zu verbessern. Sie werden durchgeführt von mehr oder weniger ausgebildeten Personen (…)“ (Vernooij/Schneider 2010, S. 34). Die tiergestützte Aktivität beschreibt demnach ein Zusammentreffen von Mensch und Tier ohne Zielsetzung. Dadurch stellt sie die einfachste Form tiergestützter Interventionen dar.

Tiergestützte Therapie

Die zweite Interventionsform ist die tiergestützte Therapie (AAT). Sie ist laut Delta Society „a goal-directed intervention in which an animal that meets specific criteria is an integral part of the treatment process. AAT is directed and/or delivered by a health/human service professional with specialized expertise, and within the scope of practice of his/her profession. AAT is designed to promote improvement in human physical, social, emotional, and/or cognitive functioning [cognitive functioning refers to thinking and intellectual skills]. AAT is provided in a variety of settings and may be group or individual in nature. This process is documented and evaluated" (Delta Society o.J.: online). Tiergestützte Therapie bezeichnet demnach die Intervention mit einem Tier, bei dem die Interventionsform selbst und das Tier bestimmte Kriterien erfüllen müssen. Das Tier ist Bestandteil des Behandlungskonzeptes. Tiergestützte Therapie wird von professionellen Personen mit entsprechender Ausbildung oder bei der Ausübung eines entsprechenden Berufes wie beispielsweise von Ärzt_innen, Therapeut_innen und Sozialarbeiter_innen ausgeführt. Die tiergestützte Therapie wird dabei so konzipiert, dass körperliche, soziale, emotionale und kognitive Funktionen gefördert werden. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei der Dokumentation des Therapieprozesses zu (vgl. ebd.).

Eine ähnliche Begriffsbestimmung geben Vernooij und Schneider: „Unter Tiergestützter Therapiewerden zielgerichtete Interventionen im Zusammenhang mit Tieren subsumiert, welche auf der Basis einer sorgfältigen Situations- und Problemanalyse sowohl das Therapieziel als auch den Therapieplan unter Einbezug eines Tieres festlegen. (…) Sie werden durchgeführt von therapeutisch qualifizierten Personen, die je nach Therapiekonzept das spezifisch trainierte Tier als integralen Bestandteil in die Behandlung einbeziehen“ (Vernooij/Schneider 2010, S. 44).

Die tiergestützte Therapie beschreibt also eine rein therapeutische Intervention von Mensch und Tier, die ein geschultes Mensch-Tier-Team voraussetzt.

Tiergestützte Pädagogik

Neben den bereits genannten tiergestützten Tätigkeitsfeldern wird weiterhin die tiergestützte Pädagogik (animal-assisted pedagogy – AAP), die auch als tiergestützte Bildung (animal-assisted education – AAE) bezeichnet wird, beschrieben. Beide Interventionsformen verfolgen einen ähnlichen Ansatz. Aus diesem Grund wird im Folgenden die Begrifflichkeit der tiergestützten Pädagogik beschrieben.

„Unter Tiergestützter Pädagogikwerden Interventionen im Zusammenhang mit Tieren subsumiert, welche auf der Basis konkreter, kindorientierter Zielvorgaben Lernprozesse initiieren, durch die schwerpunktmäßig die emotionale und die soziale Kompetenz des Kindes verbessert werden soll. Sie werden durchgeführt von Experten im pädagogischsonderpädagogischen Bereich (z.B. Lehrpersonal) unter Einbezug eines Tieres, welches für den Einsatz spezifisch trainiert wurde“ (Vernooij/Schneider 2010, S. 41).

Im angloamerikanischen Raum sind seit einigen Jahren lediglich die AAT und die AAA durch die Delta Society anerkannt. Im deutschsprachigen Raum gibt es immer noch unterschiedliche Bezeichnungen, die weder einheitlich, noch anerkannt sind (a.a.O., S. 52). Beim Vergleich der bestehenden Definition zeigen sich deutliche Gemeinsamkeiten. Die tiergestützten Tätigkeitfelder der AAT und AAA zeigen beispielsweise starke Verflechtungen, da beide Bereiche nicht immer klar voneinander zu trennen sind. Eine AAA kann unter bestimmten Voraussetzungen Einflüsse der AAT aufweisen und so die Einordnung erschweren. Hier stellt sich die Frage, ob ein Ehrenamtlicher, der ein Ziel mit seiner Aktivität verfolgt und beispielsweise motorische oder kognitive Funktionen fördert, nicht auch der AAT zugeordnet werden könnte, selbst wenn er keinen therapeutischen Beruf ausübt. Dies zeigt sich beispielsweise dann, wenn tiergestützt-tätige Anbieter_innen tiergestützte Interventionen anbieten, ohne eine therapeutische Ausbildung absolviert zu haben (vgl. Ameli 2016, S. 23 ff.).

Die Verwendung der Begrifflichkeiten stellt seit Jahren eine Problematik dar, die sich sowohl theoretisch als auch praktisch verstärkt. So zeigt sich bereits 2003, dass alleinig für den Begriff der tiergestützten Therapie 20 verschiedene Definitionen und 12 verschiedene Bezeichnungen verwendet werden (LaJoie 2003, zit. nach: Kruger/Serpell 2006, S. 22 f.).

Die uneinheitliche Verwendung der Begrifflichkeiten wird durch eine Studie der Autorin bestätigt. So verwenden Anbieter_innen eigens entworfene Begrifflichkeiten, die in enger Affinität zu tiergestützter Therapie oder Pädagogik stehen (vgl. Ameli 2016, S. 27). Dies resultiert daraus, dass kein allgemein gültiges Berufsbild existiert, unter dem alle tiergestützten Tätigkeitsfelder subsummiert werden. Diese Problematik ist eng mit der mangelnden Finanzierung durch externe Geldgeber wie beispielsweise Krankenkassen verknüpft (vgl. Ameli 2016, S. 70).

Damit einher geht, dass tiergestützte Berufsfelder als eigenständiges Tätigkeitsfeld, welches als finanzierbar eingestuft wird, lediglich mit einer staatlichen Anerkennung des Berufsbildes existieren können. Sie sind somit an eine Professionalisierung und anschließende Verberuflichung gebunden.

1.1 Definition tiergestützter Dienstleistungen

Die Problematik eines eigenständigen Berufsbegriffes wird im Folgenden durch die Annahme umgangen, dass es sich bei tiergestützten Tätigkeitsfeldern um tiergestützte Dienstleistungen handelt. Dieser allgemeine Berufsbegriff soll die Problematik des fehlenden Berufszweiges lösen und erlaubt gleichwohl die Zusammenfassung aller Interventionsformen unter einer Begrifflichkeit. Das bedeutet, dass es hier ähnlich dem Berufsfeld von Ärzt_innen die Möglichkeit gibt, eine Spezialisierung innerhalb seines Tätigkeitsprofils vorzunehmen. Das bedeutet, dass ich mich als Dienstleister_in beispielsweise sowohl im therapeutischen als auch im pädagogischen Bereich spezialisieren kann.3

Tiergestützte Dienstleistungen als zukünftiges Berufsbild sind im Bereich des steigenden Dienstleistungssektors zu verzeichnen und lassen sich im Sinne Bahles (2007) als soziale Dienstleistung verstehen.

Laut Bahle sind soziale Dienstleistungen primär soziale Handlungen, die durch gemeinsame Merkmale gekennzeichnet sind. Sie werden persönlich im Rahmen institutioneller und sozialer Beziehungen erbracht und dienen dem Zweck, die soziale Handlungskompetenz der Leistungsempfänger zu erhalten und/oder zu verbessern (vgl. Bahle 2007, S. 34). Auf die tiergestützte Dienstleistung übertragen bedeutet dies, dass sie im Rahmen von Institutionen, wie beispielsweise Alten- und Pflegeheimen, Schulen oder Kindergärten erbracht werden. Neben den sozialen Merkmalen werden auch therapeutische Merkmale und Methoden berücksichtigt und eingebracht.

Persönliche Dienstleistungen sind Leistungen, welche direkt am Menschen erbracht werden und bei denen eine soziale Interaktion zwischen Anbieter_innen und Empfänger_innen im Fokus steht (a.a.O., S. 35). Dies ist bei tiergestützten Dienstleistungen ebenfalls gegeben. Die Dienste werden durch ein entsprechend geschultes Mensch-Tier-Team an Nutzer_innen, wie beispielsweise Schülern, Kindergartenkindern oder Senior_innen erbracht und sind neben der Mensch zu Mensch Interaktion auch durch eine Interaktion zwischen Mensch und Tier gekennzeichnet.

Die weitere Unterscheidung nimmt Bahle anhand der verfolgten Zielsetzung vor, welche in der Stärkung der sozialen Handlungskompetenz der Dienstleistungsempfänger liegt. Hierzu zählen Fähigkeiten, die einer Person ermöglichen, als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft handeln zu können (a.a.O., S. 35). Diese Zielsetzung ist sowohl in Kindergärten und Schulen, als auch in Altenheimen gegeben. Im Bereich der Kindergärten und Schulen können fördernde Ziele verfolgt werden, die im Bereich der tiergestützten Pädagogik angesiedelt sind. Im Bereich der älteren Menschen geht es um die Betreuung und Beschäftigung mit therapeutischen Methoden und Ansätzen, die eine Verbesserung der Lebensqualität und der sozialen Handlungskompetenz erreichen sollen. Der Vergleich mit Bahles sozialer Dienstleistung zeigt, dass tiergestützte Dienstleistungen in diesen Kontext einzuordnen sind. Tiergestützte Dienstleistungen sind demnach zielgerichtete, betreuende und beschäftigende Leistungen, die von einem Mensch-Tier-Team professionalisiert ausgeführt und dokumentiert werden.

Die Besonderheit besteht darin, dass dem Tier in Kooperation mit dem Menschen eine unterstützende Wirkung eingeräumt wird, die durch die Verwendung von therapeutischen oder pädagogischen Ansätzen gestärkt werden kann. Tiergestützte Dienstleistungen können in Alten- und Pflegeheimen, Hospizen, Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten, Kinderheimen, Heimen für körperlich und psychisch eingeschränkte Personen sowie in privaten Haushalten erbracht werden. Sie sind daher als eigenständig zu betrachten.

Die professionelle Ausübung der Tätigkeit ist kennzeichnend für tiergestützte Dienstleistungen und bestimmt so deren Qualität. Tiergestützte Dienstleistungen sind interdisziplinär einzuordnen und bestehen aus einer triadischen Beziehung zwischen Mensch, Tier und einem Nutzer (Kind, Senior_in etc.).

Zusammenfassend lässt sich die tiergestützte Dienstleistung als eine immaterielle an Personen erbrachte Interaktionsarbeit verstehen, die zielgerichtet betreuende und beschäftigende Leistungen bietet, die nutzer_innenorientiert im Zuge eines triadischen Professionsverständnisses umgesetzt werden. Sie subsummiert (Teil-)Bereiche tiergestützter Therapie, Pädagogik und Aktivitäten in Beratung, Gesundheit und Bildung.

Die tiergestützte Dienstleistung bietet damit die Möglichkeit prozesshafte Entwicklungen mithilfe des Ineinandergreifens von verschiedenen Akteuren zu ermöglichen.

1.2 Praxisfelder tiergestützter Dienstleistungsarbeit

Im Bereich tiergestützter Dienstleistungsarbeit zeigt sich eine Bandbreite an eingesetzten Tieren. So werden in der Praxis aktuell Kaninchen, Meerschweinchen, Hunde, Pferde, Schafe, Alpakas, Rinder, Hühner, Ziegen und Lamas eingesetzt. Die Einsatzorte und –häufigkeiten variieren je nach Anbieter_innen (vgl. Ameli 2016, S. 29).

Tiere werden in Bereichen der Ergo- oder Logopädie ebenso eingesetzt wie in Schulen, Kindergärten sowie außerschulischen Lernorten und Seniorenheimen oder Heimen für Menschen mit besonderem Förderbedarf. Das bedeutet, dass therapeutische, pädagogische oder auch didaktische Ziele mit dem Einsatz von Tieren verbunden sind. Besonders hervorzuheben ist hier, dass vor allem an Pferd und Hund klare Erwartungen gestellt werden. So wird immer häufiger beschrieben, welche Voraussetzungen ein Therapiehund aufweisen muss und wie sich dieser als ein professionell agierender „Therapeut“ verhalten muss (siehe hierzu genauer Ameli 2016).

2 Studienlage zu Effekten von Tieren auf Menschen

Die Bedeutung von Mensch-Tier-Interventionen und das Interesse daran sind in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen. Seit den 1960er Jahren forschen Wissenschaftler_innen verstärkt auf diesem Gebiet, wobei die meisten Studien aus dem angloamerikanischen Raum stammen. Die Forschungen richteten ihren Fokus in den Anfängen lediglich auf die Bedeutung von Tieren für Kinder.4 In den 1990er Jahren wurde der Fokus erweitert und andere Personengruppen, wie beispielsweise ältere Menschen, in die Untersuchungen mit einbezogen (vgl. Hegedusch/Hegedusch 2007, S. 75). Für viele Menschen, die mit Tieren arbeiten und positive Wirkungen auf den Menschen beobachten, scheint die Wirkung klar zu sein. Dennoch ist eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik dringend erforderlich (vgl. Schäfer 1992, S. 75), um die Effekte anhand wissenschaftlicher Studien zu bestätigen. Im Folgenden werden exemplarisch Studien vorgestellt, die sich mit den Auswirkungen von Tieren auf das psychosoziale Wohlbefinden alter Menschen beschäftigt haben.

Mugford und Kominsky (1982) führten eine Untersuchung zur Bedeutung von Wellensittichen für alte Menschen durch. Diese Studie gilt heute in der Erforschung der Mensch–Tier-Beziehungen als Klassiker (vgl. Hegedusch/Hegedusch 2007, S. 83; de Smet 1992, S. 19 f.). Die Erhebungsstichprobe bestand aus fünf Gruppen mit jeweils fünf alleinstehenden Personen. Die erste Gruppe erhielt einen Wellensittich und besaß einen Fernseher. Die zweite Gruppe bekam eine Begonienpflanze und besaß ebenfalls einen Fernseher. Die dritte Gruppe bekam einen Wellensittich, besaß jedoch keinen Fernseher und die vierte Gruppe bekam eine Begonie und besaß ebenfalls keinen Fernseher. Eine fünfte Gruppe diente als Kontrollgruppe und besaß weder das eine noch das andere. Die Studie belegte, dass sich die Wellensittichbesitzer glücklicher und gesünder fühlten, seitdem sie im Besitz des Tieres waren. Weiterhin veränderte sich die Teilhabe an ihrem sozialen Umfeld. Sie bekamen mehr Besuch und integrierten sich stärker in das soziale Leben. Eine erneute Überprüfung der Ergebnisse nach anderthalb Jahren bestätigte die positiven Aspekte und zeigte auf, dass diese stabil geblieben waren (vgl. Althaus 2003, S. 53; Hegedusch/Hegedusch 2007, S. 83).

Eine ähnliche Studie von Salmon, Hogarth-Scott und Lavelle untersuchte 1983 die Auswirkungen eines Blindenhundes auf zwei Gruppen mit insgesamt 60 Patienten in einer Klinik. Dabei diente eine dritte Krankenstation als Kontrollgruppe. Im Erhebungszeitraum waren dem Hund die Stationen frei zugänglich. Alle Interaktionen mit dem Hund sowie das Verhalten der Bewohner_innen ihm gegenüber wurden dokumentiert. Das Pflegepersonal war ebenfalls in den Forschungsablauf eingebunden und monatlich nach seinen Beobachtungen befragt. Sie beschrieben den Hund als Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine Bereicherung des Klinikalltags (vgl. Hegedusch/Hegedusch 2007, S. 86 f.; de Smet 1992, S. 24).

Die Ergebnisse zeigten, dass die Patienten häufiger lächelten und ihre Kontaktfreudigkeit zugenommen hatte. Die beobachteten Bewohner_innen isolierten sich weniger und verbrachten weniger Zeit alleine. Weiterhin wurde ein verstärkter Lebenswille beobachtet, was bedeutet, dass die Patienten weniger Selbstmordgedanken hatten. Auffallend ist, dass die Männer in größerem Maße von Tieren profitierten, als die beteiligten Frauen (ebd.).

Eine Studie von Graf erforschte 1999 die subjektiven Empfindungen älterer Menschen in Verbindung mit Haustieren. Die Erhebung umfasste eine Stichprobe von zwölf Personen, die innerhalb ihres Lebenslaufes eigene Tiere hatten oder zum Zeitpunkt der Erhebung noch welche besaßen (vgl. Hegedusch/Hegedusch 2007, S. 88). Diese Studie bestätigte, dass ältere Menschen Tiere als eine Bereicherung des Lebensalltags empfinden. Die älteren Menschen beschrieben, dass die Tiere ihnen Liebe, Zuneigung, Freude, Glück sowie Wertschätzung und Treue geben. Die Tiere boten den Befragten daher neben Lebensinhalt auch gleichzeitig eine wertvolle Beschäftigung, die das Gefühl vermittelt, gebraucht zu werden. Durch den Besitz eines Tieres werden soziale Kontakte verstärkt gepflegt und die verschiedensten Aktivitäten angeregt. Die Befragten berichteten davon, durch das Tier nicht mehr einsam zu sein, was eine allgemeine Steigerung des Wohlbefindens bewirkte. Einige der Befragten erwähnten, dass sie seit Kindertagen bereits Kontakt mit Tieren haben und dies den Bezug zum vergangenen Leben herstelle. Neben den genannten positiven Auswirkungen wurden von den Befragten die finanziellen Kosten, körperliche Überforderung und die Sorge um das Tier als Belastung wahrgenommen. Unabhängig von diesen Sorgen wünschten sich alle Befragten langfristig mit dem Tier zusammenleben zu können (vgl. a.a.O., S. 88 f.).

Die exemplarisch vorgestellten Studien zeigen unterschiedliche positive Effekte auf das psychosoziale Wohlbefinden älterer Menschen. Menschen mit Demenz sind in diesen Forschungsprozessen jedoch nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Cusack und Smithuntersuchten 1984 die Auswirkungen von Tierbesuchen auf Menschen mit Demenz in einer Wohngruppe. Im Beobachtungszeitraum besuchte eine Tierpflegerin mit ihrem Hund drei Mal pro Woche die Bewohner_innen. Eine Kontrollgruppe erhielt einmal pro Woche Besuch durch einen Menschen ohne ein begleitendes Tier (vgl. Hegedusch/Hegedusch 2007, S. 90). Die Beobachtungen erfassten Fortschritte des psychischen Wohlbefindens, der Lebenszufriedenheit aber auch des Interesses an sozialen Kontakten. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Bewohner_innen der Tiergruppe eine stärkere Kommunikationsfähigkeit und eine geringere Neigung zu Depressionen zeigten (ebd.).

3 Effekte von Mensch-Tier-Interaktionen

Die Auswirkungen von Mensch-Tier-Interaktionen werden seit einigen Jahren erforscht und sollen im Folgenden kurz skizziert werden. Sie werden anhand Otterstedts (2003, S. 66 f.) Einteilung in physiologische, psychologische und soziale Wirkungen dargestellt:

Tabelle 1: Effekte der Mensch-Tier-Beziehung

(Quelle: Hohmann 2012, S. 49 in Anlehnung an Otterstedt 2003, S. 66 ff.)

Die Tabelle bestätigt, dass Menschen allgemein positiv auf Tiere reagieren, indem diese beispielsweise Stress vermindern oder den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern. In Otterstedts Darstellungen werden jedoch keine negativen Aspekte oder Auswirkungen erfasst. Dies wäre im wissenschaftlichen Kontext bedeutsam, da die tiergestützte Arbeit ganzheitlich betrachtet und eine zu idealisierende Betrachtung vermieden werden sollte.

Die vorgestellten Studien und deren Ergebnisse belegen Auswirkungen und Effekte von Tieren auf Menschen. Es gibt eine Reihe an Erklärungsansätzen, von denen im Folgenden die am häufigsten verwendeten vorgestellt werden.

Um die Wirkungen der Mensch-Tier-Beziehung zu erklären, wird häufig der Ansatz der Biophilie nach Wilson verwendet. Er besagt, dass Menschen mit der Natur und den Lebensprozessen in Verbindung stehen müssen (vgl. Wilson 1984, S. 1 f.). Die Biophilie bezeichnet nach Kellert eine physische, emotionale und kognitive Hinwendung zum Leben und zur Natur, die gleichzeitig die elementare Bedeutung einer Person hervorhebt (vgl. Kellert 1997, S. 3)5. Der Mensch steht also mit seiner belebten und unbelebten Umwelt in enger Verbindung (vgl. Olbrich 2003b, S. 69 f.).

Übertragen auf die Mensch-Tier-Beziehung bedeutet dies, dass der Mensch den Kontakt mit Tieren bewusst sucht. Durch den körperlichen Kontakt und die gefühlsmäßige Zuwendung wird eine Beziehung zwischen Mensch und Tier aufgebaut, die ein Grundbedürfnis des Menschen darstellt.

Diese Beziehung ist laut Wiedenmann dadurch gekennzeichnet, dass der Mensch das Tier als gleichwertiges Subjekt anerkennt. Dadurch entsteht eine interspezifische Kommunikation. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Tier einen individuellen Charakter mit eigenem Willen und ein interaktionsfähiges Wesen besitzt. Dieser Sachverhalt wird auch als „Du-Evidenz“ bezeichnet (vgl. Wiedenmann 1998, S. 355). Vernooij und Scheider beschreiben „Du-Evidenz“ als subjektives Erleben, das jedoch nicht aus wissenschaftlichen Erkenntnissen hervorgeht, sondern aus Erfahrungen (vgl. Vernooij/Schneider 2010, S. 8 f.).

Besonders intensive Formen der „Du-Evidenz“ führen zur Vermenschlichung oder Vergötterung des Tieres. Diese Vermenschlichung, die auch als Anthropomorphismus bezeichnet wird, zeichnet sich durch eine Personalisierung der Tiere aus (vgl. Wiedenmann 1998, S. 355).

Das Tier erhält einen menschlichen Vor-, oder Kosenamen und menschliche Rituale wie Geburtstagsfeiern oder Begräbnisse werden auf das Tier übertragen. Gleichzeitig werden Erwartungen an das Tier gestellt, wie beispielsweise eine starke emotionale Nähe. Dies bedeutet eine Gleichstellung des Tieres mit einem Verwandten oder einem Familienmitglied (vgl. a.a.O., S. 355 ff.). Als Auslöser für dieses Verhalten benennen Hegedusch/Hegedusch das erstmals von Konrad Lorenz beschriebene „Kindchenschema“6, nach dem spezielle morphologische Merkmale eines Gegenübers das Gefühl von Zuwendung und Fürsorge auslösen (vgl. Hegedusch/Hegedusch 2007, S. 44).

Tiefenpsychologische Erklärungsansätze gehen davon aus, dass Gefühle in der Kindheit erlernt werden und unbewusst ablaufen, da die Prägung anhand sozio-emotionaler Bindungsmuster erfolgt. Es wird vermutet, dass es sich um innerpsychische Prozesse handelt, die unterhalb des Bewusstseins liegen und stark durch Gefühle und Emotionen beeinflusst werden. Diese sind besonders im Bereich der Mensch-Tier-Interventionen von Menschen mit Demenz bedeutsam (vgl. Hegedusch/Hegedusch 2007,

S. 41 f.; Vernooij/Schneider 2010, S. 10), da Menschen mit Demenz stark auf der emotionalen Ebene angesprochen werden können. Die sozioemotionalen Bindungsmuster bilden die Grundlage für emotionale und soziale Verhaltensweisen des Menschen. Sie erlauben, Verhalten wahrzunehmen und entsprechend bewerten und ausdrücken zu können (vgl. Vernooij/Schneider 2010, S. 10). Bei der Übertragung auf die Mensch-Tier-Beziehungen ist zu beachten, dass besonders dieser Bereich noch weiterer Forschung bedarf (ebd.).

Ein Erklärungsansatz bezieht sich auf die kommunikative Ebene. Menschen kommunizieren mit Tieren, aber auch über und mit Hilfe von Tieren (vgl. Wiedenmann 1998, S. 354). Kommunikation wird von Watzlawik et al. in analoge und digitale Kommunikation unterschieden. Die digitale Kommunikation bezeichnet die sprachliche Verständigung und steht in Verbindung mit verbalen Äußerungen. Die analoge Kommunikation baut auf die Beziehungen auf, die zwischen den Individuen entstehen und kommt überwiegend in der Beziehung zwischen Mensch und Tier vor (vgl. Watzlawik et al. 1971, S. 61 f.). Vereinzelt kommt es auch bei Liebesbeziehungen oder im Umgang mit Patienten, welche beeinträchtigt sind, zur analogen Kommunikation (vgl. a.a.O., S. 63 f.).

Die Ebene der Kommunikation zwischen Mensch und Tier lässt sich als Sprache der Beziehung bezeichnen. Ihre Signale können eine höhere Intensität erreichen (vgl. Olbrich 2003a, S. 84), als die der digitalen Kommunikation (vgl. Watzlawik et al. 1971, S. 61 f.). Dies resultiert daraus, dass der digitalen Kommunikation die Anteilnahme und der Ausdruck der Verbundenheit fehlt (vgl. Olbrich 2003a, S. 84). Die Kommunikation in der Mensch-Tier-Interaktion ist eine Wahrnehmung unterschiedlicher Sinne, die als positiv zu beurteilen ist. Die Begegnungen können visuell, auditiv, taktil, kinästhetisch und olfaktorisch sein (vgl. Vernooij/Schneider 2010, S. 21)und verdeutlichen dadurch die Vielschichtigkeit des Ansatzes.

Die beschriebenen Erklärungsansätze beziehen sich auf die Erklärungen für Mensch-Tier-Beziehungen. Inwieweit diese Erklärungsansätze wirklich auf die tiergestützten Interventionen übertragen werden können, ist nicht ausreichend geklärt. Die Biophilie-Hypothese erscheint als gute Erklärung für das Grundverhältnis von Mensch und Tier. Die beschriebenen Effekte lassen sich hierbei jedoch nur unzureichend integrieren. Die „Du-Evidenz“ und das Kindchenschema scheinen schlüssige Erklärungen zu sein, da sie sich auf Mensch-Tier-Beziehungen übertragen lassen. Allerdings fehlt hier die eindeutige Zuordnung zu den beschriebenen beobachteten Effekten von Tieren auf den Menschen bzw. deren eindeutiger Zusammenhang. Weiterhin ist die Problematik der wissenschaftlichen Fundierung zu nennen, da die Du-Evidenz nicht anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse bestätigt wurde. Das Kindchenschema kann in der Auswahl eines geeigneten Hundes eine Rolle spielen, da einige Hunde entsprechende rassetypische Merkmale aufweisen. In Hinsicht auf die übliche tiergestützte Arbeit reicht diese Erklärung jedoch nicht aus.

Der kommunikative Ansatz von Watzlawik et al. greift die Beobachtungen der Mensch-Tier Beziehung stärker auf. Es handelt sich nicht um einen Erklärungsansatz, der sich auch auf den Menschen übertragen lässt, wie die Biophilie oder das Kindchenschema. Vielmehr beschreibt Watzlawik die Unterschiede der menschlichen und tierischen Kommunikation. Die analoge Kommunikation bietet eine Kommunikationsart, die nur schwer durch zwischenmenschliche Beziehungen ersetzt werden kann. Aus diesem Grund kann sie eine Schlüsselfunktion im Bereich der tiergestützten Dienstleistungsarbeit einnehmen.

4 Fazit

Der vorliegende Aufsatz hat einen Überblick über bestehende Begrifflichkeiten geliefert sowie die Bedeutsamkeit tiergestützter Dienstleistungen aufgezeigt.

Die Bedeutsamkeit und Auseinandersetzung um tiergestützte Dienstleistungsarbeit wird vermutlich zukünftig zunehmen. So ist davon auszugehen, dass der Einsatz von Tieren in Berufsfelder zukünftig tiefgreifende Debatten um die Einsatzbereiche der Tiere und die relevante Professionalität im Verhältnis zwischen Mensch, Tier und Nutzer_in zur Folge haben wird.

Übungsfragen

1. Diskutieren Sie kritisch die Arbeitsfelder tiergestützter Dienstleistungsarbeit. Welche Überschneidungen gibt es in den Berufsfeldern?

2. Recherchieren Sie nach Studienergebnissen. Welche Zielgruppen wurden erfasst? Vergleichen Sie die Ergebnisse mit denen des Aufsatzes.

3. Arbeiten Sie Möglichkeiten des Tiereinsatzes heraus. Welche Kennzeichen und Voraussetzungen sind ihrer Ansicht nach im gewählten Setting zu erfüllen?

4. Diskutieren Sie die Bedeutsamkeit der triadischen Interaktion zwischen Mensch, Tier und Nutzer_in.

Literaturverzeichnis

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Wilson, E. O. (1984): Biophilia: The Human Bond with other species. Cambridge: Harvard University.

1 Der vorliegende Artikel ist bereits in Teilen im Buch Lebensqualität im Altenheim — Zur Bedeutung tiergestützter Dienstleistungen (2012) durch die Autorin veröffentlicht worden. Er wurde in diesem Buch überarbeitet und ergänzt.

2 Weitere Infos zu der Organisation unter: http://www.petpartners.org (22.02.2016).

3 Trotz dessen von einem eigenständigen Berufsbild ausgegangen wird, lässt sich feststellen, dass im Erstberuf, beispielsweise als Lehrer_in ebenfalls eine tiergestützte Ausübung möglich ist (vgl. Ameli 2016).

4 Siehe hierzu Bergler 1994; Olbrich/Otterstedt 2003.

5 Kellert unterscheidet neun Kategorien, die die biologische Grundlage der Verbundenheit von Mensch und Tier bilden. Siehe hierzu Kellert/Wilsen (1993).

6 Das Kindchenschema beschreibt Kleinkindmerkmale, wie einen im Vergleich zum Rumpf großen Kopf mit Pausbacken, Saugmund und kurzen rundlichen Extremitäten (vgl. Eibl-Eibesfeld 1972, S. 33).

Einführung in die wissenschaftliche Arbeit und die qualitative Sozialforschung

Lisa Gromala

Nicht nur für Wissenschaftler_innen, sondern auch für Personen, die in der Praxis tiergestützter Dienstleistungen tätig sind, können Grundkenntnisse über wissenschaftliches Arbeiten und qualitative Sozialforschung hilfreiche Instrumente im Arbeitsalltag sein. So kann bei Dienstleister_innen das Einnehmen einer distanzierten wissenschaftlichen Perspektive dem besseren Verständnis der Patient_innen und der eigenen Arbeitsweise dienen. Dies gilt insbesondere für das Arbeiten mit der qualitativen Methode der teilnehmenden Beobachtung.

Ziel des wissenschaftlichen Arbeitens ist es, objektiv ermittelte und hergeleitete Erkenntnisse zu einem Phänomen zu erarbeiten, für das es bislang noch keine hinreichende Erklärung gibt. Die Darstellung dieser Ergebnisse erfolgt in einer analytischen Schriftform, deren Argumentation sich von der Alltagsschreibweise unterscheidet. Gelernt wird somit, sich einem Gegenstand (das kann z.B. die Praxis der tiergestützten Arbeit sein) aus einer distanzierteren und objektiveren Sicht heraus zu nähern, als das in einer Alltagssituation üblich wäre. Dies ist insbesondere dann hilfreich, wenn es sich bei dem Gegenstand um Themen handelt, die durch die eigene Arbeit berührt und somit meist aus einer subjektiven Betroffenenperspektive erlebt werden. Eine distanziertere wissenschaftliche Perspektive kann an dieser Stelle helfen, aus der eigenen Rolle eines direkt Beteiligten herauszuschlüpfen, gewissermaßen neben sich zu treten, und Aspekte der eigenen Arbeit als außenstehende Person zu beobachten und zu reflektieren.

Von besonderer Bedeutung können hier die qualitative Sozialforschung und insbesondere die teilnehmende Beobachtung sein. Sie ermöglichen eine objektive Beobachtung von Situationen und Sachverhalten sowie deren anschließende Interpretation, die unabhängig von gängigem Alltagswissen erfolgen sollte und an den protokollierten Beobachtungen orientiert ist. Beobachtet werden können dabei nicht nur zwischenmenschliche Interaktionen, sondern auch Interaktionen zwischen Mensch und Tier.

1 Was bedeutet wissenschaftliches Arbeiten?

„[S]ich seine eigenen Gedanken machen“ (Sesink 2007, S. 8) und die Aufforderung, Fragen zu stellen (z.B. Narr 2006, S. 22) werden in Ratgebern zum wissenschaftlichen Arbeiten als wichtige Grundlagen von Forschungsarbeiten genannt. Alles beginnt mit einer Forschungslücke, auf die Forscher_innen stoßen. In welchem Rahmen wissenschaftliche Arbeiten durchgeführt werden, kann dabei ganz unterschiedlich sein. So kann eine wissenschaftliche Arbeit im Rahmen einer Hausarbeit, einer Abschlussarbeit im Studium, einer Dissertation, eines wissenschaftlichen Artikels etc. geschrieben werden. Unabhängig vom Format beginnt jedoch jede wissenschaftliche Arbeit mit einer Frage, die den Forschungsprozess leitet und im Verlauf der Arbeit beantwortet werden soll. Für diesen Prozess der wissenschaftlichen Arbeit gibt es einige Etappen, die alle Forscher_innen durchlaufen müssen sowie Aspekte, die zu beachten sind. Von wissenschaftlichem Arbeiten kann man gemäß Sesink (2007, S. 9, Herv. i. O.) dann sprechen, „wenn zum Beispiel eine Studentin in der Lage ist:

• auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und des Standes der wissenschaftlichen Diskussion in ihrem Fachgebiet und

• in Auseinandersetzung mit den wissenschaftlichen Auffassungen anderer

• sich ihre eigenen Gedanken zu machen und

• diese Darstellung in einer für andere verständlichen Form darzustellen.“

Wie diese Punkte im Forschungsverlauf beachtet und eingehalten werden können, wird im Folgenden beschrieben. Geprägt ist die Darstellung von einer sozialwissenschaftlichen Perspektive und dem Forschungsprozess qualitativer Sozialforschung.

1.1 Forschungsfrage

Zu Beginn der Erstellung einer wissenschaftlichen Arbeit, ist der erste Schritt die Erarbeitung einer Forschungsfrage. Was soll durch die Forscher_innen untersucht werden? Die Forschungsfrage erwächst dem Interesse und der Neugier des_der Forscher_in, jedoch ist der Weg zu einer angemessenen Frage nicht immer einfach und kann ganz unterschiedlich verlaufen. So lässt sich beispielsweise eine Lücke in der wissenschaftlichen Literatur zu einem bestimmten Phänomen entdecken, die ausgearbeitet werden kann, oder Forscher_innen stoßen im Alltag, im Beruf oder beim Durcharbeiten empirischer (quantitativer oder qualitativer) Daten auf ein interessantes, bislang unerforschtes oder nur unzureichend erforschtes Phänomen.

Wichtig ist hierbei allerdings, dass zwar in der Praxis interessante Phänomene entdeckt werden können, die Impulse für wissenschaftliche Untersuchungen sein können, eine anschließende Untersuchung jedoch wissenschaftlich fundiert sein muss. Den Unterschied zwischen Alltagswissen und Wissenschaft beschreiben Karmasin und Ribing (2011, S. 79): „Während sich Alltagswissen auf erlebte und tradierte Routinen des Alltagslebens stützt, hat Wissenschaft den Anspruch, Erkenntnisse systematisch und methodisch hervorzubringen, die objektiv (…) formuliert, widerspruchsfrei und überprüfbar sind.“

Beispielhaft sind folgende Formulierungen für Forschungsfragen im Sektor tiergestützter Dienstleistungsarbeit denkbar: Auf welchen Ebenen (emotional, physisch etc.) kann therapeutisches Reiten auf die Patient_innen wirken? In welcher Weise kann therapeutisches Reiten auf die Patient_innen wirken? Welchen Einfluss hat das Verhalten von Therapeut_innen auf den Therapieverlauf?

Zu beachten ist, dass sich in einem Forschungsprozess, der mit qualitativen Methoden der Sozialforschung arbeitet, die zuvor formulierten Fragestellungen im Laufe des Forschungsprozesses noch einmal wandeln bzw. konkretisieren können. Häufig sind Fragestellungen zu Beginn einer Auseinandersetzung mit einem Thema noch recht breit und werden mit zunehmendem Wissen konkreter. Es kann zudem sein, dass im Forschungsverlauf Erkenntnisse hinzukommen, die die eigentliche Frage noch einmal in eine etwas andere Richtung lenken. Forschungsfragen sind somit flexibel und können im Forschungsverlauf angepasst werden, bzw. sich zuspitzen. Gemäß dem Prinzip der Offenheit sollten Fragestellungen sogar flexibel bleiben, um neuen Erkenntnissen gerecht zu werden (vgl. Flick 2010, S. 133).

Auch wenn die Forschungsfrage auf dem Interesse von Forscher_innen beruht, gibt es Faktoren, die bei der Erarbeitung der Forschungsfrage berücksichtigt werden sollten:

• Eine Forschungsfrage sollte eine Forschungslücke bedienen. Sie muss also eine Frage beantworten, die in der bisherigen Literatur noch nicht untersucht wurde.

• Die Forschungsfrage muss in ihrem Umfang an die Form der Publikation, die erstellt werden soll, angepasst sein. So wäre für eine Hausarbeit im Studium die Forschungsfrage „Wie wirkt sich die Globalisierung auf die einzelstaatlichen Schulsysteme aus?“ zu umfangreich, eine Eingrenzung ist notwendig.

• Die Beantwortung der Forschungsfrage muss mit den verfügbaren Mitteln durchführbar sein. Wenn für eine Hausarbeit im Studium beispielsweise die Beobachtung südafrikanischer Therapieformen notwendig wäre, muss die Fragestellung angepasst werden, dass sie ohne eine größere Reise durchführbar ist. Dies ändert sich jedoch, wenn man z.B. aus Südafrika stammt und seine Verwandtschaft besuchen möchte.

1.2 Literaturrecherche

Parallel zu der Entwicklung der Forschungsfrage beginnt eine wissenschaftliche Arbeit mit der Literaturrecherche. Insbesondere bei der Beschäftigung mit einem Thema zu dem Forscher_innen über geringe eigene Vorkenntnisse verfügen, ist die Literaturrecherche notwendig. Sie dient der Formulierung einer Forschungsfrage, da Forscher_innen erst im Rechercheprozess die eigenen Interessen und aktuelle Forschungslücken erkennen.

Auch bei vorhandenen Vorkenntnissen ist die Literaturrecherche wichtig. Sie hilft zu ermitteln, welche Erkenntnisse zu einem Forschungsbereich existieren und möglicherweise in der letzten Zeit neu publiziert wurden. Zudem erkennen Forscher_innen welche aktuelle internationale Literatur relevant ist. Die Recherche wissenschaftlicher Literatur ist somit ein wichtiger Aspekt wissenschaftlicher Arbeit.

Ein großer Wert muss hierbei auf die Qualität der verwendeten Literatur gelegt werden. „Alltagsliteratur“ wie beispielsweise der Brockhaus oder Beiträge aus dem Internet (z.B. aus Wikipedia) sind als Quellen für eine wissenschaftliche Arbeit nicht geeignet (vgl. z.B. Kornmeier 2011, S. 73 f.).

Stattdessen sollte wissenschaftliche Literatur recherchiert werden, die eine Vielzahl unterschiedlicher Publikationsformen aufweisen kann. Zu den gängigsten Formen gehören u.a.:

• Monografien: Monografien bezeichnen Fachbücher, die als durchgehendes Buch von einem_einer oder mehreren Autor_innen geschrieben wurden.

• Sammelbände: Wissenschaftliche Sammelbände unterscheiden sich von Sammelbänden aus dem Alltag (wie z.B. der Brockhaus). Als Sammelband wird in der Wissenschaft eine buchförmige Publikation bezeichnet, die von einer oder mehreren Personen zu einem bestimmten Thema konzipiert wurde, jedoch Artikel unterschiedlicher Autor_innen zu dem Thema des Sammelbandes umfasst.

• Fachzeitschriften: Es handelt sich hierbei um meist vier- bis fünfmal jährlich erscheinende Zeitschriften, die häufig ein Review-Verfahren aufweisen. D.h. dass alle eingereichten Artikel von Fachleuten auf deren wissenschaftlichen Gehalt geprüft wurden und anschließend über deren Annahme entschieden wurde.

• Lexika: Die Verwendung von Lexikonbeiträgen ist in der wissenschaftlichen Arbeit durchaus möglich, jedoch werden hier andere Lexika als im Alltagsgebrauch verwendet. Wissenschaftliche Lexikonartikel zeichnen sich dadurch aus, dass jeder Beitrag durch eine_n oder mehrere Autor_innen gekennzeichnet ist, sodass der Beitrag eindeutig einer_einem Verfasser_in zuzuordnen ist und zitiert werden kann.

Bei der Verwendung solcher wissenschaftlicher Literatur unterscheidet man zudem in Primär- und Sekundärliteratur.

Verfasst man beispielsweise eine wissenschaftliche Arbeit, die zentrale theoretische Konzepte des Soziologen Pierre Bourdieu verwendet, stellen dessen Publikationen die Primärliteratur dar. Zudem finden sich in der Literaturrecherche zahlreiche Autoren, die Bücher über Pierre Bourdieu und dessen Theorien verfasst haben. Hierbei handelt es sich um Sekundärliteratur. Zu beachten ist bei der Verwendung von Sekundärliteratur, worauf u.a. auch Sesink (2007, S. 31) hinweist, dass in einer wissenschaftlichen Arbeit niemals ausschließlich mit Sekundärliteratur gearbeitet werden sollte.

Im Verlauf einer umfassenden Literaturrecherche stoßen Forschende auf vielfältige Quellen, die jeweils unterschiedliche Aspekte des interessierenden Forschungsgegenstandes beleuchten können. Hierbei werden sie meist jedoch auf keine Quelle stoßen, die für sämtliche Aspekte der eigenen Arbeit relevant ist. Dies ist auch gut so, da es in den meisten Fällen bedeuten würde, dass die eigene Forschungsfrage bereits untersucht wurde und somit keine Forschungslücke bedient. Wissenschaftliche Quellen können in unterschiedlicher Art und Weise für die eigene Arbeit relevant sein. So lassen sich u.a. folgende Inhalte von Quellen finden:

• Literatur zum Kontext des Forschungsgegenstandes

• Theoretische Grundlagen zur Forschungsfrage

• Empirische Forschungsergebnisse zu Teilaspekten der eigenen Forschungsfrage

• Literatur zu den verwendeten Erhebungs- und Auswertungsmethoden (bei empirischen Arbeiten)

Mit diesem Vorwissen kann die Recherche begonnen werden. Tipps zum Vorgehen bei der Literaturrecherche gibt beispielsweise Kornmeier (2011, S. 80 ff.), der drei zentrale Strategien unterscheidet, die für die Suche auf unterschiedliche Art und Weise hilfreich sind:

• Methode der konzentrischen Kreise (oder auch rückwärts gerichtete Suche): Beginnend mit einigen wenigen Grundlagenwerken zu der eigenen Forschungsfrage durchsuchen Forscher_innen deren Literaturverzeichnisse nach weiterer passender Literatur, deren Verzeichnisse ebenfalls wieder durchsucht werden. Vorteil dieser Methode ist es, in relativ kurzer Zeit einen guten Überblick über die wichtigsten Quellen zu erhalten. Jedoch wird nicht zitierte Literatur nicht gefunden, sodass man Gefahr läuft, bestimmte „Denkströme“ oder Nachbardisziplinen auszuschließen. Zudem kann nur Literatur gefunden werden, die älter als die jeweiligen Beiträge ist.

• Systematische Suche: Sie bezeichnet das Durchsuchen von wissenschaftlichen Zeitschriften und Literaturdatenbanken, indem Zeitschriften der letzten fünf bis zehn Jahrgänge nach passenden Artikeln und verschiedene Literaturdatenbanken nach hilfreichen Quellen durchsucht werden.

• Vorwärts gerichtete Suche: Wie bei der rückwärtsgerichteten Suche suchen die Forscher_innen zunächst einen oder mehrere geeignete Artikel; anschließend suchen sie jedoch nach Autoren, die später mit dem jeweiligen Artikel gearbeitet haben, sodass auch Artikel gefunden werden können, die später erschienen sind.

1.3 Der Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit

Nach der Wahl des Themas und einer Forschungsfrage sowie einer ersten Literaturrecherche müssen sich Forschende überlegen, wie sie die gewählte Forschungsfrage beantworten möchten (soll es beispielsweise eine theoretische oder eine empirische Arbeit werden) und wie die Arbeit inhaltlich aufgebaut sein soll. Unabhängig davon, ob es eine theoretische oder empirische Arbeit wird, gliedert sich eine wissenschaftliche Arbeit in Einleitung, Hauptteil und Schluss. Sollte es sich um eine empirische Arbeit handeln (führt man also eine eigene quantitative oder qualitative Studie durch) unterteilt sich der Hauptteil der Arbeit zudem klassischerweise in einen theoretischen und einen empirischen Teil.

Eine Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die durchaus das Interesse der Leser wecken darf. Auch wenn eine Arbeit den Ansprüchen wissenschaftlicher Argumentation (die im folgenden Kapitel beschrieben werden) genügen muss, dürfen und sollten Sie als Autor_in bei den Leser_innen Interesse für ihr Thema wecken (vgl. z.B. Franck 2006, S. 142 ff.). Der Einstieg in eine Arbeit ist somit wichtig, jedoch nicht immer leicht zu finden. Franck (2006, S. 146 f., Herv. i. O.) empfiehlt beispielhaft auf folgende Wege seine Einleitungen zu beginnen:

„• mit einer (provozierenden) Behauptung (…)

• mit Fragen (…)

• mit einem Erfahrungsbericht, der zum Thema führt (…)

• mit einer Beschreibung, die zum Problem führt (…)

• mit einem treffenden Zitat“.

Ferner umfasst eine gute Einleitung gemäß Karmasin und Ribing (2011, S. 27, Herv. i. O.) folgende Aspekte:

„• 1. Relevanz (warum ist das Thema überhaupt wichtig?)

• 2. Forschungsfrage (welche Frage[n] will die Arbeit beantworten?)

• 3. Vorgangsweise (wie gehe ich beim Bearbeiten und Beantworten der Frage[n] vor?)

• 4. Sinnstiftung (für welchen Zweck sollen die Ergebnisse verwendet werden?)“.

Hierbei wird deutlich, dass für das Formulieren der Einleitung der Großteil der Vorgehensweise, also der Hauptteil der Arbeit, bereits bekannt sein muss, damit sie kohärent (inhaltlich logisch zusammenhängend) dargestellt werden kann. Zudem sollte im Schluss der Arbeit auf die in der Einleitung aufgeworfenen Fragen eingegangen werden. Empfehlenswert kann es daher sein, die Einleitung, gemeinsam mit dem Schluss, zum Ende des Arbeitsprozesses zu schreiben. Am arbeitsintensivsten ist der Hauptteil der Arbeit, dessen Aufgabe es ist, die in der Einleitung umrissenen Problemstellung und hergeleiteten Forschungsfrage zu beantworten. Wie bereits erwähnt, unterscheidet sich der Hauptteil einer Arbeit danach, ob eine theoretische oder empirische Arbeit geschrieben wird.

In beiden Fällen ist es wichtig, zunächst den aktuellen Stand der Forschung darzustellen. Man arbeitet heraus, welche Erkenntnisse es zu dem eigenen Forschungsgegenstand bereits gibt. Das können sowohl Theorien sein, die dazu bereits entwickelt wurden, als auch empirische Forschungsergebnisse, die einzelne Aspekte des eigenen Forschungsgegenstandes untersucht haben. Wichtig ist hierbei nicht nur aufzuzeigen, was bereits erforscht wurde, sondern auch, wozu es noch keine Literatur gibt. Innerhalb dieses Forschungsstandes arbeiten Forscher_innen die Forschungslücken heraus und verorten so das eigene Thema in der Forschungslandschaft.

Bei einer empirischen Arbeit, die beispielsweise mit teilnehmenden Beobachtungen arbeitet, muss ein zusätzlicher empirischer Teil folgen, in dem aufgeschrieben wird, mit welchen Methoden gearbeitet wurde, wie die Untersuchung durchgeführt wurde und was dabei herausgekommen ist. Im Hauptteil der Arbeit werden ausführlich die Ergebnisse der Studie protokolliert, kritisch beleuchtet und diskutiert. Wichtig ist hierbei einem roten Faden zu folgen, d.h. die Ergebnisse sollten einen für die Leserschaft erkennbaren Bezug zur Forschungsfrage haben. Zudem sollte auch die Gliederung zum Stand der Forschung, der Methodenbeschreibung sowie der Ergebnisdarstellung in sich schlüssig sein.

Nachdem der Hauptteil die Forschungsfrage ausführlich bearbeitet hat, gilt es im Schluss die Arbeit noch einmal zu reflektieren und einen runden Abschluss zu finden. Kornmeier (2011, S. 154, Herv. i. O.) empfiehlt, sich folgende Fragen zu stellen:

„• Wie lassen sich die wesentlichen Aussagen meiner Arbeit auf einen Nenner bringen?

• Welche Fragen konnte ich in meiner Arbeit beantworten? Welche konnte ich nicht beantworten?

• Welche Schwächen (!) hat meine Arbeit?

• Welche Bedeutung wird das von mir bearbeitete Thema in Zukunft haben?

• Welche Fragen/Probleme, die sich im Zusammenhang mit meinem Thema ergeben, werden meines Erachtens künftig an Bedeutung gewinnen?

• Welche Verbesserungsvorschläge unterbreite ich jenen, die sich in Zukunft mit meinem oder einem ähnlichen Thema beschäftigen?“

1.4 Wissenschaftlich Argumentieren

Nach einiger Zeit des Recherchierens, Konzipierens und Notierens von Ideen und Erkenntnissen ist es soweit: Es können erste Abschnitte verschriftlicht werden. Zu beachten ist hierbei, dass sich Fachtexte, die im wissenschaftlichen Kontext geschrieben werden, in einigen Punkten deutlich von anderen Textarten, wie z.B. journalistischen Texten, unterscheiden.

Karmasin und Ribing (2011, S. 95 ff.) führen einige wichtige Eigenschaften wissenschaftlicher Argumentation auf, die sich von Argumentationen in Textarten die der Meinungsbeeinflussung dienen, bzw. rhetorischer Argumentation unterscheiden. Hierzu zählt unter anderem:

• Vermeidung von Polemik und häufigen Wiederholungen eines Argumentes:

Polemik (unsachliche, überspitzte, oft feindselige Argumentation) und häufige Wiederholungen sollen vermieden werden, da „eine Aussage durch Wiederholung nicht richtiger“ (a.a.O., S. 95) wird. Wichtig ist vielmehr, präzise zu argumentieren.

• Verständliche und glaubwürdige Argumentation, ohne manipulative Elemente:

Es sollen z.B. keine „(…) Erfahrungen oder Erwartungen des Gesprächspartners bewusst mit einbezogen werden. Dies mit dem Ziel, (…) eine Meinungsänderung herbeizuführen“ (ebd.). Der Text sollkein „Verkaufsgespräch“ (ebd.) darstellen. Trotzdem soll er für die Leserschaft verständlich sein.

• Einhalten einer konsistenten Argumentationskette:

Es ist wichtig, dass vom Beginn der Arbeit und der Forschungsfrage, bis zu deren Beantwortung, alle Argumente in einer logischen Reihenfolge aneinandergeknüpft werden (vgl. a.a.O., S. 96), sodass deren Relevanz für die Fragestellung, der Bezug der Argumente untereinander und deren Funktion im Text erkennbar ist.

• Belegen von Aussagen (Entweder durch „Berufung auf eine Autorität“ (ebd.) in Form eines Zitates oder in Form eigener wissenschaftlicher Untersuchungen):

In einer wissenschaftlichen Arbeit können nicht einfach Behauptungen aufgestellt werden. Das Belegen von Aussagen fremder Autor_innen (z.B. im Stand der Forschung) erfolgt, indem deren Erkenntnisse zitiert werden. Eigene Aussagen müssen ebenfalls belegt werden, z.B. durch eigene empirische Ergebnisse, die die Argumentation stützen (vgl. ebd.).

• Sichtbarmachung eigener Wertannahmen:

Autor_innen müssen es sprachlich im Text deutlich machen, wenn es sich bei einer Aussage im Text um eigene Wertannahmen handelt (vgl. ebd.).

• Einbezug von Argumentationen und Forschungsergebnissen, die der eigenen Argumentation widersprechen:

Gegenargumente gehören zum Stand der Forschung und es gilt, sich ihnen gegenüber zu verhalten. “Dann werden Pro und Kontra einer Argumentation bzw. einer Aussage abgewogen und diskutiert“ (a.a.O., S. 97).

• Vermeidung von Trugschlüssen:

Im Arbeitsprozess kann es passieren, dass etwas als richtig angenommen wird, weil es der Meinung der Mehrheit entspricht oder es wird bei dem Abwägen zweier Alternativen eine dritte übersehen (vgl. a.a.O., S. 96). Solche Fehler gilt es zu vermeiden.

Gegenstand wissenschaftlicher Argumentation ist es somit, den Leser_innen die unterschiedlichen (z.T. auch gegenläufigen) Argumente und Positionen zu der eigenen Forschungsfrage objektiv darzustellen und anschließend, anhand einer nachvollziehbaren Argumentation, seine eigene Deutung zu entwickeln, die als solche erkennbar sein muss. Die Leser_innen sollen dabei durch keine polemischen Mittel von der eigenen Position überzeugt werden, sondern durch eine konsistente und logische Argumentationskette. Hinsichtlich des sprachlichen Stils weist Boeglin (2007, S. 148 f.) darauf hin, den Text klar, inhaltlich logisch zusammenhängend, genau und mit einem kritischen Blick zu verfassen. So müssen z.B. Fachbegriffe sinnvoll und richtig verwendet werden und der Text für den Leser nachvollziehbar formuliert sein.

Auch wenn viele Fachtexte noch in einer komplexen Sprache verfasst sind, sollte man sich darin üben, den eigenen Text in einer möglichst verständlichen Sprache zu verfassen, was jedoch die Verwendung von Fachwörtern nicht ausschließt, sondern eher deren Einbindung in den Text betrifft.

1.5 Zitieren

Wie im oberen Abschnitt zur wissenschaftlichen Argumentation beschrieben, ist es notwendig, dass die Aussagen und Ergebnisse fremder Autor_innen, die in der eigenen wissenschaftlichen Arbeit verwendet werden, immer kenntlich gemacht werden. Häufig gibt es Unsicherheiten, wie exakt zitiert werden muss.

Es gibt jedoch einige wenige Fälle in denen nicht zitiert werden muss. Gemäß Franck (2007, S. 296) gehört hierzu:

„• was Teil der Allgemeinbildung ist;

• was in der Psychologie, der Betriebswirtschaft oder einer anderen Wissenschaftsdisziplin als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann;

• was in Lexika steht: wann Adorno geboren wurde, wann Freud starb, wieviel Einwohner Belgien hat und wann Rom gegründet wurde (es sei denn, über das Gründungsjahr einer Stadt oder Institution gibt es eine Kontroverse)

• was trivial ist: Alle Menschen müssen sterben“

Zitieren Autor_innen in einer Arbeit Gedanken oder Ergebnisse fremder Autor_innen, gibt es zwei gängige Varianten diese in den eigenen Text einzuarbeiten. Hier wird zwischen direktem und indirektem Zitat unterschieden.

•Direktes Zitat: Übernimmt ein_e Autor_in eine Textpassage von fremden Autor_innen wortwörtlich, wird von einem direkten Zitat gesprochen. Dieses muss immer in Anführungszeichen gesetzt werden. Anschließend folgt in einer Klammer die Quellenangabe (inkl. Seitenzahl). Beispiel:

„Die Verwendung von wissenschaftlichen Quellen wie Literatur und Empirie ist wesentliches Merkmal der Qualität der eigenen Argumentation“ (Karmasin/Ribing 2011, S. 98).

• Indirektes Zitat: Bei einem indirekten Zitat wird das fremde Gedankengut von Autor_innen nicht wortwörtlich, aber sinngemäß wiedergegeben. Auch in diesem Fall ist es notwendig, den entsprechenden Textabschnitt mit einer Quellenangabe zu versehen.

Beispiel:

Wichtiges Merkmal guter wissenschaftlicher Argumentation ist die Verwendung wissenschaftlicher Quellen in Form von Literatur oder empirischen Daten (vgl. Karmasin/Ribing 2011, S. 98).

Wird im Text zweimal hintereinander dieselbe Quelle mit gleicher Seitenangabe verwendet, kann der Autor_innenname, das Erscheinungsjahr und die Seitenangabe bei der zweiten Quellenangabe durch (ebd.) ersetzt werden. Umfasst ein Zitat zwei Seiten, wird die Seitenzahl um ein f. ergänzt (z.B.: Autor_in 2011, S. 98 f.) Wird auf einen längeren Abschnitt verwiesen, der mehr als zwei Seiten umfassen kann, ergänzt man die Seitenzahl um ff. (z.B.: Autor_in 2011, S. 98 ff.). Sind im zitierten Text Hervorhebungen wie fettgedruckte Wörter enthalten, wird dies in der Zitation durch ein Herv. i. O. kenntlich gemacht.

Sämtliche im Text zitierten Quellen werden am Ende der Arbeit ausführlich in einem Literaturverzeichnis aufgelistet. Dieses ist alphabetisch sortiert, bei Mehrfachnennungen eines Autors werden dessen Publikationen nach Erscheinungsjahr sortiert.

Beispiel:

Karmasin, M. & Ribing, R. (2011). Die Gestaltung wissenschaftlicher Arbeiten. Ein Leitfaden für Seminararbeiten, Bachelor-, Master- und Magisterarbeiten, Diplomarbeiten und Dissertationen. Wien: facultas. wuv.

Hinsichtlich der Form der Quellenangabe gibt es unterschiedliche sog. Zitationsstile. Je nach Fachdisziplin und Herkunftsland der Publikation haben sich unterschiedliche Formen der Zitation durchgesetzt. Die wichtigste Unterscheidung die sich hier treffen lässt, ist jene zwischen der deutschen und amerikanischen Zitierweise (auch Harvard-Zitierweise genannt). Bei der deutschen Zitierweise erfolgen die Quellenangaben als Fußnote, während sie bei der amerikanischen Zitierweise in Kurzform in einer Klammer direkt im Text stehen. In diesem Artikel wurde beispielsweise eine amerikanische Zitierweise verwendet.

Starke Unterschiede gibt es jedoch hinsichtlich der Zitierstile der amerikanischen Zitierweise. So folgt im Literaturverzeichnis nach der Jahresangabe in manchen Formen ein Punkt, in anderen ein Doppelpunkt. Je nach Fachgebiet, mitunter sogar je nach Zeitschrift, variieren diese Zitierstile. Aus diesem Grund sollte man, je nach Form der wissenschaftlichen Arbeit, den_die Betreuer_in fragen, bzw. bei den jeweiligen Verlagen nachsehen, welcher Zitierstil gefordert ist.

2 Was ist qualitative Sozialforschung?

Die empirische Sozialforschung untergliedert sich in zwei Formen, die sich sowohl hinsichtlich der Art der zu erhebenden Daten, als auch in ihren Vorannahmen, ihrer Durchführung und Auswertung unterscheiden: die qualitative und quantitative Sozialforschung. Man spricht bei der quantitativen Sozialforschung auch von einer überprüfenden Logik sowie bei der qualitativen Sozialforschung von einer entdeckenden Logik, was zugleich den Hauptunterschied zwischen den beiden darstellt (vgl. Brüsemeister 2008, S. 19).

Die quantitative Sozialforschung beschäftigt sich insbesondere mit Daten, die in Form von Zahlen vorliegen und mittels größer angelegter Umfragen erhoben wurden. Hierzu gehören größere Bevölkerungsumfragen wie beispielsweise der Mikrozensus oder auch Studien wie z.B. die PISA-Studie, die Testergebnisse von Schüler_innen misst. Von einer überprüfenden Logik spricht man hier, weil zu Beginn der Studie Hypothesen über den Forschungsgegenstand aufgestellt werden, die mittels Fragebögen, welche von den befragten Personen auszufüllen bzw. anzukreuzen sind, überprüft werden.

Qualitative Studien hingegen beziehen weniger Personen in ihre Untersuchungen mit ein. Die Datenformen, die sie untersuchen, sind keine ausgefüllten Fragebögen, die sich mithilfe unterschiedlich komplexer Computerprogramme auszählen und auswerten lassen, sondern Daten in visueller oder schriftlicher Form. Zur qualitativen Sozialforschung gehören Erhebungsmethoden wie Beobachtungen, verschiedene Formen von Interviews, Gruppendiskussionen, Analyse von Dokumenten (wie z.B. Tagebücher, Anbieterprofile, etc.) oder auch die Bild- und Videoanalyse. So könnten beispielsweise Interviews mit Patient_innen über deren Erfahrungen mit tiergestützten Dienstleistungen geführt, in Schriftform übertragen und ausgewertet werden, oder es lassen sich Beobachtungen von Interaktionen zwischen Patient_innen und Tieren protokollieren und auswerten. Dies bezeichnet insofern eine entdeckende Logik, da hier nicht vorhandene Theorien überprüft werden, sondern vielmehr neue Theorien und Hypothesen anhand von Erkenntnissen aus dem Material entwickelt werden (vgl. Lamnek 2005, S. 247).

Kurz: Die quantitative Forschung versucht, mittels Einbezug möglichst vieler Personen in eine Befragung, repräsentativ für eine bestimmte Personengruppe (wie beispielsweise Kinder zwischen 7 und 14 Jahren oder die gesamte deutsche Bevölkerung) eine Hypothese zu bestätigen oder zu wiederlegen. Im Gegensatz dazu ist es Gegenstand der qualitativen Forschung, anhand von deutlich weniger Daten in textlicher oder bildlicher Form neue Phänomene zu entdecken oder Antworten auf Fragen zu finden, zu denen sich aufgrund fehlenden Vorwissens keine oder nur sehr vage Hypothesen generieren lassen.

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