Grüner Mars - Kim Stanley Robinson - E-Book

Grüner Mars E-Book

Kim Stanley Robinson

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Beschreibung

Revolution auf dem Mars

Es ist die größte Herausforderung, der sich die Menschheit je gegenübersah: die Besiedlung unseres Nachbarplaneten Mars. Die Verwandlung einer lebensfeindlichen Wüstenwelt in einen blauen Planeten wie die Erde. Von der ersten bemannten Landung auf dem Mars über die frühen Kolonien und ihre Auseinandersetzungen, welche Form von Gesellschaft sie erbauen sollen, bis zum riskanten Versuch, das Klima einer ganzen Welt zu verändern – Kim Stanley Robinson erzählt in seiner Mars-Trilogie die Geschichte der Zukunft wie ein großes historisches Epos.

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Seitenzahl: 1200

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Das Buch

Die marsianische Revolution von 2016 ist gescheitert. Diejenigen, die sie überlebt haben, verstecken sich unter dem Eis der Südpolkappen, ständig auf der Flucht vor den Sicherheitskräften der großen metanationalen Firmen, die inzwischen die Kontrolle über alle Städte auf der Oberfläche haben. Sie nehmen sich vom Mars, was sie brauchen, und es scheint, dass niemand sie aufhalten kann. Doch unter den jungen Eingeborenen regt sich langsam Widerstand. Sie wollen nicht länger hinnehmen, dass ihre Heimat ausgebeutet wird, und sich endlich wehren. Doch die einzelnen Gruppen im Untergrund sind zersplittert und verfolgen ganz unterschiedliche Ziele. Die einen wollen einen freien und terrageformten Mars, die radikaleren »Roten« hingegen kämpfen dafür, dass der Planet so erhalten bleibt, wie er einmal war. Wenn sie sich erfolgreich gegen die Streitkräfte der Erde wehren wollen, müssen die Marsianer zusammenarbeiten. Und die einzigen, die sie dazu bringen können, sind die Ersten Hundert …

Der Autor

Kim Stanley Robinson wurde 1952 in Illinois geboren, studierte Literatur an der University of California in San Diego und promovierte über die Romane von Philip K. Dick. Mitte der Siebzigerjahre veröffentlichte er seine ersten Science-Fiction-Kurzgeschichten, 1984 seinen ersten Roman. 1992 erschien mit Roter Mars der Auftakt der Mars-Trilogie, die ihn weltberühmt machte und für die er mehrfach mit dem Hugo, dem Nebula und dem Locus Award ausgezeichnet wurde. Kim Stanley Robinson lebt mit seiner Familie in Kalifornien. Im Wilhelm Heyne Verlag sind zuletzt seine Romane 2312 und Schamane erschienen.

Mehr zu Kim Stanley Robinson und seinen Büchern finden Sie auf:

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KIM STANLEY

ROBINSON

GRÜNERMARS

ROMAN

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

GREEN MARS

Deutsche Übersetzung von Winfried Petri

Durchgesehen und überarbeitet von Elisabeth Bösl

Für Lisa und David

Vollständige Neuausgabe 1/2016

Copyright © 1993 by Kim Stanley Robinson

Copyright © 2016 der deutschen Ausgabe und der Übersetzungby Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: DAS ILLUSTRAT, München

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN: 978-3-641-11639-2V001

diezukunft.de

INHALT

ERSTER TEIL

AREOFORMING

ZWEITER TEIL

DER BOTSCHAFTER

DRITTER TEIL

EIN WEITER WEG

VIERTER TEIL

DER WISSENSCHAFTLER ALS HELD

FÜNFTER TEIL

HEIMATLOS

SECHSTER TEIL

TARIQAT

SIEBTER TEIL

WAS TUN?

ACHTER TEIL

SOCIAL ENGINEERING

NEUNTER TEIL

EINE LAUNE DES AUGENBLICKS

ZEHNTER TEIL

PHASENWECHSEL

ANHANG: DER MARS – EINE ZWEITE ERDE?

ERSTER TEIL

AREOFORMING

Es kommt nicht darauf an, eine zweite Erde zu erschaffen. Auch nicht ein neues Alaska oder Tibet, nicht einmal eine zweite Antarktis. Wir müssen etwas Neues und Fremdartiges kreieren, etwas ganz und gar Marsianisches.

Eigentlich spielen unsere Absichten keine Rolle. Selbst wenn wir versuchen würden, ein zweites Sibirien oder eine neue Sahara zu machen, es würde nicht klappen. Die Evolution würde es nicht zulassen. Denn im Grunde ist es ein evolutionärer Prozess; ein Unterfangen, das unterhalb der Ebene der Absichten liegt, so wie damals, als das Leben seinen ersten geheimnisvollen Sprung aus der unbelebten Materie getan hat oder aus dem Meer aufs Land kroch.

Auch wir kämpfen in einer völlig neuen Welt, die gänzlich fremdartig ist. Trotz der großen, langen Gletscher, die die gigantischen Überschwemmungen von 2061 hinterlassen haben, ist es eine sehr trockene Welt; obwohl wir angefangen haben, eine Atmosphäre zu erzeugen, ist die Luft noch sehr dünn; und obwohl wir Wärme ins System eingespeist haben, liegt die Temperatur immer noch weit unter dem Gefrierpunkt. Alle diese Umstände machen das Überleben für uns äußerst schwierig. Aber das Leben ist zäh und anpassungsfähig. Es ist die Grüne Kraft der viriditas, die ins Universum vorstößt. In den zehn Jahren nach den Katastrophen von 2061 haben sich die Leute in den zerstörten Kuppeln und zerrissenen Zelten abgemüht, haben Dinge geflickt und Auswege gefunden. In unseren geheimen Verstecken ging der Aufbau einer neuen Gesellschaft weiter. Und draußen auf der kalten Oberfläche breiteten sich neue Pflanzen über die Hänge der Gletscher aus; in einer langsamen, unaufhaltsamen Woge drangen sie in die tiefen, warmen Kraterbecken vor.

Natürlich stammen alle genetischen Schablonen für unsere neuen Lebewesen von der Erde. Die Köpfe, die sie entwickelt haben, sind terrestrisch; aber das Terrain ist ganz und gar marsianisch. Und das Land ist ein mächtiger Gentechniker, der bestimmt, was gedeiht und was nicht. Es treibt die natürliche Auslese voran und damit die Entwicklung neuer Spezies. Und im Laufe der Generationen entwickeln sich alle Mitglieder einer Biosphäre gemeinsam weiter. Sie passen sich ihrer Umgebung in einer komplexen Gemeinschaftsreaktion an, in einem schöpferischen selbstkonstruktiven Akt. Dieser Prozess liegt, egal, wie sehr wir uns auch einmischen, außerhalb unserer Kontrolle. Gene mutieren, Kreaturen entwickeln sich. Eine neue Biosphäre bildet sich, und mit ihr eine neue Noosphäre. Und am Ende sind die Köpfe der Designer wie alles andere auch für immer verändert …

Das ist der Prozess des Areoformings.

Eines Tages stürzte der Himmel ein. Eisplatten krachten in den Teich und auf den Strand. Die Kinder stoben auseinander wie erschrockene Schnepfen. Nirgal lief über die Dünen ins Dorf, platzte in das Gewächshaus und rief: »Der Himmel stürzt ein, der Himmel stürzt ein!« Peter sprintete durch die Türen und über die Dünen, schneller, als Nirgal ihm folgen konnte.

Zurück am Strand schlugen große Eisschollen in den Sand, und einige Brocken Trockeneis zischten im Wasser des Teiches. Als die Kinder sich alle um ihn gedrängt hatten, stand Peter mit zurückgeworfenem Kopf da und starrte auf die Kuppel hoch über ihnen. »Zurück ins Dorf!«, schrie er in seinem strengen Ton. Auf dem Wege dorthin lachte er. Er krächzte: »Der Himmel stürzt ein!«, und zauste Nirgals Haar. Nirgal errötete, und Dao und Jackie lachten. Ihr gefrorener Atem schoss in raschen weißen Schwaden aus den Mündern.

Peter gehörte zu denen, die an der Seite der Kuppel hochkletterten, um sie zu reparieren. Er, Kasei und Michel krabbelten vor aller Augen über das Dorf, den Strand und dann den Teich, bis sie kleiner als Kinder wirkten. Sie hingen in Seilschlingen, die an Eishaken befestigt waren. Sie besprühten das Loch in der Kuppel mit Wasser, das sofort gefror, bis eine neue klare Schicht das weiße Trockeneis umhüllte.

Als sie wieder herunterkamen, sprachen sie von der sich erwärmenden Außenwelt. Hiroko war aus ihrer kleinen Bambushütte am Teich herausgekommen, um zuzusehen; und Nirgal fragte sie: »Werden wir fortgehen müssen?«

»Wir werden immer fortgehen müssen«, erwiderte Hiroko. »Auf dem Mars ist nichts von Dauer.«

Aber Nirgal gefiel es unter der Kuppel. Am Morgen erwachte er in seinem runden Bambuszimmer hoch in Creche Crescent und lief mit Jackie, Rachel, Frantz und den anderen Frühaufstehern über die eisigen Dünen. Er sah Hiroko am gegenüberliegenden Ufer entlanggehen, mit Bewegungen wie eine Tänzerin. Sie schien über ihrem nassen Spiegelbild zu schweben. Er wollte zu ihr gehen; aber es war Zeit für die Schule.

Sie gingen ins Dorf zurück und drängten sich in die Schulgarderobe. Sie hängten ihre Jacken auf und standen da, ihre blau gefrorenen Hände über das Heizgitter gestreckt, und warteten auf den Lehrer des Tages. Das könnte Dr. Robot sein, der sie zu Tode langweilen würde, während sie sein Augenzwinkern zählen würden wie die Sekunden auf der Uhr. Es könnte die alte, hässliche Gute Hexe sein; und dann würden sie den ganzen Tag wieder im Freien sein und mit Werkzeugen arbeiten. Oder es könnte die Böse Hexe sein, alt und schön; und sie würden den ganzen Morgen an ihren Pulten sitzen müssen und versuchen, auf Russisch zu denken auf die Gefahr hin, einen Klaps zu bekommen, wenn sie kicherten oder einschliefen. Die Böse Hexe hatte silbernes Haar und eine krumme Nase, mit der sie aussah wie die Fischadler, die auf den Kiefern am Teich lebten. Nirgal fürchtete sich vor ihr.

Darum verbarg er wie die anderen seinen Missmut, als sich die Tür öffnete und die Böse Hexe hereinkam. Aber an diesem Tag wirkte sie müde und ließ sie pünktlich gehen, obwohl sie in Arithmetik nicht gut gewesen waren. Nirgal folgte Jackie und Dao aus dem Schulgebäude und um die Ecke zu der Gasse zwischen Creche Crescent und der Rückseite der Küche. Dao pinkelte gegen die Wand, und Jackie zog sich die Hosen herunter, um zu zeigen, dass sie das auch konnte. Gerade in diesem Moment kam die Böse Hexe um die Ecke. Sie zog sie alle am Arm aus der Gasse heraus, Nirgal und Jackie zusammen in einer ihrer Klauen, und draußen auf der Plaza versohlte sie Jackie den Hintern und schrie die Jungen wütend an. »Ihr beide haltet euch von ihr fern! Sie ist eure Schwester!« Jackie weinte und krümmte sich, um ihre Hosen hochzuziehen. Sie sah, wie Nirgal sie anschaute, und versuchte, ihn und Maya mit einem einzigen wütenden Hieb zu treffen. Doch sie fiel auf ihren nackten Hintern und heulte.

Es stimmte nicht, dass Jackie ihre Schwester war. Es gab in Zygote zwölf Sansei oder Kinder der dritten Generation, die sich wie Brüder oder Schwestern kannten, und viele von ihnen waren das auch, aber nicht alle. Das war verwirrend und wurde selten erwähnt. Jackie und Dao waren die ältesten, Nirgal ein Jahr jünger, und der Rest wiederum ein Jahr später geboren: Rachel, Emily, Reull, Steve, Simud, Nanedi, Tiu, Frantz und Huo Hsing. Hiroko war allen in Zygote eine Mutter, aber nicht in Wirklichkeit – nur von Nirgal und Dao und sechs weiteren Sansei sowie der etlichen erwachsenen Nisei. Kinder der Muttergöttin.

Aber Jackie war Esthers Tochter. Esther war nach einem Streit mit Kasei, Jackies Vater, weggegangen. Nicht viele von ihnen wussten, wer ihr Vater war. Nirgal war einmal hinter einer Krabbe her über eine Düne gekrochen, als Esther und Kasei über ihm auftauchten. Esther weinte, und Kasei brüllte: »Wenn du mich verlassen willst, dann hau doch ab!« Auch er hatte geweint. Er hatte einen rosa Eckzahn. Auch er war ein Kind Hirokos, also war Jackie Hirokos Enkelin. So lief das hier. Jackie hatte langes schwarzes Haar und war die schnellste Läuferin in Zygote, außer Peter. Nirgal konnte am längsten rennen und lief manchmal drei oder vier Mal hintereinander um den Teich, nur so. Aber Jackie war schneller im Sprint. Sie lachte die ganze Zeit. Wenn Nirgal mit ihr stritt, sagte sie immer: »In Ordnung, Onkel Nirgie!«, und lachte ihn an. Sie war seine Nichte, obwohl um ein Jahr älter. Aber nicht seine Schwester.

Die Schultür wurde aufgerissen, und Cojote, der Lehrer des Tages, trat ein. Cojote reiste über die ganze Welt und verbrachte nur sehr wenig Zeit in Zygote. Es war ein besonderer Tag, wenn er sie unterrichtete. Er führte sie im Dorf herum und gab ihnen merkwürdige Dinge zu tun; aber während der ganzen Zeit ließ er einen von ihnen laut aus Büchern vorlesen, die sie nicht verstanden, geschrieben von Philosophen, also toten Leuten: Bakunin, Nietzsche, Mao, Bookchin. Die einleuchtenden Gedanken dieser Philosophen lagen wie einzelne Kiesel auf einem langen Strand aus Geschwafel. Die Geschichten, die Cojote sie aus der Odyssee oder der Bibel vorlesen ließ, waren leichter zu verstehen, wenn auch beunruhigend, da die Personen darin einander massenhaft töteten und Hiroko ihnen erklärte, das sei falsch. Cojote lachte über Hiroko und heulte oft ohne ersichtlichen Grund auf, wenn sie diese schauerlichen Geschichten lasen, und fragte sie über das, was sie gerade gehört hatten, aus. Er sprach mit ihnen, als ob sie wüssten, worüber sie redeten. Das war verwirrend. »Was würdet ihr tun? Warum würdet ihr das tun?« Und währenddessen brachte er ihnen bei, wie die Treibstoffwiederaufbereitung des Rickover-Reaktors funktionierte, oder er ließ sie die Druckkolbenhydraulik der Wellenmaschine des Teichs durchprüfen, bis ihre Hände sich von Blau zu Weiß verfärbten und ihre Zähne so klapperten, dass sie nicht mehr deutlich sprechen konnten. »Ihr Kleinen friert wirklich leicht«, sagte er. »Alle außer Nirgal.«

Nirgal kam mit Kälte gut zurecht. Er kannte sie genau, in allen ihren Stufen, und verabscheute ihr Gefühl nicht. Leute, die Kälte nicht mochten, verstanden nicht, dass man sich ihr anpassen konnte. Dass man mit all ihren schlechten Wirkungen durch genügend Kraft von innen heraus fertigwerden konnte. Nirgal war auch mit Wärme gut vertraut. Wenn man Wärme stark genug ausstieß, wurde Kälte nur zu einer Art unsichtbarer Hülle, in der man sich bewegte. Und so wirkte Kälte letztlich als ein Stimulans, das zum Laufen anregte.

»He, Nirgal, wie ist die Lufttemperatur?«

»Minus zwei Komma eins fünf.«

Cojotes Lachen war gruselig, ein animalisches Gackern, das alle Geräusche enthielt, die man machen konnte. Und es klang jedes Mal anders. »Okay, halten wir die Wellenmaschine an und sehen mal, wie der Teich ausschaut, wenn er flach ist!«

Das Wasser des Teichs war immer flüssig, während das die Unterseite der Kuppel bedeckende Wassereis gefroren bleiben musste. Dies erklärte sehr viel von ihrem mesokosmischen Wetter, wie Sax es nannte, das Nebel und plötzliche Winde sowie Regen und Dunst und gelegentlichen Schnee erzeugte. An diesem Tag lief die Wettermaschine fast nicht, und der große halbkugelförmige Raum unter der Kuppel war beinahe windstill. Bei abgestellter Wellenmaschine beruhigte sich der Teich bald zu einer runden flachen Platte. Die Oberfläche des Wassers nahm die gleiche weiße Farbe an wie die Kuppel darüber; aber der von Grünalgen bedeckte Seegrund war durch den weißen Schimmer noch zu erkennen. Der Teich war gleichzeitig weiß und dunkelgrün. Am gegenüberliegenden Ufer wurden die Dünen und Krüppelkiefern in diesem zweifarbigen Wasser perfekt gespiegelt. Nirgal starrte dieses Bild benommen an. Er nahm nichts anderes mehr wahr bis auf diesen pulsierenden grünweißen Anblick. Er erkannte, dass es zwei Welten gab, nicht eine – zwei Welten an der gleichen Stelle, beide sichtbar, getrennt und verschieden, aber zusammengefallen, sodass man sie nur aus bestimmten Blickwinkeln als zwei wahrnehmen konnte. Man konnte sich gegen die Hülle des Sehens stemmen, wie man gegen die Hülle der Kälte drückte. Drücken! Diese Farben!

»Mars an Nirgal, Mars an Nirgal!«

Sie lachten gutmütig über ihn. Er täte das immer, sagten sie ihm. Ging geistig fort. Seine Freunde mochten ihn, das sah er in ihren Gesichtern. Cojote brach vom Ufer flache Eisstücke los und ließ sie über den Teich hüpfen. Sie machten alle dasselbe, bis die sich überschneidenden weißgrünen Wellen die auf dem Kopf stehende Welt zittern und tanzen ließen. »Seht euch das an!«, rief Cojote. Zwischen einzelnen Würfen erklärte er in seinem melodischen Englisch, das wie ein ständiger Gesang klang: »Ihr Kleinen habt das beste aller Leben in der Geschichte. Die meisten Leute treiben bloß in der großen Weltmaschine dahin, aber ihr erlebt die Geburt einer Welt! Unglaublich! Aber merkt euch gut, dass das pures Glück ist, nicht etwa euer Verdienst, nicht bis ihr etwas damit anfangt. Ihr hättet in einer Villa, einem Kerker, einer schäbigen Vorstadt in Port of Spain geboren sein können, aber ihr seid hier in Zygote, dem verborgenen Herzen des Mars! Sicher seid ihr jetzt hier unten wie Maulwürfe im Loch, während Geier über euch kreisen, die euch alle fressen wollen, aber der Tag wird kommen, an dem ihr über diesen Planeten schreitet, frei von jeder Fessel. Erinnert euch an das, was ich euch sage, meine Kinder, das ist eine Prophezeiung! Und inzwischen seht euch an, wie schön es ist, dieses kleine Eisparadies!« Er warf ein Eisstück direkt auf die Kuppel zu, und sie alle sangen: »Eisparadies! Eisparadies! Eisparadies!«, bis sie vor Lachen nicht mehr konnten.

Aber in dieser Nacht sagte Cojote zu Hiroko, als er glaubte, dass niemand zuhörte: »Roko, du musst diese Kinder nach draußen bringen und ihnen die Welt zeigen. Auch wenn es nur unter der Nebelhaube ist. Die leben hier unten wie Maulwürfe im Bau, verdammt noch mal!« Danach war er wieder fort, weiß Gott wohin, auf einer seiner geheimnisvollen Reisen in jene andere Welt, die sich über ihren Köpfen ausbreitete.

Manchmal kam Hiroko ins Dorf, um sie zu unterrichten. Das waren für Nirgal die allerbesten Tage. Sie führte sie immer zum Strand hinunter; und mit Hiroko zu gehen war so, als ob man von einer Gottheit berührt wurde. Es war ihre Welt – die grüne Welt innerhalb der weißen –, und sie wusste alles darüber; und wenn sie da war, pulsierten die zarten Pastellfarben von Sand und Kuppel in beiden Farben der Welt zugleich, als wollten sie sich von dem, was sie festhielt, frei machen.

Sie saßen auf den Dünen und beobachteten, wie die Vögel am Ufer flatterten und piepsten, während sie am Strand auf und ab jagten. Möwen kurvten über den Köpfen, und Hiroko stellte den Kindern Fragen, wobei ihre dunklen Augen fröhlich funkelten. Sie wohnte am Teich mit einer kleinen Schar ihrer engen Freunde, Iwao, Rya, Gene, Evgenia, alle in einer kleinen Bambushütte in den Dünen. Und sie verbrachte viel Zeit damit, andere versteckte Zufluchtsstätten rund um den Südpol zu besuchen. Deswegen war sie nicht immer auf dem Laufenden über alle Neuigkeiten aus dem Dorf. Sie war eine schlanke Frau, groß für eine Issei und in Kleidung und Bewegung so akkurat wie die Strandvögel. Natürlich war sie alt, unglaublich alt wie alle Issei; aber sie hatte etwas, das sie jünger als sogar Peter oder Kasei erscheinen ließ – wirklich nur ein klein bisschen älter als die Kinder, als wäre alles neu für sie und als drängte sie darauf, die ganze Welt in all ihren Facetten zu erkunden.

»Schaut auf das Muster, das diese Muschel bildet! Die bunte Spirale, die sich bis ins Unendliche einwärtskrümmt. Das ist die Gestalt des Universums selbst. Es gibt einen konstanten Druck, Muster zu bilden. Eine der Materie innewohnende Tendenz zur Weiterentwicklung in immer komplexere Formen. Das ist eine Art Gestaltgravitation, eine heilige grünende Kraft, die wir viriditas nennen. Das ist die treibende Kraft im Kosmos. Leben, versteht ihr? Wie diese Wasserflöhe und Napfschnecken und der Krill – obwohl dieser Krill hier tot ist und von den Flöhen gefressen wird. Wie wir alle.« Sie bewegte die Hand wie eine Tänzerin. »Und weil wir lebendig sind, lebt auch das Universum. Wir sind dessen Bewusstsein wie auch unser eigenes. Wir steigen aus dem Kosmos auf und sehen das Geflecht seiner Strukturen, und wir empfinden es als schön. Und dieses Gefühl ist das wichtigste im Universum, sein Höhepunkt, wie die Farbe einer Blüte, die sich an einem feuchten Morgen zum ersten Mal öffnet. Es ist ein heiliges Gefühl, und unsere Aufgabe in dieser Welt ist, alles zu tun, was uns möglich ist, um es zu hegen. Und ein Weg dazu ist die Verbreitung von Leben überall. Ihm da zur Existenz zu verhelfen, wo es zuvor nicht gewesen ist – wie hier auf dem Mars.«

Dies war für sie der erhabenste Liebesakt; und wenn sie darüber sprach, empfanden die Kinder die Liebe, auch wenn sie nicht alles verstanden. Auch ein Drücken, eine andere Art von Wärme in der Hülle aus Kälte. Hiroko berührte sie beim Sprechen, und sie gruben nach Muscheln, während sie lauschten. »Eine Schlamm-Muschel! Antarktische Napfschnecke. Glas-Schwamm. Seid vorsichtig! An ihm könnt ihr euch schneiden.« Nirgal war glücklich, wenn er sie bloß anschaute.

Und eines Morgens, als sie sich kurz aufrichteten, während sie im Sand gruben und alles einsammelten, erwiderte Hiroko seinen Blick, und er erkannte ihren Gesichtsausdruck wieder. Es war genau der gleiche wie auf seinem, wenn er sie anschaute. Das spürte er in seinen Muskeln. Also war auch sie glücklich! Das war berauschend.

Er hielt ihre Hand, als sie am Strand dahingingen. Als sie sich hinknieten, um wieder eine Muschelschale aufzuheben, sagte sie: »Das ist eine vergleichsweise einfache Ökologie. Nicht viele Spezies, und die Nahrungsketten sind kurz. Aber so reich, so schön.« Sie prüfte mit der Hand die Wassertemperatur im Teich. »Siehst du den Nebel? Das Wasser muss heute warm sein.«

Inzwischen waren sie und Nirgal allein. Die anderen Kinder liefen um die Dünen herum oder am Ufer auf und ab. Nirgal bückte sich, um eine Welle zu berühren, als sie dicht vor ihren Füßen verlief und eine weiße Schaumkrone hinterließ. »Es hat fast zwei Grad, ein bisschen drunter.«

»Bist du ganz sicher?«

»Ich weiß es immer.«

»Habe ich Fieber?«, fragte sie. »Fühl mal.«

Er berührte ihren Hals. »Nein.«

»Das stimmt. Ich habe immer ungefähr ein halbes Grad zu wenig. Vlad und Ursula können nicht herausfinden, warum.«

»Weil du glücklich bist.«

Hiroko lachte. Sie sah genau wie Jackie aus, vor Freude strahlend. »Nirgal, ich liebe dich.«

Es wurde ihm so warm, als wäre ein Heizgitter in seinem Inneren. Um mindestens ein halbes Grad. »Und ich liebe dich.«

Und sie gingen Hand in Hand den Strand entlang, schweigend den Uferschnepfen folgend.

Cojote kehrte zurück, und Hiroko sagte zu ihm: »Okay. Bringen wir sie nach draußen!«

Als die Kinder am nächsten Morgen zur Schule kamen, führten Hiroko, Cojote und Peter sie durch die Schleusen und den langen weißen Tunnel, der die Kuppel mit der Außenwelt verband, hindurch. An seinem anderen Ende befanden sich der Hangar und darüber die Klippengalerie. Sie waren schon früher mit Peter durch die Galerie gelaufen, hatten aus den kleinen polarisierten Fenstern auf den eisigen Sand und den rosafarbenen Himmel geschaut und sich bemüht, die große Wand aus Trockeneis zu erfassen, in der sie standen – die Südpolkappe, den Boden der Welt, in der sie lebten, um der Aufmerksamkeit der Leute zu entgehen, die sie ins Gefängnis stecken wollten.

Deshalb waren sie stets innerhalb der Galerie geblieben. Aber an diesem Tag gingen sie in die Schleusen des Hangars und zogen eng anliegende elastische Overalls an. Sie rollten die Ärmel und Beine auf. Dann kamen schwere Stiefel, enge Handschuhe und zuletzt Helme mit stark gewölbten Scheiben an der Vorderseite. Sie wurden jeden Augenblick aufgeregter, bis ihre Stimmung beinahe in Angst umschlug, besonders als Simud zu weinen begann und erklärte, dass sie nicht mitgehen wollte. Hiroko beruhigte sie durch eine lange Berührung und sagte: »Komm schon! Ich werde bei dir sein.«

Sie drängten sich sprachlos aneinander, als die Erwachsenen sie in die Schleuse führten. Es gab ein zischendes Geräusch, und dann öffnete sich die Außentür. Die Kinder klammerten sich an die Erwachsenen und gingen vorsichtig hinaus, ständig im Gehen aneinanderstoßend.

Es war zu hell, um etwas erkennen zu können. Sie befanden sich in einem wirbelnden weißen Nebel. Der Boden war gefleckt von zarten Eisblumen, die im Licht glitzerten. Nirgal hielt Hiroko und Cojote an der Hand, und sie schoben ihn nach vorn und ließen seine Hände los. Er taumelte in dem Ansturm des weißen Scheins. Hirokos Stimme klang durch das Interkom ganz nahe an seinem Ohr: »Das ist die Nebelhaube. Sie hält sich den ganzen Winter. Aber jetzt ist es Ls = 205, Frühling, und die Grüne Kraft drängt am stärksten durch die Welt, genährt vom Licht der Sonne. Seht hin!«

Er konnte nichts sehen außer einem weißen, alles verschlingenden Feuerball. Plötzlich stieß das Licht durch ihn hindurch und verwandelte ihn in eine Palette aus Farben, die den eisigen Sand zu poliertem Magnesium und die Eisblumen zu glühenden Juwelen machte. Der Wind kam von der Seite und zerriss den Nebel. Lücken erschienen darin, und in der Ferne entfaltete sich das Land. Nirgal schwankte. So groß! Alles war so groß. Er ging mit einem Knie auf den Sand nieder und legte die Hände auf das andere, um die Balance zu halten. Die Steine und Eisblumen um seine Stiefel glühten wie unter einem Mikroskop. Die Steine waren mit runden Flecken aus schwarzen und grünen Flechten überzogen.

Draußen am Horizont lag ein niedriger Berg mit flachem Gipfel. Ein Krater. Dort im Kies war eine Roverspur, fast ganz mit Reif gefüllt, als wäre sie schon seit einer Million Jahre dort. Muster pulsierten im Chaos aus Licht und Fels, grüne Flechten drangen in das Weiß vor …

Alle redeten gleichzeitig. Die anderen Kinder fingen an, übermütig herumzurennen und vor Wonne zu kreischen, wenn sich der Nebel verzog und einen kurzen Blick auf den dunkelrosa getönten Himmel freigab. Cojote lachte. »Sie sind wie Winterkälber, die im Frühjahr zum ersten Mal herausgelassen werden. Schau, wie sie herumstolpern, oh ihr armen kleinen lieben Dinger, ah ha ha! Roko, du kannst sie nicht ewig einsperren!« Kichernd hob er Kinder vom Sand hoch und stellte sie wieder auf die Füße.

Nirgal stand auf und machte versuchsweise Sprünge. Es kam ihm vor, als könne er einfach davonschweben. Zum Glück waren die Stiefel so schwer. Da war ein langer, schulterhoher Hügel, der sich von der Klippe weg hinzog. Jackie ging auf ihrem Kamm, und er lief los, hinter ihr her. Aber an der Böschung stolperte er und fiel auf die durcheinanderliegenden Steine am Boden. Dann gelangte er auf den Grat und fiel in seinen Laufrhythmus. Es war, als flöge er, als könne er immer weiterlaufen.

Er stand neben ihr. Sie blickten zurück auf die Eisklippe und stießen einen ängstlichen Freudenschrei aus. Sie ragte endlos in den Nebel empor. Ein Strahl aus Morgenlicht ergoss sich über sie wie flüssiges Wasser, zu grell, als dass sie direkt hätten hineinschauen können. Sie drehten sich weg. Durch seine tränenden Augen sah Nirgal, dass sein Schatten auf den Nebel fiel, der über die Felsen unter ihnen zog. Der Schatten war von einem hellen kreisförmigen Band regenbogenfarbenen Lichts umgeben. Nirgal stieß einen lauten Schrei aus, und Cojote rannte zu ihnen herauf, seine Stimme drang aus Nirgals Lautsprecher: »Was ist passiert? Was ist los?«

Er blieb stehen, als er den Schatten erblickte. »He, das ist eine Gloriole, ein Heiligenschein. Es ist wie das Brockengespenst. Bewegt eure Arme auf und ab! Schaut euch die Farben an! Allmächtiger Gott, was seid ihr für Glückskinder!«

Nirgal stellte sich impulsiv neben Jackie, und ihre Gloriolen verschmolzen. Sie wurden ein einziger Nimbus leuchtender Regenbogenfarben, die ihren blauen Doppelschatten umgaben. Jackie lachte entzückt und ging los, um es Peter zu zeigen.

Ungefähr ein Jahr später bekamen Nirgal und die anderen Kinder heraus, wie sie mit Sax fertigwurden, wenn er sie unterrichtete. Er stand an der Wandtafel und klang wie eine unpersönliche Künstliche Intelligenz. Hinter seinem Rücken rollten sie die Augen und schnitten Grimassen, während er sich monoton über Partialdrücke oder infrarote Strahlen ausließ. Dann bemerkte einer von ihnen eine Lücke und fing mit dem Spiel an. Dagegen war er hilflos. Er sagte so etwas wie: »Bei nicht zitternder Thermogenese erzeugt der Körper Wärme durch Verwendung unwesentlicher Zyklen.« Darauf hob einer die Hand und fragte: »Aber warum, Sax?« Und alle starrten stur auf ihr Pult, ohne sich gegenseitig anzuschauen, während Sax die Stirn runzelte, als wäre das noch nie passiert, und antwortete: »Nun, er erzeugt Wärme, ohne so viel Energie zu verbrauchen, wie das Zittern erfordert. Die Muskelproteine kontrahieren, aber anstatt zuzupacken, gleiten sie nur übereinander, und das erzeugt die Wärme.«

Jackie fragte so treuherzig, dass die ganze Klasse beinahe die Beherrschung verlor: »Aber wie denn?«

Jetzt fing Sax an zu blinzeln, so schnell, dass sie fast platzten, als sie ihn anschauten. »Die Aminosäuren in den Proteinen haben zerbrochene kovalente Bindungen, und die Bruchstellen setzen das frei, was man als Energie der Dissoziation von Bindungen bezeichnet.«

»Aber warum denn?«

Er blinzelte noch schneller. »Nun, das ist nur eine Sache der Physik.« Er zeichnete rasch Diagramme an die Tafel. »Kovalente Bindungen entstehen, wenn zwei atomare Orbitale verschmelzen, um ein einziges Bindungsorbital zu bilden, das mit Elektronen aus beiden Atomen besetzt ist. Die Trennung der Bindung setzt dreißig bis einhundert Kilokalorien gespeicherter Energie frei.«

Jetzt fragten mehrere von ihnen im Chor: »Aber warum?«

Das brachte ihn zur subatomaren Physik, wo die Kette aus warum und weil noch eine halbe Stunde weitergehen konnte, ohne dass er jemals etwas sagte, das sie verstanden. Schließlich merkten sie, dass sich das Spiel dem Ende näherte.

»Aber warum?«

»Nun«, sagte er und verdrehte die Augen, als er versuchte, wieder auf das eigentliche Thema zurückzukommen, »Atome wollen ihre stabile Elektronenanzahl erreichen und teilen sich Elektronen, wenn das nötig ist.«

»Aber warum?«

Jetzt saß er offensichtlich in der Falle. »So verbinden sich Atome miteinander. Das ist eine Möglichkeit der Bindung.«

»Aber WARUM?«

Ein Achselzucken. »So funktioniert die atomare Kraft. So sind die Dinge zustande gekommen …«

Und alle brüllten los: »… im Urknall.«

Sie johlten fröhlich auf; und Sax machte ein finsteres Gesicht, als er merkte, dass sie ihn wieder einmal gefoppt hatten. Er seufzte und kam darauf zurück, wo er stehengeblieben war, als das Spiel anfing. Aber sie spielten es immer wieder, und er schien sich nie an das letzte Mal zu erinnern, solange das erste Warum plausibel genug war. Und selbst dann, wenn er merkte, was geschah, schien er es nicht aufhalten zu können. Seine einzige Verteidigung war, dass er mit leicht gerunzelter Stirn fragte: »Warum was?« Das hemmte das Spiel für eine Weile; aber dann wurden Nirgal und Jackie immer geübter herauszufinden, was bei irgendeiner Äußerung am meisten ein Warum verdiente. Und solange sie das schafften, fühlte Sax sich verpflichtet weiter zu antworten, bis hin zum Urknall oder ab und zu einem gemurmelten »Wir wissen es nicht«.

»Wir wissen es nicht!«, rief die Klasse dann in geheucheltem Missmut. »Warum denn nicht?«

Dann erklärte er mürrisch: »Es konnte noch nicht erklärt werden. Noch nicht.«

Und so vergingen die guten Vormittage mit Sax. Sowohl er wie die Kinder schienen sich einig zu sein, dass sie besser als die schlechten Vormittage waren, wenn er ohne Unterbrechungen dahinleierte und vorwurfsvoll rief: »Das ist wirklich wichtig!«, wenn er sich von der Tafel abwandte und sah, wie viele Köpfe schnarchend auf den Pulten lagen.

Eines Mittags blieb Nirgal, der sich Gedanken über Sax’ mürrisches Gesicht machte, in der Schule zurück, bis nur noch er und Sax übrig waren. Dann fragte er: »Warum magst du es nicht, wenn du nicht sagen kannst, warum?«

Sax runzelte die Stirn. Nach langem Schweigen sagte er langsam: »Ich versuche zu verstehen. Schau, ich achte sehr genau auf die Dinge. So genau ich nur kann. Ich konzentriere mich auf die Besonderheit jedes Augenblicks. Und ich möchte verstehen, warum es so passiert, wie es passiert. Ich bin neugierig. Und ich denke, dass alles, was geschieht, einen Grund hat. Alles. Also sollten wir dazu in der Lage sein, diese Ursachen herauszufinden. Wenn wir das nicht können – tja. Das gefällt mir nicht. Es ärgert mich. Manchmal nenne ich es …« – er warf Nirgal einen scheuen Blick zu, und Nirgal erkannte, dass er das noch nie jemandem gesagt hatte –, »ich nenne es das Große Unerklärbare.«

Es war die weiße Welt, merkte Nirgal plötzlich. Die weiße Welt innerhalb der grünen, das Gegenteil von Hirokos grüner Welt innerhalb der weißen. Und ihre Gefühle beiden Welten gegenüber waren gegensätzlich. Wenn Hiroko mit etwas Geheimnisvollem konfrontiert war, sah sie es von der grünen Seite, liebte es, und es machte sie glücklich. Es war viriditas, eine heilige Kraft. Von der weißen Seite aus gesehen, wenn Sax auf etwas Mysteriöses stieß, war es das Große Unerklärliche, gefährlich und furchtbar. Er war am Wahren interessiert, Hiroko dagegen am Realen. Oder vielleicht war es umgekehrt. Diese Wörter waren so tückisch. Sicher konnte er nur sagen, dass sie die grüne Welt liebte und er die weiße.

»Aber ja!«, sagte Michel, als Nirgal ihm diese Beobachtung mitteilte. »Sehr gut, Nirgal. Deine Sichtweise ist so klug. In archetypischen Terminologien könnten wir mit Grün und Weiß den Mystiker und den Wissenschaftler bezeichnen. Beide sind höchst mächtige Figuren, wie du siehst. Aber was wir brauchen, ist, wenn du mich fragst, eine Kombination dieser zwei, die wir den Alchemisten nennen.«

Das Grüne und das Weiße.

Am Nachmittag durften die Kinder tun, was sie wollten; und manchmal blieben sie mit dem Lehrer des Tages zusammen, aber öfter liefen sie zum Strand oder spielten im Dorf, das in eine Gruppe niedriger Hügel zwischen dem Teich und dem Tunneleingang eingebettet lag. Sie stiegen die Wendeltreppen der großen Bambusbaumhäuser hinauf und spielten Verstecken in den übereinanderliegenden Räumen und auf den Seitenästen und den Hängebrücken dazwischen. Die Bambusschlafräume bildeten eine Sichel, innerhalb derer sich der größte Teil des Dorfs befand. Jeder große Spross war fünf bis sieben Segmente hoch, von denen jedes ein Zimmer bildete, die immer kleiner wurden, je höher man kam. Jedes Kind hatte einen eigenen Raum in den obersten Abschnitten der Stämme – vertikale Zylinder mit Fenstern, die vier oder fünf Fuß breit waren, wie die Türme der Schlösser in ihren Geschichten. In den mittleren Segmenten unter ihnen hatten die Erwachsenen ihre Zimmer, meistens allein, aber manchmal auch paarweise. Und die Segmente am Boden waren Wohn- und Aufenthaltsräume. Aus den Fenstern der obersten Zimmer blickte man auf die Dächer des Dorfes, die sich im Kreis der Hügel, Bambuswälder und Gewächshäuser zusammendrängten wie die Miesmuscheln in den Untiefen des Teichs.

Am Strand suchten sie nach Muscheln oder spielten Ball oder schossen mit Pfeil und Bogen auf Schaumstoffziele zwischen den Dünen. Normalerweise suchten Jackie und Dao die Spiele aus und führten die Mannschaften an, wenn es Teams gab. Nirgal und die Jüngeren folgten ihnen und machten die Runde durch ihre verschiedenen Freundschaften und Hierarchien, die in dem täglichen Spiel immer weiter gefestigt wurden. So wie der kleine Frantz es einmal Nadia grob erklärte: »Dao haut Nirgal, Nirgal haut mich, ich haue die Mädchen.« Oft wurde Nirgal dieses Spiels überdrüssig, das Dao immer gewann, und rannte dann zum Vergnügen rund um den Teich, langsam und gleichmäßig. Dabei fiel er in einen Rhythmus, der alles auf der Welt in sich einschloss. Wenn er diesen Tritt fand, konnte er den ganzen Tag weiterlaufen. Es war eine Freude, ein Glück, einfach so zu laufen und zu laufen und zu laufen …

Unter der Kuppel war es immer kalt, aber das Licht änderte sich ständig. Im Sommer leuchtete die Kuppel die ganze Zeit bläulich weiß, und Lichtsäulen strebten zu den Oberlichtöffnungen. Im Winter war es dunkel, und die Kuppel glänzte in reflektiertem Lampenschein wie das Innere einer Muschelschale. Im Frühling und Herbst wurde das Licht am Nachmittag zu einer grauen Dämmerung gedämpft, und es wurde gespenstisch finster. Die Farben wurden nur noch durch die vielen Grauschattierungen angedeutet, und die Bambusblätter und Kiefernnadeln waren tiefschwarze Striche vor dem blassen Weiß der Kuppel. In diesen Stunden wirkten die Gewächshäuser wie große Elfenlampions auf den Hügeln, und die Kinder rannten im Zickzackkurs wie Möwen nach Hause und gingen ins Badehaus. In diesem langen Gebäude neben der Küche zogen sie sich aus und stürmten in die Dampfschwaden des Hauptbades, rutschten auf den Fliesen aus und fühlten, wie die Hitze in ihre Hände, Füße und Gesichter drang, während sie munter zwischen den sich einweichenden älteren Leuten mit ihren schildkrötenartigen Gesichtern und verschrumpelten haarigen Körpern planschten.

Nach dieser warmen nassen Stunde zogen sie sich wieder an und reihten sich feucht und rosa in die Schlange ein, füllten ihre Teller und setzten sich an die langen Tische zwischen die Erwachsenen. Es gab 124 ständige Einwohner; aber oft waren gut 200 Personen da. Wenn alle Platz genommen hatten, nahmen sie die Wasserkrüge und schenkten dem Nachbarn ein. Dann stürzten sie sich mit Genuss auf die warmen Speisen, verschlangen Kartoffeln, Maiskuchen, Pasta, Tabouli, Brot, hunderterlei Gemüse und gelegentlich Fisch oder Geflügel. Nach der Mahlzeit redeten die Erwachsenen oft über die Ernten oder ihren Rickover, einen alten integralen schnellen Reaktor, auf den sie sehr stolz waren, oder sie sprachen über die Erde, während die Kleinen aufräumten und dann eine Stunde lang Musik machten und etwas spielten, bis alle allmählich einschliefen.

Eines Tages kam eine Gruppe von zweiundzwanzig Personen von der Polkappe an. Ihre kleine Kuppel hatte ihr Ökosystem durch etwas, das Hiroko spiraliges komplexes Ungleichgewicht nannte, verloren; und ihre Reserven waren zu Ende gegangen. Sie brauchten eine Zuflucht.

Hiroko brachte sie in drei der kürzlich reif gewordenen Baumhäuser unter. Sie stiegen die um die dicken runden Stämme laufenden Wendeltreppen hoch und bewunderten die zylindrischen Segmente mit den hineingeschnittenen Türen und Fenstern. Hiroko ließ sie die Arbeiten an den neuen Räumen beenden und am Rande des Dorfes ein neues Gewächshaus errichten. Es war allen klar, dass Zygote nicht so viel Nahrung produzierte, wie sie jetzt benötigten. Die Kinder aßen so mäßig, wie sie konnten, und ahmten damit die Erwachsenen nach. »Du hättest den Ort Gamete nennen sollen«, sagte Cojote zu Hiroko, als er wieder vorbeikam, und lachte rau.

Sie winkte bloß ab. Aber vielleicht war Sorge an Hirokos distanzierterem Verhalten schuld. Sie verbrachte jeden Tag mit Arbeit in den Gewächshäusern und unterrichtete die Kinder nur noch selten, wenn überhaupt. Wenn sie es tat, folgten ihr die Kleinen überallhin und arbeiteten für sie, indem sie Ernte einbrachten, Kompost umwendeten oder jäteten. »Sie kümmert sich gar nicht um uns«, beschwerte sich Dao eines Nachmittags verärgert, als sie am Strand entlanggingen. »Sie ist sowieso nicht unsere Mutter.« Er führte sie alle zu den Labors am Gewächshaus neben dem Tunnelhügel und scheuchte sie hindurch, was er sehr gut konnte.

Drinnen zeigte er auf eine Reihe großer Aluminiumtanks, die wie Kühlschränke aussahen. »Das sind unsere Mütter. Darin sind wir gewachsen. Kasei hat es mir gesagt, und ich habe Hiroko gefragt, und es ist wahr. Wir sind Ektogene. Wir wurden nicht geboren, sondern dekantiert.« Er blickte triumphierend auf seine erschrockene und faszinierte kleine Schar. Dann schlug er Nirgal mit der Faust voll auf die Brust, stieß ihn quer durch das Labor und ging fluchend hinaus. »Wir haben keine Eltern.«

Zusätzliche Besucher waren jetzt eine Belastung. Aber dennoch gab es eine Menge Aufregung, wenn welche kamen; und viele Leute blieben am Tag ihrer Ankunft bis weit in die Nacht auf und unterhielten sich mit ihnen, um alle Neuigkeiten aus den anderen Zufluchtsstätten zu erfahren. Davon gab es im Südpolgebiet ein ganzes Netzwerk. Nirgal hatte in seinem Lesegerät eine Karte mit roten Punkten, die alle vierunddreißig zeigten. Nadia und Hiroko schätzten, dass es noch mehr waren, in anderen Netzwerken im Norden oder ganz allein, in völliger Isolation. Aber sie alle hielten Funkstille, keiner wusste das sicher. Darum waren Nachrichten hoch geschätzt. Oft waren sie das Kostbarste, was die Besucher zu bieten hatten, selbst wenn sie, wie gewöhnlich, mit Geschenken kamen und alles gaben, was sie nur hatten herstellen oder auftreiben können, das ihren Gastgebern nützlich sein könnte.

Nirgal hörte diesen langen lebhaften Gesprächen in den ersten Nächten genau zu, auf dem Boden sitzend oder herumgehend und die Teetassen der Leute nachschenkend. Es war ihm völlig bewusst, dass er die Regeln der Welt nicht kannte, und er verstand nicht, dass manche Leute so taten, als verstünden sie alles. Natürlich war ihm die Grundtatsache der Lage bekannt – dass es zwei Seiten gab, die in einem Streit um die Herrschaft über den Mars verwickelt waren, dass Zygote die Hauptstadt derjenigen war, die recht hatten, und dass am Ende die Areophanie siegen würde. Es war ein überwältigendes Gefühl, an diesem Kampf beteiligt, ein entscheidender Teil der Geschichte zu sein. Dieser Gedanke ließ ihn oft nicht schlafen, wenn er sich ins Bett schleppte. In seinen Gedanken tanzten Bilder und Visionen von allem, was er zu diesem großen Drama beitragen und womit er Jackie und alle anderen in Zygote beeindrucken würde.

Manchmal lauschte er sogar in seinem Verlangen, mehr zu lernen. Er tat das, indem er mit seinem Pad in der Ecke auf einer Couch lag und herumkritzelte oder so tat, als lese er etwas. Recht oft merkten Leute in dem Raum nicht, dass er zuhörte, und manchmal sprachen sie sogar über die Kinder von Zygote, vor allem dann, wenn er sich draußen in der Halle herumtrieb.

»Hast du gemerkt, dass die meisten von ihnen Linkshänder sind?«

»Jede Wette, dass Hiroko an ihren Genen herumgepfuscht hat.«

»Sie sagt nein.«

»Die sind schon fast so groß wie ich.«

»Das ist nur die Schwerkraft. Seht euch nur Peter an und die übrigen Nisei! Sie sind natürlich geboren worden und meistens groß. Aber die Linkshändigkeit muss genetisch bedingt sein.«

»Sie hat mir einmal gesagt, es gäbe eine einfache transgenetische Kombination, die das Corpus Callosum größer werden ließe. Vielleicht hat sie damit herumgespielt und als Nebeneffekt die Linkshändigkeit erzielt.«

»Ich dachte, Linkshändigkeit ginge auf einen Hirnschaden zurück.«

»Das weiß niemand. Ich denke, dass sogar Hiroko davon überrascht ist.«

»Ich kann nicht glauben, dass sie an den Chromosomen zur Gehirnentwicklung herumgefummelt hat.«

»Ektogene sind leichter zugänglich, denk dran.«

»Wie ich höre, ist ihre Knochendichte schwach.«

»Das stimmt. Auf der Erde hätten sie Schwierigkeiten. Sie bekommen Nahrungsergänzungsmittel dagegen.«

»Schon wieder die Gravitation. Die macht uns allen wirklich Schwierigkeiten.«

»Erzähl mir was Neues! Ich habe mir den Unterarm gebrochen, als ich einen Tennisschläger geschwungen habe.«

»Linkshändige große Vogelmenschen, das ist es, was wir hier unten züchten. Das ist bizarr, wenn du mich fragst. Wenn man sie über die Dünen laufen sieht, könnte man meinen, dass sie gleich abheben und davonfliegen.«

In dieser Nacht hatte Nirgal die übliche Mühe einzuschlafen. Ektogene, transgenetisch … das gab ihm ein komisches Gefühl. Weiß und Grün in ihrer Doppelhelix … Stundenlang warf er sich herum und fragte sich, was das ihn plagende Unbehagen bedeutete und was er fühlen sollte.

Endlich sank er erschöpft in Schlaf. Und dann hatte er einen Traum. Vor dieser Nacht hatte er stets von Zygote geträumt, jetzt aber träumte er, er flöge über die Marsoberfläche. Große rote Schluchten durchschnitten das Land, und Vulkane ragten in der Nähe zu unvorstellbarer Höhe auf. Aber hinter ihm war etwas, das größer und schneller war als er, mit Flügeln, die durch die Luft peitschten, als die Kreatur aus der Sonne auf ihn zukam, große Krallen nach ihm ausgestreckt. Er zeigte auf dieses fliegende Wesen, und aus seinen Fingerspitzen schossen Blitzstrahlen, und die Kreatur musste abdrehen. Es stieg zu einem neuen Angriff auf, als er aufwachte. Seine Finger pulsierten, und sein Herz klopfte wie die Wellenmaschine, ka-thunk ka-thunk, ka-thunk.

Am nächsten Nachmittag wellte die Wellenmaschine zu gut, wie es Jackie ausdrückte. Sie spielten am Strand und dachten, sie könnten die großen Brecher abschätzen; aber dann brandete eine wirklich riesige Woge über das filigrane Eis, warf Nirgal auf die Knie und riss ihn mit gewaltigem Sog das Ufer hinunter. Er strampelte und schnappte nach Luft, als er in das schrecklich kalte Wasser fiel, konnte aber nicht entkommen und wurde hinabgezogen. Die nächste Welle wirbelte ihn herum.

Jackie packte ihn an Arm und Haar und zog ihn wieder ans Ufer. Dao half beiden wieder auf die Füße und rief: »Seid ihr okay?« Wenn man nass wurde, galt die Regel, so schnell wie möglich ins Dorf zu laufen. Nirgal und Jackie kamen schwankend auf die Beine und rannten über die Dünen und den Weg zum Dorf, den Rest der Kinder weit hinter sich zurücklassend. Der Wind schnitt ihnen bis ins Mark. Sie liefen direkt zum Badehaus, platzten durch die Türen und streiften mit klammen Händen ihre Kleider ab. Nadia, Sax, Michel und Rya, die darin beim Baden gewesen waren, halfen ihnen.

Als sie in die seichten Stellen des großen Gemeinschaftsbeckens gescheucht wurden, erinnerte Nirgal sich an seinen Traum und sagte: »Wartet, wartet!«

Die anderen blieben verwirrt stehen. Er schloss die Augen und hielt den Atem an. Dann ergriff er Jackies kalten Unterarm. Er sah sich wieder in dem Traum und fühlte, wie er durch den Himmel schwamm. Hitze von den Fingerspitzen. Die weiße Welt in der grünen.

Er suchte nach der Stelle in seiner Mitte, die immer warm war, selbst jetzt, wo er so fror. Sie würde immer da sein, solange er lebte. Er fand sie und trieb sie mit jedem Atemzug durch sein Fleisch nach außen. Das war schwer, aber er fühlte, dass es funktionierte, dass die Wärme aus seinen Rippen wie ein Feuer ausströmte, seine Arme hinunter, seine Beine hinunter, in seine Hände und Füße. Seine linke Hand berührte Jackie immer noch. Er warf einen Blick auf ihren nackten Körper, auf ihre Gänsehaut, und konzentrierte sich darauf, die Wärme in sie hineinzuschicken. Er zitterte jetzt leicht, aber nicht von der Kälte.

»Du bist warm«, rief Jackie aus.

»Fühle es!«, sagte er zu ihr; und sie lehnte sich einige Momente an ihn. Dann riss sie sich mit erschrockenem Gesicht los und ging in das Becken hinunter. Nirgal blieb am Rande stehen, bis sein Zittern aufhörte.

»Weißt du, wie du das machst?«, fragte ihn Sax. Er, Nadia, Michel und Rya sahen Nirgal mit einer merkwürdigen Miene an, und er wich ihren Blicken aus.

Nirgal schüttelte den Kopf. Er setzte sich völlig erschöpft auf die Betoneinfassung des Beckens und steckte die Füße ins Wasser, das sich wie flüssiges Feuer anfühlte. Fische im Wasser, spritzend in die Freiheit hochspringend, draußen in der Luft, das Feuer im Innern, Weiß im Grün, Alchemie, mit Adlern kreisen … Blitze aus seinen Fingerspitzen!

Die Leute starrten ihn an. Sogar die Zygoten warfen ihm Seitenblicke zu, wenn er lachte oder etwas Ungewöhnliches sagte und sie dachten, dass er es nicht sehen würde. Es war leicht, so zu tun, als bemerkte er es nicht. Bei den gelegentlichen Besuchern klappte das nicht, weil sie direkter waren: »Oh, du bist Nirgal«, sagte eine kleine rothaarige Frau. »Ich habe gehört, dass du ein aufgeweckter Junge bist.« Nirgal, der ständig an die Grenzen seines Verstehens stieß, errötete und schüttelte den Kopf, während ihn diese Frau ruhig ansah. Sie bildete sich ein Urteil, lächelte und schüttelte ihm die Hand. »Ich freue mich, dich kennenzulernen.«

Eines Tages, als sie fünf waren, brachte Jackie einen alten Computer mit zur Schule, an einem Tag, an dem Maya sie unterrichtete. Sie ignorierte Mayas scharfen Blick und zeigte es den anderen. »Das ist die KI meines Großvaters. Darin steckt eine Menge von dem, was er gesagt hat. Kasei hat sie mir gegeben.« Kasei war dabei, Zygote zu verlassen, um an einem der anderen Zufluchtsorte zu leben. Aber nicht da, wo Esther lebte.

Jackie stellte das Gerät an. »Pauline, spiel uns etwas von dem vor, das mein Großvater gesagt hat!«

»Nun, da sind wir«, sagte eine männliche Stimme.

»Nein, etwas anderes. Etwas von dem, das er über die verborgene Kolonie gesagt hat!«

Die männliche Stimme sagte: »Die verborgene Kolonie muss noch Kontakte zu Siedlungen an der Oberfläche haben. Es gibt zu viele Dinge, die sie im Versteck nicht herstellen können. Ich denke da zum Beispiel an Reaktorbrennstäbe. Die werden sehr gut kontrolliert, und es könnte sein, dass Aufzeichnungen uns verraten, wohin sie verschwunden sind.«

Die Stimme verstummte. Maya wies Jackie an, das Gerät wegzupacken, und fing mit einer weiteren Geschichtslektion an. Sie sprach in kurzen, rauen russischen Sätzen über das neunzehnte Jahrhundert, und ihre Stimme zitterte. Und dann weiter Algebra. Maya legte großen Wert darauf, dass sie die Mathematik beherrschten. »Ihr bekommt eine schreckliche Ausbildung«, sagte sie immer wieder. »Aber wenn ihr die Mathematik versteht, könnt ihr später aufholen.« Dann sah sie sie scharf an und verlangte die nächste Antwort.

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