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Ausgerechnet der Brandl Sepp, ein Gscheidhaferl vor dem Herrn, gelangt ans Mikrofon des örtlichen Radiosenders und hat keine Ahnung, dass er live auf Sendung ist … Zwischen der Pubertät ihrer Teenies, Hühnern und Rasenmäherroboter versucht Franzi, den Schritt in die Selbständigkeit gut geplant umzusetzen. Wäre da nicht ihr Vater Sepp, der zu jeder noch so verschwindend geringen Kleinigkeit etwas beizutragen hat. Seine ungefragte Hilfsbereitschaft stürzt Franzi beinahe ins Chaos. Plötzlich soll sie Klempneraufträge annehmen, statt Zeitschriften zu verkaufen, oder muss heimlich abgestandenes Nudelwasser verschwinden lassen. Immerhin tut sich für ihre Kegelmannschaft eine noch nie dagewesene Chance auf. Gerade als sie glaubt, die Lage wieder in den Griff zu bekommen, gelangt ihr Vater versehentlich an das Mikrofon des örtlichen Radiosenders. Die Lage spitzt sich zu, kreative Lösungen am Rande der Legalität sind gefragt … #1 Kindle Humor-Autorin Antonia Vitz weiß, wie man Leser zum Lachen bringt. Ihre bayerischen Komödien mit dem beliebten Grantler Sepp sind ein Garant für gute Laune!
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Antonia Vitz
Gscheidhaferl
Sepp ist nicht zu stoppen
Deutsche Erstveröffentlichung Juni 2024
Copyright © 2024 Antonia Vitz Alle Rechte vorbehalten.
ISBN: 9783759297976 Antonia Vitz Reutinger Weg 2692449 Steinberg am See
[email protected]://www.antoniavitz.de
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Covergestaltung: Stephanie Umlauf http://www.steffiumlauf.comCovermotiv und Zeichnungen: Anna Vetter und Stephanie UmlaufKorrektorat: Donata Schäfer http://www.texthueterin.de
A N T O N I A V I T Z
ROMAN
Kapitel 1 – Pläne
Kapitel 2 – Entscheidungen
Kapitel 3 – Wildmanching
Kapitel 4 – Gipfelwelle FM
Kapitel 5 – Hühnerdiebe
Kapitel 6 – Nur ein Name
Kapitel 7 – Multitalent
Kapitel 8 – Wie früher
Kapitel 9 – Verantwortung
Kapitel 10 – Klartext mit Sepp
Kapitel 11 – Das alles entscheidende Spiel
Kapitel 12 – Zusammenhalt
Epilog
Für Mama.
„Welcher Depp liest denn heutzutage noch ein Buch?“
Mit rotem Kopf und grimmigem Gesicht marschiert Papa vor mir auf und ab. Ich lehne mich entspannt an die Ladentheke. Erfahrungsgemäß legt sich die erste Aufregung recht schnell, so dass seine Argumente weniger haarsträubend werden.
„Du sollst hier Zeitungen, Zeitschriften, Zigaretten und ab und zu einen Kaffee oder ein Bier verkaufen“, fährt er aufgebracht fort. „Ver-kau-fen! Stattdessen verwandelst du den Laden in einen orientalischen Basar. Bücherbörse, so ein Schmarrn!“ Er fuchtelt mit den Armen Richtung Büro, in das wir soeben drei Umzugskisten mit ausgewählten Buchschätzen geschleppt haben.
„Warte doch einfach ab. Du wirst sehen, das Konzept funktioniert. Und nochmal danke, dass du mir beim Tragen geholfen hast.“
Ziellos schweift sein Blick über die Aufzeichnungen, Ordner und Farbproben, die auf dem Bistrotisch verteilt sind. „Was das wieder Geld kostet!“
„Ach geh, Papa.“ Ich schlage einen versöhnlichen Ton an und lege den Arm um seine Schultern. „Wenn ich zukunftsfähig bleiben will, muss ich den Kunden mehr anbieten als Filterkaffee.“
„Bei Feichti hat sich nie auch nur ein einziger Kunde über den Kaffee beschwert. Aber seit er in Rente ist und du den Laden alleine führst, muss plötzlich alles anders werden.“
„Weil außer dir, mir und Feichti hier keiner Kaffee getrunken hat. Genau das wird sich jetzt ändern! Die kostenlose Bücherbörse soll Menschen zum Verweilen einladen. Und wer verweilt, kauft auch einen leckeren Milchkaffee oder einen italienischen Espresso.“
„Aus einer sündhaft teuren Maschine. So viele Bücher können gar nicht gelesen werden, dass du das jemals wieder reinholst.“
„Die Welt der Bücher –“, ich mache eine bedeutungsvolle Pause, bevor ich weiterspreche, „ist von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, die mächtigste.“
„Also manchmal redest du wirklich einen ganz schönen Schmarrn daher, Franzi.“
„Das hab nicht ich gesagt, sondern Heinrich Heine.“
Papas Blick wandert zur Tür. Ein älterer Herr rüttelt am Griff. Ich deute auf das DIN-A4-Blatt, das ich auf Augenhöhe angebracht habe.
Wir machen Urlaub. Am Montag nach den Osterferien geht’s wie gewohnt weiter. Mit vielen Neuerungen!
Franzi von Vinzenz’ Tabak- und Zeitschriftenladen.
Ich hatte gehofft, bis dahin schon die ein oder andere Idee umgesetzt zu haben. Doch mein Plan, den Laden mit einem breiten Angebot an Getränken, frischem Kuchen und einer heimeligen Wohlfühlatmosphäre zu bereichern, ist deutlich schwerer zu realisieren, als zunächst angenommen. Beim Kaffeevollautomaten gibt es Lieferprobleme. Der Brunner-Bäcker, von dem ich die Kuchen beziehen wollte, liefert nicht mehr aus. Und der Vintage-Schrank, den ich für die Büchertauschbörse auf dem Flohmarkt ergattert hatte, beherbergt mehrere Generationen Holzwürmer. Lediglich die neue Tischdeko weist darauf hin, dass hier bald ein frischer Wind wehen wird.
„Das ist doch der Bachegger!“ Papa stürmt winkend zur Tür und schließt sie von innen auf. „Komm rein! Mit dir wollte ich heute eh noch reden. Wegen …“
„Geschlossen!“, rufe ich und wedle mit erhobenem Zeigefinger von links nach rechts. Das fehlt mir gerade noch! Eine gemütliche Rentnerrunde, während ich mit Umbauplänen beschäftigt bin.
Josef Bachegger weicht einen Schritt zurück. „Dann trinken wir unser Bier eben heute beim Hirsch. Oder, Sepp?“
Mein Vater nickt, greift nach seiner Übergangsjacke und schon marschieren beide wild gestikulierend Richtung Ortszentrum.
Erleichtert drehe ich den Schlüssel in der Tür um. Endlich alleine! Ich mag meinen Vater, den Brandl Sepp. Ehrlich! Aber dass er ständig ungefragt Ratschläge erteilt und grundsätzlich der Meinung ist, alles besser zu wissen, ist manchmal wirklich eine Last.
Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich noch eine gute Stunde Zeit habe, bevor ich mich auf den Heimweg machen muss. Konzentriert blättere ich durch die Farbkarten und versuche, mir vorzustellen, ob lebhaftes Apfelgrün besser mit Rapsgelb oder Narzissengelb harmoniert. Zwischendurch telefoniere ich mit allen Konditoreien aus Katzbrück und Heidelkirchen, doch mit jedem Gespräch schwindet meine Hoffnung. Abholen – ja, das ginge. Aber Liefern? Nein, so was machen wir nicht.
Ich lehne mich im Stuhl zurück und sehe mich um. Rechts neben der Eingangstür zwei große Ständer mit einer bunten Auswahl an Zeitschriften, links davon die Tageszeitungen. Hinter der Theke das Regal mit den Zigaretten. Wie gerne würde ich die Tabakwaren aus meinem Laden verbannen, aber sie machen nun mal den Hauptumsatz aus. Noch!
An der Wand gegenüber hängt Feichtis Aquarelldruck, auf dem ein mintgrüner VW-Bus im Sonnenuntergang zu sehen ist. Hier wäre der ideale Platz für die Bücherbörse. Wenn ich einen Schrank hätte, der Charme, Gemütlichkeit oder wenigstens ein gewisses Maß an Originalität ausstrahlt. Doch so etwas findet man nicht bei den großen Möbelketten. Ich schreibe Kleinanzeigen: Schrank? auf einen Merkzettel und klebe ihn an die Innenseite meiner Bürotür zu den anderen.
Wandfarbe Bücherbörse?
Schriftzug für Schaufenster
Kuchenlieferant
Die Haftnotiz mit der Aufschrift Gewerbeamt zerreiße ich und werfe die Fetzen lächelnd in den Mülleimer. Zumindest die Namensänderung für den Laden ist schon in trockenen Tüchern. Der Rest wird sich nach und nach auch noch ergeben. So schnell lässt sich eine Franzi Sanwald nicht unterkriegen! Dann schnappe ich mir die Autoschlüssel und mache mich auf den Heimweg.
Zuhause angekommen verschwinde ich sofort im Schlafzimmer. Schnell ziehe ich mich um, trage Deo auf und binde meine Haare zu einem Zopf. Die Zeit drängt. Mit der Sporttasche in der Hand eile ich wieder nach unten.
Im Kühlschrank finde ich noch einen Rest vom Mittagessen, den ich mir in der Mikrowelle aufwärme. Mein Mann ist so sehr in eine Diskussion mit unserem Sohn vertieft, dass er mich gar nicht wahrnimmt.
„Auf gar keinen Fall! Hast du auch nur ansatzweise eine Vorstellung davon, wie die stinken?“
„Das nennt man Dorfduft!“
„Ganz abgesehen vom Lärm. Unsere Nachbarn werden sich schön bedanken, wenn sie jeden Morgen in aller Herrgottsfrüh aus dem Bett geschrien werden.“
„Geh, Papa!“ Xaver verdreht die Augen nach oben, als hoffe er auf göttlichen Beistand. „Das ist kein Lärm, sondern die Melodie der Natur.“
„Arbeit und Dreck haben wir damit, sonst nichts. Kümmere dich lieber um einen Praktikumsplatz. Wenn du schon nicht bei der Mama im Zeitschriftenladen arbeiten willst, musst du dich irgendwo bewerben. Ich an deiner Stelle würd ja mal in der Gemeindeverwaltung anrufen. Wenn du dich dort gut anstellst, hast du gleich einen Fuß in der Tür. Öffentlicher Dienst. Was Besseres kann dir gar nicht passieren.“ Als ob damit alles gesagt wäre, öffnet Sebastian die Terrassentür und marschiert mit der Gitarre in der Hand Richtung Werkstatt.
Xaver folgt ihm mit energischen Schritten. „Die brauchen nur was zum Schlafen und ein bisschen Auslauf. Ich hab das alles schon geplant. Der Bachegger-Bauer schenkt mir seinen alten Stall und die Umzäunung bestell ich im Internet. Mein gespartes Taschengeld reicht locker dafür.“
„Und wie willst du den Stall transportieren?“
„Opa hilft mir dabei. Ist schon alles mit ihm abgesprochen. Du musst dich um überhaupt nichts kümmern.“
„Der Sepp? Um Himmels willen, das wird ja immer schöner. Der soll lieber mal mit Bürgermeister Maierl reden, ob er dich in der Gemeinde unterbringen kann. Mit dem ist er doch per du.“
„Da hinten, neben der Werkstatt, wäre ein optimaler Platz. Die brauchen nur ein kleines Stück Wiese, mehr nicht.“
„Wiese?“ Sebastian stemmt die freie Hand in die Hüfte und legt den Kopf leicht nach hinten, so dass er auf seinen Sohn herabschauen kann, obwohl sie beinahe gleich groß sind. „Das ist keine Wiese, sondern ein eins a gepflegter Rasen. Unkrautfrei!“
„Eben! Wird Zeit, dass in diesen sterilen Garten endlich ein bisschen Leben reinkommt.“
Mein Mann schaut schlagartig wieder gerade. Xaver nennt seine pingelig getrimmte Grünanlage nicht zum ersten Mal steril.
„Du stellst dir das alles so leicht vor. Hast du auch nur ansatzweise eine Ahnung davon, wie viel Arbeit Tiere machen? Jeden Morgen füttern, regelmäßig ausmisten, Stroh und Heu besorgen, Legemehl kaufen. Ganz abgesehen von den Sicherheitsmaßnahmen, damit sie nicht vom Marder oder Fuchs geholt werden. Wie willst du das neben der Schule schaffen? In zwei Jahren schreibst du Abitur!“
„Bei dir dreht sich immer alles nur um Schule und Abi. Ich will einfach mal was machen, was mit dem echten Leben zu tun hat.“ Mit vor der Brust verschränkten Armen funkelt er seinen Vater störrisch an.
„Geh, Xaver …“ Sebastians Stimme nimmt einen versöhnlichen Unterton an. „Ich frag mich halt, ob du mit sechzehn nichts anderes im Kopf hast als Hühner?“
„Was haben die Hühner mit meinem Alter zu tun?“
„Ich mein ja nur. Mit sechzehn, da hatte ich …“ Sebastian bricht mitten im Satz ab und kratzt sich verlegen am Kopf. „Ich finde es eben ungewöhnlich, dass sich ein junger Bursche wie du für Hühner interessiert. Mach lieber was Sinnvolles. Lern ein Instrument! Gitarre zum Beispiel. Ich kann dir gern ein paar Akkorde zeigen. Wirst sehen, die Mädchenherzen fliegen dir damit nur so zu.“
„Artgerechte Tierhaltung und natürliche Lebensmittel sind in deinen Augen also nichts Sinnvolles?“
„Doch, schon. Natürlich. Aber Bio-Eier kann man auch mit weniger Aufwand bekommen. Auf dem Bauernmarkt zum Beispiel. Dazu muss man nicht den halben Garten in eine Geflügelzucht verwandeln.“
Ich greife nach meiner Sporttasche und rufe ein allgemeines Servus! Ich fahr jetzt! in ihre Richtung. So gern ich den Schlagabtausch zwischen den beiden auch weiterverfolgen würde, es ist allerhöchste Zeit!
„Wie wär’s, wenn du auch mal was dazu sagst?“ Sebastian hat nicht vor, mich einfach ziehen zu lassen. Mit schnellen Schritten kommt er auf mich zu. „Dein Herr Sohn möchte Hühner!“
„Gut.“
„Wie – Gut?“, wiederholt mein Mann ungläubig. „Mehr hast du dazu nicht zu sagen?“
Ich atme tief ein und wieder aus, schaue von einem zum andern und versuche, die drängenden Stimmen in meinem Kopf zu ignorieren. Beeil dich! Du bist eh schon zu spät! Die anderen warten!
„Er ist sechzehn.“
„Eben! Das sind sicher nur vorübergehende Flausen! Und wir haben dann die Arbeit und den Dreck mit den Tieren.“
„Das ist eine Unterstellung!“, widerspricht Xaver. „Ich weiß sehr wohl, dass diese Tiere Verantwortung bedeuten.“
Ich fixiere meinen Sohn mit dem Damit-wir-uns-da-richtig-verstehen-Blick, den jede Mutter in ihrem Repertoire hat. „Wegen mir kannst du die Hühner haben. Aber du musst die komplette Verantwortung für sie übernehmen. Du weißt ganz genau, dass ich so schon kaum rumkomme. Der Laden führt sich nicht von alleine. Dazu noch die Veränderungen, die ich mir für dieses Jahr vorgenommen habe. Da kann ich mich nicht auch noch um Hühnermist kümmern.“
„Du wirst gar nichts von ihnen merken, außer, dass du jeden Tag frische Eier bekommst.“
„Das glaubst du doch wohl selbst nicht!“, mischt sich Sebastian wieder ein. „Wie damals bei dem Zwergkaninchen. Wer musste sich am Ende um das Tier kümmern? Ich!“
„Damals war ich fünf!“
„Dasselbe wirst du in zehn Jahren auch sagen: Damals war ich sechzehn!“
Xaver verdreht genervt die Augen. „Mama, sag ihm bitte, dass es einen kleinen Unterschied zwischen einem Vorschulkind und einem Zehntklässler gibt.“
Ein Blick auf die Armbanduhr verrät mir, dass ich nicht nur spät dran bin, sondern fast schon zu spät. „Macht das bitte unter euch aus. Ich muss jetzt wirklich los.“
„Wo willst du überhaupt hin?“ Sebastian schaut mich arglos fragend an. Ganz so, als hätte er wirklich keine Ahnung. „In den Laden?“
Er hat wirklich keine Ahnung.
Da sieht man mal wieder, wie sehr wir manchmal nebeneinander her leben. Ohne seine Frage zu beantworten, eile ich ins Haus, schnappe mir die Autoschlüssel und werfe die Haustür hinter mir ins Schloss.
Unsere Mannschaft hat heute ein äußerst wichtiges Spiel. Die Katzbrücker Kegelkatzen stehen aktuell auf Platz zwei in der Kreisliga. Wenn wir auswärts gegen Brunngries gewinnen, könnten wir zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte die Tabellenspitze anführen. Seit Wochen fiebern wir auf diesen Moment hin. Und ausgerechnet jetzt ist unsere beste Spielerin auf Kur. Dass ich dadurch in die Stammmannschaft aufgerückt bin, statt auf der Ersatzbank zu sitzen, macht es nicht leichter. Nun fehlt uns jemand, der im Notfall einspringen kann. Und Notfälle gibt es bei uns reichlich: Eine verrutschte Bandscheibe, ein eingeklemmter Ischiasnerv, ein krankes Haustier – die Palette an Möglichkeiten ist vielfältig.
Zum Glück ist diese Woche wenigstens mein Laden geschlossen. Ich muss also nicht wie sonst direkt vom Geschäft aus zum Spielort hetzen, um in allerletzter Sekunde gestresst, verschwitzt und außer Atem an der Bahn zu stehen. Stattdessen fahre ich zusammen mit meinen Mannschaftskolleginnen nach Brunngries und kann mich gemeinsam mit ihnen auf das Spiel einstimmen.
„Na endlich! Ich sitze schon auf Kohlen!“ Mama ist seit über zehn Jahren bei den Kegelkatzen und somit die dienstälteste aktive Spielerin. Ein Aufstieg in die Bezirksliga war für sie noch nie so greifbar wie jetzt, so dass sie entsprechend nervös ist. Während sie zu mir ins Auto steigt, redet sie ohne Unterlass weiter.
„Hoffentlich macht Uschis Knie heute mit! Ein Drama, dass wir ohne Ersatzspielerin unterwegs sein müssen. Das ist jedes Mal eine dermaßene Zitterpartie! Wenn auch nur eine von uns ausfällt, können wir nicht antreten und das Spiel wird automatisch als verloren gewertet! Stell dir das nur mal vor – ich mag gar nicht daran denken. Wird allerhöchste Zeit, dass Gisela wieder von ihrer Kur zurückkommt, damit wir wenigstens wieder zu fünft sind.“
„Es fällt niemand aus, Mama“, versuche ich, sie zu beruhigen, obwohl mich dieselbe Sorge plagt.
In der Blumenstraße wartet Uschi auf uns. Als sie mein Auto erkennt, greift sie nach ihrer Tasche und kommt uns ein paar Schritte entgegen. Kann es sein, dass sie humpelt?
„Servus, Mädels, seid ihr bereit für einen Sieg?“ Stöhnend lässt sie sich auf den Rücksitz plumpsen. Ihre geringe Körpergröße von knapp einem Meter sechzig gleicht sie mit überdurchschnittlich hohem Gewicht aus. Uschi wiegt fast dreistellig und ähnelt mehr einer gut gelaunten Kugel auf zwei Beinen als einer Sportlerin. Dennoch ist sie, abgesehen von ihren immer wiederkehrenden Knieproblemen, erstaunlich beweglich und neben Gisela, die sich seit vier Wochen im niederbayerischen Wildmanching den Rücken massieren lässt, unsere konstanteste Keglerin. Da die gegnerischen Mannschaften Uschi aufgrund ihrer kernigen Statur meist kolossal unterschätzen, ist sie so etwas wie unser geheimer Joker. Sie ist einundfünfzig, nur drei Jahre älter als ich. Gemeinsam senken wir den Altersdurchschnitt der Katzbrücker Kegelkatzen auf unter sechzig.
„Und?“, fragen Mama und ich im Chor.
Uschi winkt ab und verdreht die Augen nach oben. „Fragt nicht! Den ganzen Tag mach ich schon Quarkwickel. Eine elendige Sauerei ist das immer, aber es hilft! Meine Bakerzyste ist so gut wie weg. Trotzdem hab ich vorhin extra noch eine Schmerztablette genommen. Zur Sicherheit. Piccolöchen zum locker werden?“
Sie reicht zwei kleine Fläschchen nach vorne. Den obligatorischen Schluck Sekt vor dem Turnier zur Nervenentspannung können wir heute dringender denn je gebrauchen. Auch Gertrud wird sofort ein Piccolo in die Hand gedrückt, als sie zwei Querstraßen weiter ins Auto steigt.
„I hän g’hert, dass die Brunngrieser Favoritin arge Probleme mit ihre Hühnerauge häd. Wenn mir Glück hän, spieled se heut mit der Ersatzspielerin“, platzt sie anstelle einer Begrüßung sofort heraus. Gertrud Schwämmle ist eine resolute, selbstbewusste Frau mit unlackierten Fingernägeln, praktischem Kurzhaarschnitt und Turnschuhen, die vermutlich aus dem letzten Jahrhundert stammen, aber immer noch gut sind, wie sie sagt. Mit dem Eintritt in die Rente vor zwei Jahren hat sie eine große Veränderung in ihrem Leben gewagt. Sie ist aus ihrer schwäbischen Heimat nach Katzbrück gezogen. Jetzt, wo i frei und ung’bunden bin, seit der Erwin, Gott hab ihn selig, tot isch, will i da alt werde, wo mir die letzte fünfazwanizg Jahr Urlaub g’macht hän. Im schöne Bayern!
Weshalb sprechen ältere Menschen eigentlich so oft davon, endlich frei zu sein, wenn sie ihren Partner verloren haben? Bei einer gesunden Ehe sollte man sich doch eine gegenseitige Stütze sein und kein Ballast! So, wie es bei Sebastian und mir der Fall ist. Wobei man ja auch oft hört, dass es ein schleichender Prozess ist, wenn man sich auseinanderlebt.
„Hühneraugen? Die Favoritin? Was für ein Glück!“ Mama atmet erleichtert aus.
Auch mir fällt ein Stein vom Herzen. „Wenn jede von uns einigermaßen abliefert, ist der Sieg machbar.“
„Es muss heute klappen!“, ruft Uschi und reibt unwillkürlich ihr Knie. „So eine Chance bekommen wir so schnell nicht wieder.“
„Be-zirks-li-ga!“, skandiert Mama.
„Bisch arg nervös, Geli?“
„Nervös?“ Fast könnte man meinen, sie wäre im Stimmbruch, so sehr überschlägt sich ihre Stimme. „Heute geht es um alles! Ich hoffe, ihr seid in Topform. Ich bin so aufgeregt, dass mir das Herz bis zum Hals klopft!“ Zum Beweis hält Mama ihre ausgestreckte Hand in die Luft, die tatsächlich ein kleines bisschen zittert.
„A bissle ang’schlagen bin i schon.“
Schlagartig drehen sich alle Köpfe zu Gertrud. Auch ich werfe einen schnellen Blick nach hinten.
„Was ist los? Heuschnupfen? Oder plagt dich immer noch der Backenzahn?“
Sie zieht die Schultern hoch und knetet schuldbewusst ihre Finger. „Mei Ellbogen. I hän heut Fenschter putzt.“
Diese Information ruft kollektives Aufstöhnen im Auto hervor. Fensterputzen an einem Spieltag ist ein absolutes Tabu!
„Gertrud! Sag, dass das nicht wahr ist!“ Mit festem Griff umklammere ich das Lenkrad, als könne ich so ihre Antwort beeinflussen.
„Heut isch der erschte Donnerschtag im Monat. Da werden bei mir immer Fenschter putzt.“
Mama schüttelt resigniert den Kopf und Uschi seufzt so tief und schmerzverzerrt, dass man sie am liebsten tröstend in den Arm nehmen möchte. Gegen den mit der Muttermilch aufgesogenen Kehrwochendrang einer eingefleischten Schwäbin ist man eben machtlos.
„Es wird scho geh, i hab vorhin extra nochamal a Kühlpack druffg’legt“, versucht sie, Zuversicht zu verbreiten, und wir anderen tun unser Möglichstes, ihr zu glauben.
Als wir in Brunngries auf den Parkplatz der Gaststätte Holzwurm einbiegen, tauschen die drei Damen gerade Geheimtipps gegen allerlei Zipperlein aus. Von hochprozentigem Blutwurzschnaps, der gegen Zahnfleischentzündungen helfen soll (Nur gurgeln. Aber wenn er am Ende runtergeschluckt wird, ist es auch nicht schlimm), über Apfelessig bei Fußpilz (mehrmals täglich auftragen!) bis hin zu Bierspülungen gegen dünnes Haar. Ich höre mit halbem Ohr zu und versuche gleichzeitig, eine Parklücke ausfindig zu machen, die breit genug ist, um bequem einparken zu können. Ganz hinten links ist einiges frei. Also gebe ich Gas und bin in Gedanken bereits auf dem Weg zur Kegelbahn, als wie aus dem Nichts eine Gestalt zwischen zwei Autos hervorkommt, winkt und mit schnellen Schritten direkt auf uns zuläuft. Reflexartig drücke ich auf die Bremse, reiße gleichzeitig das Lenkrad zur Seite und komme mit einem dumpfen Schlag zum Stehen. Gertrud und Uschi, die sich bereits abgeschnallt haben, werden unsanft auf die Vordersitze geschleudert, während der Motor mit einem quälenden Geräusch abstirbt. Mein Herz pocht bis zum Hals. Mit weit aufgerissenen Augen starre ich durch die Windschutzscheibe. Der Mann, dessen Konturen mir seltsam vertraut erscheinen, klopft mit der flachen Hand auf die Motorhaube, marschiert zur Fahrerseite, reißt die Tür auf und schreit:
„Spinnst du jetzt ganz? So eine Vollbremsung! Weißt du, was das für ein Abrieb auf den Bremsscheiben ist?“
Uschi hinter mir zieht scharf die Luft ein und gibt einen jammernden Laut von sich. Gleichzeitig wiederholt Gertrud mantramäßig „Ach Gottle, ach Gottle“.
„Was will der denn hier?“ Verblüfft schaue ich zu Mama.
„Frag mich was Besseres!“
„Und wo ist er jetzt hin?“ Ich recke meinen Hals in alle Richtungen, kann ihn aber nirgends entdecken. Er scheint wie vom Erdboden verschluckt.
Mama lässt das Fenster herunter und streckt ihren Kopf hinaus. „Liegt am Boden und untersucht den Reifen.“
Von draußen dringt Papas besorgte Stimme zu uns durch: „Angefahren … Bordsteinkante … hoffentlich nichts verzogen.“
Ich starte den Motor. Im selben Moment taucht sein vor Anstrengung geröteter Kopf neben der Beifahrerseite auf. Er klopft ans Fenster und Mama lässt es mit zusammengekniffenen Lippen erneut herunter.
„Beeilt euch, ihr müsst euch noch aufwärmen!“
„Heiligs Blechle, der Brandl Sepp! Da hasch uns aber einen ganz schönen Schrecken eing’jagt.“ Gertrud ist die Einzige, die auf dem Weg zur Kegelbahn mit ihm redet. „Woisch, des hätt auch arg schief geh könna. Einfach vors Auto hupfe.“
„Ich war grad beim Tanken. In Brunngries ist der Diesel zwei Cent günstiger als bei uns. Da dachte ich, ich mach einen Zwischenstopp beim Holzwurm, um euch anzufeuern. Damit sich die Fahrt lohnt.“
„Geli, da hasch dir aber ein wahres Herzle g’angelt. Kommt extra, um uns anzufeure.“
Meine Mutter würdigt ihn keines Blickes.
„Und so sparsam. Fahrt bis nach Brunngries zum Tanke!“
„Fünfundzwanzig Kilometer! Er fährt fünfundzwanzig Kilometer, um neunzig Cent zu sparen.“ Mama pfeffert ihre Sporttasche auf den Wirtshaustisch und zieht ihre Straßenschuhe aus. „Dann springt er uns auch noch vors Auto. Da hätte weiß Gott was passieren können.“
Ich schaue besorgt zu Uschi. Sie sitzt mit versteinertem Gesichtsausdruck auf der Eckbank, massiert ihr rechtes Knie und macht keine Anstalten, sich turnierfertig zu machen.
„Alles okay bei dir?“, frage ich und ahne bereits, dass absolut nichts okay ist. Uschi ist bei der Vollbremsung mit dem kaputten Knie gegen den Vordersitz gedonnert und versucht jetzt, ihre Schmerzen zu verheimlichen.
„Es geht gleich wieder!“, murmelt sie betont zuversichtlich.
Kritisch ziehe ich beide Augenbrauen nach oben, hole wortlos ihre Kegelschuhe aus der Tasche, knie mich vor ihr nieder und ziehe sie ihr an. Wir wissen beide: Sollte sie heute ausfallen, können wir nicht antreten und das Spiel wird als verloren gewertet. So ist das nun mal, wenn man ohne Ersatzspielerin unterwegs ist.
Mama, Gertrud und ich treten zuerst an, damit Uschi noch etwas Schonfrist hat und die zweite Schmerztablette ihre Wirkung entfalten kann. Wir geben unser Bestes, um einen möglichst großen Vorsprung zu erarbeiten. Gertrud beißt die Zähne zusammen und liefert trotz Fensterputzellbogen eine solide Leistung ab. Mama übertrifft sich selbst und auch ich kegle deutlich besser als gewöhnlich. Doch die Spielerinnen aus Brunngries lassen uns kaum Raum zum Atmen. Am Ende liegen wir nur einen lächerlichen Punkt vorne. Ein Vorsprung, zarter als ein Schmetterlingsflügel.
Dann muss Uschi ran. Schwerfällig erhebt sie sich von ihrem Stuhl, humpelt zur Bahn und nimmt die Kugel auf. Ungewohnt steif steht sie da, holt aus, schwingt ihren Arm mehrmals vor und zurück und lässt die Kugel schließlich los, ohne in die Knie zu gehen. Mit lautem Poltern schlägt diese auf der Bahn auf, kullert unkontrolliert nach vorne und wirft erstaunlicherweise sieben der neun Kegel um. Begeisterte Aufmunterungsrufe aus unseren Reihen ertönen, während die gegnerische Spielerin verdutzt dreinschaut.
Die zweite Kugel läuft ins Leere.
„Das verliert ihr“, kommentiert Papa und erntet dafür einen schneidend kalten Blick von seiner Frau. Beim dritten Wurf fallen alle neune. Es ist eine Achterbahn der Gefühle. Nach dem fünften Schub dreht sich Uschi mit schmerzverzerrtem Gesicht zu uns um.
„Uschi, halt durch!“, versucht Mama, sie aufzumuntern, und klatscht rhythmisch in die Hände.
„Ha noi, Uschi, etz kosch id uffgäbe!“ Gertrud klatscht mit und verfällt vor Aufregung in tiefstes Schwäbisch.
„Wenn du nicht mehr kannst, brech ab“, rufe ich und bin mir nicht sicher, ob meine Worte im allgemeinen Tumult untergehen.
„Helga und Hilda mit ihren achtundsiebzig könnten es besser als ich“, versucht sich Uschi an einem Scherz und alle lachen darüber, obwohl es in Wirklichkeit gar nicht so lustig ist.
Als ich vor vier Jahren als Springerin bei den Katzbrücker Kegelkatzen eingestiegen bin, zählte die Mannschaft sieben Spielerinnen. Vier Aktive und drei Ersatzspielerinnen. Doch dann sind die Zwillinge Helga und Hilda altersbedingt ausgeschieden und kurz darauf hat sich auch Theodora aus dem aktiven Spielbetrieb zurückgezogen. Ihr neuer Lebensabschnittsgefährte ist extrem eifersüchtig und sieht es nicht gerne, wenn sie ohne ihn unterwegs ist. So bin ich unerwartet zur ersten Ersatzspielerin aufgerückt. Seit Gisela in Wildmanching auf Kur ist, nehme ich ihren Platz in der Mannschaft ein und die Ersatzbank bleibt leer. Helga und Hilda wären heute tatsächlich eine Unterstützung für uns, selbst mit Rollator.
Uschi greift nach der nächsten Kugel, humpelt zur Mitte der Bahn und konzentriert sich. Sie holt aus, lässt ihren Arm nach vorne durchschwingen und wiederholt diese Prozedur mehrmals, bevor sie die Kugel unkontrolliert auf die Bahn fallen lässt. Die gegnerische Mannschaft gibt verwunderte Laute von sich, der schwarze Ball donnert holprig nach vorne, schwenkt nach links, dann wieder nach rechts und kommt seitlich in die Vollen. Kein professioneller Wurf. Eher einer der Art besoffener Freizeitkegler. Dennoch fallen sechs von neun Kegel. Ich springe auf, reiße jubelnd die Arme hoch und klatsche euphorisch mit Gertrud und Mama ab. Uschis Gegnerin starrt konsterniert auf die Anzeige. Dann schüttelt sie den Kopf, greift nach der nächsten Kugel, sammelt sich, nimmt Anlauf und setzt die Kugel beinahe geräuschlos auf der Bahn auf. Fassungslos muss sie mit ansehen, wie diese immer weiter nach links driftet. Am Ende bleiben sieben Kegel stehen.
Als Uschi zehn Minuten später den Vorsprung völlig unerwartet auf drei Punkte ausbaut, sind wir völlig aus dem Häuschen. Gertrud fällt Papa um den Hals, Mama feuert sie mit glühenden Augen an und ich stehe mit angehaltenem Atem neben der Anzeigetafel.
Am Ende sind es die Brunngrieserinnen, die das Match verlieren. Uschi hat die gegnerische Spielerin mit ihrer seltsamen Kegeltechnik so dermaßen verunsichert, dass wir das Spiel mit einem hauchdünnen Pünktchen Vorsprung nach Hause holen. Die Stimmung in der Mannschaft ist dementsprechend ausgelassen. Nur Papa zieht ein Gesicht.
„Die Saison könnt ihr vergessen!“
„Geh, Papa!“ Versöhnlich lege ich den Arm um seine Schultern. „Wir haben gewonnen! Wir sind Tabellenführer!“
„Wie lang halt noch? Die Uschi kann kaum noch grad stehen.“
„Woran du nicht ganz unschuldig bist, mein Lieber!“, schimpft Mama.
„Was kann ich dafür, wenn ihr euch im Auto nicht anschnallt? Nein, nein. Wenn ihr die Tabellenspitze halten möchtet, braucht ihr eine funktionierende Mannschaft mit mindestens zwei oder drei Ersatzspielerinnen. Und keinen Invalidenverein.“
Ganz unrecht hat er natürlich nicht. Dennoch will sich in diesem Moment keine von uns Gedanken darüber machen. Alles, was zählt, ist der heutige Sieg.
„Wer ist Tabellenführer?“, brülle ich und erhalte umgehend ein euphorisches „Die Katzbrücker Kegelkatzen!“ als Antwort. Fast könnte man meinen, wir hätten den Titel bereits in der Tasche.
Auf dem Weg zum Parkplatz hakt sich Uschi bei Papa unter, um ihr schmerzendes Knie zu entlasten. „So ein Mann ist schon praktisch“, kichert sie.
„Wir Männer sind eben die Stütze der Frauen“, meint er großspurig und reckt sein Kinn nach oben. Womöglich glaubt er den Schmarrn auch noch, den er von sich gibt.
Ich öffne die Beifahrertür und warte, bis Uschi umständlich eingestiegen ist. Dabei fällt mein Blick auf den Vorderreifen. Obwohl es schon fast dunkel ist, sehe ich es sofort. Platt!
„Dann kannst du gleich mal zeigen, was so ein Mann sonst noch alles draufhat“, sage ich und deute nach unten. „Reifenwechseln zum Beispiel.“
„Himmelherrgottsakrament!“ Seit geschlagenen vier Minuten flucht Papa wie ein Kesselflicker vor sich hin, während er im Licht meiner Handytaschenlampe den Wagenheber aus dem Kofferraum holt und ihn an der Karosserie ansetzt. „Warum bist du auch wie eine Narrische gegen den Bordstein gefahren?“
„Weil mir jemand vors Auto gerannt ist?“
„Deswegen musst du doch nicht gleich …“
„JOSEF!“ Mamas Tonfall steht dem eines Feldwebels in nichts nach.
„Wenn wenigstens die Uschi aussteigen würd“, versucht Papa nochmal, Oberhand zu gewinnen, und dreht stöhnend an der Kurbel.
„Aussteigen?“ Uschi, die sich sichtlich unwohl im Auto fühlt, öffnet die Tür und haut sie meinem Vater gegen die Stirn.
„Bleib drin!“, schreit er und drückt die Tür wieder zu.
Uschi öffnet sie erneut. „Was hast du gesagt?“
Diesmal ist mein Vater schneller. Er weicht mit dem Oberkörper zur Seite aus, verliert jedoch das Gleichgewicht und landet langgestreckt auf dem Boden. Stöhnend hält er sich die Schulter, rollt sich dann auf den Bauch und versucht unter Jammern und Wehklagen, auf alle viere zu kommen.
Uschi schließt erschrocken die Tür. „Sepp?“, ruft sie von drinnen und drückt ihre Nase ans Fenster, um etwas erkennen zu können.
„Alles okay?“, frage ich und leuchte ihm ins Gesicht.
„So besoffen, dass er es nicht mal mehr ins Auto schafft.“
Erschrocken drehe ich mich um. Keiner von uns hatte das Pärchen bemerkt, das auf der anderen Seite des Parkplatzes im Begriff ist, ins Auto zu steigen.
„Das ist nur …“, beginne ich, werde aber von dem Pärchen unterbrochen.
„Ist das nicht der Brandl Sepp?“
Papa, der immer noch wie ein zu fetter Käfer auf dem Bauch liegt, starrt in die Dunkelheit. Er kneift die Augen zusammen und wischt sich mit der dreckigen Hand einmal quer über das Gesicht. Das hätte er lieber bleiben lassen sollen. Jetzt sieht er wirklich aus wie ein Herumtreiber.
„Komm, Schatz, lass uns fahren“, drängt die Frau und zieht ihren Mann am Ärmel.
„Ich fresse einen Besen, wenn das nicht der Brandl Sepp war“, hören wir Schatz noch sagen, bevor er ins Auto steigt und den Motor anlässt.
Papa rappelt sich in Lichtgeschwindigkeit auf und stiert dem davonfahrenden Wagen hinterher. „War das der Lechleitner? Von der Stimme her könnte es auch der Obermeier gewesen sein. Aber was will der in Brunngries?“
„Es ist kalt!“ Fröstelnd schlingt Mama ihre Arme um ihren Oberkörper.
„Was, wenn der jetzt überall rumerzählt, dass ich betrunken auf einem Wirtshausparkplatz liege? Wie schaut denn das aus?“
„Das schaut aus, als ob du keinen Alkohol vertragen würdest.“
„Hast du nicht erkennen können, wer das war?“
„Nein. Ich hab zu dir geschaut, weil ich dachte, du hättest dich ernsthaft verletzt.“
„Geh Schmarrn!“
„Du hast gejammert, als ob die Schulter ausgekugelt wäre.“
„Das war doch nur im ersten Moment. Als ich noch nicht wusste, ob wirklich was ist. Sicherheitshalber, verstehst?“
Natürlich versteht sie. Er ist schließlich ihr Mann.
Eine viertel Stunde später ist endlich der Ersatzreifen montiert und wir können losfahren. Ich drehe die Heizung auf Anschlag. Um die Stille im Auto zu durchbrechen, schalte ich das Radio ein.
„Radio Gipfelwelle FM. Dein Lokalsender mit den neusten Informationen rund um deine Heimatgemeinde“, tönt es übertrieben gut gelaunt aus den Lautsprechern.„Auch heute wieder mit einem Exklusivinterview. Wir sprechen mit Bürgermeister Maierl über die geplante Hundelaufwiese in Katzbrück. Mehr dazu nach den Verkehrsnachrichten um halb. Doch zuerst haben wir Musik für euch.“
Die ersten Takte von Reinhard Meys „Über den Wolken“ erklingen. Ich drehe reflexartig leiser.
„Hundelaufwiese?“ Uschi klappt die Sonnenblende herunter und versucht, im Spiegel Blickkontakt mit Mama und Gertrud aufzunehmen. „Wusstet ihr davon? Wo soll die denn sein?“
„Mit deinem Zwergpinscher brauchsch du da eh ned hin. Wenn du den von der Leine läsch, schlüpft er in ein Mausloch und isch weg.“
Gertrud spricht aus, was alle anderen denken.
„Sag ja nix gegen meinen Puffel, der ist schlauer, als ihr denkt!“ Uschi lehnt sich mit verschränkten Armen zurück. „Ich bin ja gespannt, wie ich mit diesem Knie Gassi gehen soll.“
„Das übernimmt Sepp“, bestimmt Mama, ohne zu zögern. „Immerhin ist er schuld, dass du es dir verrenkt hast.“
„Aber …“, versucht Uschi, etwas zu erwidern, wird aber sofort unterbrochen.
„Bewegung tut ihm gut. Der ist momentan eh so unausgelastet.“ Mama beugt sich, so weit es der Anschnallgurt zulässt, nach vorne. „Ehrlich gesagt versteh ich nicht, weshalb Katzbrück eine Hundelaufwiese braucht. Hier auf dem Dorf hat doch jeder einen Garten.“
„Mei, Geli, du hast ja keine Ahnung!“ Unsere Hundebesitzerin schüttelt so vehement den Kopf, dass ihr die braunen, kurzen Locken ins Gesicht fliegen. „Da geht es um den sozialen Kontakt und Freundschaften. Ich fahr einmal die Woche nach Heidelkirchen zum Agility-Platz. Mein Puffel würde eingehen, wenn er immer nur daheim wäre.“
Ich stelle mir Uschis winzigen Pinscher vor, wie er in ihrem Achthundertquadratmetergarten völlig vereinsamt vor sich hinvegetiert.
„Zum Glück sind Hühner in dieser Hinsicht anspruchslos. Mit denen muss man weder Gassi gehen, noch Freundschaften pflegen. Ich bin gespannt, wie lange es noch dauert, bis sich Xaver durchsetzt. Er bearbeitet Sebastian, als hinge sein Leben davon ab.“
„Mei, der Bub! Einfach toll, was er sich wieder einfallen hat lassen.“
Ich setze den Blinker und werfe meiner selig grinsenden Mutter über den Rückspiegel einen Blick zu. In ihrem Gesicht spiegelt sich der unbändige Stolz wider, den nur eine Oma für ihren Enkel empfindet.
„Seit Tagen diskutieren die beiden im Kreis. Sebastian ist dermaßen pingelig geworden, seit er sich den Roboterrasenmäher angeschafft hat. Er befürchtet, dass die Hühner seinen heißgeliebten Rasen in einen Acker verwandeln.“
„Und? Bisch du auch gege die Hühner?“
Ich schüttle vehement den Kopf. „Im Gegenteil! Was Besseres könnte uns gar nicht passieren. Xaver lernt, Verantwortung zu übernehmen, und ich bekomme jeden Tag frische Eier. Vorausgesetzt, Xaver übernimmt die Verantwortung.“
„So ein schönes Frühstücksomelett mit frischem Schnittlauch und gebratenem Speck, da läuft mir glatt das Wasser im Mund zusammen“, schwärmt Uschi. „Und dann erst die knusprigen Brathähnchen aus Freilandhaltung …“
„Bis jetzt ist noch nichts in trockenen Tüchern!“, unterbreche ich ihre Fantasien. „Solange Sebastian nicht zustimmt, wird es nichts.“
„Dann überstimmt ihn doch einfach“, schlägt Mama vor. „Zwei gegen eins.“
„Auf gar keinen Fall! Wenn ich das mache, muss ich mir tagein, tagaus sein Gemecker anhören. Hab ich doch gleich gesagt, dass … hättet ihr auf mich gehört, dann … war doch klar, dass … Xaver braucht die Erlaubnis von uns beiden.“
„Und wenn Sebastian nicht einlenkt?“
„Das wird er schon. Nicht mehr lange, dann ist er von dem Thema so genervt, dass ein kurzes Gespräch unter Erwachsenen ausreicht, um ihn zu überzeugen.“
„Das machst du schon ganz richtig, Franzi“, meint Uschi. „Ich nenne das immer Diplomatische Führung des Ehemannes zum Wohle der Familie.“
„Mir Fraue send ebe ned nur für d’Koordinierung und Planung zuständig, sondern sorge mit Taktik und Raffinesse für eine ausg’wognä Familienpolitik.“
Dem einhellig gemurmelten „Mhm“ folgt nachdenkliches Schweigen. Jede der Damen hat mehrere Jahrzehnte Erfahrung in Sachen Familienpolitik.
Am nächsten Morgen werde ich von lautem Geschepper geweckt. Träge öffne ich die Augen und versuche, die Zahlen auf meinem Wecker zu entziffern. Sieben Uhr dreizehn. Sebastians Bettseite ist leer. Heute ist Freitag. Unser letzter Urlaubstag.
So weit die Fakten.
Normalerweise steht bei uns an so einem Tag keiner freiwillig vor zehn Uhr auf. Ich ziehe die Bettdecke über den Kopf und versuche, die penetranten Geräusche zu ignorieren. Es gibt bestimmt eine einfache Erklärung für all das. Vielleicht basteln Xaver und mein Mann am Hühnerstall?
Ein erneutes Scheppern reißt mich aus meinen Überlegungen. Nach Hühnerstall hört sich das nicht an. Eher nach schweren Gartenmöbeln, die über Beton geschoben werden. Setzt bei Sebastian langsam die senile Bettflucht ein? Mit einem resignierten Seufzen stehe ich auf und marschiere im Schlafanzug nach unten. Wobei Schlafanzug nicht ganz der richtige Ausdruck ist. Ich trage Unterhose und ein uraltes Batik-T-Shirt, das mir gerade mal bis zur Hüfte reicht.
„Sebastian!“, schreie ich durch die offene Terrassentür in den Garten. Tau glitzert auf den Blättern der Pflanzen, die ersten Vögel zwitschern und die kühle, klare Morgenluft verspricht einen wunderschönen Frühlingstag. Dankbar halte ich einen Augenblick inne und genieße den Moment. Es hat beinahe etwas Magisches, wie die Natur erwacht, während wir Menschen friedlich schlummernd in unseren Betten liegen, umhüllt von der wohligen Wärme unserer Daunendecken. Ein erneutes Knarren reißt mich aus meinen Gedanken.
„Sebastian? Bist du das?“
„Hier! Proberaum!“, hallt es dumpf zurück. Ich schlüpfe in die Clogs, die vor der Terrassentür stehen, und stapfe quer durch den Garten.
Sebastian steht im Alt-Herren-Pyjama, den er letztes Jahr von seiner Mutter zu Weihnachten geschenkt bekommen hat, in der Werkstatt und grinst mich selig an.
„Der neue Schlagzeuger kommt doch morgen. Probespielen. Ich will, dass alles perfekt vorbereitet ist.“
Die Vorbereitungen für den neuen Schlagzeuger. In mir kämpft das Gefühl von Erleichterung – es gibt eine einfache Erklärung – mit dem unbändigen Drang, ihm an die Gurgel zu gehen.
„Hast du mal auf die Uhr geschaut?“
„Ich konnte nicht mehr schlafen.“
„Danke! Ich jetzt auch nicht mehr!“
Erstaunt zieht er beide Augenbrauen nach oben.
„Du weckst mit deinem Lärm das ganze Viertel auf“, schimpfe ich und drossle anschließend meine Stimme. Nachdem er schon alle Nachbarn aus den Federn geholt hat, müssen wir ihnen nicht auch noch eine kostenlose Hörprobe unserer Auseinandersetzung geben. „Der wievielte Schlagzeuger ist das eigentlich, der bei euch vorspielt? Nummer sieben? Oder acht? Und jedes Mal machst du einen Aufstand, als würde Ringo Starr persönlich zu Besuch kommen.“
„Diesmal ist es perfekt, glaub mir. Er benutzt dieselbe Audiosoftware wie ich.“
Kopfschüttelnd drehe ich mich um und marschiere zurück ins Haus. Der Letzte, der zum Probespielen da war, hatte dieselbe Lieblingsband wie Sebastian und der Vorletzte dasselbe Auto. Wenn er nicht bald einen findet, der dieselben Ambitionen hat wie er, sehe ich schwarz für die Band.
Mit der Kaffeetasse in der Hand sitze ich kurze Zeit später am Küchentisch und schaue dem Tag beim Erwachen zu. Radio Gipfelwelle spielt romantische, sanfte Fahrstuhlmusik aus den Sechzigern. Die Sonne gewinnt nach und nach an Kraft und wirft ihre Strahlen wie Spinnweben durch die dichten Blätter des Rhododendrons. Dessen kleine, feste Knospen erzählen die Geschichte von der Kraft, die Mutter Natur jedes Jahr aufs Neue durch die Erde schickt. Es ist immer wieder erstaunlich, wie nach dem Winter das Leben in den grauen, kalten und trostlosen Garten zurückkehrt. Im Hintergrund zieht Sebastians Rasenmäherroboter seine Runden und sorgt dafür, dass jeder Grashalm auf den Millimeter genau gleich lang ist.
Um kurz nach acht schießen beim Nachbarn im ersten Stock die Rollos in die Höhe. Am Fenster erscheint ein zerknittert dreinblickender Endfünfziger, der verwundert auf Sebastian herabblickt. Dieser kehrt im Schlafanzug den Eingangsbereich der Werkstatt. Keine halbe Stunde später fegt der Nachbar ebenfalls. Vor seiner Haustür. In grau-blauen Funktionsklamotten. Mit Stirnband. Ja, es ist noch kühl. Aber nicht so kühl.
Freundlich grüßt ihn Sebastian, indem er die Hand hebt und ein Guten Morgen! Auch schon wach? Heute ist doch dein freier Tag, oder nicht? hinüberschreit.
„Der frühe Vogel fängt den Wurm! Und du?“
„Ich hab morgen Bandprobe. Da will ich alles auf Vordermann bringen.“
Rüdiger Holzmann zieht abschätzig eine Augenbraue nach oben. „So, so. Macht ihr also wieder Lärm.“ Er lacht, als hätte er soeben einen Witz gemacht.
„Wir haben schon viel zu lange pausiert. Wird Zeit, dass mal wieder Kontinuität reingebracht wird.“
„Ja, ja. Wer rastet, der rostet.“
„Sag ich auch immer. Also, schönen Tag noch!“
Kopfschüttelnd schließe ich die Terrassentür, die ich zehn Minuten zuvor zum Lüften geöffnet hatte. Dass Sebastian versteckte Signale nicht erkennt, ist nichts Neues. Wenn ich mir zum Geburtstag eine Halskette wünsche, dann muss ich ihm das klipp und klar sagen. Mit Artikelnummer, Preis und Adresse. Dass sich unser Nachbar womöglich von der Band gestört fühlt, wird mein Mann also erst kapieren, wenn sich dieser mit einer Flasche Bier in der Hand zu einem offenen Gespräch unter Männern bei ihm einlädt.
„Bist du sicher, dass die Werkstatt schalldicht ist?“, frage ich beim späten Frühstück und deute mit dem Kinn Richtung Nachbargrundstück, das an das Gebäude angrenzt. Ich selbst war noch nie im Garten, wenn Sebastian eine seiner seltenen Proben hatte.
„Absolut. Ich hab sie selbst isoliert.“
„Aber du hast es nie überprüft, oder?“
„Da hört man nichts raus.“
„Bist du jemals im Garten gestanden, wenn die Band gespielt hat?“
Mein Mann wirft mir einen verständnislosen Blick zu. „Ist die Frage ernst gemeint?“
„Rüdiger wird eure Musik wohl nicht ohne Grund als Lärm tituliert haben, oder?“
„Er hat einen Witz gemacht! Wie das unter Nachbarn eben üblich ist.“
„Dann hoffen wir mal, dass er den gleichen Humor hat wie du.“
Sebastians anschließendes Schweigen kann man in zweierlei Richtungen deuten. Entweder nachdenkliche Stille oder – was wahrscheinlicher ist – zufriedene Ruhe. Der neue Schlagzeuger kommt morgen, die Terrasse ist blitzblank und dem guten ersten Eindruck steht nichts mehr im Weg.
Gegen halb elf schlurft Xaver aus seinem Zimmer, holt sich einen Teller und setzt sich zu uns an den Tisch. Keine fünfzehn Minuten später sagt er auch schon das erste Wort.
„Und?“
„Wie? Und?“, fragt Sebastian.
„Das mit den Hühnern. Geht klar, oder?“
„Gar nichts geht klar. Bisher habe ich noch nicht zugestimmt.“
„Der Bachegger will seinen Stall loshaben. Lange können wir nicht mehr warten, sonst entsorgt er ihn.“
„Dann ist das eben so. Ich lass mich doch nicht von einem alten Stall unter Druck setzen.“
„Und ich lass mir die Chance nicht entgehen, nur weil du fünfhundert Jahre für eine Entscheidung brauchst.“
Das veranlasst Sebastian dazu, die Solange-du-deine-Füße-unter-meinen-Tisch-stellst-Karte auszuspielen, woraufhin Xaver mit seinem Teller in die Küche marschiert und dort zu Ende isst.
„Jetzt sind meine Füße nicht mehr unter deinem Tisch!“, nuschelt er mit vollem Mund, was Sebastian zu einem längeren Monolog über Metaphern und den Respekt vor Eltern veranlasst. Das Ganze gipfelt in den Spruch „Du weißt gar nicht, wie gut du es hast.“
„Gut?“, wiederholt Xaver übertrieben laut und schüttelt den Kopf. „Ich werde behandelt wie ein Kleinkind.“
„Wenn du erwachsen bist und eine eigene Wohnung hast, kannst du machen, was du willst.“
„Wenn ich eine eigene Wohnung habe, kann ich dort ganz bestimmt keine Hühner halten.“
„Siehst du? Was soll mit den Tieren passieren, wenn du ausziehst?“
„Da finden sich schon Abnehmer. Den Hühnern ist es völlig egal, wenn der Besitzer wechselt. Hauptsache, die Futterschüssel ist voll.“
„Und falls sich keiner findet?“
„Dann kann man sie immer noch abstechen und in den Backofen schieben.“
Sebastians Adamsapfel hüpft nervös auf und ab. Er ist eben nicht auf dem Dorf aufgewachsen so wie ich. Dass Wurst und Fleisch mit dem Töten von Lebewesen einhergehen, kennt er nur aus der Theorie. Ich hingegen habe schon als Kind meiner Oma beim Ausnehmen von Enten, Gänsen und Hühnern geholfen. Nur bei den Stallhasen wollte ich nicht dabei sein, deren weiches Fell hat mich zu sehr an meine Kuscheltiere erinnert.
„Schaff dir lieber ein Meerschweinchen an. Oder einen Wellensittich. Die kannst du auch in deiner Studentenbude halten“, schlägt er nach ein paar Sekunden vor.
„Wer sagt denn, dass ich studiere?“
Mein Mann wirft mir einen alarmierten Blick zu, doch ich zucke nur mit den Schultern. Auf dieses Minenfeld werde ich mich jetzt ganz bestimmt nicht begeben.
„Wenn du Abitur hast, stehen dir alle Türen offen. Du wärst schön blöd, wenn du das nicht nutzen würdest.“
„Wenn ich Hühner bekomme, studiere ich. Sonst nicht!“
Fassungslose Stille.
„Abgemacht?“ Xaver streckt seinem Vater die Hand entgegen. Doch dieser nuschelt nur etwas von drüber nachdenken und beugt sich wieder über seinen Teller.
Xavers Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen.