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Antonia Vitz

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Beschreibung

„Ich hätte die Ruhe gerne einen Moment genossen. Aber wir haben ja Papa dabei.“ Die Schwestern Franzi und Betti fahren ohne ihre Ehemänner in den Sommerurlaub. Erholung beim Campen in Tirol? Nicht, wenn Vater Sepp mitkommt und versehentlich eine Dating-App nutzt, während das spießige Rentnerehepaar von nebenan ständig ungefragt Erziehungstipps gibt. Und erst recht nicht, wenn zwei gut aussehende und äußerst unspießige Marokkaner ihre Zelte auf dem Nachbarplatz aufschlagen, bei denen sich Sepp als interkultureller Vermittler versucht. Dann auch noch Franzis Ehekrise mit Sebastian. Die Nerven liegen blank! #1 Kindle Humor Autorin Antonia Vitz nimmt mit markantem Humor und gekonntem Sprachwitz den Charme typisch menschlicher Schwächen ins Visier. Sie schafft es mit Leichtigkeit, Figuren und Situationen auf den Punkt zu bringen. Ein Buch, das schnell begeistert. Unbedingt lesenswert! (Printausgabe 328 Seiten)

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Antonia Vitz

 

Servus aleikum

Urlaub mit Sepp

 

Das Buch

 

„Ich hätte die Ruhe gerne einen Moment genossen. Aber wir haben ja Papa dabei.“

 

Die Schwestern Franzi und Betti fahren ohne ihre Ehemänner in den Sommerurlaub. Erholung beim Campen in Tirol? Nicht, wenn Vater Sepp mitkommt und versehentlich eine Dating-App nutzt, während das spießige Rentnerehepaar von nebenan ständig ungefragt Erziehungstipps gibt. Und erst recht nicht, wenn zwei gut aussehende und äußerst unspießige Marokkaner ihre Zelte auf dem Nachbarplatz aufschlagen, bei denen sich Sepp als interkultureller Vermittler versucht. Dann auch noch Franzis Ehekrise mit Sebastian. Die Nerven liegen blank!

 

#1 Kindle Humor Autorin Antonia Vitz nimmt mit markantem Humor und gekonntem Sprachwitz den Charme typisch menschlicher Schwächen ins Visier. Die Autorin schafft es mit Leichtigkeit, Figuren und Situationen auf den Punkt zu bringen. Ein Buch, das schnell begeistert. Unbedingt lesenswert!

 

„Man kann es nicht anders sagen: Antonia Vitz brilliert mit ihren bayerisch humorigen Romanen.“ (Publicmagazin)

 

#1 Kindle Bestseller in mehreren Kategorien.

 

 

 

 

Die Autorin

Antonia Vitz ist eine waschechte Bayerin mit „Auslandserfahrung“ in Baden-Württemberg. Sie wurde 1975 in der Nähe von Regensburg geboren und wuchs in einem kleinen Dorf in der Oberpfalz auf. „Ich beobachte leidenschaftlich gerne die typischen Eigenheiten und Gepflogenheiten meiner Mitmenschen“, verrät die Autorin. Dabei beweist sie ein besonderes Auge für die kleinen Grotesken des Alltags und den Charme menschlicher Schwächen.

Ihr erster Roman Nerventeeerschien 2019 im Verlag Tinte & Feder und begeisterte die Leser mit Sprachwitz und Humor. Dem #1 Kindle Humor Bestseller folgten weitere Romane mit dem bei den Lesern beliebten Grantler Sepp. Zum Roman DrahtseilTakt – Jack Blackbird in Katzbrück (Pinguletta Verlag) wurde eigens das Musikalbum Black Birdkomponiert. Buch und Musik fanden sofort Anklang in Funk und Fernsehen.

Die freiberufliche Autorin ist mit Musiker Daniel Gumo Reiss und dem Programm „Fast (k)eine Lesung“ in Deutschland und Österreich auf Tour. Das sympathische Duo begeistert das Publikum mit temporeichen Dialogen, viel Humor und Live-Songs. „Ich möchte die Menschen zum Lachen bringen, aber auch zum Nachdenken anregen. Das ist mein Anspruch an mich selbst“, so Antonia Vitz.

 

Termine und Informationen gibt es auf

Antoniavitz.de

 

 

 

 

 

 

Roman

 

Deutsche Erstveröffentlichung 1. Mai 2020

Copyright © 2020 Antonia Vitz

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN: 9783759228079

Antonia Vitz

Reutinger Weg 26

92449 Steinberg am See

[email protected] Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

 

Lektorat und Korrektorat:

Media-Agentur Gaby Hoffmann

 

Umschlaggestaltung:

Stephanie Umlauf, Igls, www.steffiumlauf.com

 

Umschlagmotiv by Stephanie Umlauf 

 

Inhalt

Atemlos

Aktivkohle

Gewichtsprobleme

Stockender Verkehr

Unter Beobachtung

Männer mit Bart

Freikörperkultur

Fleisch

Vorurteile

Liebe

Dreimal täglich

Finanzamt

Inder mit „T“

Matsch

Desillusioniert

Weinschorle

Vanilleeis

Nerventee

Kopfsache

Alarm

Besuchszeit

Drama Baby, Drama!

Resturlaub

Kontrollverlust

Keine Danksagung

 

Atemlos

 

Ich könnte jetzt so schön zu Hause staubsaugen oder das Klo putzen. Stattdessen stehe ich mit rot geflecktem Gesicht in der Flatschinger Fußgängerzone und schwitze wie ein Elch. Nicht wegen der achtundzwanzig Grad Celsius, die für Ende Juli sogar recht angenehm sind. Eher wegen der Umstände. Ein fremder Mann mit grauem Schnauzbart marschiert in meine Richtung. Ich quäle mir ein freundliches Lächeln ins Gesicht, stelle Blickkontakt her, gehe auf ihn zu und hole tief Luft.

„Na, na, na, na-na …“, singe ich und wedle gleichzeitig auffordernd mit den Armen durch die Luft. Komm jetzt Schnauzbart, mach schon!, denke ich, während ich verbissen weitergrinse.

Doch anstatt „Life is live“ zu singen, zeigt er mir einen Vogel, macht kopfschüttelnd einen weiten Bogen um mich und verschwindet Richtung Marktplatz.

Spast! Warum haben die Leute hier alle so einen Stock im Arsch? Allmählich habe ich wirklich die Nase voll von dieser bescheuerten Aktion. Genervt schaue ich zur Eisdiele rüber.

Meine Schwester Betti sitzt gemütlich an einem der Plastiktischchen unter einem riesigen Sonnenschirm und löffelt Milchschaum von ihrem Cappuccino.

Ich stecke mir den Zeigefinger in den Mund und tu so, als ob ich kotzen müsste. Doch sie zuckt nur mit den Schultern und malt eine große Zwei in die Luft. Ich weiß. Erst zwei Menschen haben auf meinen Gesang geantwortet. Drei weitere brauche ich noch. Zuerst dachte ich wirklich, die ganze Geschichte wäre in weniger als zwanzig Minuten erledigt. Den ersten Treffer landete ich gleich zu Beginn bei einer Öko-Mutti mit Jutebeutel und fransigen blonden Haaren. Freudestrahlend schwang sie ihre Hüften und sang mit in die Luft gereckten Händen „Life is live, na, na, na, na-na, biwidababa life! Na, na, na, na-na …“. Ich war glücklich und hatte keine Ahnung! Die nächste Gesangserwiderung erhielt ich erst eine knappe halbe Stunde später von einem stadtbekannten Alkoholiker ohne feste Bleibe, der auf „Ein Bett im Kornfeld“ mit „das ist immer frei“ antwortete. Gemeinsam hauten wir dann enthusiastisch „denn es ist Sommer, und was ist schon dabei“ heraus. Anschließend verließ uns der Text.

Ich überlege, ob ich eine kurze Pause machen oder direkt das Handtuch werfen soll, als ein Typ mit grünem Iro, Ramones-Shirt und knallenger schwarzen Hose auf mich zukommt. Ein Punk – warum eigentlich nicht? In meinem Kopf blitzt sofort der richtige Song auf. Ich winke kurz, um ihn auf mich aufmerksam zu machen. Als er mich fragend ansieht, lege ich ohne lange zu überlegen los:

„Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe, Deine Springerstiefel sehnen sich nach Zärtlichkeit“, ich hoffe inständig, dass er alt genug ist, um den Song der Ärzte zu kennen. Da er weder die Stirn runzelt, noch peinlich berührt das Weite sucht, mache ich weiter: „Du hast nie gelernt dich zu artikulieren und deine Eltern hatten niemals für dich Zeit – oh oh oh …“ An dieser Stelle deute ich auf ihn, er reckt die Faust nach oben und schmettert mir ein lautstarkes „Arschloch“ entgegen.

„Jawohl, das wollte ich hören!“, freue ich mich erleichtert und wir klatschen ab. Am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen. Nummer drei! Endlich! Ich schiele zu meiner Schwester hinüber. Hoffentlich hat sie das „Arschloch“ gehört. Aber so wie sie beide Daumen nach oben reckt, hat sie.

Der Punk folgt meinem Blick. „Hast ’ne Wette verloren?“

Ich zucke stumm mit den Schultern.

„Na, freiwillig wirst du hier nicht stehen, oder?“

„Auf jeden Fall hast du cool reagiert, danke dir!“, wechsle ich das Thema, weil ich es beim besten Willen nicht vertiefen will.

Doch anstatt mir einen schönen Tag und noch viel Erfolg zu wünschen, grinst er mich bloß schief an.

Ich grinse dämlich zurück. Was soll ich auch sonst machen?

„Du, sag mal“, rückt er schließlich mit der Sprache raus und kratzt sich am Kinn, „hast du vielleicht ’nen Zehner für mich?“

Einen Zehner? Meint der jetzt Euro?

„Euro?“, frag ich deshalb sicherheitshalber.

Er nickt.

Geht’s noch? Früher hieß das doch immer: „Haste mal ’ne Mark?“ Das wären umgerechnet 50 Cent.

Da ich ihn ungläubig anstarre, anstatt meinen Geldbeutel zu zücken, neigt er irgendwann den Kopf leicht zur Seite und beugt sich vertraulich zu mir vor. „Ey komm, dir tut er nicht weh und ich kann ihn gut brauchen. Ich bin dir auch echt dankbar.“ Seine Stimme ist warm und freundlich. Trotzdem schüttle ich unmerklich den Kopf. Nur weil er richtigerweise mit „Arschloch“ geantwortet hat, muss ich ihm doch kein Geld geben, oder? Da quält man sich bei jeder Onlinebestellung mit dem Mindestbestellwert, um ja nicht drei Euro fünfundneunzig Versandkosten zahlen zu müssen, und jetzt soll ich einfach so zehn Euro rausrücken?

Der Punk setzt so etwas Ähnliches wie einen Hundeblick auf und wartet. Und verunsichert mich. Bin ich ein böser Mensch? Ist das schlecht für mein Karma?

„Vielleicht hab ich einen Euro.“

Immerhin hat er ja gesungen. Ich öffne meine Umhängetasche. Handtasche kann man bei einer Größe von dreißig mal vierzig Zentimetern nicht mehr dazu sagen. Umhängetasche finde ich eine niedliche Umschreibung dieser Riesendinger, die manche Frauen, mich eingeschlossen, ständig mit sich rumschleppen. Ich öffne also meine Umhängetasche und wühle nach dem Geldbeutel. Als ich ihn endlich gefunden habe, geht die Wühlerei weiter: Ich schiebe einen Berg Münzen hin und her in der Hoffnung, ein Eurostück darin zu entdecken. Irgendwann wird’s allerdings peinlich und ich drücke dem Punk zähneknirschend ein Zwei-Eurostück in die Hand. Was solls? Doch anstatt sich anständig bei mir zu bedanken und Leine zu ziehen, starrt er auf das Geld in seiner Hand.

„Was ist?“, frage ich genervt.

„Zehn war abgemacht.“

Ich lasse meinen Geldbeutel wieder in meiner Tasche verschwinden, ziehe demonstrativ den Reißverschluss zu und fixiere sie unter der Achsel. Anschließend sehe ich den Typen herausfordernd an.

„Komm ey, du stehst doch nicht zum Spaß hier und singst.“

„Und?“

„Und ich hab dir geholfen, indem ich mitgemacht habe, oder?“ Mit einem Kopfnicken deutet er Richtung Betti. Ich schaue auf das Zwei-Eurostück in seiner Hand, und ohne groß darüber nachzudenken, schnappe ich es mir und stecke es in die Hosentasche.

„Sag mal, was soll das? Das sind meine zwei Euro!“ Sein Blick wandert von seiner leeren Hand zu meiner Hosentasche, in der sich nun das Geld befindet.

„Weißt du“, schnurre ich mit zuckersüßer Stimme, „ich singe verdammt gern. Einfach so zum Spaß. Vollkommen freiwillig.“

Der Punk schnaubt abfällig. „Ey Alte, du hast ja ’nen Knall. Echt. Tzzz!“ Kopfschüttelnd dreht er sich um und schlurft weg.

Nur noch zwei, dann bin ich erlöst.

 

Eine Gruppe kopftuchtragender Muslimas marschiert gackernd an mir vorbei. Da halte ich mal lieber den Mund. Keine Ahnung, was ich singen könnte, damit die antworten. Vermutlich irgend so ein Muezzinzeug, von dem ich keinen Schimmer habe. Besser, ich konzentriere mich auf Kinder. Da kenn ich mich aus. Ich versuche es mehrmals mit Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann, aber die Kleinen werden an der Hand ihrer Eltern energisch von mir fortgezerrt. In meiner Verzweiflung sinke ich gegen siebzehn Uhr so tief, dass ich es mit meinem größten Hasslied nach Last Christmas versuche: Helene Fischers Atemlos. Ich picke mir ein Rentnerpärchen heraus, das nach Schlager aussieht und mit seiner Enkeltochter im Schlepptau auf mich zukommt. Das Kind ist mit einem riesigen Schokoladeneis beschäftigt. Ich lächele.

„Entschuldigen Sie bitte?“ Als die Rentner stehenbleiben und mich fragend ansehen, hole ich tief Luft und singe A-tem-los …

Keine Reaktion.

Also versuche ich es nochmal: A-tem-los …

Da nimmt das kleine Mädchen das Eis aus seinem Gesicht und – ich kann es kaum glauben – trällert: durch die Nacht, bis ein neuer Tag erwacht …

Oma und Opa schauen das Kind genauso überrascht an wie ich. Es grinst von einem Ohr bis zum andern.

„Mein Lieblingslied. Deins auch?“

„Naja …“ Jetzt bin ich leicht verlegen. „Nicht direkt.“ Schnell lasse ich meine Hand in der Hosentasche verschwinden und hole den Zwickel raus. „Hier, für dich, weil du so schön gesungen hast.“

Bi-Ba-Butzemann. Ich Depp! Schlager, das wollen die Kids heutzutage hören!

Mit dem Drafi Deutscher-Song Marmor Stein und Eisen bricht erlöst mich eine Frau mit Dauerwelle kurze Zeit später von meiner Aufgabe. Ich habe die fünf voll. Nie wieder im Leben, das schwöre ich mir in diesem Augenblick heiß und innig, nie wieder werde ich jemals wetten.

Meine Schwester Betti schlendert breit grinsend auf mich zu.

„Das hat ja ganz schön gedauert. Ich hab schon befürchtet, du gibst auf.“

Ganz schön gedauert? Aufgeben?

„Stell du dich doch mal da hin“, schimpfe ich. „Eins sag ich dir: Für mich war das heute eine Doppelveranstaltung. Das erste und das letzte Mal, dass ich sowas gemacht habe. Kannst du dir auch nur ansatzweise vorstellen, wie deppert sich das anfühlt?“

Betti schüttelt den Kopf. „Zum Glück nicht. Ich hätte mich das nicht getraut, wenn ich ehrlich bin.“

Wenigstens gibt sie es zu. Das versöhnt mich etwas.

„Das Singen war echt eine Herausforderung für mich. Ich glaub nicht, dass mir so eine krasse Aufgabe eingefallen wäre, wenn ich gewonnen hätte.“

„Du hättest nicht gewonnen.“ Womit wir wieder beim Thema wären – dieser vermaledeiten Wette. Am liebsten würde ich mich jetzt noch in den Arsch beißen, dass ich darauf eingegangen bin.

 

Unser Papa ist Rentner und macht am liebsten das, was die meisten Rentner tun: Er werkelt das ganze Jahr über im Garten rum, versteckt sich in der Werkstatt oder liegt unter seinem Auto. Deshalb hat er auch niemals Zeit, die wirklich wichtigen Arbeiten zu erledigen. Dazu zählen in den Augen meiner Mama Treppengeländer streichen, Hochbeet abreißen, den Saustall vor, hinter und in der Werkstatt aufräumen, Wohnzimmer streichen und Sauna entrümpeln. Sie hat schon vor eineinhalb Jahren eine Liste an den Kühlschrank gehängt, über der dick und fett steht Aufgaben Sepp!

Jedes Mal, wenn ihm langweilig ist und er meint, er müsse sich positiv im Haushalt einbringen, indem er ihr seine Ideen zur Ablaufoptimierung mitteilt, hält sie ihm den Zettel unter die Nase.

„Mensch Geli, jetzt holst du schon wieder eine frische Tasse aus dem Schrank! Du kannst doch die vom Frühstück nochmal für den Nachmittagskaffee hernehmen.“

Meine Mama hat in solchen Momenten lediglich einen kleinen Seitenblick für ihren Mann übrig. Anschließend knockt sie ihn elegant aus mit: „Heut könntest du eigentlich unser Geländer im Treppenhaus streichen, Sepp. Das Wetter wär ideal, kannst eh nix draußen machen.“

„Ja, freilich, es nieselt doch bloß, das hört gleich wieder auf. Ich muss heute das Messer vom Rasenmäher ausbauen, das gehört sich noch geschliffen, bevor’s wieder losgeht mit der Mäherei.“

Und schon hat sie wieder ihre Ruhe in der Küche. Aber eben auch kein gestrichenes Treppengeländer und sie hätte es zu gern noch erlebt, dass er irgendwann einmal was von ihrer Liste erledigt.

Aber ich sah da bisher absolut keine Gefahr. Deshalb habe ich letztes Jahr an Ostern mit meiner Schwester gewettet: Wenn der Papa bis Weihnachten auch nur einen Punkt von der Liste erledigt, muss der Verlierer dem Gewinner einen Wunsch erfüllen, egal welchen. Ich war mir hundertprozentig sicher, dass ich gewinnen würde. Nie im Leben würde Papa einen dieser Punkte erledigen, schon aus Prinzip nicht. Er lässt sich doch nicht vorschreiben, was er als Nächstes tun muss. Mein Vater macht nie das, was andere von ihm erwarten.

Und dann? Was tat er? Auf jeden Fall nicht das, was ich von ihm erwartet hatte: Er räumte die Sauna aus. Damit hatte ich die Wette verloren.

 

„Und? Was wünscht du dir jetzt von mir?“, fragte ich meine Schwester. Ich war mir sicher, dass ich einen Tag Babysitten müsste oder so was in der Art. Was bestimmt ziemlich anstrengend für mich geworden wäre, schließlich sind meine Kinder bereits siebenund zehn und Bettis drei Wildfänge noch im trotzigen Kindergartenalter. Da kann man nicht schnell mal sagen „Geh bitte in die Dusche“. Stattdessen steht man schön mit drin in der Dusche. Oder eben die ganze Klogeschichte, damit hat man bei einem Siebenjährigen nichts mehr zu tun. Bei den Kleinen kannst du dir aussuchen, ob du wahlweise die ganze Zeit danebenstehst, bis sie fertig sind, oder eben lieber anschließend das Klo putzt. Solange sich so ein Zwerg nicht selbstständig abputzen kann nach dem großen Geschäft, besteht nämlich immer die Gefahr, dass er vom Klo runterrutscht und dich suchen geht, um dir mitzuteilen, dass du ihm jetzt den Hintern abwischen kannst. Und was das für die Klobrille bedeutet, kann man sich ja vorstellen. Bei Jungs – und Betti hat drei Jungs – muss man sowieso immer aufpassen, dass das Zipfelchen dahin zielt, wo es hinzielen soll. Sonst steht man schnell in einer lustigen Pfütze und muss außerdem noch eine trockene Hose für das Kind besorgen. Oder es ging nur ein bisschen daneben und bleibt deshalb unbemerkt. In dem Fall setzt man sich beim nächsten Toilettenbesuch auf eine angefeuchtete Klobrille, was ein wirklich saublödes Gefühl an der Oberschenkelrückseite ist. Das alles hätte ich auf mich genommen.

Aber nein, Betti verlangt von mir, fünf fremde Menschen dazu zu bringen, ein Lied meiner Wahl zu singen, indem ich ihnen den Anfang des Liedes vorsinge. Ich habe meine ganze Überredungskunst eingesetzt, um sie von dieser bescheuerten Idee abzubringen. Ich und Singen! Und dann noch in der Öffentlichkeit. Mein ganz persönlicher Albtraum. Aber meine liebe Schwester hat stur darauf beharrt, dass ich das jetzt einfach durchziehen müsse, weil sie sich schon dermaßen darauf freue. Schließlich seien Spielschulden Ehrenschulden. Da konnte ich ihr nicht widersprechen. Vor allem bei uns auf dem Land gilt eine Vereinbarung per Handschlag noch etwas. Darum blieb mir nichts anderes übrig, als mich zusammenzureißen und … naja, zu tun, was zu tun war. Dass es so dermaßen schlimm werden würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich dachte, sobald die erste Angst überwunden ist, wäre die Sache innerhalb weniger Minuten erledigt. Da lag ich sauber daneben!

„Wenn ich einen Tag babygesittet hätte, hättest du mehr davon gehabt“, mosere ich deshalb, als wir wieder auf dem Heimweg sind.

Aber Betti lacht und schüttelte den Kopf. „Glaub mir, bestimmt nicht.“

Damit hat sie wahrscheinlich sogar recht. Aber zugeben würde ich das nicht. Wir marschieren gemeinsam Richtung Parkhaus, wobei Betti unterwegs immer wieder anfängt hysterisch zu kichern. „Der Schnauzbart hat ja echt gedacht, du bist nicht ganz dicht. Und der Punk erst! Als du ihm das Geld aus der Hand genommen hast, habe ich befürchtet, er haut dir gleich eine rein.“ Das habe ich ehrlich gesagt auch befürchtet. „Und wie käseweiß du im Auto neben mir gesessen bist, als wir nach Flatsching gefahren sind. Ich war mir sicher, du kneifst.“

„Ich? Kneifen? Niemals! Und überhaupt, so schlimm wie du jetzt tust, war es auch wieder nicht für mich.“

Nun, wo alles vorbei ist, kann ich natürlich große Sprüche reißen.

Betti blinzelt mich schief von der Seite an. Sie ist meine Schwester. Der einzige Mensch, der mich komplett durchschaut – immer.

 

Als wir eine halbe Stunde später endlich bei mir zu Hause auf der Terrasse sitzen, gesellt sich natürlich sofort mein Mann Sebastian zu uns. Der konnte leider nicht mit nach Flatsching, weil er ausgerechnet heute beim Umzug eines Arbeitskollegen helfen musste. Ich war gottfroh über diesen Umzug. Das hätte mir gerade noch gefehlt, wenn Sebastian meinen peinlichen Auftritt live mitbekommen hätte. Aber kaum hält jeder ein Bier in der Hand, schildert ihm Betti natürlich sofort brühwarm jedes noch so kleine Detail. Sebastian genießt es meiner Meinung nach etwas zu sehr, sich anzuhören, wie ich mich heute zum Affen gemacht habe. Allein deshalb, weil er mit dieser Wette ja eigentlich gar nichts zu tun hat, wie er in den vergangenen Tagen ständig betonte. Besonders dann, wenn ich ihm vorgejammert habe, was sich meine Schwester für eine bescheuerte Aufgabe für mich ausgedacht habe und ob ihm nichts einfalle, wie ich aus dieser Sache rauskommen könne.

„Wettschulden sind Ehrenschulden, da kann man leider nix machen“, dozierte er dann immer recht gescheit.

„Ja, schon, aber Singen … Ich mein Singen. Und dann noch fremde Leute animieren mitzusingen. Und das ich! Schlimmer geht’s doch gar nicht!“, jammerte ich dann meistens rum, woraufhin er nur wenig hilfreich antwortete:

„Darum geht‘s doch beim Wetten. Sonst kann man sich die Wetterei ja gleich sparen, wenn der Wetteinsatz dem Verlierer nichts ausmacht.“

„Wer rechnet auch damit, dass der Papa plötzlich die Sauna ausräumt?“, maulte ich und Sebastian hatte auch darauf eine Antwort.

„Die Betti.“

Das war jetzt nicht das, was ich in dieser Situation hören wollte. Also habe ich es einfach ignoriert und weiter nach einer Idee gesucht, wie ich dem ganzen Spaß entkommen könnte.

„Eigentlich muss der Papa singen, nicht ich. Schließlich ist er schuld, dass ich die Wette verloren hab.“

Sebastian sah mich nur mit hochgezogener Augenbraue an. Ich fand den Gedanken aber gar nicht so abwegig. Deshalb fragte ich meinen Vater, ob er nicht nächsten Samstag in der Fußgängerzone ein bisschen singen wollen würde. Wollte er aber leider nicht. Das hat mich noch mehr geärgert, weil er ja sonst auch nicht gerade auf den Mund gefallen ist und immer und überall jedem mitteilt, was er sich denkt. Aber jetzt, wo es mal wichtig gewesen wäre, dass er sich in den Mittelpunkt drängelt, da wollte er dann plötzlich nicht, mein Herr Vater.

„Ich stell mich doch nicht hin und sing. Wie wenn ich nichts Besseres zu tun hätt an einem Samstag. Da wird der Rasen gemäht oder das Auto gewaschen, aber doch nicht gesungen.“

Grad, dass er mir keinen Vogel gezeigt hat. Aber er war, glaube ich, kurz davor.

Wie gesagt, ich bin einfach nicht rausgekommen aus der Nummer.

„Du brauchst dem Sebastian gar nicht alles so genau zu erzählen. Der hat überhaupt kein Recht, das zu wissen!“, rege ich mich deshalb bei der Betti auf. Ist doch wahr! Sebastian ist anderer Meinung. „Wer musste denn dein Gejammer die ganze letzte Woche ertragen?“

„An meiner Stelle hättest du noch tausendmal mehr gejammert, lieber Sebastian!“

„Ich wär gar nicht an deine Stelle geraten, weil ich nämlich nicht wette.“

„Weil du kein Risiko eingehst.“

„Warum auch, wenn es nicht sein muss?“

„Weil es das Leben viel aufregender macht, wenn man ab und zu etwas Unberechenbares macht!“

„Mein Leben ist aufregend genug, Franzi. Ich bin mit dir verheiratet.“

Das bringt ihm einen heftigen Fauststoß am Oberarm ein, aber er verzieht keine Miene. Deshalb ziele ich nochmal auf die gleiche Stelle. Beim vierten Schlag zuckt er endlich zur Seite und schimpft: „Aua, das tut weh!“

Ich bin zufrieden. Das legt sich aber schnell wieder, als Betti ihr Handy aus der Tasche zieht und – ich fasse es nicht! – ein Video abspielt. Darauf bin ich zu sehen, wie ich Bi-Ba-Butzemann singe. In Flatsching. In der Fußgängerzone.

„Du hast das jetzt nicht gefilmt!“ Entsetzt starre ich auf ihr Smartphone.

„Selbstverständlich habe ich gefilmt.“

„Spinnst du? Lösch das sofort wieder!“, fahre ich sie an und versuche gleichzeitig, das Handy zu schnappen.

Aber Betti ist schneller, ich greife ins Leere.

„Betti! Lösch das!“

„Ja, ich lösch es. Versprochen. Wenn es Tom gesehen hat.“

„Tom?“ Dr. Thomas Fuchsberger. Mein Schwager, Bettis Ehemann, der Vater meiner Neffen. Der Tom, der sich die nächsten zwei Wochen als Keynote Speaker auf irgendeinem Kongress in Spanien herumtreibt.

„Ich hab ihm versprochen, dass ich filme. Als Beweis, dass du es auch tatsächlich durchgezogen hast. Er hat nämlich mit mir gewettet, dass du kneifst.“

„Um was?!“, will ich wissen.

Betti grinst.

„Um eine Woche mit den Kindern aufs Klo gehen.“

Jetzt bin ich tatsächlich beeindruckt. Kein Wunder interessiert sie sich nicht für meinen Vorschlag mit einem Tag Babysitten. Eine Woche lang Klodienst bei drei gut verdauenden Kleinkindern. Hölle!

„Und wie oft am Tag gehen eure drei aufs Klo?“, will Sebastian wissen. Ich auch.

„Naja, jeder so ein bis drei Stinker plus jeden Augenblick pieseln.“

Ich überschlage kurz und komme auf 42 Stinker, Toms eigene noch gar nicht mitgerechnet. Dazu vielleicht viermal Pieseln pro Kind und Tag … „Da rennt man ja an die zwanzig Mal täglich!“, stelle ich entsetzt fest.

Betti zieht ihre Stirn in Falten und setzt einen sehr konzentrierten Gesichtsausdruck auf, als würde sie nachrechnen.„Jaa, das kommt hin. Im Prinzip macht man den ganzen Tag nichts anderes, als eines der Kinder aufs Klo zu setzen. Und? Darf ich ihm das Video zeigen?“

Ich überlege. Eine Woche lang Klodienst. Das ist schon ein Brett. Und so schlimm wäre es ja auch nicht, wenn Tom mich singen sieht. Er hat mich bereits in peinlicheren Situationen erlebt. Zum Beispiel damals, als ich herausfinden wollte, wie es ist, eine Frau zu küssen. Natürlich war ich betrunken. Natürlich in der Öffentlichkeit. Und natürlich hat er nichts dazu gesagt, sondern nur Richtung Bar gedeutet und gemeint: „Ich hol noch ein Bier. Wenn ihr fertig seid, kommst halt auch. Wir wollen in ’ner halben Stunde heimfahren.“

In der Hinsicht ist Tom echt cool. Ihn interessieren solche Dinge einfach nicht besonders. Dinge, über die wir Frauen vermutlich Tage, wenn nicht sogar Wochen Analysearbeit betreiben würden. Der Nachteil an ihm ist, dass man keine Informationen aus ihm herausbekommt, wenn man mal welche bräuchte. Ganz einfach deshalb, weil er keine hat.

„Na gut, zeig‘s ihm“, gebe ich Betti mein Okay. Ich bin schließlich kein Unmensch.

Und so sitzen wir alle drei auf der Gartenbank und jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach. Sebastian friemelt am Bieretikett rum, Betti träumt wahrscheinlich gerade von der klofreien Woche und ich frage mich, ob Tom mich bei jedem Klogang, den er in besagter Woche machen muss, verflucht.

„Ach ja, was ich dir noch erzählen wollte“, fängt Sebastian ganz harmlos in die Stille hinein an und wirft mir einen unsicheren Blick zu. Oha. Da ist was im Busch.

„Der Max wird jetzt Vater.“

Erwartungsvolle Pause. Max, krame ich in meinem Gehirn, Max, wer ist Max?

„Nächste Woche ist Termin. Es wird ein Junge. Er hat sich extra ’nen VW Touran gekauft, der Depp. Für seinen Audi 80 hat er natürlich nichts mehr bekommen, dabei hätte der genauso als Familienkiste getaugt.“

„Welcher Max?“, hänge ich immer noch an der ersten Frage fest. Junge oder Mädchen, VW oder Audi, das sind Informationen, die ich in diesem Moment überhaupt nicht brauchen kann.

„Ja, Max halt. Der Outdoormax aus meiner alten Abteilung.“

Ach so, der Max.

„Sag das doch gleich, dann kenn ich mich aus.“

„Outdoormax? Wer ist das?“, mischt sich jetzt Betti ein und deshalb erkläre ich ihr kurz, dass Max als Gitarrist in einer Band spielt, die „The Outdoors“ heißt und deshalb im Büro von allen nur „Outdoormax“ genannt wird. Die Band ist ziemlich gut, was ich so mitbekommen habe.

„Waren die nicht erst auf Tour?“, überlege ich und Sebastian nickt.

„Das war seine letzte Tour. Er steigt aus, weil er an den Wochenenden daheim sein will – bei seiner Familie.“

Kann ich gut verstehen. Bei so einer Tour ist man zwei Monate lang jedes Wochenende unterwegs, dazu der normale Bürojob während der Woche. Da bleibt für ein Baby nicht viel Zeit übrig.

Sebastian räuspert sich und kratzt sich leicht verlegen am Oberarm. Da kommt noch was, denke ich mir. Und tatsächlich! Nachdem er mindestens dreimal seine Sitzposition verändert hat – Beine ausgestreckt, Beine angezogen, Oberkörper zurückgelehnt, dann wieder nach vorne, beide Arme auf dem Tisch abgestützt, erlöse ich ihn.

„Und jetzt?“

Sebastian kratzt sich am Nacken.

„Und jetzt haben sie keinen Gitarristen mehr.“

Die Information war wichtig, da wäre ich jetzt von selber wahrscheinlich niemals draufgekommen. Erwartungsvoll schaut er mich an. Ich denke noch, ob sich die Band jetzt auflöst, aber natürlich löst sich The Outdoors nicht auf. Dafür sind sie zu erfolgreich. Im nächsten Moment kapiere ich, was los ist.

„Du?“, platze ich heraus. „Du willst bei The Outdoors einsteigen?“

Sebastian versucht, nicht zu grinsen. Er presst seine Lippen aufeinander, aber die Mundwinkel zucken trotzdem nach oben. Oh Mann! Er will es wirklich.

„Was heißt einsteigen, ich helfe vielleicht aus. Für den Anfang.“

Zweifelnd ziehe ich beide Augenbrauen nach oben.

„Ich weiß ja noch gar nicht, ob sie mich nehmen würden.“

„Nicht nehmen?“, grätscht Betti in das Gespräch. „Natürlich würden sie dich nehmen, Sebastian. Du hast doch früher schon mal in einer Band gespielt, bei … wie hieß die nochmal?“

Ich seufze. Jetzt kommt sie mit dem alten Kram daher. Da war Sebastian noch Mitte zwanzig und mehr in seine Gitarre verliebt als in mich. Um es kurz zu machen: Die Band hieß Why! und tingelte zwei oder drei Jahre semiberühmt durch die Gegend. Ständig gab es irgendwelche Dramen. Der Bassist zickte, wenn die Setlist nicht nach seinem Kopf zusammengestellt wurde, der Schlagzeuger hatte regelmäßig keinen Bock mehr und Sebastian, der damals von allen nur ‚Se‘ genannt wurde, regte sich immer fürchterlich auf, wenn der Sänger in sein Gitarrensolo hineinsang.

„The Outdoors möchten den Gitarristen so schnell wie möglich nachbesetzen. Deswegen machen sie eine Audition. Max meinte, ich soll unbedingt daran teilnehmen. Ich hätte gute Chancen.“

Betti ist begeistert. Ich nicht so. Aber als ich das Strahlen in seinen Augen bemerke, weiß ich, dass ich es ihm niemals ausreden könnte. Bürojob, Familie, Haus, Dorf, Schwiegervater, das alles ist unser momentanes Leben. Gigs, Tonstudio, Bühne, Fans, Adrenalin hat Sebastian dafür aufgegeben. Damals war es ihm egal, er wollte einfach sein kleines Familienreich aufbauen. Aber jedes Mal, wenn er sich mit seiner Gitarre in den Keller verzieht, weiß ich, dass ihm etwas fehlt.

„Dann geh zu dieser Audition.“

„Naja, ich weiß nicht.“ Zweifel? Er?

„Lass dir die Songs geben“, schlage ich vor. „Wenn du sie vorher übst, ist das doch kein Problem für dich.“

Unsicher reibt sich Sebastian die Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger. So kenne ich ihn gar nicht.

„Komm, das ist deine Chance. Die Kinder sind keine Babys mehr, alles läuft gerade super. Wenn nicht jetzt, wann dann? Stell dir das nur mal vor, wieder spielen, Bühne, das fehlt dir doch.“

Sebastian zögert immer noch.

„Ich steh hinter dir, zu hundert Prozent.“ Warum versuche ich jetzt eigentlich ihn zu überreden? Will ich überhaupt, dass er an den Wochenenden unterwegs ist? Nein, eigentlich nicht. Aber ich will, dass er glücklich ist und The Outdoors würde ihn definitiv glücklich machen, das weiß ich. Aufmunternd stupse ich ihn mit meinem Fuß unter dem Tisch an.

Er seufzt. „Du meinst also, ich soll zur Audition.“

„Ja.“

Er seufzt wieder.

„Du kannst doch vorher üben, Sebastian, du könntest …“

„Das ist es nicht!“, fällt er mir ins Wort. „Die Audition ist nächste Woche.“

Entsetzt starre ich ihn an, er starrt mit zusammengekniffenen Lippen zurück.

„Scheiße“, flüstert Betti.

Sebastian nickt.

 

Noch bevor irgendjemand von uns etwas dazu sagen kann, wird hinter mir die Gartentür aufgerissen. Fünf Kinder brüllen sich die Seele aus dem Leib und stürmen auf uns zu. „Aaangriff!“

Ein Überfall. Na super. Mit wild entschlossenen Gesichtern und in voller Rittermontur bauen sich Xaver, Rosalie und Bettis Jungs vor uns auf. Die dreijährigen Zwillinge Kurt und Oskar haben jeweils eine Pappschachtel auf dem Kopf und jeder schwenkt einen gefährlich langen Stock durch die Luft. Hugo stapft wie ein wütender Bulle auf dem Rasen vor uns auf und ab. Er trägt Opa Sepps grauen Arbeitskittel, der ihn mit seinen fünf Jahren bis zum Boden reicht. Darüber hat er einen Gürtel geschnallt, an dem allerlei wichtiges Zeugs hängt. Schnüre, ein paar Dietriche aus Sepps Werkstatt, zwei Zeltheringe und eine alte Taschenlampe. Mein Xaver sieht natürlich wieder am gefährlichsten aus. Das Gesicht schwarz angeschmiert, mit einen Aluminiumtopf auf dem Kopf und einem dicken Holzprügel in der Hand steckt er in einem alten Kartoffelsack. Mit zehnJahren ist er der Älteste und deshalb auch der unangefochtene Anführer der Bande. Rosalie hat sich mit viel Vorhangstoff als Burgfräulein verkleidet und ist unbewaffnet. Bei Opa und Oma spielen ist eben doch das Schönste, denke ich mir noch so, als auch schon die ersten Festnahmen erfolgen. Betti und ich werden von Xaver an die Bank gefesselt, Sebastian wird von den anderen abgeführt. Er muss in den Kerker, wo auch immer der sein mag.

„Das ist aber schon Ruß in deinem Gesicht Xaver, oder?“, frage ich in mütterlicher Besorgnis. Ich traue ihm durchaus auch Edding zu. Die Frage ist jedoch dermaßen peinlich für Xaver, dass er mit seinem Prügel mit voller Wucht neben mich auf die Bank haut.

„Schweig, Gefangene!“, befiehlt er.

„Spinnst jetzt?“, fauche ich erschrocken zurück. Aus der Nähe kann ich erkennen, dass es kein Edding ist. Ich bin erleichtert.

Xaver wirft mir noch einen vernichtenden Blick zu, dann rennt er zu seinen Gefährten, die mit Sebastian hinter der Werkstatt verschwunden sind, um ihn zu foltern oder zu vergraben.

Das Burgfräulein Rosalie bleibt bei Betti und mir. Mein Mädchen! Sie setzt sich neben mich auf die Bank und schmiegt ihr Gesicht liebevoll an meinen Arm.

„Kann ich mir was Süßes holen, Mama?“

Ja, okay. Mag sein, dass sie berechnend ist. Ich aber auch.

„Wenn du die Betti und mich befreist, dann darfst du dir was aus der Speis holen“, biete ich ihr einen fairen Deal an. Doch Rosalie ist ihren Rittern gegenüber loyaler, als ich dachte. Sie zuckt mit den Schultern und meint, dass ich sie ja eh nicht daran hindern könne, solange ich an die Bank gefesselt sei. Und schon verschwindet sie im Haus und kehrt kurz darauf mit Chips und Schokolade zurück, um sich bei den Jungs beliebt zu machen.

Aktivkohle

 

Es dauert noch über eine Stunde, bis wir aus der Gefangenschaft entlassen werden und Betti sich mit ihren Jungs verabschiedet. Normalerweise lebt sie mit ihrer Familie in Österreich. Wenn sie bei uns zu Besuch ist, wohnt sie bei Mama und Papa im Obergeschoss. Also hat sie eine Strecke von gut sechshundert Metern vor sich. In Zeit bedeutet das mit drei kleinen Kindern ungefähr zwei bis fünfzehn Minuten, je nachdem, ob sie wettlaufen oder bocken.

Sebastian und ich schicken unsere Kinder ins Bad zum Duschen, was natürlich eine längere Diskussion zur Folge hat. Vor allem Xaver möchte wissen, warum er duschen muss, er habe doch erst neulich geduscht (vor einer Woche!), außerdem sei er gar nicht dreckig, das sei ungerecht. Er könne ja auch morgen duschen. Duschen sei überhaupt eine saublöde Sache und total überflüssig. Ich verweise dezent auf sein rußgefärbtes Gesicht, woraufhin er mich wütend belehrt, dass das kein Ruß sei, sondern Aktivkohle, die er in mühevoller Arbeit hergestellt habe. Man könne sie als Zahnpasta oder als Gesichtscreme verwenden. Ich solle sie doch auch mal probieren.

„Ja, freilich, sonst noch was“, beende ich das Thema und drücke ihm ein frisches Handtuch in die Hand. Ich verlasse das Bad in der Hoffnung, dass jetzt alles seinen Gang nimmt, und schnappe mir mein Handy. Im Internet entdecke ich Kohlezahnpasta für perlweiße Zähne zum Preis von 9,90 Euro bis 16,59 Euro. Außerdem Aktivkohle Gesichtsmaske, Aktivkohle Gesichtsreinigung und Aktivkohle Gesichtsseife zu exorbitanten Preisen. Aber unglaublich nützlich für eine natürlich reine Haut ohne Mitesser. Auf YouTube erfahre ich, dass man solche Dinge auch ganz einfach selbst herstellen kann.

Ich mache mich wieder auf den Weg ins Bad, wo der tropfende Xaver gerade aus der Dusche steigt.

„Sag mal, hast du noch mehr von dem Kohlezeugs, Xaver?“

„Freilich, warte, ich hol‘s dir.“ Noch bevor ich etwas dagegen unternehmen kann, läuft er patschnass einmal quer durchs Haus.

Ich natürlich schreiend hinterher, dann wieder zurück ins Bad, um ein Handtuch zu holen, mit dem ich die Wasserpfützen vom Holzboden wische, dann wieder hinterher, diesmal auf allen Vieren, die Wasserpfützen wegwischend. Vor dem Kinderzimmer treffen wir aufeinander. Ich ziehe ihn auf das Handtuch, damit er nicht noch mehr volltropft und er zeigt mir stolz eine alte Bundeswehrschüssel, die ihm der Opa Sepp geliehen hat. Darin pechschwarzes Pulver. Skeptisch stecke ich meinen Finger hinein.

„Das musst du mit ein bisschen Wasser anrühren, dann kannst du es als Gesichtsmaske hernehmen. Oder du tust es auf die Zahnbürste. Ich hab mir eine aus einem Weidenzweig gemacht, aber die liegt noch beim Opa. Das geht ganz einfach, weißt du?“

Ich weiß es nicht, schließlich beschäftige ich mich nicht ausschließlich mit Bushcraft-, Survival- und Naturbüchern, so wie Xaver. In meinem Kopf taucht das Bild eines Einsiedlers mit faltenfreier Haut auf, der mich mit seinen perlweißen Zähnen anlächelt und berichtet: „Ich verwende seit jeher nur Naturprodukte. Meine Haut pflege ich mit meiner täglich frisch hergestellten Aktivkohle Gesichtsmaske. Das ist nicht weiter aufwändig, dazu nehme ich einfach die Lagerfeuerasche des Vorabends und zerreibe sie zu feinem Staub. Für meine Zähne benutze ich ausschließlich Kohlezahnpasta auf frischen Weidenzweigen.“

Und ich antworte: „Oh, freut mich. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich jemand, der mit dem Fortschritt geht. Ich gebe massenweise Geld aus für künstlich hergestellte Cremes mit unglaublich vielen verschiedenen Inhaltsstoffen, wie zum Beispiel hormonelle Substanzen, Paraffine, Silikone, Mikroplastik, Mineralöl und so weiter. Sollte ich doch mal auf ein Bioökofreivonschadstoffenprodukt zurückgreifen, bin ich gerne bereit, das Dreifache zu bezahlen. Meine Zahnbürste ist übrigens aus Plastik und wird mehrere Wochen mehrmals täglich verwendet.“

Xaver scheint meine Gedanken zu erahnen.

„Wir könnten doch jetzt alle mit Weidenbürsten unsere Zähne putzen. Dazu muss man einfach das Ende des Weidenzweigs so lange kauen, bis es ganz weich und fransig ist. Buche geht übrigens auch. Das ist wirklich total einfach und echt praktisch. Wenn man zum Beispiel mal in eine Notsituation kommt und in der Wildnis auf sich allein gestellt ist, kann man sich trotzdem die Zähne putzen. Einfach Zahnbürste basteln und ein bisschen Kohlestaub, mehr braucht man nicht.“

Seine Augen leuchten und ich wage es in dem Moment nicht zu fragen, warum ich ihm zu Hause immer fünfunddreißigmal sagen muss, dass er seine Zähne putzen soll, wenn er dafür in der Wildnis sogar extra eine Zahnbürste basteln würde.

 

Am Abend stehe ich mit schwarzem Gesicht und schwarzen Zähnen vor dem Waschbecken, als Sebastian ins Bad kommt. Irritiert mustert er mich, verkneift sich aber einen Kommentar. Stattdessen druckst er erst ein bisschen rum, bevor er endlich mit der Sprache rausrückt. Wird aber auch Zeit, denke ich mir.

„Du, Franzi, jetzt nochmal wegen der Audition.“

„Ja?“, frage ich und beobachte im Spiegel, wie er seinen Dreitagesbart überprüft.

„Die ist ja nächste Woche …“

„Ja, das hattest du schon gesagt“, erwidere ich kühl. Sebastian fixiert mich nun ebenfalls im Spiegel.

„Jetzt mach doch mal das Zeug aus deinem Gesicht, so kann ich nicht mit dir reden!“

Insgeheim gebe ich ihm recht, ich könnte so auch nicht mit mir reden. Also wasche ich mein Gesicht und putze meine Zähne, was sich als ziemliche Sauerei erweist. Jeder, der schon mal sein Gesicht und seine Zähne mit Kohlestaub beschmiert hat, kann das bestätigen. Nach einer längeren Prozedur, die auch eine dringend notwendige Waschbeckengrundreinigung beinhaltet, sehe ich wieder aus wie ein durchschnittlicher Europäer.

Sebastian finde ich im Bett sitzend vor. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt und macht ein fürchterlich nachdenkliches Gesicht. Ich setze mich neben ihn, schlage die Decke unter meinen Füßen ein und mache ebenfalls ein nachdenkliches Gesicht. So vergehen die nächsten ein bis zwei Minuten, die mir aber wie mindestens zehn Minuten Schweigen vorkommen.

Sebastian fasst sich als Erster ein Herz. „Ich sage wieder ab.“

Ich werfe ihm einen erstaunten Blick zu. „Du hast schon zugesagt?“

Sebastian zieht seine Augenbrauen zusammen und wirft die Stirn in Falten. Grimmig starrt er vor sich hin.

Aha, so ist das also. Er hat zugesagt und jetzt mache ich ihm einen Strich durch die Rechnung, weil ich ihn nicht mit wehenden Fahnen dorthin schicke.

„Du weißt aber schon, dass wir heuer nur diese zehn Tage Sommerurlaub haben?“ Meine Stimme klingt scharf und schneidend. Meinetwegen soll er in der Band spielen und auf Tour gehen. Aber ausgerechnet nächste Woche, ausgerechnet unser viel zu kurzer Urlaub.

„Natürlich weiß ich das, Franzi.“

„Ich weiß, dass du es weißt. Ich wollte nur sichergehen, dass es dir zwischenzeitlich nicht entfallen ist. Sieht nämlich irgendwie danach aus.“

Und schon starren wir beide wieder böse vor uns hin – jeder auf seine Bettdecke. Das fröhliche Sonnenblumenmuster passt überhaupt nicht zu meiner miesen Laune. Im Prinzip fand ich diesen Bettbezug noch nie wirklich schön. Sonnenblumen im Bett, was soll das eigentlich? Vielleicht sollte ich ihn einfach entsorgen. Wobei, er ist noch wie neu. Vielleicht könnte ich ihn spenden? Irgendeine Einrichtung muss es doch geben, die sich über einen Bettbezug mit Sonnenblumenmuster freut, oder?

„Ich hab noch nicht richtig zugesagt, eher so locker“, durchkreuzt Sebastian meine Wohlfahrtsgedanken.

„Locker. Wie sagt man bitteschön locker zu, Sebastian?“

Er zuckt mit den Schultern. „Ich kann auf jeden Fall noch absagen.“

„Dann ist es ja gut. Tu das.“

Seufzend drückt er mir einen Gute-Nacht-Kuss auf die Stirn. Auf die Stirn! Anschließend dreht er sich um, bringt sich in Schlafposition, wendet mir seinen Rücken zu und zieht sich die Decke bis zu den Ohren hoch. Na prima!

 

Den nächsten Tag verbringe ich hauptsächlich bei Betti. Erstens, um Sebastian aus dem Weg zu gehen, weil ich trotz allem ein bisschen ein schlechtes Gewissen habe. Und zweitens, um mir von Betti bestätigen zu lassen, dass es wohl überhaupt nicht geht, seinen Familiensommerurlaub wegen einer bescheuerten Audition sausen zu lassen.

Aber da macht mir meine Schwester einen dicken, fetten Strich durch die Rechnung. Sie ist so begeistert von der Idee, dass Sebastian wieder in einer Band spielen könnte, dass sie mir gar nicht richtig zuhört. Stattdessen plappert sie davon, wie cool es doch sei, dass ihr Schwager bei The Outdoors einsteigen will.

„Und unser Campingurlaub in Millern?“, motze ich bockig, „den kann ich mir dann in die Haare schmieren.“

Ich reiche Betti einen weiteren Teller, den sie in die Spülmaschine steckt.

„Ach was, das ist doch kein Problem. Ist sicherlich eh viel besser ohne Männer. Da machen wir beide es uns einfach schön.“ Sie zwinkert mir zu.

Ich zwinkere nicht zurück. Erstens, weil es hier nichts zu zwinkern gibt und zweitens, weil ich nicht zwinkern kann. Ich habe es jahrelang geübt, aber nichts. Entweder beide Augen auf oder beide Augen zu. Flirttechnisch eine völlige Katastrophe. Wenn mir ein hübscher Kerl mal zugezwinkert hat, konnte ich nur grenzdebil zurückgrinsen. Oder blinzeln. Aber das sieht dann eher so aus, als ob ich etwas im Auge hätte. Ich zwinkere Betti aus genannten Gründen also nicht zu und frage mich, ob sie überhaupt die ganze Tragweite der Situation erfasst hat.

„Betti, wenn Sebastian nicht mitfährt, dann sind wir beide allein mit fünf Kindern. Zehn Tage! Beim Campen.“

Betti zuckt mit den Schultern. „Das ist doch kein Problem.“

„Kein Problem?“ Langsam frage ich mich, ob ich der einzige Mensch bin, der der Realität ins Auge sieht. „Wir müssen einkaufen, kochen, abspülen, wie sollen wir das anstellen?“ Ich deute auf das Chaos, das in der Küche herrscht, wie immer nach dem Mittagessen. „Eine von uns arbeitet, während die andere den Kindern hinterherrennt?“

„Ach komm, Franzi, so schlimm ist es auch nicht.“

„Doch, so schlimm ist es schon. Unter Urlaub stelle ich mir nämlich etwas anderes vor. Schlimm genug, dass Tom nicht mitkommen kann. Wenn jetzt Sebastian auch noch abspringt, dann sind wir verloren.“

„Dass Tom nicht mitkommt, war von Anfang an klar“, weist mich Betti zurecht.

„Ich weiß.“

„Den Job hat er vor einem halben Jahr zugesagt. Er braucht die Kontakte zu dem Institut, das ist eine super Chance für ihn.“

Wir hatten das Thema bereits ausführlich besprochen. Mehrmals. Damals haben Sebastian und ich den beiden gut zugeredet, dass Tom diesen Job auf jeden Fall annehmen soll und wir einfach zu dritt mit den Kindern in den Urlaub fahren. Damals wusste ich aber noch nicht, dass The Outdoors einen neuen Gitarristen brauchen und ausgerechnet Sebastian sein Dasein als Musiker wiederaufleben lassen will.

„Betti, um Tom geht’s doch hier gar nicht“, versuche ich ihr meine Bedenken nochmal näherzubringen. „Es war geplant, dass wir zu dritt fahren. Nur wir beide, das schaffen wir nicht. Schau dir doch Kurt und Oskar an. Ständig muss man denen hinterherrennen, damit sie keinen Scheiß machen. Mal ganz abgesehen von der Klogeschichte.“

„Aber wir sind doch nicht im Hotel. Wir campen. Wir machen morgens die Wohnwagentür auf und abends wieder zu. Die restliche Zeit können die Kinder auf dem Campingplatz rumrennen und sind in der Natur. Die sind glücklich. Glaubst Du wirklich, dass wir den ganzen Tag wie zwei Glucken auf ihnen draufsitzen müssen?“

Sie kapiert’s echt nicht.

Also lege ich die Fakten auf den Tisch: „Kurt muss aufs Klo, insofern fällt eine von uns schon mal aus. Während dieser Zeit schmeißt Oskar Steinchen in den Campingplatzpool. Rosalie und Xaver streiten, weil jeder den supertollen Ast haben möchte, den sie gefunden haben. Und Hugo hat Hunger, weil immer noch keiner Frühstückssemmeln geholt hat. Die Nachbarn sind angepisst, weil wir unsere Kinder nicht unter Kontrolle haben und wir haben keinen Sebastian, der in der Zwischenzeit den Tisch deckt und die Milch warm macht. Wir werden um zwölf frühstücken, die Kinder werden uns die Hölle heiß machen und am Ende vom Urlaub können wir nicht mal mehr nach Hause fahren, weil wir zu erschöpft dazu sind.“

„So anstrengend sind Kurt und Oskar nun auch wieder nicht“, mault Betti leicht beleidigt.

„Und was ist, wenn im Wohnwagen was kaputt geht, weil die Kinder meinen, sie müssten drin Ritterkämpfe austragen?“, spiele ich meinen Joker aus.

Sogar hierauf reagiert Betti gelassen. „Das verkraftet der schon.“

Mit „der“ ist Sepp gemeint, unser Vater. Seit Jahren redet er uns schon her, dass wir unbedingt mal Campingurlaub machen müssen, weil es nichts Besseres gebe. Dieses Jahr haben wir uns breitschlagen lassen. Bei Sebastian in der Firma findet Ende August ein wichtiger Relaunch des Firmeninternets statt, sodass er mit Müh und Not Anfang August eineinhalb Wochen frei nehmen konnte. Weil wir an die bayerischen Schulferien gebunden sind, können wir vorher nicht weg. In unserer Verzweiflung, wie wir diese paar Tage besonders aufregend gestalten könnten, haben wir uns in einer schwachen Minute von Sepp überreden lassen, seinen Wohnwagen auszuleihen. Einfach mal testen, wie das Camperleben so ist. Ganz zwanglos und spontan.

---ENDE DER LESEPROBE---