Hacked Love - Maja Lorim - E-Book

Hacked Love E-Book

Maja Lorim

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Beschreibung

Meine Freunde sagen, er sei Gift. Für mich ist er ein Heilmittel. Mit halbem Herzen steckt Ivy noch immer in ihrer zerbrochenen Beziehung fest. Ollie war die Liebe ihres Lebens und kein anderer Mann kann ihm das Wasser reichen. Das denkt Ivy zumindest, bis sie auf einem Wochenendtrip nach London einem unverschämt attraktiven Fremden begegnet und sich auf ein Abenteuer mit ihm einlässt. Auch wenn sie nichts über ihn weiß, so ist sie verrückt nach dem Gefühl, das er ihr vermittelt: Bei ihm kann sie sie selbst sein. Ivy setzt alles daran, ihm näherzukommen. Doch anstatt eine ihrer Fragen zu beantworten, wirft er bei jedem weiteren Treffen zwei neue auf. Als sie sich in einer lebensbedrohlichen Situation wiederfindet, wird ihr schlagartig klar, dass sie sich nur schützen kann, indem sie auf Abstand geht. Aber ihr Herz hat andere Pläne. Standalone, in sich abgeschlossen Kein Cliffhanger

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Inhalt

 

 

 

Inhalt

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Epilog

Danksagung

 

Impressum

© 2023 Rinoa Verlag

c/o Emilia Cole

Pater-Delp-Straße 20

47608 Geldern

 

ISBN 978-3-910653-05-4

 

© Covergestaltung: Coverstube

Korrektur: Lektorat Zeilenschmuck

 

rinoaverlag.de

 

Alle Personen und Handlungen in diesem Roman sind frei erfunden. Jedwede Ähnlichkeit zu lebenden Personen ist rein zufällig.

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

 

 

 

 

 

Das Gegenteil von Liebe ist Gleichgültigkeit.

Das Gegenteil von Anpassung ist Mut.

Kapitel 1

 

 

 

»Geht es Ihnen gut?«

Der Mann, der zusammengekauert vor der Tür des Hotelzimmers gleich neben meinem liegt, reagiert nicht. Ich erkenne sein Gesicht nicht, nur wildes, hellbraunes Haar. Sein Kopf ist auf die Brust gesunken, die sich in gleichmäßigen Zügen hebt und senkt.

Schläft er?

Ich sehe mich in dem stillen Gang um, aber mitten in der Nacht ist niemand mehr hier.

Als ich vor wenigen Augenblicken den Flur des Bed & Breakfast betreten habe, sah ich zunächst nur Beine und eine Schulter, die aus dem Türrahmen in den Gang ragten.

Ich hatte mich darauf eingestellt, eine blutüberströmte Leiche vorzufinden, weshalb mein Puls in die Höhe geschnellt ist. Umso erleichterter bin ich jetzt, dass ich keine offensichtlichen Verletzungen feststellen kann.

»Können Sie mich hören?«

Vorsichtig trete ich einen Schritt näher und stupse mit der Fußspitze gegen seine Schuhsohle. Es könnte sich um einen gemeinen Trick handeln, bei dem er mich überrumpelt und mir die Handtasche klaut.

Oder noch schlimmer: Er schleppt mich in sein Zimmer und … weiter möchte ich lieber nicht denken.

Allerdings ist ein kameraüberwachter Hotelflur für solche Aktionen nicht wirklich geeignet.

Hier gibt es doch Kameras, oder?

Suchend lasse ich meinen Blick über die Flurdecke gleiten.

Andererseits, wenn es welche gäbe, hätte es dann nicht schon längst auffallen müssen, dass hier jemand herumliegt, der eventuell Hilfe benötigt?

Als ich mich neben den Mann hocke, schlägt mir eine ausgewachsene Alkoholfahne entgegen.

Wow.

Zu weggetreten, um es bis ins eigene Zimmer zu schaffen. Hat er sich womöglich ins Koma getrunken? Vielleicht braucht er ärztliche Hilfe.

Langsam strecke ich die Hand aus und rüttele an seiner Schulter, was seinen Kopf bedenklich wackeln lässt.

»Sie sollten hier nicht so liegen bleiben. Können Sie aufstehen?«

Keine Reaktion.

Ich schüttle ihn etwas energischer, woraufhin er missbilligend brummt. Eine Aneinanderreihung von L- und S-Lauten erklingt, die ich im Nachhinein als »Lass das – ich kann allein gehen« identifiziere.

»Okay, na dann …« Ein wenig ratlos richte ich mich auf. Auch wenn ich den Mann nicht kenne, kann ich ihn nicht einfach so hier liegen lassen. Also mache ich kehrt und eile die Treppe hinunter zur Rezeption.

Natürlich ist der Empfang leer.

Bei meinem Check-in gestern Abend erklärte man mir, dass die Rezeption ab ein Uhr nachts nicht mehr besetzt sei. Trotzdem suche ich in der winzigen Eingangshalle nach einem Mitarbeiter, klopfe an drei verschiedene Türen und rufe mehrfach »Hallo«.

Nichts.

Nachdenklich reibe ich mir über die vor Müdigkeit brennenden Augen.

Ich könnte versuchen, andere Hotelgäste um Hilfe zu bitten. Oder ich rufe Jen und Alex an, meine besten Freunde aus Studienzeiten, wegen denen ich diesen Wochenendtrip nach London angetreten und mit denen ich den Abend verbracht habe. Aber sie schlafen bestimmt schon.

Liegt hier überhaupt ein Notfall vor?

Ich löse die Finger von den geschlossenen Lidern und steige erneut die Stufen in den ersten Stock hinauf.

Als ich vor der 105 ankomme, kauert der Kerl unverändert auf dem Boden. Das Problem eingeschlafener, alkoholisierter Mann im Hotelzimmereingang hat sich leider nicht von selbst gelöst.

Er hat die Faust fest um einen kleinen, flachen Gegenstand geschlossen. Vorsichtig ziehe ich an seinen Fingern und erkenne die Chipkarte, die zur 105 gehört.

Wenigstens liegt er vor dem richtigen Eingang.

Er knurrt unwillig, als ich die Karte aus seiner Hand löse, ist aber viel zu weggetreten, um sich zu wehren. Mein Gott, jeder, der hier vorbeikommt, könnte ihn problemlos ausrauben. Was für ein leichtes Opfer.

Ich richte mich auf und stoße die Luft aus, die ich instinktiv angehalten habe, um mich nicht von seiner Alkoholfahne vergiften zu lassen. Dann stecke ich die Karte in den Schlitz neben der Tür, die sich mit einem leisen Klick öffnet. Das Gewicht des Mannes schiebt die Tür auf und sein Körper sackt zur Seite. Hastig steige ich über seine Beine in das Zimmer und fange ihn auf, bevor er mit dem Schädel auf die Fliesen im Eingangsbereich knallt.

Puh, verdammt, ist er schwer.

Sein Kopf sinkt gegen meine Schulter. Dabei bringt mich über den alkoholisierten Geruch hinaus etwas ganz anderes für kurze Zeit aus dem Konzept.

Ich erhasche einen Blick auf dichte schwarze Wimpern, eine markante Kinnpartie und sinnlich geschwungene Lippen, die sich leicht öffnen, als er ein weiteres Grummeln von sich gibt. Zumindest aus diesem Winkel sieht er unverschämt gut aus.

Da sein schwerer Körper mich ins Wanken bringt, stemme ich mich gegen ihn, schiebe die Arme unter seinen Oberarmen hindurch und kämpfe mich auf die Füße. Unter Ächzen und Stöhnen schleife ich ihn bis zum Bett. Dort lasse ich mich einfach rücklings mit ihm auf die Matratze fallen, was mir für einen Moment die Luft aus den Lungen drückt, weil er mit seinem vollen Gewicht auf mir landet. Dann rolle ich ihn von mir, darauf bedacht, ihn nicht wieder aus dem Bett zu werfen.

Heftig atmend bleibe ich auf der anderen Seite der Matratze liegen. Mit dem Rücken zu mir schläft der Typ weiter, als wäre nichts gewesen. Gut so.

Ich stehe auf, schiebe meine leicht verrutschte Kleidung an ihren Platz und nehme meine Tasche, die bei meiner Schleif- und Rollaktion von meiner Schulter gerutscht ist. Ein letztes Mal drehe ich mich zu dem schlafenden Unbekannten um.

Ob er klarkommen wird? Er liegt ziemlich weit am Rand. Sollte ich ihn weiter aufs Bett schieben? Besteht die Gefahr, dass er sich übergibt?

Als ich Schritte und leise Stimmen im Flur höre, schrecke ich auf.

Schnell gebe ich der Zimmertür einen Stups, sodass sie ins Schloss fällt, und muss dann selbst über mein Verhalten lachen. Schließlich habe ich nichts Verbotenes getan.

Ich stelle meine Handtasche auf dem Stuhl neben dem Bett ab und manövriere den Kerl etwas weiter in die Mitte des Bettes. Wenn ich ihn so liegen lasse, werde ich kein Auge zubekommen, weil ich mich bei jedem Geräusch fragen werde, ob er gerade aus dem Bett gefallen ist und sich den Schädel blutig geschlagen hat.

Vorsichtig drücke ich seine rechte Schulter nach hinten, um ihn auf den Rücken zu rollen. Da streckt er plötzlich die Arme aus, schlingt sie um meine Taille und zieht mich an sich.

Ich verliere das Gleichgewicht und stürze nach vorn.

Irgendwie schaffe ich es, mich abzustützen, ohne ihm oder mir wehzutun, und komme schließlich neben ihm auf der Matratze zum Liegen. Ein kräftiger Ruck und ich lande eng an ihn gepresst in seinen Armen, mein Rücken an seiner Brust.

»Cara«, murmelt er und sein Atem streift meine Ohrmuschel. Eine Gänsehaut überzieht meinen Körper und mein Herz klopft heftig. Zwar muss ich bei seiner Fahne die Nase rümpfen, doch seine tiefe, ein wenig heisere Stimme löst ein aufregendes Kribbeln in meinem Bauch aus. Ganz zu schweigen von der Wärme seines Körpers, die mich umgibt und die ich alles andere als unangenehm finde.

Während ich seinen regelmäßigen Atemzügen lausche, lockern sich meine anspannten Muskeln. Meine Sinne sind trotz meiner Müdigkeit aufs Äußerste geschärft. Ich nehme über die Alkoholausdünstungen hinweg den Geruch seiner Lederjacke wahr und, ganz leicht, einen frischen Duft, der wahrscheinlich auf sein Rasierwasser oder ein Eau de Parfum zurückzuführen ist. Es riecht ziemlich lecker und macht den Rest erträglich, weshalb ich nur kurz die Augen schließe und mir erlaube, mich in seine Umarmung zu kuscheln.

Ich bin wirklich erbärmlich, weil ich mich so sehr nach körperlicher Nähe sehne, dass ich mich von einem wildfremden Mann umarmen lasse. Aber ich bin schon so lange nicht mehr auf diese Art von einem Mann gehalten worden, dass mir die Umarmung des Fremden beinahe die Tränen in die Augen treibt, so gut fühlt sie sich an. Die Stärke und Wärme, die von seinem Körper ausgehen, vermögen zumindest vorübergehend die Kälte, die sich seit über drei Jahren in mir eingenistet hat, zu verdrängen. Außerdem rührt es mich, wie vertrauensvoll und sehnsüchtig er sich an seine Cara schmiegt. Ich bringe es einfach nicht übers Herz, ihn zu wecken, um mich aus seiner Umklammerung zu befreien und ihn auf diese Art aus seiner zweifelsfrei glücklichen Illusion zu reißen.

Also beschließe ich, nur noch einen Moment in seinen Armen zu verweilen, bis er wieder ganz tief eingeschlafen ist. Dann werde ich mich vorsichtig von ihm lösen, um nebenan in mein Zimmer zu gehen, wo die Einsamkeit mich bereits erwartet.

Kapitel 2

 

 

 

Als ich die Augen aufschlage, flutet Tageslicht den Raum. Habe ich vergessen, die Jalousien zu schließen? Mein Blick fällt auf einen leicht abgestoßenen Sessel vor einem kleinen Tisch. Zwei Meter weiter befindet sich ein in die Wand eingebauter Kleiderschrank. Mein Hotelzimmer.

Aber wieso ist alles spiegelverkehrt?

Ein Seufzen hinter mir und eine leichte Bewegung der Matratze jagen einen heftigen Adrenalinschub durch meinen Körper.

Der Laut klang … männlich.

Der betrunkene Typ auf dem Hotelflur.

Ich wollte doch in mein eigenes Zimmer gehen, bin aber wohl eingeschlafen.

Stocksteif verharre ich in der gleichen Position, aus Angst, den Unbekannten neben mir durch die kleinste Bewegung aus dem Schlaf zu reißen. Da er seinen Rausch offensichtlich überlebt hat, werde ich versuchen unbemerkt aus seinem Zimmer zu schleichen. Ganz vorsichtig richte ich mich auf und drehe mich mit wild pochendem Herzen zu ihm um.

Mir stockt der Atem.

Irgendwann in der vergangenen Nacht hat er sich seiner Jacke und seines Shirts entledigt und liegt nun mit entblößtem Oberkörper neben mir. Dem Oberkörper eines griechischen Gottes und dem Gesicht eines Filmstars. Wer zur Hölle ist der Typ? Es fällt mir schwer, meinen Blick zu lösen, denn einen so hübschen Mann bekommt man im echten Leben nur selten zu sehen.

Unter seinen dichten, schwarzen Wimpern entdecke ich Schatten, die seine Schönheit jedoch nicht schmälern. Die Nase ist leicht gebogen, was ihm einen entschlossenen Zug verleiht, und diese Lippen … Bei ihrem Anblick würde sich bestimmt jede Frau die Frage stellen, wie es sich anfühlt, sie zu küssen.

Seit der Trennung von Ollie vor über drei Jahren war ich mit keinem Mann mehr zusammen. Ich hatte ein paar Dates und habe in meinem verzweifelten Wunsch, nicht länger allein zu sein, tatsächlich einige nette Kerle kennengelernt, doch über einen Kuss und eine flüchtige Umarmung ging es nie hinaus.

Es war nicht möglich.

Ollie war die Liebe meines Lebens. Leider war ich nicht die seine, sodass er nach fünf Jahren Ehe beschloss, genug von mir zu haben, und mich ausrangierte wie einen alten, löchrigen Pulli.

Manchmal fürchte ich, dass ich Ollie noch immer liebe. Gleichzeitig hasse ich ihn, weil meine Gefühle für ihn mich daran hindern, mich auf einen anderen Mann einzulassen. Dabei war unser Sexleben nicht einmal besonders aufregend. Um ehrlich zu sein, war es sogar ziemlich langweilig, aber aus lauter verblendeter Liebe ließ ich Ollie sogar das durchgehen. Ich war einfach glücklich mit ihm.

»Erbärmlich«, lautete das knallharte Urteil meiner besten Freundin Rosie.

Und sie hat recht.

Ihrer Meinung nach hat jede Frau Anspruch auf ein erfülltes Sex-Leben. Mehr als einmal hat sie versucht, mich zu einem One-Night-Stand zu drängen. Wenn ich mich gefühlsmäßig nicht auf einen Mann einlassen könne, solle ich wenigstens Spaß haben, so Rosies Devise.

Aber so ticke ich nicht.

Für ein kurzes Abenteuer bin ich nicht der Typ. Allein die Vorstellung, einen wildfremden Mann an mich heranzulassen, versetzt mich in Panik. Doch meine lange Enthaltsamkeit hat meine Bedürfnisse nicht einschlafen lassen. Dementsprechend fühlt sich dieser halbnackte Typ neben mir im Hotelbett auch alles andere als furchteinflößend an. Im Gegenteil, ihn zu betrachten, ist sogar richtig aufregend. Zumindest solange er schläft.

Ungeniert lasse ich den Blick über die sonnengebräunte Haut seiner Brust bis zu den wohldefinierten Muskeln an seinem Bauch gleiten. Vermutlich ein Sportler, so durchtrainiert wie er ist. Einige mehr oder weniger verblasste Narben deuten auf Verletzungen hin und ich frage mich, wobei er sie sich zugezogen haben könnte.

Besonders die eine knapp zehn Zentimeter lange Linie an seiner Seite erregt meine Aufmerksamkeit.

Den Ansatz dunkler Härchen oberhalb seiner Gürtelschnalle finde ich ebenfalls äußerst … interessant.

Wie weit mag er nach seinem offensichtlich übertrieben ungesunden Alkoholkonsum wohl noch von der Realität entrückt sein? Würde er es überhaupt bemerken, wenn ich ihn nur einmal kurz berühre? Zu gerne wüsste ich, wie seine Haut sich anfühlt. Oder diese Narbe an seiner Seite. Nachdem ich ihm quasi das Leben gerettet habe, könnte ich mir das doch verdient haben, oder?

Ich beiße mir auf die Lippe und strecke die Hand nach seinem Bauch aus. Meine Fingerkuppen schweben wenige Zentimeter über seiner Haut, wo ich bereits die Wärme spüre, die sie ausstrahlt. Natürlich werde ich ihn nicht wirklich anfassen, denn ich will nicht übergriffig werden. Doch in meinem Kopf male ich mir aus, wie weich seine Haut sich anfühlen könnte und dass sich direkt darunter stahlharte Muskeln befinden müssen. Meine Hand schwebt tiefer in Richtung der dunklen Härchen, während ich den himmlischen Anblick seines wohlgeformten, athletischen Körpers genieße.

Er packt mein Handgelenk.

Ich japse.

Er hat sich so schnell bewegt, dass ich nicht rechtzeitig reagieren konnte, und bringt meine Finger unmissverständlich auf sichere Entfernung zu seinem Körper.

»Was soll das werden?«

Bei seinen geknurrten Worten reiße ich den Kopf herum und sehe ihm ins Gesicht, was mir den nächsten Schock versetzt. Zum ersten Mal erkenne ich die Farbe seiner Augen, ein helles Blaugrün, glasklar, wie das Wasser eines Gebirgsbachs im Frühjahr, wenn der Schnee auf den Bergen zu schmelzen beginnt.

Atemberaubend.

»Hm?« Auffordernd runzelt er die Stirn.

»Ich habe mir vorgestellt, Sie anzufassen.« Sehr inspirierte Antwort. Für eine intelligentere habe ich im Augenblick keine Hirnkapazitäten übrig.

»Mich anfassen? Mit welcher Berechtigung?«

Ich hole tief Luft. Hübsch, durchtrainiert und arrogant. War ja klar.

»Brauche ich denn eine? Dass ich Sie letzte Nacht angefasst habe, als ich Sie in ihrem völlig vernebelten Zustand vom Hotelflur in Ihr Bett geschleift habe, scheint Sie auch nicht gestört zu haben.« Okay, da war er bekleidet. Aber egal. »Mal ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich neben Ihnen übernachtet habe, um sicherzugehen, dass Sie nicht an Ihrem eigenen Erbrochenen ersticken.« Dass ich ungeplant in seinen Armen eingeschlafen bin, muss ich ihm ja nicht auf die Nase binden.

Sein Blick gleitet über meinen Körper und da ich keine Ahnung habe, mit welcher Absicht er mich abschätzt, macht es mich nervös.

»Was wiegen Sie? Fünfzig Kilo? Fünfundfünfzig?«

»Warum wollen Sie das wissen?«, frage ich alarmiert.

Spöttisch hebt er eine Augenbraue. »Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass Sie mich in mein Zimmer gebracht und dann auch noch aufs Bett befördert haben.«

»Man lernt nie aus, oder?«

»Und dann haben Sie sich neben mich gelegt, obwohl Sie mich überhaupt nicht kennen? Hatten Sie keine Angst, dass ich … keine Ahnung … gefährlich bin?«

Die Regung in seinem attraktiven Gesicht ist so minimal, dass ich mir nicht sicher bin, ob er belustigt, erstaunt oder skeptisch ist.

»Das ist so nicht ganz richtig«, erkläre ich. »Ich hatte gar nicht vor, mich neben Sie zu legen, aber sie haben mich festgehalten und sind auf Kuschelkurs gegangen, was nicht wirklich gefährlich auf mich wirkte.«

Nun wandern beide hübsch geschwungenen Augenbrauen in die Höhe.

»Außerdem haben Sie mich Cara genannt.«

Beim Namen dieser Frau entgleist ihm das Pokerface und er wird blass. Ganz leicht verändert er seine Position, wobei sich gefühlt alle Muskeln seines Körpers anspannen. Es lenkt mich ziemlich ab, gleichzeitig berührt mich, dass diese Cara ihm offensichtlich viel bedeutet.

»Das … tut mir leid.« Er wendet den Blick ab.

»Warum?«

»Na, weil es gewiss unangenehm ist, wenn man von einem Mann umarmt und mit dem Namen einer anderen Frau angesprochen wird.«

Ich zucke mit den Schultern. »Es wäre unangenehm, wenn dieser Mann mir etwas bedeuten würde. Da ich Sie nicht kenne, ist es mir egal. Was mir allerdings nicht egal ist, ist das hier.« Demonstrativ zerre ich an meinem Handgelenk, das er noch immer umklammert. »So langsam wird es schmerzhaft.«

Sofort lässt er mich los und ich reibe über die brennende Haut an meinem Gelenk.

»Wo genau haben Sie mich gefunden?«, fragt er.

Mit dem Finger deute ich zur Tür. »Direkt vor Ihrem Hotelzimmer auf dem Flur. Immerhin hatten Sie die Chip-Karte schon in der Hand, es aber wohl nicht mehr bis ins Zimmer geschafft. Sonst hätte ich Sie nicht bis hierher bringen können.«

»Hatten Sie Hilfe?« Sein Blick ist klar und fokussiert, was mich nach seinem Zustand von vor ein paar Stunden erstaunt. Entweder der Kerl ist eine Maschine oder er hat Übung im Umgang mit Alkohol. Ich bin mir nicht sicher, was davon ich beunruhigender finde.

»Nein«, antworte ich schließlich.

»Hat Sie jemand beobachtet?«

Allmählich werden mir seine Fragen und sein durchdringender Blick unangenehm.

»Keine Ahnung. Nicht dass ich wüsste, sonst hätte ich sicherlich Hilfe in Anspruch genommen. Es war nämlich kein Zuckerschlecken, Sie bis aufs Bett zu schleppen.« Ein eindeutiger Nachteil von durchtrainierten Menschen. Muskelmasse ist schwer.

Da mich seine Nähe und der Anblick seines freien Oberkörpers zunehmend durcheinanderbringen, schwinge ich meine Beine über die Bettkante, greife nach meiner Tasche und stehe auf. »Es scheint Ihnen besser zu gehen, weshalb ich annehme, dass Sie meine Unterstützung nicht länger brauchen. Ich habe heute noch einiges vor und werde Sie mit den Auswirkungen ihres Rausches allein lassen.«

Auch wenn es überhaupt nicht danach aussieht, als hätte er einen Kater. Wie ungerecht.

Ich schaffe es drei Schritte in Richtung Tür, bevor sich kräftige Arme um meinen Bauch schlingen. Mir entwischt ein erschrockenes Keuchen, als ich mit dem Rücken gegen seinen Körper pralle.

»Stopp.« Wie auch in der letzten Nacht lässt der Klang seiner Stimme so dicht an meinem Ohr eine Gänsehaut über meinen Körper rieseln.

»Was wird das?«, krächze ich.

»Ich halte Sie auf.«

»Mit welcher Berechtigung?«

»Brauche ich eine? Immerhin sind Sie die letzte Nacht äußerst bereitwillig bei mir geblieben.«

Bei seiner Anspielung auf unsere Unterhaltung muss ich schmunzeln. »Das war etwas anderes.«

»Inwiefern?«

»Sie waren wehrlos.«

Er schnaubt amüsiert. Ich habe keine Ahnung, wie ich es finden soll, dass er mich wieder festhält. Seiner physischen Überlegenheit bin ich mir sehr wohl bewusst und dementsprechend auf der Hut. Seltsamerweise finde ich seine Nähe aber auch betörend.

»Lassen Sie mich los.« Ich möchte wissen, wie er reagiert, um die Situation besser einschätzen zu können.

»Mache ich Ihnen Angst?« Sofort lockert er seinen Griff, bleibt aber dicht hinter mir stehen, sodass er mich jederzeit wieder fester packen könnte. Er ist mir so nah, dass sein Atem mein Ohr streift.

»Nein.« Ich versuche locker zu klingen. »Ich weiß, dass ich mich verteidigen kann.«

»Warum tun Sie es dann nicht?«

Wieso stellt er so unbequeme Fragen? Fieberhaft suche ich nach einer plausiblen Antwort. »Weil Sie mir noch keinen Anlass gegeben haben, gewalttätig zu werden.«

Sein Lachen perlt als seichtes Kribbeln durch meinen Bauch. Er hat eine wunderbare Stimme.

»Sie müssen mir erst noch ein paar Fragen beantworten. Dann lasse ich Sie gehen.«

»Ich muss gar nichts.« Ich mag es nicht, wenn man mir vorschreibt, was ich tun soll.

»Aber ich muss wissen, wer Sie sind.«

Behutsam zieht er mich wieder näher an seinen Körper und streicht mit der Handfläche sanft über meinen Bauch.

Was wird das denn jetzt?

»Tja, Pech.« Ich bemühe mich, meine Stimme selbstsicher klingen zu lassen, dabei setzt mir seine nackte Haut an meinem Rücken ziemlich zu … Ich ärgere mich, dass ich angezogen bin. Das wäre nämlich eine wunderbare Gelegenheit gewesen, um herauszufinden, wie sie sich anfühlt. Warum muss er überhaupt wissen, wer ich bin? Das klingt so … verzweifelt?

»Der romantische Typ steht Ihnen nicht«, sage ich trocken.

»Es war auch nicht romantisch gemeint. Eher pragmatisch.«

Verwirrt drehe ich den Kopf. Natürlich kann ich ihn noch immer nicht sehen, dafür berührt seine Nasenspitze nun meine Wange und sein Atem tanzt über meine Lippen. Mein Herz macht einen unkontrollierten Satz.

»Warum sind Sie in diesem Hotel?«

Eine etwas intelligentere Frage hätte ich ihm dann doch zugetraut. »Zum Übernachten.«

»Was machen Sie in London?«

»Das geht Sie nichts an.«

»Zimmernummer?«

»Kein Kommentar.«

»Sie sind wirklich ein harter Brocken.«

»Sie stellen langweilige Fragen.«

»Ertappt. Was wissen Sie über mich?«

Warum sollte ich irgendetwas über ihn wissen? Ist er etwa ein Filmstar und befürchtet, dass ich kompromittierende Details über ihn an die Klatschpresse verkaufen könnte?

»Ähm, gar nichts. Ich habe Sie gestern Abend sturzbetrunken im Flur gefunden und in Ihr Zimmer gebracht.«

»Haben Sie meine Sachen durchwühlt?«

»Was?« Empört will ich mich zu ihm umdrehen, doch sein Griff um meinen Bauch verstärkt sich ruckartig, sodass ich erneut an seine Brust gepresst werde. Bei seiner Nähe wird mir schwindelig. »Nein, natürlich nicht. So etwas würde ich niemals tun.«

»Auch nicht, wenn mein Leben davon abgehangen hätte?«

Dieser Typ verwirrt mich. »Doch, in diesem Fall schon. Sie waren aber nur betrunken. Kein Grund, dramatisch zu werden.«

Sein amüsiertes Grunzen kitzelt an meiner Wange. Immerhin scheint er mich lustig zu finden. Seine Nasenspitze wandert höher, über meine Schläfe in mein Haar. Dabei zieht er die Luft ein, als würde er daran schnuppern. Das geht eindeutig über Lustigfinden hinaus.

Die Finger seiner Hand fächern sich über meinem Bauch auf und ich kann jede einzelne Fingerkuppe durch den Stoff meiner Kleidung warm auf meinem Bauch spüren.

Warum stört es mich nicht, verflixt noch mal? Ich lasse sonst nie zu, dass mich Fremde berühren. Aber das hier … fühlt sich gut an.

Neu. Anders. Aufregend.

»Wollen Sie eigentlich immer noch, dass ich Sie gehen lasse?« Mit einem Mal klingt seine Stimme rauer.

»Haben Sie mich denn alles gefragt, was Sie wissen wollten?« Lehne ich mich gerade an ihn?

»Mir fallen bestimmt noch andere Fragen ein.« Seine Lippen streifen mein Ohr, was mir einen angenehmen Schauer über den Rücken rinnen lässt. Seine Hand auf meinem Bauch wandert zu meinem Bauchnabel.

Ich schließe die Augen.

»Die da wären?«

»Warum laufen Sie nicht vor mir weg?« Nun gleitet seine Hand unter mein Shirt und streichelt die nackte Haut an meinem Bauch. Ich schnappe nach Luft.

»Weil Sie nicht gefährlich auf mich wirken.«

»Da irren Sie sich.«

Klar. Er will sich interessant machen. Typisch Mann.

»Warum verteidigen Sie sich nicht, wenn ich Ihnen an die Wäsche gehe?«

Gute Frage.

Ich kenne den Typen nicht und weiß nur, dass er ein ausgeprägtes Alkoholproblem und beeindruckende Reflexe hat. In drei Jahren konnte ich es nie ertragen, wenn mich ein anderer als Ollie angefasst hat. Warum schlage ich seine Hand nicht weg, sondern bin … neugierig auf das, was jetzt kommt?

»Also erstens sind Sie noch gar nicht an meiner Wäsche angelangt«, antworte ich, woraufhin er leise lacht. Als wollte er mich vom Gegenteil überzeugen, lenkt er seine Hand aufwärts zu meinen Rippen.

»Und zweitens?«

»Vielleicht gefällt es mir ja, wie Sie mich berühren.«

Er stockt und quittiert meinen Vorstoß mit einem leisen Keuchen. Es klingt so sexy, dass sich ein nervöses Ziehen in meinem Inneren bildet.

»Ist das so?« Er drängt sich näher an mich, während seine Hände unter meinem Shirt auf Wanderschaft gehen.

Es fühlt sich verdammt gut an.

Nicht übergriffig, nicht triebgesteuert, nicht abstoßend.

Im Gegenteil.

Zielsicher finden seine Finger die Stellen, an denen ich berührt werden möchte. Sie streicheln über die empfindliche Haut unterhalb meines Bauchnabels, wandern meine Rippen hinauf, streifen die Seiten meiner Brüste. Dabei üben sie genau den richtigen Druck aus, um interessant, aber nicht anrüchig zu sein. Mein Kopf sackt gegen seine Schulter. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er sofort aufhören würde, wenn ich ihn darum bitte. Nur will ich das gar nicht.

Seine Lippen ziehen eine sanfte Spur über meinen Hals. Augenblicklich beginnt meine Haut zu glühen. Als er den Saum meines Shirts greift, um es mir über den Kopf zu streifen, schaltet mein Herz ein paar Gänge höher.

»Ist das okay?«, fragt er leise. Bereitwillig hebe ich die Arme.

Was tue ich hier? Ich bin im Begriff, mich diesem völlig Unbekannten an den Hals zu werfen. Bin ich so leicht zu haben? Gedanklich schüttle ich den Kopf. Ich bin alles andere als leicht zu haben. Schließlich hat mich seit über acht Jahren kein anderer Mann als Ollie auf diese Weise berührt.

Seine Haut trifft auf meine, als er mich erneut an seine nackte Brust zieht. Hunderte, winzig kleiner Stromstöße tänzeln über meinen Körper und ich beiße mir auf die Lippe, als mir ein leises Stöhnen entfährt.

»Stört es dich nicht, dass ich dich letzte Nacht für eine andere gehalten habe?«, flüstert er zwischen zwei gehauchten Küssen auf meine Schulter. Ah, wir sind beim Du. Sehr passend, wenn wir uns befummeln.

»Letzte Nacht wusstest du nicht, was los ist.« Ich dränge mich enger an ihn. »Außerdem … wer garantiert dir, dass ich nicht auch gerade an einen anderen denke?«

»Touché.« Auf meiner Haut spüre ich sein Lächeln.

Natürlich rede ich Blödsinn.

An wen sollte ich schon denken?

Habe ich mich mit Ollie überhaupt jemals so gefühlt wie in diesem Moment? Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich sexuell unterversorgt bin. Oder dass wir uns nicht kennen. Es könnte dieses berüchtigte Spiel mit dem Feuer sein.

Ha, Rosie wäre stolz auf mich, wenn sie wüsste, dass ich eine sich mir bietende Gelegenheit auf Spaß endlich mal nutze!

Ganz leicht presse ich meinen Po an sein Becken, was ihm ein sexy Keuchen entlockt. Es gefällt mir, dass er sofort auf mich reagiert.

»Ich möchte dich berühren.« Diese tiefe Stimme an meinem Ohr benebelt meine Sinne.

»Das machst du doch schon. Oder wie würdest du nennen, was du gerade tust?«

Wieder lacht er leise. Als er seine Hand behutsam in den Bund meiner Jeans schiebt, atme ich zittrig ein.

»Ich möchte dich dort berühren. Ist das auch in Ordnung?«

Ich sehe auf seine Hand hinab, die zum Teil bereits in meiner Hose verschwindet. Sein muskulöser Unterarm ruht auf der blassen Haut an meinem Bauch und die Sehnen tanzen über seinen Handrücken, als er mich sanft streichelt.

Meine Zellen reagieren übersensibel. Ich fühle mich wie ausgehungert und die Vorstellung, dass seine Finger noch weiter vordringen, setzt meinen ganzen Körper in Flammen.

Ungeduldig beiße ich mir auf die Lippe und nicke.

Er zieht seine Hand zurück, um meine Jeans zu öffnen. Dann wagen sich seine Finger vor. Langsam, neugierig, neckend gleiten sie tiefer. Ich halte die Luft an, als er sie zwischen meine Beine schiebt und zischend einatmet.

Meine Knie werden weich. Er scheint es zu spüren, denn sein Griff um meine Taille wird fester, während er mich unaufhörlich streichelt.

Seine Berührung ist forschend, entdeckend, beinahe ehrfürchtig. Trotzdem weiß er genau, was er da tut. Geschickt reizen seine Finger meine übersensible Haut, wagen sich vor, gleiten in mich hinein, spielen, massieren. Ich stöhne, weil jede seiner Bewegungen sich so unerhört gut anfühlt. Im Rhythmus seiner Zärtlichkeiten dränge ich mich ihm entgegen.

»Du machst mich total verrückt«, flüstert er.

Was soll ich erst sagen? Ich weiß kaum, wohin mit all diesen Empfindungen. Mein Körper dreht durch und ich winde mich im Griff des Fremden, ohne meine Bewegungen steuern zu können.

Sein Stöhnen dicht neben meinem Ohr elektrisiert mich.

Seine Finger streicheln mich schneller, fordernder.

Mein Atem geht unkontrolliert.

Und dann entlädt sich die in mir angestaute Spannung mit einer Wucht, die mich von den Füßen reißen würde, wenn er mich nicht so sicher hielte.

Als er mich hochhebt und aufs Bett legt, bin ich noch völlig benommen. Sofort ragt er über mir auf und stützt sich mit beiden Händen neben meinen Schultern ab. In seinem Blick erkenne ich Neugierde, Bewunderung und so viel … Aufmerksamkeit?

Er sieht mich wirklich an.

»Brauchst du eine Pause?« Sein warmes Lächeln löst ein Flattern in meinem Bauch aus.

Grinsend schüttle ich den Kopf. Ich habe Blut geleckt und werde jetzt sicher nicht auf Wasser umsteigen.

Während ich dem Kribbeln in meinem Körper nachspüre, entdeckt er mich mit dem Mund. Zunächst küsst er meine Kehle, dann bedeckt er meine Rippen und meinen Bauch mit Küssen. Seine Nasenspitze umkreist meinen Bauchnabel und wie vorhin zieht er die Luft ein.

»Weißt du eigentlich, wie gut deine Haut riecht?«

Ich lächle, weil mir sein Kompliment gefällt.

Seine Küsse wandern tiefer. Mein Wimmern beantwortet er mit einem Knurren.

Als er mir die Jeans über die Beine streift, nimmt mein Puls erneut an Fahrt auf. Dabei sieht er zu mir auf und sein Blick geht mir durch und durch. Seine Augen lächeln und glühen zugleich.

Ich lasse zu, dass er mir die Unterwäsche auszieht, und kann es selbst kaum erwarten, ihm Jeans und Shorts abzustreifen. Wir berühren uns, küssen uns, erforschen uns. Mir ist nicht so ganz klar, woher ich diese plötzliche Kühnheit nehme. Aber sie fühlt sich verdammt gut an.

Als er aus seiner Jackentasche ein Kondom hervorholt, kann ich ihn nicht bremsen. Ich will es nicht. Obwohl ich in den letzten drei Jahren nie bereit war, diesen Schritt zu gehen, wünsche ich mir jetzt nichts sehnlicher, als dass es geschieht.

Alles Folgende nehme ich wie in einem Rausch wahr. Wie er behutsam in mich eindringt, wie er sich in mir bewegt und gekonnt diesen magischen Punkt in mir findet, den ich bisher nur vom Hörensagen kannte. Der Schweißfilm auf unserer Haut, seine Muskeln, die sich bei jeder seiner Bewegungen so aufregend anspannen, das Funkeln dieser wunderschönen Augen.

Noch einmal bringt er mich bis zum Äußersten, bevor er sich selbst zugesteht, seiner Lust nachzugeben. Danach bricht er erschöpft auf mir zusammen.

Ich genieße seine Nähe und streiche über die glatte Haut an seinem Rücken, während ich in einen leichten Schlaf hinüberdämmere.

Als ich das nächste Mal die Augen aufschlage, ist der schöne Unbekannte fort.

Kapitel 3

 

 

 

»Wie war eigentlich dein Wochenendtrip nach London? Du hast mir noch gar nichts Genaues erzählt.«

Ein Ruck geht durch meinen Körper, sodass ich den Tee neben die Tasse gieße.

»Scheiße.« Ich reiße die Kanne zurück und stoße gegen den Stuhl, der quietschend über die Terrassenplatten rutscht.

»Ach herrje, Süße, entschuldige. Habe ich dich gestoßen oder so was?« Rosie springt von ihrem Stuhl auf und greift nach ein paar Servietten, mit denen sie die Pfütze auf der Tischdecke beseitigt. Zum Glück ist sie abwischbar.

»Nein, das war meine Schuld.« Ich bemühe mich um ein Lächeln und schenke ihr erneut ein, was mir trotz meiner zitternden Hand gelingt. »Es war sehr schön«, erkläre ich dann ein wenig abwesend. »Am Samstag waren wir im Tower of London und haben eine Runde mit dem London Eye gedreht. Jen und Alex haben zwei Kinder, supersüße Mädels, und es hat riesig Spaß gemacht, ihre Begeisterung zu teilen. Abends haben wir gemeinsam gegessen und über die guten alten Zeiten geplaudert.«

Nachdem das Tee-Chaos beseitigt ist, nehme ich ebenfalls Platz und greife nach einem Shortbread, während ich den Blick über das Meer gleiten lasse. Ich liebe meine Terrasse und diese atemberaubende Aussicht.

»Und am Sonntag?«

Das Shortbread bleibt mir im Hals stecken und ich muss husten. Es war völlig klar, dass Rosie diese Frage stellen würde. »Sonntag wollten wir eigentlich die Warner Brothers Studios besichtigen. Du weißt schon, Harry Potter. Aber ich … war zu spät dran, weil ich … nicht so ganz in Form war.«

Meine beste Freundin lässt die Hand mit dem angenagten Keks darin sinken. »Nicht so ganz in Form? Was hattest du denn? Warst du etwa krank und hast mich nicht gerufen, damit ich mich um dich kümmere?«

Verlegen lächle ich. »So schlimm war es nicht. Nur eine … Unpässlichkeit.«

Rosie setzt sich auf und strafft die Schultern. »Eine Unpässlichkeit«, wiederholt sie. »Wofür steht das? Seit wann ist dieses Wort überhaupt Teil deines aktiven Vokabulars?«

»Ähm … seit Sonntag.«

Mit verengten Augen beugt sie sich vor. »Dir ist schon klar, dass ich wissen möchte, was für eine Art von Unpässlichkeit das war, oder? Sprechen wir von einer Magenverstimmung? Hast du eine plötzliche Lebensmittelallergie entwickelt? Wenn ja, muss ich das nämlich wissen, damit ich dich als deine beste Freundin nicht versehentlich vergifte. Oder handelt es sich …« Plötzlich werden ihre Augen kugelrund und sie schnappt nach Luft. Dann landet ihre Hand auf meinem Arm, sodass ich meinen Tee fast auch noch verschütte. »Ivy, steckt ein Mann dahinter?«

Stöhnend lehne ich mich zurück und schlage mir theatralisch die freie Hand vor die Stirn. Aus genau diesem Grund habe ich Rosie noch nichts von meinem Wochenende in London erzählt. Sie kennt mich viel zu gut und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie hinter meinen zitternden Händen und meinem fahrigen Allgemeinzustand den wahren Grund erkennen würde. Irgendwie habe ich gehofft, ein wenig Ordnung in mein chaotisches Gemüt bringen zu können, bevor ich meiner besten Freundin alle Details offenbaren würde.

Offenbaren müsste.

»O mein Gott!« Sie legt beide Hände vor ihren Mund, um das erfreute Quietschen ein wenig zu dämmen. »Du hast endlich einen Mann kennengelernt. Erzähl mir alles. Wie heißt er? Wo wohnt er? Was macht er beruflich? Ach, das ist alles öde. Wie sieht er aus? Wart ihr schon im Bett? Ist er gut bestückt? Hat er dir-«

»Rosie!« Ich lache. »Nun mach mal halblang! Zu deinen ersten drei Fragen: keine Ahnung. Zu den letzten drei: umwerfend, weltbewegend, perfekt.«

Verwirrt zieht Rosie die Augenbrauen hoch. »Was habe ich noch mal gefragt?«

Wieder muss ich lachen und bin erleichtert, weil meine Freundin es stets schafft, mich aufzumuntern – seit Sonntag habe ich nämlich gewaltige Stimmungsschwankungen.

Somit erzähle ich ihr von meiner Begegnung der dritten Art mit diesem intergalaktisch tollen Mann.

»… und als ich am Sonntag aufgewacht bin, war er weg.« Sie sieht mich auffordernd an, damit ich weitererzähle. »Er hat nichts hinterlassen, nicht einmal diesen obligatorischen Zettel mit einem Es war toll. Ich habe das gesamte Zimmer nach einem Hinweis auf seine Identität durchsucht. Nichts. Ich habe gar nichts gefunden und auch der Kerl an der Rezeption hat mir keine Infos gegeben.«

»Du hast ihn hoffentlich nicht direkt danach gefragt. Natürlich darf er dir wegen des Datenschutzes keine Auskunft über andere Gäste geben.«

»Das weiß ich auch. Ich habe behauptet, ich hätte etwas, das ich dem Mann aus Zimmer 105 zurückgeben müsste.«

Rosie lacht schallend auf. »Spätestens zu diesem Zeitpunkt dürfte ihm klar gewesen sein, dass du mit dem Kerl aus 105 im Bett warst.«

»Hm, ja. Es war etwas peinlich. Und gebracht hat es mir letztlich nichts. Zu allem Überfluss ist mir dann eingefallen, dass ich mein Treffen mit Jen und Alex vergessen habe.«

Rosie zieht zischend die Luft ein. »Wie haben sie reagiert?«

»Tja, begeistert waren sie nicht. Ich habe erzählt, dass ich in der Nacht kaum geschlafen habe, weil ich Magenprobleme hatte.«

»Die Unpässlichkeit.« Rosie zwinkert.

»Genau. Deswegen hätte ich den Wecker überhört. Ich hoffe, sie haben mir geglaubt. Es war einfach total blöd, dass ich zu einer Verabredung zu spät komme, für die ich extra nach London gereist bin.«

»So wie es sich anhört, war der Typ es wert.« Rosie nimmt einen Schluck von ihrem Tee und blitzt mich über den Tassenrand schelmisch an.

»O ja.« Ich seufze. Bei der Erinnerung an seine gletscherblauen Augen und das verwuschelte hellbraune Haar flattert mein Magen. »Nach dem Treffen mit Jen und Alex habe ich ernsthaft die Londoner Innenstadt nach ihm abgesucht. Allerdings ohne Erfolg.«

Seufzend neige ich meine Tasse, die leider leer ist. Der Appetit auf Kekse ist mir vergangen. »Seitdem bin ich … also …«

»Emotional verwirrt«, sagt sie und ich atme erleichtert aus, weil ich weiß, dass Rosie mir beistehen wird.

»Jap. Ich fühle mich irgendwie … schmutzig.«

»O nein! Auf gar keinen Fall!«

»Benutzt?«

»Wer hat denn wen benutzt?«

Auch wieder wahr. »Hintergangen?«

Ihre Augen werden kugelrund. »Wieso? Was ging dir durch den Kopf, als ihr angefangen habt, rumzumachen?«

Ich ringe tief um Atem. »Lust. Lust, Lust und wieder Lust.«

»So kenne ich dich nicht. Du hast bestimmt irgendetwas gedacht. Du denkst immer, Ivy.«

»Na ja, ich dachte mir …«

»Ja?« Sie beugt sich etwas über den Tisch.

»Also, ich dachte mir … weißt du, er war so überirdisch gut aussehend und du hast ständig gesagt, dass ich es mal mit einem One-Night-Stand versuchen sollte, also fand ich wohl, dass er eine gute Gelegenheit wäre.«

Rosie rümpft die Nase. »Klingt sehr analytisch. Typisch du eben. Du hast tatsächlich an mich gedacht, während so ein Sahneschnittchen mit freiem Oberkörper vor dir herumgehüpft ist?«

»Hinter mir.«

»Hä?«

»Meistens war er hinter mir.« Bei dem Gedanken an seinen warmen Körper an meinem Rücken wird mir augenblicklich flau.

»Ach, herrje. Das ist doch total egal. Beziehungsweise noch schärfer. Jedenfalls solltest du nicht an mich denken, wenn so ein Kerl sich in deinem Aktionsradius befindet.«

»Auch das war eher andersherum. Ich habe nicht sehr viel agiert.«

»Ivy, hör auf damit«, sagt Rosie streng.

»Außerdem habe ich an Ollie gedacht.«

Nun stöhnt sie gereizt und rollt mit den Augen. »Das darf doch wohl nicht wahr sein. Was hat Ollie damit zu tun?«

Unruhig rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her. »Mit ihm war es nie so, weißt du? Auf ihn habe ich nie so reagiert. Mit ihm habe ich nie so eine …« Ich schließe die Augen und stöhne die letzten Worte regelrecht heraus. »… tiefe Lust empfunden.«

»Natürlich nicht«, erwidert Rosie ungerührt und lutscht den Rest Sahne von ihrem Löffel. »Weil Ollie sexuell auch eine totale Niete war, aber das wolltest du mir ja nie glauben.«

»Jetzt glaube ich es dir.«

»Halleluja, endlich ein Fortschritt. Das macht deinen Wochenendtrip nach London unbezahlbar, auch wenn du Harry Potter verpasst hast.«

Ich muss lachen. Da sich meine Hände auf seltsame Weise beruhigt haben – faszinierender Nebeneffekt meiner wundersamen Freundschaft zu Rosie –, schenke ich mir eine weitere Tasse ein.

Rosie gibt noch etwas Zucker in ihren bereits mit Sahne überhäuften Tee. »Also, noch einmal zurück zu deinem ursprünglichen Problem.«

»Welchem?«

»Du hast überhaupt keinen Grund, dich schmutzig, benutzt oder hintergangen zu fühlen. Wenn ich dich richtig verstehe, hast du dich ganz bewusst zu einem kleinen Abenteuer mit diesem faszinierenden Unbekannten entschieden. Du hast dabei sogar an mich und meine klugen Reden von einem One-Night-Stand gedacht. Also war dir sehr wohl klar, dass alles nach diesem weltbewegenden Moment zu Ende sein könnte. Hat der Typ dir irgendetwas versprochen? Haus, Familie, Kinder, Hund, Katze? Nein. Hast du irgendetwas verlangt? Auch nicht? Na, also. So läuft das. Du wolltest Spaß und hast, wie es scheint, eine gehörige Dosis davon bekommen. Nun leidest du an ein paar Folgeschäden wie Lust-Entzug und Entorgasmisierung, das wird sich aber in ein paar Tagen legen. Dass der Typ nicht einmal seine Nummer hinterlassen hat, ist vielleicht befremdlich, eventuell sogar ein wenig arschig, macht die Sachlage aber sehr klar. Das wird dir helfen, schnell über ihn hinwegzukommen. Also eigentlich ist es sogar nett von ihm. Er will nichts von dir und lässt dich diesbezüglich auch nicht im Dunkeln. Außerdem ist London weit weg. Du riskierst nicht, deinem One-Night-Stand in deinem Heimatort über den Weg zu laufen, was unendlich peinlich sein kann. Glaub mir, ich spreche aus Erfahrung. Kurzum, du hast die optimale Nacht hinter dir, und das gleich beim ersten Mal. Genau genommen, hast du überhaupt keinen Grund, dich zu beschweren.«

Mir klappt die Kinnlade herunter und ich brauche einen Moment, um Rosies Plädoyer zu verarbeiten. Mit allem, was sie sagt, hat sie recht.

Wieso fühle ich mich trotzdem so grässlich?

»Ja …« Meine Stimme kratzt. »Es ist nur so, dass …«

Rosie sieht mich auffordernd an. »Lass es raus, Süße.«

»Also, ich habe mich mit dieser Sache aus meiner Komfortzone herausgewagt. Nie zuvor habe ich mich so etwas getraut. Nicht einmal in meinen kühnsten Träumen hätte ich gedacht, dass ich so weit gehen kann, nachdem ich mich fünf Minuten mit einem Mann unterhalten habe. Es ist ja nicht so, dass wir uns in einer Bar kennengelernt und ein wenig geplaudert hätten. Ich weiß überhaupt nichts über ihn. Er könnte ein Vergewaltiger sein oder ein Serienmörder und ich bin ausgerechnet mit so einem Typen in die Kiste gesprungen. Als wäre das nicht genug, ist da noch diese Sache mit Ollie. In nur einer Stunde bin ich durch diesen Typen komplett von Ollie kuriert worden. Das hinterlässt eine gruselige Leere in mir. Seit Sonntag jammere ich nicht mehr rum, weil er fort ist. Im Gegenteil, wenn ich an ihn denke, muss ich lachen und ärgere mich gleichzeitig ganz furchtbar über alles, was ich bisher versäumt habe. Plötzlich ist es, als wäre ein großer Teil meines Lebensinhaltes weggebrochen. Ollie hinterherjammern? Wozu? Ja und dann, das Schlimmste, das Unerträglichste … ich fühle mich so … ich weiß nicht. Ich kann es nicht beschreiben. Ich habe permanent Lust. Alles in meinem Kopf kreist um diesen Typen, dabei kenne ich nicht einmal seinen Namen. Ich will ihn wiedersehen und dass er noch ganz andere Sachen mit mir anstellt. Denn ich bin mir sicher, dass es noch viele Dinge gibt, die ich ausprobieren möchte. Ich kann nicht mehr arbeiten. Die Texte vor meinen Augen ergeben überhaupt keinen Sinn! Statt Schwan lese ich Schwanz, statt Organisation Orgasmus, statt Seuche Seufzer. Genau das bin ich, verseucht. Krank vor Lust. Ich funktioniere nicht mehr. Der Typ hat mir das Hirn rausgevögelt. Oh, wie ich dieses Ornithologie-Buch hasse, das ich gerade übersetzen soll. Jedes zweite Wort ist Vögel. Das ist die reinste Folter.«

Mit hochgezogenen Augenbrauen mustert Rosie mich, doch spätestens als ihre Mundwinkel verdächtig zucken, weiß ich, dass sie nur mit Mühe ein Lachen unterdrücken kann.

»Du nimmst mich nicht ernst«, jammere ich.

»Oh, Süße.« Sie steht auf und kommt um den Tisch herum auf mich zu, um mich in die Arme zu schließen. »Natürlich nehme ich dich ernst. Ich lache dich nicht aus, sondern freue mich für dich.«

»Wie bitte? Ich fühle mich furchtbar und du freust dich für mich?«

Nun muss sie richtig lachen. »Nein, so ein Blödsinn. Allerdings habe ich etwas mehr Abstand zu deiner Situation, auch wenn ich allein bei dem, was du über dieses Schnuckelchen erzählst, kurz vorm Orgasmus stehe. Trotzdem bin ich in der Lage zu erkennen, dass dir etwas absolut Fantastisches widerfahren ist. Hör auf, dich auf die etwas unangenehmen Nachwirkungen zu fixieren und konzentriere dich auf das Positive. Du hast etwas Wunderbares erlebt, du bist über Ollie hinweg und du hast dich aus deiner Komfortzone herausgewagt. Nur das allein zählt. Du wirst einen anderen Mann finden. Einen normalen Typen, der nicht Ollie ist und der bleibt, nachdem er erkannt hat, was für ein einzigartiger Mensch du bist. Nimm dir Zeit, um diese weltenversetzende Erfahrung zu verdauen, und dann starte endlich durch. Du hast dich lange genug in deinem Ollie-Schmerz gesuhlt. Zeit, etwas Neues zu wagen, und die Erfahrung von Sonntag war der erste Schritt in die richtige Richtung.«

Als ich Rosies Umarmung erwidere, wird mir zum ersten Mal seit Tagen warm im Bauch. »Du bist die beste Freundin, die ich mir vorstellen kann«, flüstere ich, gerührt von ihren Worten.

Dennoch weiß ich nicht, ob es mir gelingen wird, die ganze Sache mit ihren Augen zu sehen. Mein Erlebnis von Sonntag hat etwas in mir verändert, das ist mir völlig klar. Ob zum Guten oder zum Schlechten kann ich noch nicht beurteilen.

Kapitel 4

 

 

 

Auch in den folgenden Tagen bessert sich mein Zustand nicht. Ich bin unkonzentriert, fahrig und grübele viel. Jen und Alex erkundigen sich, ob es mir nach meinen Magenproblemen besser gehe. Ja, alles okay, schreibe ich zurück und fühle mich furchtbar, weil ich nicht ehrlich zu ihnen war. Von der positiven Entwicklung, die Rosie für mich vorhergesagt hat, kann ich nichts entdecken.

Im Gegenteil.

Ich belüge meine besten Freunde, verachte meinen Ex, den ich vorher verehrt habe, und bin für jegliche männliche Wesen in meiner Umgebung völlig unempfänglich geworden. Stattdessen halte ich nach einem Typen in Lederjacke, Jeans und mit Wuschelhaar Ausschau – was, nebenbei bemerkt,ein hoffnungsloses Unterfangen in unserem kleinen Küstenkaff ist. Wo soll da bitte eine positive Wesensänderung durchschimmern?

Das Wochenende verbringe ich bei meiner Familie, der ich schon längst mal wieder einen Besuch abstatten wollte. Da ich mit einer gewissen Grundgereiztheit dort auftauche, krache ich bereits am Samstagnachmittag mit meiner Mutter aneinander.

Normalerweise halten wir es bis Sonntagfrüh aus.

Sogar meine Nichten merken, dass etwas nicht stimmt. Auch wenn ich sonst kaum Glück beim Spielen habe, verliere ich dieses Mal so haushoch, dass sie mir fehlendes Interesse und mangelnde Konzentration vorwerfen. »Tante Ivy ist überhaupt nicht bei der Sache.« Damit haben sie leider recht.

Auch die neue Woche startet übel.

Der Abgabetermin für die Übersetzung dieses verfluchten Ornithologie-Fachbuchs wurde um einen Monat vorgezogen. Ausgerechnet jetzt, wo ich mich überhaupt nicht darauf konzentrieren kann, sitzt mir eine unerbittliche Deadline im Nacken. Für gewöhnlich übersetze ich Liebesromane. Das schaffe ich sogar betrunken und total übermüdet, weil ich Liebesromane liebe und es sich nicht wie Arbeit anfühlt. Von dieser Vogel-Sache habe ich allerdings keine Ahnung, muss viele Wörter nachschlagen und höllisch aufpassen, dass ich keine Fehler mache. Ich habe mich sowieso nur darauf eingelassen, weil mich ein guter Bekannter darum gebeten hat, dem ich eine Gefälligkeit schulde. Spaß macht es mir nicht und je länger ich auf die Worte starre, desto mehr verschwimmen sie und meine Gedanken driften ab.

Als das nächste Kapitel dann auch noch die Überschrift ›Das Sexualverhalten des heimischen Schwans‹ trägt, werfe ich die Flinte ins Korn.

Ich schnappe mir meine Gummistiefel und beschließe, dem Unkraut in meinem Gemüsegarten an den Kragen zu gehen.

Mein Häuschen am Rande der Klippen ist ein absoluter Glücksgriff. Es liegt am Ende einer schmalen Landstraße und gewährt mir die Ruhe, die ich für meine Arbeit brauche. Die Nachbarn sind freundlich und wohnen weit genug entfernt, um nicht über alles im Bilde zu sein, was ich treibe. Das Haus direkt neben meinem steht sogar leer. Abends könnte ich also ungehemmt die Musik aufdrehen und halb betrunken durchs Haus tanzen, es würde niemanden stören.

Das Haus habe ich mir nach der Trennung von Ollie gekauft. Es war immer mein Traum, in den eigenen vier Wänden zu wohnen. Ollie hat stets beteuert, dass er diesen Traum mit mir leben wollte. Tatsächlich hat er mein Vorhaben jedoch fünf Jahre lang sabotiert und ich habe es nicht bemerkt. Das eine Haus war ihm zu groß, das andere zu klein, das nächste zu weit außerhalb, ein anderes zu dicht an der Hauptstraße.

Es war wie ein Wink des Schicksals, dass mein kleines Sturmhäuschen kurz nach unserer Trennung zum Verkauf stand – und auch noch zu einem für mich erschwinglichen Preis. In einem Anflug von Selbstverwirklichungs- und Emanzipationswahn habe ich zugeschlagen und es nicht eine Sekunde bereut.

Es ist winzig.

Für Ollie und mich wäre es definitiv zu klein gewesen. Das Erdgeschoss verfügt lediglich über ein Wohn- und Esszimmer sowie über die Küche und eine kleine Vorratskammer. Im Dachgeschoss bleiben neben dem zierlichen, aber gemütlichen Bad noch genau zwei Zimmer, eins zum Arbeiten, das andere zum Schlafen. Durch das Dachfenster meines Schlafzimmers funkeln des Nachts die Sterne, was ich liebe – vorausgesetzt natürlich, der Himmel ist klar.

Um das Haus herum habe ich einen Gemüsegarten angelegt. Eigentlich habe ich die Beete nur gepflanzt, weil ich nach der Trennung eine Beschäftigung brauchte. Nun werde ich schon im dritten Jahr Gurken, Tomaten, Salat und Erdbeeren ernten und bin wirklich stolz darauf. Nur das Unkraut müsste nicht sein. Aber selbst das ist mir heute willkommen, weil ich unbedingt etwas brauche, um mich abzureagieren. Was könnte da besser sein, als unerwünschte Pflanzen aus dem Erdreich zu zerren?

Während ich mich vollauf darauf konzentriere, unnütze von Nutzpflanzen zu unterscheiden, tauchen ein paar schwarze Stiefel in meinem Sichtfeld auf.

Überrascht hebe ich den Blick.

Ich kann mich nicht daran erinnern, das Quietschen des Gartentors gehört zu haben.

Mein Besucher steht im Gegenlicht, doch spätestens bei dem heiseren »Hi« weiß ich, um wen es sich handelt. Gegen die Gänsehaut, die seine tiefe Stimme mir beschert, bin ich machtlos.

Langsam richte ich mich auf. Jeans. Schwarzes T-Shirt. Schwarze Lederjacke. Eine graue Beanie bändigt sein Haar, eine widerspenstige Strähne hat jedoch den Weg auf seine Stirn gefunden. Seine blaugrünen Augen sind hinter einer spiegelnden Pilotenbrille verborgen, auf die ich deshalb richtig wütend bin.

»Was machst du hier?«, will ich wissen.

»Dich besuchen?« Sein rechter Mundwinkel hebt sich zu einem neckischen Grinsen und … verdammt! Es sieht unverschämt sexy aus.

»Woher weißt du, wo ich wohne?«

Lässig zuckt er mit der Schulter. »Ich habe den Typen am Empfang gefragt.«

Ein mulmiges Gefühl macht sich in meinem Bauch breit, während ich den Kopf schüttle. »Der wird es dir kaum verraten haben. Datenschutz.«

»Hast du es etwa versucht?« Nun wird sein Grinsen frech und zu meinem größten Ärger erröte ich.

»Du hast meine Frage nicht beantwortet«, beschwere ich mich.

Gereizt holt er Luft. »Sagen wir, ich habe Mittel und Wege.«

»Die da wären?«

Er presst die Lippen aufeinander. »Du wirst nicht nachgeben, oder?«

Demonstrativ schüttle ich den Kopf.

»Ich habe den Hotelcomputer gehackt.«

Nun fällt mir die Kinnlade herunter. »Wie bitte?«

»Stört dich das etwa? Wenn ich es nicht getan hätte, wäre ich nicht hier.«

Seine seltsame Art, die Rechtslage zu seinen Gunsten zu verdrehen, macht mich kurz sprachlos. »Du weißt schon, dass es legale Wege gibt, um an die Adresse einer Frau zu gelangen, oder?«

»Ach ja?«

»Jawohl. Du hättest mich einfach danach fragen können. Du hättest mir auch deine Nummer hinterlassen können, damit ich dich kontaktieren kann.« Jetzt höre ich mich nach der gekränkten, unemanzipierten Frau an, die ich in den letzten Tagen war.

Ein Muskel an seinem Kiefer zuckt kaum merklich. Bereut er es, mich ohne ein Lebenszeichen zurückgelassen zu haben? Oder nerve ich ihn?

»Ich gebe niemandem meine Telefonnummer.«

Oh. Alphatier. Wie unangenehm.

Hätte er diese arrogante Seite nicht schon am letzten Sonntag heraushängen lassen können? Dann hätte ich mich deutlich weniger nach ihm gesehnt. Gerade will ich zu einem saftigen Konter ansetzen, als er hinzufügt: »Ich habe kein Telefon.«

Alles, was ich erwidern wollte, bleibt mir im Hals stecken. Welcher Mensch lebt heutzutage noch ohne Telefon?

Ein unerwartet heftiger Windstoß zerrt an meinem Strohhut und ich hebe hastig die Hand, um ihn auf meinem Kopf festzuhalten. Etwas in der Mimik des Typen verändert sich ganz leicht, aber ich kann nicht sagen, was es ist, weil ich seine Augen nicht sehen kann. Mein Gefühl sagt mir, dass er mich beobachtet, und ich wüsste zu gern, auf welchen Teil meines Körpers er sich konzentriert.

Diese Pilotenbrille und ich werden definitiv keine Freunde.

Eine Weile schauen wir uns an.

»Warum bist du hier?«, frage ich.

Er schnaubt belustigt. »Willst du wirklich die absolut kitschige Antwort darauf hören?«

»Wenn sie ehrlich ist, ja.«

Als er einen Schritt auf mich zumacht, ist es mir seltsamerweise egal, ob er dabei auf meine Erdbeerpflänzchen tritt, weil mein Herz direkt schneller klopft. Er beugt sich vor, bis er leicht gegen meinen Strohhut stößt und sein Mund ganz dicht neben meinem Ohr ist. So nah, dass ich seinen Atem spüre. Wieder lässt eine Gänsehaut meine sensiblen Härchen zu Berge stehen.

»Ich kann nicht vergessen, was wir letzten Sonntag getan haben«, flüstert er. Als wüsste er genau, was seine leise Stimme mit mir macht.

Und seine Worte erst.

In Lichtgeschwindigkeit rast mir das Blut in die Wangen.

»Es hat mir Spaß gemacht, all das mit dir anzustellen, und ich würde es gern wiederholen«,

Mein Herzschlag stolpert.

»All das und noch mehr. Ich mochte es, dich zu küssen und deine Haut zu fühlen. Dich zu spüren.«

Als er sich wieder zurückzieht und mich aufmerksam mustert, weiß ich, dass ich glühe wie eine Tomate. Ob er eine Ahnung davon hat, was seine Worte in mir bewirken? Dass es in meinem Unterleib zieht und pocht und meine Beine ganz wackelig werden?

»Im Klartext …« Äußerlich bemühe ich mich, die Fassung zu wahren, während es in mir gerade den Bach runtergeht. »… bist du hier, um zu vögeln.«

Endlich nimmt er diese dämliche Brille von der Nase. Als er mich aus seinen grünblauen Augen ansieht, fühlt es sich an, als würde er auch noch den Rest meines Willens übernehmen. »Wenn du es so nennen möchtest.«

Eine Zeit lang stehen wir uns schweigend gegenüber.

Er wartet auf meine Antwort, während ich versuche herauszufinden, was ich will. Möchte ich ein weiteres Mal mit ihm in die Kiste springen? Die Antwort taucht erschreckend schnell in meinem Hirn auf: Ja. Wird es mich erneut zerstören?

Hey, Moment, zerstört bin ich nicht.

Nur durcheinander.

Vielleicht entdecke ich ja etwas an ihm, was mich abstößt, sodass ich ihn umso leichter vergessen kann, sollte er sich danach wieder einfach so aus dem Staub machen. Wenn ich mich auf ihn einlasse, birgt das also nicht nur ein Risiko, sondern auch großes Potenzial.

Und die letzte Frage: Möchte ich herausfinden, wer er hinter seiner Maske ist? Absolut, und das ist unmöglich, wenn ich ihn jetzt aus meinem Garten jage und er auf Nimmerwiedersehen verschwindet.

»Komm mit.« Ich dränge mich an ihm vorbei in Richtung Terrasse, wo ich aus meinen verschmutzten Gummistiefeln schlüpfe.

»Schicke Socken«, sagt er mit einem breiten Grinsen im abartig hübschen Gesicht. Er sieht noch viel besser aus, als ich ihn in Erinnerung habe. Vielleicht liegt das daran, dass die Schatten unter seinen Augen verschwunden sind.

Mein Blick huscht zu den rosa Füßlis mit roten Erdbeeren. Während ich ihn gereizt anblitze, streife ich mir die Socken ab und stopfe sie in die Stiefel. Auch meinen Strohhut nehme ich ab und hänge ihn an den dafür vorgesehenen Haken.

»Besser?«

Sein Blick fällt auf meine nackten Füße mit den feuerrot lackierten Zehennägeln und auf einmal ist sein Ausdruck ernst. Es ist mir ein Rätsel, was diesen Sinneswandel ausgelöst hat. Ich husche durch den Perlenvorhang in mein kleines Wohnzimmer und von dort weiter in die Küche.

Mein schöner Unbekannter folgt mir.

»Bedien dich, wenn du etwas trinken möchtest.« Ich deute auf die Flaschen auf dem Esstisch und die Gläser in der Anrichte. »Ich muss mir die Hände waschen.« Zum Beweis wedele ich mit meinen dreckverkrusteten Fingern, an denen der halbe Garten klebt.

Während ich mich zur Spüle rette, versuche ich krampfhaft, das Chaos in meinem Kopf zu sortieren. Bevor ich mich zu irgendetwas mit ihm hinreißen lasse, muss ich herausfinden, wer er ist. Ich brauche einen Namen, seinen Job, einen Geburtsort, sein Alter.

Ähm … was davon ist wirklich wichtig?

Sein Name, daran geht kein Weg vorbei. Aber was sollte der mir über seinen Charakter verraten? Energisch schrubbe ich über meine verdreckten Unterarme und pule die Erde unter den Fingernägeln hervor. Auf alle Fälle müssen wir reden, bevor etwas zwischen uns läuft.

Das ist vernünftig, oder?

Als er hinter mich tritt und mit den Armen um mich herumgreift, um seine Hände ebenfalls unter das laufende Wasser zu halten, ahne ich, dass meine vernünftigen Pläne sehr schnell ins Wanken geraten.

Seine Nähe.

Gott.

Heute verpestet kein Geruch nach Alkohol die Luft, stattdessen rauscht sein frischer Duft nach Weite und Meer ungefiltert auf mich ein. Am liebsten möchte ich die Augen schließen und ihn ungehemmt inhalieren.

Statt seine eigenen Hände zu waschen, was ich zunächst vermutet hatte, reibt er zärtlich die Erde von meinen, verschränkt seine Finger mit meinen und spielt damit.

Mein Herz wummert.

Dieses Spiel gefällt mir.

Seine Jacke hat er ausgezogen. Es war mir sowieso unverständlich, wie man es bei den sommerlichen Temperaturen mit einer Lederjacke aushalten kann. Mir ist bereits in meinem Sommerkleid zu warm – was allerdings auch mit dem attraktiven Kerl hinter mir zusammenhängen könnte.

Er tritt noch näher an mich heran, bis er sich an meinen Rücken schmiegt. Mit den Händen gleitet er an meinen Armen hinauf, verteilt das Wasser auf meiner Haut und schließlich auch auf den halblangen Ärmeln meines Kleides. Der Stoff saugt die Flüssigkeit auf und legt sich kühlend auf meine überhitzte Haut, was sich himmlisch anfühlt. Er benetzt seine Hände erneut und trägt die Flüssigkeit dieses Mal bis zu meinen Oberarmen und meinen Schultern. Dabei gleitet er mit der Nase durch mein Haar und zieht hörbar die Luft ein.

Das hat er in dem Hotelzimmer auch getan.

»Wir sollten …«

»Was?«, raunt er, direkt an meinem Ohr.

»Reden.«

Ungerührt von meiner Aufforderung hält er seine Hände erneut unter den Wasserstrahl, aber dieses Mal widmet er sich nicht mehr meinen Armen, sondern legt sie direkt auf meinen Bauch und meine Brust.

Ich schnappe nach Luft, als das kühle Nass durch den dünnen Stoff dringt und auf meine empfindliche Haut trifft. Beim Kontakt seiner Handflächen erwärmt sie sich wieder, sodass ich mir nicht sicher bin, weshalb genau sich meine Brustwarzen so freudig aufrichten. Sie kribbeln und spannen und sehnen sich nach seiner Berührung.

»Worüber?«, fragt er und ich habe keine Ahnung, was er meint.

»Was?« Als seine Finger neckend über meine Brust tänzeln, keuche ich. Wenn es sich durch den Stoff schon so gut anfühlt, wie wird es dann erst sein, wenn er meine Haut berührt?

»Worüber willst du reden?« Er gerät ins Stocken, als ich meinen Po gegen diese interessante Beule in seiner Hose dränge. Leise keuchend senkt er seine Lippen auf die sensible Haut unterhalb meines Ohrs, die sofort zu glühen beginnt.

---ENDE DER LESEPROBE---