Hammer + Veilchen Nr. 17 -  - E-Book

Hammer + Veilchen Nr. 17 E-Book

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Beschreibung

Nr. 17 der Internetzeitschrift. Mit Beiträgen von Susanne Neuffer · Wolf Senff · Maria Lamparter · Konstantin Ulmer · Hermann Duros · Slata Kozakova · Melitta Roth · Roland Glomb. Weitere Infos unter http://www.Hammer_und_Veilchen.de

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Seitenzahl: 39

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Inhaltsverzeichnis
Susanne Neuffer
Drei Geschichten vom Sommer
Sie
Unter dem Dach
Vögel
Wolf Senff
Rätsel um Eldin
Hermann Duros
Zwei Geschichten
Schöne Freunde
Greiner
Marita Lamparter
Das Zauberwort
Melitta Roth
Wegen der Ökonomie
Slata Kozakova
Bitte nicht diesen pulsierenden Schmerz
Konstantin Ulmer
Vom Knirscher, einem echten Humanisten
Roland Glomb
Miniaturen
Rollendes Arbeitszimmer
Aus dem Hut gezaubert
Zweifel sind angebracht
Kein Happy End
Vorbereitungsarbeiten
Ein Glücksfall
Optimismus
Zeigefreudig
Die Autoren
Impressum

Hammer + Veilchen

Flugschriften für neue Kurzprosa

Herausgegeben von Günther Emig und Peter Engel

Ausgabe 17 · 2018

Mit Beiträgen von Susanne Neuffer · Wolf Senff · Maria Lamparter · Konstantin Ulmer · Hermann Duros · Slata Kozakova · Melitta Roth · Roland Glomb

Susanne Neuffer

Drei Geschichten vom Sommer

Sie

Im Wintergarten ist eine Libelle, sie surrt ziellos herum, nein, natürlich hat sie ein Ziel, sie will raus, aber bei so vielen Glasscheiben schafft sie das nicht, auch wenn die Tür weit offen steht. Es wirkt verzweifelt. Sie wirkt verzweifelt.

Ist das schon zu viel Interpretation? Kann eine Libelle verzweifelt sein?

Wie sie aussieht: riesige Augen, schwarz umrandet, riesige Flügel, ein schmaler Körper. Wie ein Model, das man als ägyptische Totengöttin geschminkt hat. Libellen sind jenseits der Biologie immer weiblich.

Sie ist mir unangenehm.

Kleine Schauer laufen mir über die Haut, wie nach einem Wespenstich, aber ich bin nicht gestochen worden.

Hummeln, Schmetterlinge und selbst kleine Wespen fange ich in umgedrehten Wassergläsern, halte einen Bierdeckel drunter und trage sie vor die Tür, mit einem Gefühl, als wäre ich Franz von Assisi persönlich. Na, flieg schon, sage ich dann, und plustere mich auf, während das Tier sich ungläubig entfaltet und durchstartet.

Aber diese riesige Libelle, diese eigentlich tote ägyptische Prinzessin, die mich mit ihrem großen schwarzen Auge von der Seite her anstarrt, die läßt sich nicht in ein Glas locken, ich würde es auch gar nicht wagen. Sie hat sich auf den Fensterrahmen gesetzt und verhält sich ganz still. Ich könnte mich jetzt auch still halten, Zeitung lesen, den Cidre weitertrinken, was man an einem sinnlos warmen Nachmittag eben so macht.

Aber ich muß mich an etwas erinnern, wenn ich nur wüßte, woran. Die Bewegung geht von ihr aus, diese Bewegung der Gedanken bei absoluter Unbewegtheit des Körpers. Jemand könnte mal einen Horrorfilm über Libellen machen, denke ich, die sind mindestens so unheimlich wie Saurier, sie sind noch unheimlicher, weil an ihnen nichts Komisches, Täppisches ist, nur kalte, klare Eleganz.

Es könnte auch ein Angebot an mich sein. Mach selber was draus, laß sie größer werden, überlebensgroß, bedrohlich, von ganz weit her kommend, mit einer Fünf-nach-Zwölf-Botschaft an die ganze Menschheit, hinter ihr sirrend und surrend und flügelrauschend eine ganze Armee, eine Luftstreitmacht, sie sind eine Ehrenrunde über dem Grab von Günter Eich geflogen und jetzt kommen sie, unerbittlich, und sie halten Gericht. Ich schreib das auf und mach mir ein gutes Gewissen.

Du bist eine Libelle, sage ich, du wirst mir keine Angst machen. Ich könnte dich zerdrücken, es würde knacken und knirschen, ich würde mich eine Weile schlecht fühlen, aber dann könnte ich dich vergessen. Ich würde dich wegkehren, in den Restmüll werfen, wo du nicht hingehörst, ich weiß. Aber so etwas tue ich nicht, ich gehe lieber ins Haus, ich schließe die Tür zum Wintergarten, ich kann ja auch drinnen lesen und Cidre trinken, es ist ohnehin zu warm, es ist so heiß wie in Ägypten, und vielleicht gehst du ja freiwillig, vielleicht findest du den Weg nach draußen, wenn ich nicht hinschaue, bitte, versuch es, bitte, geh weg.

Wir wollen doch, daß es gut ausgeht.

Unter dem Dach

Ja, sie ist vom Lastwagen gefallen, lassen wir das. Sie war klein und verschrumpelt, ich wollte nicht unhöflich sein, bückte mich und nahm sie mit, stellte sie in den Wintergarten. Sie hatte sogar einen Zettel um den Hals, auf dem stand, sie brauche Wasser und Sonne. Eine arme kleine Discounter-Schönheit, Abteilung Non-Food, Deko. Ich mag keine Zimmerpflanzen, ich vernachlässige sie, bis sie vertrocknet sind. Sie stehen einfach herum, mit meiner Steinsammlung können sie nicht mithalten, was Schönheit und Bedeutung angeht.

Die Banane hatte eine schwache Phase im Winter, als sie in dem ungeheizten Raum zu erfrieren schien. Ihre wenigen Blätter hingen herunter, wurden braun und sahen faulig aus. Hinter dem ausgelagerten Weihnachtsbaum fiel sie nicht auf. Auch für das Beseitigen toter Pflanzen braucht man Energie, und bevor ich sie entsorgen konnte, hatte sie ein Blatt produziert. Ein einziges Blatt, schmal und zusammengerollt wie eine grüne Seidenzigarre. So etwas rührt und verblüfft, also ließ ich sie gewähren.