Handbuch des Blockflötenspiels - Hans-Martin Linde - E-Book

Handbuch des Blockflötenspiels E-Book

Hans-Martin Linde

4,8

Beschreibung

Der renommierte Interpret Hans-Martin Linde erörtert in seinem universalen Handbuch in drei Themenkomplexen grundlegende Fragen zur Blockflöte und gibt fundierte Antworten zum Instrument selbst, seiner Bau- und Funktionsweise und der richtigen Auswahl und Pflege, zur Spielweise, mit Informationen zur Atmung, zum Klang, zur Grifftechnik und Artikulation sowie schließlich zur Wiedergabe von Blockflötenmusik von der Zeit des frühen Mittelalters bis ins 20. Jahrhundert. Abbildungen von verschiedenen Instrumenten, Schaubilder, historische Illustrationen, Notenbeispiele und Grifftabellen veranschaulichen die dargelegten Sachverhalte. Beides – die Information und die Darstellung – ergibt ein Handbuch, das jedem Blockflötenspieler, Schüler wie Lehrer, als unverzichtbare Informationsquelle über eines der beliebtesten Instrumente dient.

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Hans-Martin Linde

Handbuch des Blockflötenspiels

Hans-Martin Linde

Handbuch desBlockflötenspiels

2. erweiterte Auflage

SCHOTT

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Bestellnummer SDP 138

ISBN 978-3-7957-8562-8

© 2016 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz

Alle Rechte vorbehalten

Als Printausgabe erschienen unter der Bestellnummer ED 8703

© 1962, 2003 Schott Musik International, Mainz

www.schott-music.com

www.schott-music.com

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlags. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung kopiert und in ein Netzwerk gestellt werden. Das gilt auch für Intranets von Schulen oder sonstigen Bildungseinrichtungen.

Inhalt

Abkürzungen

Vorwort

Die Blockflöte

Akustische Grundlagen

Material

Bezeichnungen

Formen

Wahl eines Instrumentes

Behandlung des Instrumentes

Die Spielweise der Blockflöte

Atmung und Tonbildung

Klang

Haltung

Griffweisen

Fingertechnik

Artikulation

Üben

Vorspielen, Konzertieren

Schulen und Studienwerke

Die Blockflötenmusik und ihre Wiedergabe

Musizierpraxis mit Blockflöten vor 1600

a) Frühes Mittelalter

b) Ars antiqua

c) Ars nova

d) Zeitalter der alten Niederländer

Stilfragen des 14., 15. und 16. Jahrhunderts

a) Artikulation

b) Verzierungen

c) Notation

d) Tempo

e) Besetzungsvorschläge

Musizierpraxis mit Blockflöten zwischen 1600 und 1750

a) Frühbarock

b) Hochbarock

Stilfragen des 17. und 18. Jahrhunderts

a) Artikulation

b) Verzierungen

c) Tempo

d) Rhythmik

e) Besetzungsvorschläge

Aufgaben der Blockflöte im 20. Jahrhundert

Bibliographie

Register

Abkürzungen

Instrumente

Fl

Blockflöte

Qufl

Querflöte

Bc

Basso continuo

S

Sopranflöte

A

Altflöte

T

Tenorflöte

B

Baßflöte

c. f.

cantus firmus

Literatur

AMW

Archiv für Musikwissenschaft

DDT

Denkmäler deutscher Tonkunst

DTÖ

Denkmäler der Tonkunst in Österreich

GA

Gesamtausgabe

MGG

Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Kassel 1949 ff.

Verlage

Amadeus

Amadeus-Verlag, Zürich

Arch

Schott’s Archive of Recorder Consorts, London/Mainz

BA

Bärenreiter-Ausgabe, Bärenreiter-Verlag, Kassel

Bä HM

Hortus Musicus, Bärenreiter-Verlag, Kassel

B & H

Breitkopf & Härtel, Wiesbaden

Boosey

Boosey & Hawkes, London/Bonn

Dob

Doblinger, Wien

Hänssler-Verlag, Neuhausen-Stuttgart

Haslinger

Haslinger, Wien

Hof

Friedrich Hofmeister, Hofheim/Ts.

Moe

Moeck-Verlag, Celle

Moes

Moeseler-Verlag, Wolfenbüttel

MuRa

Musica Rara, London (Auslieferung Hänssler)

NMA

Nagels Musik Archiv, Bärenreiter-Verlag, Kassel

Noe

Otto Heinrich Noetzel und Heinrichshofen’s Verlag, Wilhelmshaven

Oxford

Oxford University Press, London

Pelikan

Musikverlag zum Pelikan, Zürich (jetzt Hug & Co., Zürich)

Pe

C. F. Peters, Frankfurtern Main

ProMus

Pro Musica Edition, London (Auslieferung Hänssler)

Ri

G. Ricordi, Mailand/München

S

B. Schott’s Söhne, Mainz

SL

Verlag Schott & Co., London

Siko

Musikverlag Hans Sikorski, Hamburg

Sirius

Sirius-Verlag, Berlin (jetzt Heinrichshofen/Noe)

SRP

Society of Recorder Players, Verlag Schott, London

UE

Universal Edition, Wien/London

ZfS

Zeitschrift für Spielmusik, Celle (= Moe)

Zi

Wilhelm Zimmermann, Frankfurt am Main

Vorwort

Ein zu Beginn der sechziger Jahre an der Schola Cantorum Basiliensis geführter Methodikkurs gab den Anstoß, der Anregung des Schott-Verlages zu folgen und die vorliegende Arbeit in ihren Grundzügen festzulegen. Seit der darauffolgenden Erstveröffentlichung (1962) hat das Blockflötenspiel eine bemerkenswerte Entwicklung erfahren. Heute gibt es in allen Teilen der Welt hervorragende Blockflötisten, die den Vergleich mit anderen Instrumentalisten nicht zu scheuen brauchen. Die Blockflöte hat nach wie vor ihren wichtigen Platz in der musikalischen Erziehung jugendlicher Spieler. Sie hat aber auch Einzug gehalten in die Konzertsäle, und die Zahl der Schallplattenaufnahmen mit Blockflöte ist fast unüberschaubar groß. Das Interesse an historisch orientierter Aufführungspraxis ist weltweit verbreitet. Aber auch die Moderne macht einen wesentlichen Anteil heute gespielter Blockflötenliteratur aus.

Es erwies sich deshalb als dringend notwendig, das „Handbuch“ zu überarbeiten und dabei der veränderten Situation gerecht zu werden. Die vorliegende Neufassung folgt zwar dem ursprünglichen Aufbau der Schrift. Doch wurden neue Einsichten und die erweiterte Kenntnis historischer und gegenwärtiger Aufführungspraxis einbezogen. Das bedeutete sowohl Ergänzung als auch gelegentliche Umgestaltung. Die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung noch notwendigen Hinweise auf die damals recht wenigen Blockflöten-Schallplatten erübrigen sich in dieser Neufassung. Der bibliographische Teil wurde überarbeitet. Dabei erwies es sich aus heutiger Sicht als sinnvoll, manche Titel zu streichen und inzwischen erschienene Publikationen ergänzend einzufügen.

Hans-Martin Linde

Die Blockflöte

Akustische Grundlagen

Die Blockflöte ist eine am einen Ende offene, am anderen Ende durch die Anblasevorrichtung verschlossene Röhre. Hauptmerkmal aller Flöteninstrumente ist die Schneidenkante (Labium), die den Atemstrom zerteilt. Bei der Blockflöte wird der Atemstrom in einer durch die Form des Kernspaltes festgelegten Breite und Höhe auf das Labium gelenkt. Darin unterscheidet sich der Anblasevorgang der Blockflöte von dem der Querflöte, bei welcher die Lippen des Bläsers den Atemstrom zu formen haben. Beim Auftreffen des Luftstromes (Lamelle) aus dem schmalen Kernspalt der Blockflöte auf das Labium entstehen hier abwechselnd auf unterer und oberer Seite der Labiumkante Luftwirbel. Ein Teil dieser Wirbel gelangt an der Unterseite des Labiums in das Flötenrohr, während der andere Teil oberhalb der Kante nach außen strömt. Die Wirbel an der Unterseite drehen sich nach rechts, die an der Oberseite nach links. Hierdurch wird das Luftband in Schwingungen versetzt. Der so entstehende Ton wird Schneidenton genannt. Beim Auftreffen der Wirbel auf die Schneidenkante entsteht überdies eine Stoßwelle, deren Rücklauf die Bildung des nächsten Spaltwirbels beeinflussen kann. Das schwingende Luftband ist imstande, ein schwingungsfähiges Gebilde – in unserem Falle die Luft in der Blockflöte – zu Resonanzschwingungen anzuregen.

Die Luftteile innerhalb des Flötenrohres bewegen sich in Richtung von deren Längsachse (longitudinale Wellen). Sie sind abhängig von den durch den Schneidenton hervorgerufenen Druckveränderungen. Das Bewegungstempo dieser Luftteile (Schwingungszahl) ist maßgebend für die Tonhöhe. Bei größerer Schnelligkeit wächst die Tonhöhe an, bei nachlassender sinkt sie. Gewisse Stellen der Luftsäule bleiben unbewegt. Derartige stehende Wellen nennt man Wellenknoten. Zwischen ihnen findet die Bewegung der Luftteile statt (Wellenbauch). Je kleiner der Abstand der Wellenknoten ist, desto schneller wird die Schwingung und damit der Ton entsprechend höher. Der einfachste Schwingungsvorgang (Grundschwingung) ruft den Grundton der Flöte hervor. Dieser tiefste Teilton der Flöte, der beim Schließen aller Grifflöcher entsteht, besitzt entsprechend der Länge des Rohres die größte Wellenlänge. Am offenen Ende der Röhre ist die Geschwindigkeit der Luftmoleküle am größten (Geschwindigkeitsbauch), der Druck hingegen am kleinsten (Druckknoten). Dieser Grundwelle sind noch einige kürzere Wellen überlagert. Die entstehenden Teiltöne nennt man Obertöne. Sie sind für die Färbung des Flötenklanges verantwortlich. Höhere Töne als der Grundton werden durch Öffnen der Grifflöcher erzeugt, da die Öffnung eines Griffloches eine Verkürzung der schwingenden Röhre bedeutet. Das Flötenende wird also sozusagen verschoben.

Wirbelablösung am Blockflötenlabium

Die Tonhöhe kann durch Veränderung des Winddruckes variiert werden. So sagt Martin Agricola1: Die untersten acht Töne ganz messig blas/Die andern sieben etwas schneller las/die nechstē vier begerē ein schnellern wind/die öbirsten ij gehe ganz geschwind. Der Winddruck liegt bei der Blockflöte mit 10 bis 40 mm WS um eine Größenordnung tiefer als bei den meisten anderen Blasinstrumenten. Es ist ein Maßstab für die Reinheit eines Instrumentes, eine nach Schalldruck und Reinheit der Intonation möglichst ausgeglichene Winddruckkurve zu erzielen. Unsere heutige Forderung nach sauberer Intonation in chromatischer Tonfolge über gut zwei Oktaven stellt erhebliche Anforderungen an die Herstellung der Blockflöte. Darin liegt auch der Grund dafür, daß sich viele billige und deshalb oft schlechte Blockflöten auf dem Markt befinden.

Wie bereits geschildert, ist die Höhe des Winddruckes und damit auch die Windgeschwindigkeit von Einfluß auf das Klangspektrum. Bei Erhöhung des Winddruckes beobachtet man ein Ansteigen der Schneidentonfrequenz und der Höhe des Grundtones. Wird der Winddruck weiter gesteigert, kommt die Schneidentonschwingung allmählich in die Nähe des zweiten Pfeifenteiltones. Von einem bestimmten Druck an wird dieser stärker als der Grundton erregt. Geschieht das unkontrolliert, spricht der Bläser vom „Überschlagen“ oder „Kieksen“. Gesteuert bewirkt dieser Vorgang das Überblasen, das freilich nur bei einem Teil der Holzblasinstrumente (Querflöten, Barockoboe) und Orgelpfeifen ohne Zuhilfenahme einer Oktavklappe oder eines Überblasloches ausgeführt wird. Bei der Blockflöte geschieht das Überblasen durch das Öffnen von etwa 1/10 des Daumenloches. Die Wellenlänge des gegriffenen Tones wird auf diese Weise halbiert, und die Oktav erklingt. Je weiter die Mensur eines Instrumentes ist, desto schwerer sprechen die Überblastöne an. Ein Beispiel dafür bieten die sogenannten „Renaissanceflöten“, die entsprechend alten Vorbildern weiter mensuriert sind als Blockflöten des barocken Typs. Ihr Umfang ist zwangsläufig kleiner (Altblockflöten f’ bis d’”) als bei der gut zweieinhalb Oktaven umfassenden Barockflöte.

Für die Praxis ist das Verhältnis von Pfeifenlänge zu Pfeifenquerschnitt, die Mensur, wesentlich. Im allgemeinen lassen sich in Röhren mit großem Querschnitt nur die tiefsten Teiltöne zu nennenswerten Amplituden (Schwingungen) anregen. Weite Flöten klingen deshalb sehr grundtönig, oftmals sogar dumpf. Je enger der Querschnitt im Verhältnis zur Länge ist, desto größer ist der Reichtum an höheren Teiltönen im Klangspektrum. Engmensurierte Flöten besitzen deshalb eine schwache Tiefe, weitmensurierte hingegen ein kräftiges Tiefenregister. Die starke Grundtönigkeit von Instrumenten großen Durchmessers ist besonders bei Verwendung von Holz als Baumaterial feststellbar. Metallene Instrumente besitzen diese Eigenart in bedeutend geringerem Maße. Derartige obertonarme Klänge verschmelzen schlecht mit anderen Stimmen. Soll eine Melodielinie von einer anderen möglichst deutlich abgehoben werden, erweist sich ein mehr grundtöniges Instrument als besonders vorteilhaft.

Die Höhe eines Tones ist weiterhin von der Geschwindigkeit abhängig, mit der die Luftwirbel an der Schneidenkante aufeinanderfolgen. Der Abstand der Luftwirbel voneinander ist ebenso groß wie der Abstand des Kernspaltes vom Labium. Bei kleinem Abstand von Kernspalt und Oberlabium ist der Ton höher als bei größerem Abstand.

Ein sehr schmales Labium bewirkt einen obertonarmen und verhältnismäßig leisen Ton. Bei steigender Labienbreite beobachtet man ein Anwachsen der Intensität aller Teiltöne. Die Vergrößerung des Labiums kommt also einer Vergrößerung der die Flöte anregenden Energie gleich. Hohe Wände an den Seiten des Kernspaltes verursachen einen hellen, süßen Ton, flache Wände hingegen einen offenen, streichenden Klang. Der Kernspalt kann mehr oder weniger gewölbt oder auch gerade verlaufen.

Von erheblichem Einfluß auf die Tonhöhe ist die Temperatur. Bei Veränderung der Temperatur der schwingenden Luftsäule ändert sich die Schallgeschwindigkeit. Dünnwandige Instrumente sind naturgemäß besonders empfindlich für auch kleinere Temperaturunterschiede. Der Blockflötenspieler weiß aus Erfahrung, daß bei größerer Erwärmung der Flöte die Tonhöhe steigt und daß sie bei niedrigerer Temperatur fällt.

Material und Wandstärke eines Instrumentes beeinflussen seinen Klang. Die Erfahrung lehrt, daß Flöten aus festem, dichtem Holz kräftiger klingen als solche aus weichem. Flöten aus festerem Holz besitzen außerdem einen größeren Reichtum des Klangspektrums. Schließlich lassen sich auf ihnen die höheren Teiltöne leichter und klangschöner hervorbringen.

Größe und Sitz der Grifflöcher sind wesentlich beteiligt an den Schwingungsvorgängen im Flötenrohr. Daraus erklären sich der verschieden weite Abstand und die mehr oder weniger schräge Bohrung einzelner Grifflöcher. Im Prinzip ist für die Töne der unteren Oktave der obere Rand, für die obere Oktave der untere Rand der Grifföffnungen maßgebend. Ist also beispielsweise d’” zu tief, so vergrößert der Flötenbauer das folgende Griffloch an seinem unteren Rand. Ist d” zu hoch, wird das folgende Griffloch am oberen Rand mit Hilfe von Schellack oder ähnlichem Material verkleinert. Doch ist auch der Grad der ins Innere der Flöte verlaufenden Abschrägung der Öffnung von Einfluß auf die Tonhöhe.

Weitere Unterschiede ergeben sich aus der Art der Bohrung. Die akustisch einwandfreie Berechnung eines Pfeifenkörpers ist nur bei dessen zylindrischer Bohrung möglich. Da aber die Blockflöte eine verkehrt-konische Bohrung aufweist, ist der Flötenmacher auf Versuche und daraus gewonnene Erfahrungen angewiesen. Charakteristisch für konische Flöten ist deren süßer, warmer Klang. Blockflöte und Barocktraverso besitzen diese Art der Bohrung. Bei der zylindrischen Böhmflöte fällt zwar deren größere Grundtönigkeit auf, jedoch führt die zylindrische Bohrung auch zur stärkeren Ausbildung des unharmonischen Charakters des Klangspektrums2.

Letztlich wird der Klang der Flöte noch vom Anblasedruck bestimmt. Gewisse Blockflöten erlauben auf Grund ihrer Bauweise (u. a. ist die Enge des Kernspaltes dafür verantwortlich) nur einen relativ geringen Anblasedruck. Obertöne aber können erst bei stärkerer Tongebung hörbar gemacht werden. Für derartige Flöten ist also ein besonders obertonarmer Klang charakteristisch.

Material

Holz ist das im Flötenbau zu allen Zeiten mit Vorzug verwendete Material. Die Erfahrungstatsache des Materialeinflusses auf den Klang beschreibt Francis Bacon3: Wenngleich der Ton zwischen dem Atemstrom des Mundes und der Luft im Flötenrohr entsteht, so sind doch auch der Zustand der Flötenwandung und die ihr innewohnenden Geister von Einfluß auf ihn.

Ein Vergleich der Kataloge verschiedener Instrumentensammlungen4 ergibt folgende Verteilung des Baumaterials:

Den 73 hölzernen stehen hier also 30 aus anderem Material gefertigte Flöten gegenüber. Dabei ist zu berücksichtigen, daß für die auffällig große Zahl von Elfenbeinflöten nicht nur deren unbestrittene klangliche Vorzüge, sondern auch der damals große Materialwert ausschlaggebend ist. Marin Mersenne5 berichtet über das Flötenmaterial: Ihr Material kann vom Pflaumenbaum, vom Kirschbaum und von anderen Holzarten sein, die sich leicht bohren lassen; aber gewöhnlich wählt man Holz mit einer schönen Farbe und solches, das eine schöne Politur annimmt, damit die Schönheit die Güte des Instrumentes begleite und die Augen in gewisser Weise die Teilhaber des Vergnügens der Ohren sind: gewöhnlich stellt man sie aus Buchsbaum her [. . .]

Tatsächlich überwiegen in Instrumentensammlungen Buchsbaumflöten stark. Buchsbaum ist seiner Festigkeit und Dichte wegen für den Flötenbau besonders geeignet. Aber auch andere harte Hölzer wie Ebenholz, Grenadill, Palisander, Cocobolo, Olive, Jacaranda und Rosenholz sind nicht weniger günstig und im Klang teilweise noch edler als Buchsbaum. Daß derartige Edelholzflöten früher nicht so häufig waren, liegt an der damals größeren Kostbarkeit von Hölzern ferner Länder.

Etwas sanfter klingen Flöten aus Hölzern von Birne, Pflaume, Walnuß und Ahorn. Diese Hölzer besitzen eine geringere Dichte und deshalb die Neigung, an den Innenwänden der Flötenröhre rauh zu werden. Deswegen werden Instrumente dieser Holzarten häufig mit Zellulose oder Paraffin imprägniert. Obwohl es zweifellos unter diesen Instrumenten sehr gut klingende und leicht ansprechende Flöten gibt – wofür letzten Endes die Kunst des Flötenbauers ausschlaggebend ist –, sind diejenigen aus Edelhölzern doch weitaus charakteristischer im Klang.

Das am besten geeignete Holz ist astarm, eng und möglichst parallel gemasert. Damit werden gute Voraussetzungen für eine glattbleibende Oberfläche der Innenbohrung gegeben. Flöten mit stark faserigen Innenwänden weisen von vornherein weniger gute Bedingungen für einen edlen Klang auf. Zur Haltbarkeit der verschiedenen Holzarten ist zu bemerken, daß sich härtere Hölzer zwar schwerer einblasen lassen, ihren klanglichen Höhepunkt aber über eine lange Zeitspanne hinweg behalten. Weichere Hölzer sind im allgemeinen erheblich schneller eingeblasen, verlieren aber nach relativ kurzer Zeit ihren oft zunächst bestechend schönen Klang und „Verblasen“ sich schneller.

Elfenbeinflöten waren schon in früheren Zeiten besondere Kostbarkeiten. Sie waren oft mit Gold- oder Silberklappen versehen und befanden sich in prächtigen Etuis. Im Inventarium der Instrumente am badischen Fürstenhofe 1582 heißt es: [. . .] Vier Helfenbainen Fledten mit vergulten Fuotralen/Ein Fuotral mit Zehen puchspaumen Fledten [. . .]6 Ihr Klang ist hell und kräftig. Dynamische Unterschiede sind auf ihnen leichter ohne Intonationsschwankungen als auf Holzflöten hervorzubringen. Andererseits haben Holzflöten den etwas kalt klingenden Elfenbeininstrumenten einen wärmeren Ton voraus. Genau wie Holz ist Elfenbein der Veränderung durch Temperatur und Feuchtigkeit unterworfen. So schreibt J. J. Ribock7, Elfenbein zeichne sich durch zu leichtes Aufquellen, aber auch durch Eleganz des Tones aus. Das Gewicht von Elfenbeinflöten ist bedeutend größer als das von hölzernen Instrumenten. Bereits eine Tenorflöte ist schwer zu halten, eine Baßflöte ist eigentlich nur unter Verwendung einer Stütze zum Auflegen des Instrumentes spielbar. Die Erfahrung hat gezeigt, daß viele Elfenbeinflöten nach einigen Monaten höher werden. Beim Kauf eines solchen Instrumentes ist also darauf zu achten, daß es von vornherein lieber etwas zu tief als zu hoch sein sollte.

Seit einigen Jahren wird auch Kunststoff zur Herstellung von Serieninstrumenten verwendet. Diese Instrumente sind unverwüstlich und auch relativ unempfindlich gegen Temperaturänderungen. Wenn sie mit Sorgfalt hergestellt werden, übertreffen sie an Sicherheit der Ansprache sogar manche hölzerne Blockflöte. Das wird bewiesen durch zahlreiche mittlerweile im Handel befindliche Kunststoffblockflöten, die teilweise sogar nach barocken Vorbildern angefertigt werden. Trotzdem muß man im allgemeinen – wenigstens nach dem jetzigen Stand der Dinge – Blockflöten aus natürlichen Materialien klanglich den Vorzug geben.

Bezeichnungen

Common Flute

in England im 17./18. Jahrhundert gebräuchlich für Altblockflöte inf’.

Czakan

in Ungarn und slawischen Ländern verbreitet, auch heute noch gespielt. Sechs vorderständige Grifflöcher, kein Daumenloch. Überblasen durch Vergrößerung der Luftzufuhr.

Dolzflöte

quergeblasene Blockflöte (Abbildung bei Praetorius, Tafel IX, Theatrum Instrumentoruni).

Doppelflöte

zwei Grundformen:a) mit ungleichständigen Grifflöchern; jede der beiden Flöten hat also ihre eigene Griffweise.b) „Akkordflöte“ (18. Jahrhundert, Chr. Schlegel in Basel); gleichständige Grifflöcher; jeder Finger deckt jeweils zwei Grifflöcher.

Doucaine (Douchaine)

mittelfranzösisch für Blockflöte; im MA werden unterschieden Fleustes (Querflöten) et douchaines (Blockflöten).

Fiauto

in Italien und Deutschland (Praetorius) im 17. und 18. Jahrhundert für Blockflöte.

Fipple Flute

in neuerer Zeit gelegentlich statt recorder in England gebräuchlich.

Flageolett

a) französisches (echtes) Flageolett mit zwei Daumenlöchern und vier vorderständigen Grifflöchern, meist mit Windkapsel;b) englisches mit nur einem Daumenloch.Die beiden Daumenlöcher sind der Hauptunterschied des echten Flageolett gegenüber der normalen Blockflöte. Der im 18. Jahrhundert häufiger geforderte Flauto piccolo ist oft ein Flageolett (Händel).

Flautino

hohe Blockflöte (Piccolo in f” oder auch Flageolett)

Flauto

in Deutschland und Italien fast ausschließlich Blockflöte bis in die ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts.

Flauto di voce

in England gebräuchliche Bezeichnung für Blockflöte in d’.

und Voice Flute

Umfang

Flauto piccolo

bei Praetorius Klein Flöitlein, Piccolo-Blockflöte, meist in f”. Partien in Händel-Opern (Rinaldo, Richard I., Acis und Galathea, Alcina), seiner Wassermusik, den Bach-Kantaten 96 und 103 (in ersterer dem Umfang entsprechend, wie auch häufiger bei Händel, Flageolett).

Flute

in England Synonym für recorder bis ins 18. Jahrhundert; danach anstelle von „German Flute“ Terminus für Querflöte.

Flûte à bec

in Frankreich und Deutschland gebräuchlich, allgemein die Altblockflöte.

Flûte douce

Synonym für Flûte à bec; die Bezeichnung stammt von ihrer stillen Annehmlichkeit her8.

Flûte pastourelle

(auch flüte du quatre, in England fourth flute)

Umfang

Recorder

englische Bezeichnung für alle Vertreter der Blockflötenfamilie.

Sixth-Flute

in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gebräuchliche Abart der Common-Flute, steht eine Sexte über dieser (d”); Konzerte für die Sixth-Flute u. a. von Baston und Babell

Umfang

Schnabelflöte

erst im 18. Jahrhundert gebräuchlich; Übersetzung von Flûte à bec.

Schwegel

althochdeutsch suegula, zunächst Bezeichnung für alle Pfeifen; etwa ab dem Jahre 1000 zylindrische Einhandblockflöte mit zwei Fingerlöchern und einem Daumenloch; in Frankreich Galoubet genannt; meist zusammen mit kleiner Trommel gespielt; noch im 17. Jahrhundert, vorzugsweise in Tanz- und Soldatenmusik.

Formen

Betrachtet man die große Zahl bildlicher Darstellungen von Blockflöten, Instrumentenbeschreibungen in zeitgenössischen Traktaten und die ziemlich kleine Zahl erhaltener Instrumente, so läßt sich ein wesentlicher Wandel der äußeren Form beobachten. Diese Wandlung wird naturgemäß durch die Weiterentwicklung der an das Instrument zu verschiedenen Zeiten gestellten klanglichen und musikalischen Aufgaben bedingt.

Mittelalterliche Instrumente haben sich nicht erhalten. Erste bildliche Darstellungen stammen aus Frankreich (11. Jahrhundert) und England (12. Jahrhundert)9. Galpin teilt mit10, daß sich Abbildungen im Psalter (12. Jahrhundert) der Universitätsbibliothek Glasgow und in einem Band der Bodleian Library (13. Jahrhundert) befinden, die mit großer Wahrscheinlichkeit Blockflöten darstellen. Trotz der Undeutlichkeit früher Bilder läßt sich feststellen, daß die gezeigten Flöten nur unwesentllich von den bereits in der süd- und westeuropäischen Folklore nachweisbaren Kernspaltflöten abweichen. Charakteristisch für sie ist die glatte, ungeteilte Röhre, die zylindrisch, gelegentlich auch leicht konisch gebohrt ist. Ein Schallbecher am Fußstück ist noch nicht vorhanden. Die Anzahl der Grifflöcher ist nicht eindeutig feststellbar, doch hat es wohl bereits im 13. Jahrhundert sieben Grifflöcher gegeben.

jugoslawische Doppelblockflöte; finnische Hirtenflöte (Teppo Repo, Helsinki); englisches Flageolett (A. Rieger, München, um 1800); französisches Flageolett (J. P. Weih, 18. Jh.); Altblockflöte in f’ (Johann Christoph Denner, Nürnberg, Anfang 18. Jh.); Altblockflöte in g’ (17. Jh.); Doppelblockflöte (Christian Schlegel, Basel, 1. Hälfte 18. Jh.)

Im Verlaufe des 15. Jahrhunderts entwickelt sich der Schallbecher. Bei der inzwischen aufgekommenen verkehrt-konischen Bauweise wird kein akustischer Grund hierfür vorliegen, sondern er entspricht offenbar einem Bedürfnis nach Verzierung der glatten Form. Bei Sebastian Virdung11 gezeigte Flöten sind insgesamt noch ganz glatt, besitzen aber einen kleinen Schallbecher. Die zylindrische Bohrung scheint nur noch die Ausnahme zu bilden. Wichtig sind die weite Mensur, das schmale Labium und der große Schneidenabstand bei den Renaissanceinstrumenten. Ihr Klang ist voll und streichend; ihr Umfang beträgt etwa anderthalb Oktaven. Eine Teilung der Röhre fand erstmalig am Fußende statt. Der Grund hierfür ist wohl hauptsächlich darin zu suchen, daß bei Verwendung eines drehbaren Fußstückes nur noch ein Kleinfingerloch notwendig war. Zuvor war ein Doppelloch für den kleinen Finger wegen der dadurch ermöglichten beliebigen Handhaltung üblich: je nachdem, ob man die rechte Hand oben und die linke unten oder umgekehrt hielt, wurde eines der beiden Löcher mit Wachs verstopft.

Spätestens im 17. Jahrhundert wurden auch Kopf- und Mittelstück voneinander getrennt. Michael Praetorius12 schildert die sich daraus ergebenden Intonationsvorteile: Daher mir dann dieses Mittel eingefallen, daß ich die Flöten oben, zwischen den Mund- und Fingerlöchern, mitten zertheilen und das oberste Stück auf zweier Finger breit länger machen lassen, also daß man dasselb in das Untertheil, so weit man will, oder von Nöten ist, hinein stecken, die Pfeiffen länger oder kürtzer machen und also einer solchen Flöten, das sie jünger oder gröber [kürzer oder länger] werde, so bald allemal helfen kann [. . .] An den Verbindungsstellen von Kopf- und Mittelstück sowie von Mittel- und Fußstück werden, wohl aus Gründen besserer Haltbarkeit der inzwischen dünnwandigeren Flöten, Verdickungen angebracht. Diese Unterteilung wird allmählich durch Elfenbeinverzierungen oder geschnitzte Profile verschönert.

Insbesondere für tiefe Flöten war schon früh das Anbringen einer oder auch mehrerer Klappen für schlecht erreichbare Grifflöcher nötig geworden. So ist ein von den Gebrüdern Bassani (London) gebauter Baß mit zwei Klappen im 16. Jahrhundert nachweisbar13. Der Klappenmechanismus wurde vielfach mit einer hölzernen oder metallenen Schutzkapsel umkleidet.

Der Schnabel der Blockflöte war üblicherweise auf der Vorderseite abgerundet, auf der Rückseite wegen der günstigeren Auflegemöglichkeit des Mundstückes auf die Unterlippe abgeflacht. Tiefe Flöten wurden häufig mit einem S-Rohr angeblasen, das in eine „Windmütze“ führte. Von diesem Aufsatz am oberen Ende der Flöte leitet der Kernspalt den Luftstrom auf die Schneidenkante. Manchmal erfolgte das Anblasen auch direkt, d.h. ohne Zuhilfenahme eines Anblasrohres. Der direkte Kontakt mit dem Schnabel ermöglicht eine präzisere Artikulation als der Ansatz durch ein Rohr.

Sopranino in f” aus Elfenbein (Johann Chr. Denner, Anfang 18. Jh.); Doppelblockflöte (Christian Schlegel, 1. Hälfte 18 Jh.). Altblockflöte in f’ (F. Lehner, 18. Jh.); Altbockflöte in f aus Elfenbein (18. Jh.); Altblockflöte in f (Joh. Chr. Denner); Altblockflöte in f’ (H. Schell, 1 Hälfte 18.Jh.); Altblockflöte in es’ (18. Jh.); Tenorblockflöte in d’ (Rippert, Anfang 18. Jh.) Altblockflöte in g’ (18. Jh.); Altblockflöte in g’ (17. Jh.); Altblockflöte in f’ (Christian Schlegel); Tenorblockflöte in d’ (18. Jh.); Baßblockflöte in g (Christian Schlegel); Baßblockflöte in f (Christian Schlegel)

Ohne historisches Vorbild ist der Bau einer heutigen Blockflöte undenkbar. Dabei stellt sich für den Erbauer die Frage, für welchen Aufgabenbereich er sie vorsieht. Entweder baut er eine historisch möglichst getreue, damit aber auch nur in einen deutlich abzugrenzenden Stilbereich gehörende Flöte. Oder er baut ein weniger spezielles, nicht nur der alten Spielpraxis angeglichenes, sondern mehr allgemein benützbares Instrument. Bei aller individuellen und historischen Mannigfaltigkeit innerhalb der heute angebotenen Gattungen findet man den mittelalterlichen, den Renaissance-Typus, die Barockflöte und eine neutralere – in gewisser Weise also doch „moderne“ – Blockflöte. Dieser Reichtum der Arten ist ein Vorteil, und man sollte sich davor hüten, das Heil nur in dem einen oder anderen Typus zu erblicken. Unübersehbar ist, daß speziell das Interesse am historisch orientierten Blockflöten-Typus außerordentlich gewachsen ist.

Das gilt besonders für barocke Blockflöten, die nach unterschiedlichsten historischen Vorbildern gebaut werden. Bei ihnen ist fast immer der Windkanal relativ eng und leicht gewölbt; dabei ist die Wölbung meist derartig angelegt, daß sie konkav in der Länge sowie konvex in der Breite verläuft. Durch diese Bauweise wird eine bessere Luftkonzentration in Richtung auf das Labium erreicht. Dadurch wird häufig (allerdings nicht immer) eine Vergrößerung des dynamischen Radius bei nur minimaler Tonhöhen Veränderung bewirkt. Man kann auf einer derartigen Flöte also im allgemeinen den Einzelton an- und abschwellen lassen, ohne daß die Intonation empfindlich gestört würde. Es muß hier jedoch der Hinweis angefügt werden, daß auch die geschilderten barocken Modelle nicht völlig unempfindlich gegen Veränderungen des Blasdruckes sind. Wichtigste Kontrollinstanz bleibt stets das Ohr des Spielenden. Schon Bartolomeo Bismantova14 schreibt: Es ist auch zu beachten, daß man dem Instrument in der Weise Atem geben muß, daß es in der Tonhöhe weder steigt noch fällt.

Die Grifflöcher der barocken Flöte sind konisch gebohrt: sie erweitern sich nach innen. Dieser Verlauf geschieht oftmals nicht gleichmäßig in allen Richtungen. Der Klang wird somit voller und farblich reicher. Doppellöcher für 7/8 sind bei originalen Instrumenten eher selten zu finden, f und g’ klingen ohne Doppelbohrung kräftiger. Fis’ und gis’ erscheinen in der barocken Blockflötenmusik ziemlich selten. Ohne Doppelloch erreicht man sie durch Halböffnung oder durch Umlegung der Melodie (vgl. u. a. Stimmknickungen in Blockflötenpartien Bachscher Kantaten).

Es zeigt sich bei barocken Blasinstrumenten eine Tendenz zu ungleichschwebender Temperatur. Originale Grifftabellen sind in dieser Beziehung äußerst aufschlußreich. Man sollte aber niemals vergessen, daß letztlich die Spielweise des Bläsers die Stimmung herstellt.

Wahl eines Instrumentes