Happy-End im Stadtpalais - Lisa von Lichtenberg - E-Book

Happy-End im Stadtpalais E-Book

Lisa von Lichtenberg

0,0

Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Ein lauter Knall durchbrach die feierliche Stille. Ernst Tiefenbach, seines Zeichens Schornsteinfegermeister aus Wien, hatte eine Sektflasche geöffnet. Der Korken flog unkontrolliert durch das Büro und blieb schließlich taumelnd unter dem Schreibtisch liegen. Voller Rührung beobachtete Franziska, wie ihr Vater die drei Gläser füllte. Schon lange hatte er keine so gelöste Freude mehr gezeigt. Seit zwanzig Jahren genauer gesagt, denn mit dem Tod seiner Frau hatte sich eine schwere Maske über das Gesicht des Witwers gelegt. Trübe blickten die einst strahlenden Augen unter schweren Lidern hervor, der Mund – früher immer in ein Lächeln geformt – war nur noch ein verkniffener Strich. Bald waren dann auch die ersten Falten gekommen, und da sie dem Kummer entwuchsen, zogen sie das liebe Gesicht schwermütig in die Tiefe. Wie oft hatte Franziska versucht, ihren Vater aufzuheitern, doch gelungen war ihr das immer nur vorübergehend. Heute aber lachte er, und im Schein der Deckenlampe strahlte sein ganzes Gesicht. »Prost!«, rief er und hob sein Glas. »Lieber Bösinger, meine liebe, liebe Tochter!«, wandte er sich an die beiden liebsten Menschen, die ihm geblieben waren. »Als mir die Krankenschwester vor achtundzwanzig Jahren ein in Windeln eingewickeltes, schreiendes Bündel in den Arm legte, habe ich das Kind an mich gedrückt und verkündet: ›Ich fühle es, das wird einmal ein tüchtiger Schornsteinfeger! ‹ – Doch die Schwester hat nur mitleidig gelächelt. ›Tut mir leid, Herr Tiefenbach‹, hat sie gesagt, ›aber Sie haben eine Tochter bekommen. ‹ Ich konnte nicht verstehen, was daran bedauernswert sein sollte, denn es war der schönste Tage meines Lebens. – Auch wenn ich zugeben muss, dass ich wirklich mit einem Sohn gerechnet hatte. Aber kein Sohn hätte so schön und klug sein können wie meine kleine Franzi.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 112

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Fürstenkrone – 143 –

Happy-End im Stadtpalais

Roman von einer ungewöhnlichen Romanze

Lisa von Lichtenberg

Ein lauter Knall durchbrach die feierliche Stille. Ernst Tiefenbach, seines Zeichens Schornsteinfegermeister aus Wien, hatte eine Sektflasche geöffnet. Der Korken flog unkontrolliert durch das Büro und blieb schließlich taumelnd unter dem Schreibtisch liegen. Voller Rührung beobachtete Franziska, wie ihr Vater die drei Gläser füllte. Schon lange hatte er keine so gelöste Freude mehr gezeigt. Seit zwanzig Jahren genauer gesagt, denn mit dem Tod seiner Frau hatte sich eine schwere Maske über das Gesicht des Witwers gelegt. Trübe blickten die einst strahlenden Augen unter schweren Lidern hervor, der Mund – früher immer in ein Lächeln geformt – war nur noch ein verkniffener Strich. Bald waren dann auch die ersten Falten gekommen, und da sie dem Kummer entwuchsen, zogen sie das liebe Gesicht schwermütig in die Tiefe. Wie oft hatte Franziska versucht, ihren Vater aufzuheitern, doch gelungen war ihr das immer nur vorübergehend. Heute aber lachte er, und im Schein der Deckenlampe strahlte sein ganzes Gesicht.

»Prost!«, rief er und hob sein Glas. »Lieber Bösinger, meine liebe, liebe Tochter!«, wandte er sich an die beiden liebsten Menschen, die ihm geblieben waren. »Als mir die Krankenschwester vor achtundzwanzig Jahren ein in Windeln eingewickeltes, schreiendes Bündel in den Arm legte, habe ich das Kind an mich gedrückt und verkündet: ›Ich fühle es, das wird einmal ein tüchtiger Schornsteinfeger!‹ – Doch die Schwester hat nur mitleidig gelächelt. ›Tut mir leid, Herr Tiefenbach‹, hat sie gesagt, ›aber Sie haben eine Tochter bekommen.‹ Ich konnte nicht verstehen, was daran bedauernswert sein sollte, denn es war der schönste Tage meines Lebens. – Auch wenn ich zugeben muss, dass ich wirklich mit einem Sohn gerechnet hatte. Aber kein Sohn hätte so schön und klug sein können wie meine kleine Franzi. Nur habe ich freilich nie damit gerechnet, dass meine Prophezeiung von damals wahr werden würde. Doch das ist sie geworden. Heute stehen wir hier und feiern die neue Rauchfangkehrermeisterin! Ich bin sehr stolz auf dich, mein Kind!« Tränen perlten über die zerfurchten Wangen des Mannes, Tränen standen auch in Bösingers Augen. Als Faktotum der Schornsteinfegerfirma Tiefenbach & Sohn war er nicht minder stolz auf das ›junge Fräulein‹, wie er Franziska neuerdings anzusprechen pflegte. Deshalb räusperte er sich jetzt, und dann wollte er machen, was er immer tat: Feierlich die Worte seines Chefs wiederholen. Gerade rechtzeitig fiel ihm aber ein, dass er wohl kaum von Franziskas Geburt erzählen konnte, also räusperte er sich und sagte: »Ich bin auch sehr stolz auf Sie, mein Fräulein!«, und prostete Franziska zu.

Diese aber sah den kleinen alten Kerl, dem sie schon mit zwölf Jahren über den Kopf gewachsen war, nur streng an.

»Chefin?«, korrigierte er sich deshalb stotternd.

»Ich höre wohl nicht recht!«, empörte sich Franziska.

»Bösinger! Ich bin die Franzi, und für dich will ich immer die Franzi bleiben, und wenn du auf einmal Sie zu mir sagst, wird mir ganz angst und bang. Von wem habe ich denn das alles gelernt, was ich kann?«

Über das knitterige Gesicht des alten Mannes entfaltete sich ein Meer aus tausend Fältchen, die fröhlich nach oben strebten, in Richtung des schlohweißen Haarschopfs, der kerzengerade in die Höhe stand. »Ich hab ja nur gedacht«, murmelte er, »weil Sie – weil du jetzt die Meisterprüfung gemacht hast, und mit Auszeichnung noch dazu …, dachte ich …, da dachte ich …« Bösinger gab es auf, den Satz zu beenden. Sie wussten ohnedies immer, was der gute Freund dachte. Der Chef, den er Ernstl nannte, an dessen Seite er seit vierzig Jahren arbeitete, kannte Bösingers Gedanken ebenso wie dessen Tochter Franziska. Der alte Rauchfangkehrergeselle kannte die junge Frau beinahe ebenso lange wie den Ernstl und hatte auch so manches Geheimnis mit der Kleinen geteilt. Etwa damals, als sie nicht zur Schule wollte, weil sie es nicht schaffte, den Blusenärmel so zu nähen, wie die Lehrerin das haben wollte. »Bleibst halt zuhause«, hatte Bösinger nur gesagt und das Mädel mit zur Arbeit genommen. Und nun war sie eine erwachsene Frau geworden – und so wunderschön noch dazu! Stolz wie ein Vater betrachtete Bösinger das lange kastanienbraune Haar, das Franziska ausnahmsweise offen über die Schultern fallen ließ. Er musste schlucken, so sehr rührte ihn das. Franziska lächelte ihm zu, und dann drückte sie beiden Männern einen herzhaften Kuss auf die Wange, zuerst dem Vater, dann dem Bösinger.

»Danke, euch beiden. Ohne euch hätte ich das nie geschafft!« Bevor ihr nun selbst die Tränen kamen, nahm sie einen Schluck aus ihrem Sektglas. Prickelnd stiegen winzig kleine Kohlensäurebläschen auf, tanzten ein wenig in der goldenen Flüssigkeit und zerplatzten schließlich an Franziskas Nasenspitze. Die junge Frau lachte laut und vergnügt auf.

Ein weiterer Knall durchbrach den Raum. Ernst Tiefenbach hatte geniest. Die Grippe hielt ihn jetzt schon seit über einer Woche gepackt. Doch auch das Fieber konnte seine Freude nicht trüben. »Und das Firmenschild wird jetzt auch endlich geändert«, sagte er nun und deutete zum Fenster hin.

Franziska lächelte. Jede Woche verkündete der Vater, dass er das Firmenschild ändern lassen wollte, das immer schon da draußen vor der Tür baumelte. Ein aus Schmiedeeisen geformter Rauchfangkehrer war das, der auf einer Leiter balancierte, in deren Sprossen deutlich zu lesen stand: Tiefenbach & Sohn.

»Nein, Papa«, sagte sie deshalb, um dieses Thema endgültig schnell aus der Welt zu schaffen. »Ich mag kein anderes Schild. Für unsere Kunden ist es völlig egal, ob ich ein Sohn bin oder eine Tochter, die wollen nur einen geputzten Kamin. Und den sollen sie kriegen. Das Schild hängt jetzt schon seit zweihundert Jahren da draußen, da will ich nicht Schuld tragen, wenn es weg kommt.«

Erleichtert blinzelte der alte Meister der jungen Meisterin zu. Sein Plan sah es vor, ihr den Betrieb noch vor Ende des Jahres zu überschreiben. Und vielleicht würde es irgendwann ja wieder einmal stimmen: Rauchfangkehrermeister Tiefenbach & Sohn …

Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Es war Zeit, wieder ins Bett zu gehen und statt des Sekts eine Tasse Lindenblütentee zu trinken. Das Läuten des Telefons riss ihn aber aus seinen Gedanken. Grummelnd stellte Ernst Tiefenbach sein Glas zur Seite, schlurfte zum Schreibtisch hinüber und hob den Hörer ab. Wussten die Kunden nicht, dass bei den Tiefenbachs heute ein Feiertag war? Außerdem war er krank, bitte schön!

»Rauchfangkehrermeister Tiefenbach«, meldete er sich aber wie gewohnt mit tiefer, vertrauenerweckender Stimme. Und dann sagte er ein paarmal nur: »Ja« und »klar« und »kein Problem«. Und schließlich nickte er und meinte: »Sie können sich auf uns verlassen. Wir kommen gleich morgen vorbei.«

Als er sich an die beiden wandte, hatte sein Gesicht wieder die vertraute Ernsthaftigkeit angenommen.

»Ein wichtiger Auftrag«, sagte er. »Wir müssen für die Baierleins einspringen.« – Zwischen der Firma von Martin Baierlein und jener von Ernst Tiefenbach bestand seit jeher jene gesunde Form von Konkurrenz, die von Respekt geprägt war. So wie Baierlein es anerkannte, dass Tiefenbach eine Restaurantkette zum Kunden hatte, so neidete ihm dieser nicht den Grafen Heinrich von Fretz, dessen Stadtpalais die Baierleins schon seit ewigen Zeiten betreuten. Und wenn der eine einmal krank war, so half der andere eben aus. So hatte Martin Baierlein ohne mit der Wimper zu zucken Ernstls Arbeit mitlaufen lassen, als dieser mit Blinddarmentzündung im Spital lag. So würde die frischgebackene Kaminfegermeisterin Franziska Tiefenbach jetzt einspringen, weil sich der Geselle Baierleins den Fuß gebrochen hatte. »Von der Leiter gerutscht ist er, der arme Teufel. Aber zum Glück ist weiter nichts passiert. Nur der Knöchel ist hin«, sagte Tiefenbach und nickte seiner Tochter auffordernd zu. »Ich habe gesagt, dass du das schon schaukelst. Ich bin ja leider krank.«

»Klar, tu ich das«, sagte Franziska unbekümmert. »Solange Bösinger mir dabei hilft!« Insgeheim spürte sie aber, wie ihr Puls raste und ihr Herz bis in den Hals hinauf klopfte. In der Theorie kam sie ja ausgezeichnet zurecht, und auch kleinere Häuser stellten kein Problem dar. Aber zum Einstand gleich ein Palais? Der Graf galt als pingeliger, schwieriger Kunde. Ihren ersten Arbeitstag als Meisterin hatte sie sich da schon anders vorgestellt …

*

Franziska Tiefenbach kannte das Metier des Kaminfegers gewissermaßen von Geburt an, und doch hatte sie nicht damit gerechnet, selbst einmal in diesem Beruf zu arbeiten. Schon als kleines Mädchen hatte sie den Kopf nicht aus den Büchern bekommen, und als sie mit der Schule fertig war, zögerte sie nicht lange. Sie wusste genau, was sie studieren wollte: Kunstgeschichte. Reisen, Kunstwerke begutachten, vielleicht sogar für ein Aktionshaus arbeiten, das war immer ihr Traum gewesen.

»Unsere Franzi ist halt ein kluger Kopf«, erzählte Vater Tiefenbach all seinen Kunden – ob sie es wissen wollten oder nicht. Dass seine kleine Franzi aber schon lange kein Kind mehr war, wollte er nicht recht wahrhaben. Und doch ließ sich die Zeit nicht anhalten. Seine Tochter studierte flott und engagiert, entwickelte sich bald schon zur Expertin für Gobelins.

»Vielleicht liegt es ja daran, dass sie als Kind so viel Ruß und Schmutz sehen musste«, versuchte Bösinger einmal zu erklären. »Weil sie sich jetzt gar so sehr für Wandteppiche begeistert …« Ernst Tiefenbach aber brauchte gar keine Erklärung, denn im Grunde staunte er immer noch darüber, dass es sein Kind war, sein Fleisch und Blut, das sich da so prächtig mauserte.

Und dann war Peter aufgetaucht. Ein Studienkollege, natürlich aus sogenanntem besseren Hause, der sich in der kleinen, mit alten Möbeln bestückten Altbauwohnung der Tiefenbachs gleich über dem Büro der Firma nie wohlzufühlen schien. Den armen Bösinger verschreckte er überhaupt, und so endeten einige nette Gepflogenheiten, etwa jene des gemeinsamen Abendessens der kleinen Familie im nahegelegenen Wirtshaus. Nur um auf keinen Fall dem hochgewachsenen jungen Mann mit dem von sich überzeugten Gesichtsausdruck im Treppenhaus zu begegnen, verabschiedete sich Bösinger nach dem letzten Kehrtermin des Tages so schnell wie möglich und verbrachte seine Abende einsam vor dem Fernsehapparat. Dabei kam das junge Paar ohnehin nur noch selten vorbei, die beiden Verliebten speisten lieber auswärts. Man sah sie in feinen Restaurants in der Innenstadt oder zu späterer Stunde in noblen Bars. Und so war die Dreiheit auseinander gerissen, und auch die Freundschaft der beiden alten Männer reduzierte sich wieder auf ihren Beruf.

Eines Abends hatte Franzi dann mit verweintem Gesicht in der Tür gestanden. Peter hatte die Beziehung beendet. Vater Tiefenbach verschob sämtliche Termine des Tages auf morgen, und dann nahm er seine Tochter unbeholfen in den Arm. »Ist ja schon gut, mein Kleines«, sagte er immer wieder. Er wusste nicht so recht, was er sagen sollte, denn eigentlich war er froh und hätte dem Beinahe-Schwiegersohn für seinen Entschluss am liebsten gedankt. Aber gleichzeitig hätte er ihn auch gern aus den Kleidern gebeutelt, denn wie kam so ein Lümmel dazu, sein Ein und Alles zurückzuweisen? Während er sein schluchzendes Kind in den Armen hielt, wanderte sein ratloser Blick im Raum umher, und so kam es, dass sich seine Augen mit jenen Bösingers trafen, und er entdeckte dieselbe Gefühlsmischung.

»So ein Schweinehund«, murmelte das Familienfaktotum, und dennoch konnte Tiefenbach, als er über den Rücken seiner Tochter spähte, erkennen, dass der Alte ihm dabei fröhlich zuzwinkerte.

»Den wären wir los«, sagten die Augen des Getreuen.

Mit der Unterstützung der beiden Männer hatte sich Franziska halbwegs von dem Schicksalsschlag erholt. Damals aber hatte sie beschlossen, ihre berufliche Zukunft abzusichern. Während sie immer wieder kleinere, ausgewählte Aufträge als Kunsthistorikerin annahm, begann sie sich gleichzeitig auf die Meisterprüfung zur Schornsteinfegerin vorzubereiten.

*

Der Overall legte sich vertraut über ihre Haut, und wieder einmal dachte Franziska, welch ein Vorteil es war, dass ihr der Beruf keine teuren Kleider abverlangte. Mit ihren bequemen Stiefeln, der weiten schwarzen Hose und dem Kopftuch, das sie wie ein Pirat über ihr langes Haar geschlungen hatte, sah sie aus, als wäre der kleine Schornsteinfeger auf dem Firmenschild der Tiefenbachs einfach hervorgehüpft. Auch Bösinger hatte sich inzwischen umgezogen, und wieder einmal dachte Franziska, dass ihr der kleine Mann ohne seine Arbeitsmontur unvollständig erschien.

»Bist du so weit, Franzi?«, fragte er und packte sich den Besen über die Schulter. Nur kurz zögerte die Angesprochene, dann flüsterte sie leise: »Rauchfangkehrer, bring mir Glück!«, und atmete tief durch. Es würde schon schiefgehen. Jeder musste mal anfangen.

Bei aller Nervosität, die sie empfand, freute sich Franzi über den Auftrag, denn das Palais des Grafen von Fretz hatte sie als Kunsthistorikerin immer schon interessiert. Der Graf galt unter Experten als bedeutender Sammler, aber er zeigte seine Schätze nur selten her.

»Umso besser«, murmelte Franziska, als sie an dem Portal läutete. »Vielleicht ist mir ja ein Blick auf die eine oder andere Kostbarkeit möglich.«

Laut und dumpf hallte der Klingelton über die Straße, und es dauerte ein paar Minuten, bis die schwere Eingangstür sich knarrend öffnete. Ein blasser Mann in einer dunkelgrünen Livree bedachte die beiden Rauchfangkehrer mit einem unfreundlichen Blick. »Der Dienstboteneingang ist in der Seitengasse«, sagte er und wollte die Tür vor ihrer Nase wieder schließen. Doch rasch hatte Bösinger seinen Fuß dazwischengeschoben, niemand hätte dem kleinen Kerl eine so flinke Reaktion zugetraut.

»Mag ja auch sein, dass wir bei der falschen Tür geläutet haben, aber nun sind wir da, und da können wir doch genauso gut hier eintreten, oder etwa nicht?«, sagte er forsch.

Der Lakai zögerte. »Gut, aber machen Sie nichts schmutzig«, sagte er schließlich und bedachte die beiden Eindringlinge mit angewidertem Blick.

»Keine Sorge, das ist heute unser erster Auftrag«, versuchte ihn Franziska zu beschwichtigen. »Unsere Kleider sind zwar schwarz, aber sauber.«

Ein strenges Nicken folgte, dann trat der Mann endlich zur Seite.