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Konzeption und Inhalt: Die Neuauflage des Bandes wendet sich an Studierende der Anfangs- und Fortgeschrittenensemester, die eine Hausarbeit im Strafrecht anfertigen müssen. Zudem können Examenskandidaten die Fälle zur Vorbereitung auf die erste juristische Prüfung nutzen. Nach einer kurzen Anleitung zu Formalien und Methodik einer (strafrechtlichen) Hausarbeit, folgen 8 Strafrechtshausarbeiten, die überwiegend Gegenstand universitärer Prüfungen waren. Neben den Originallösungsskizzen finden sich am Ende einer jeden Hausarbeit Auszüge aus den Originalkorrekturberichten. Didaktische Hinweise in den Lösungsvorschlägen und eine abschließende "Technische Anleitung" helfen den Studierenden dabei, eine sinnvolle Schwerpunktsetzung zu erlernen.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
herausgegeben von
Prof. Dr. Thomas BodeHochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen
und
Prof. Dr. Holger NiehausRichter am Landgericht Düsseldorf; Honorarprofessor der Universität Münster
bearbeitet von
Dr. Thomas Bode (Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen)
Dr. Holger Niehaus (Landgericht Düsseldorf)
Nils Kosmetschke (Universität Frankfurt/Oder)
OStA Gunnar Herrmann (Generalstaatsanwaltschaft Hamm)
Dr. Christopher Kluth (Amtsgericht Münster)
2., neu bearbeitete Auflage
www.cfmueller.de
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <https://portal.dnb.de> abrufbar.
ISBN 978-3-8114-5922-9
E-Mail: [email protected]
Telefon: +49 6221 1859 599Telefax: +49 6221 1859 598
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© 2023 C.F. Müller GmbH, Heidelberg
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Mit diesem Buch wenden sich die Verfasser sowohl an die Studentinnen und Studenten der Anfangssemester als auch an Fortgeschrittene und Examenskandidaten, die eine Hausarbeit im Strafrecht schreiben.
Im 1. Teil werden in einer kurzen Einleitung die Formalien einer Hausarbeit sowie die Methodik der (strafrechtlichen) Fallbearbeitung erörtert, gerade auch anhand erfahrungsgemäß in der (Korrektur-)Praxis häufiger auftretender Fragestellungen und Probleme.
Den folgenden Hauptteil bilden acht Strafrechtshausarbeiten (zwei aus der Anfängerübung und sechs auf Fortgeschrittenenniveau), die überwiegend in dieser Form Gegenstand universitärer Prüfungen waren.
Der Kreis der Autoren besteht aus jungen Wissenschaftlern wie auch aus Richtern und Staatsanwälten und spiegelt damit ebenso wie die Auswahl der Fälle einen breiten Ausschnitt der Prüfungswirklichkeit wider. Das Buch kann und möchte dabei selbstverständlich Darstellungen des erforderlichen Fachwissens nicht ersetzen, sondern um die Vorstellung realistischer Prüfungsaufgaben ergänzen.
Neben den Lösungsvorschlägen werden jeweils – grau hinterlegte – didaktische Hinweise gegeben, in denen etwa vermittelt wird, weshalb eine bestimmte Darstellungsweise oder Formulierung gewählt oder andere Überlegungen nicht in das Gutachten aufgenommen wurden.
Unser Dank gilt den studentischen Mitarbeitern, insbesondere Maik Papiernick, Annika König und Christopher Röpke für das Korrekturlesen, für Diskussionen und Verbesserungsvorschläge.
Für Kritik und Anregungen sind wir auch weiterhin dankbar ([email protected]).
Köln und Düsseldorf, im April 2023
Thomas Bode
Holger Niehaus
Vorwort
1. TeilEinleitung – Allgemeine Hinweise zur Methodik und zu den Formalien einer Hausarbeit
Die Hausarbeit im Strafrecht (von Thomas Bode und Holger Niehaus)
2. TeilHausarbeiten aus der Anfängerübung
Hausarbeit 1Brandgefährlich (von Thomas Bode)
Problemschwerpunkte: Notstand (§ 34 StGB, § 904 BGB); mutmaßliche Einwilligung; § 33 Notwehrexzess (zeitlich, personal); Erlaubnistatbestandsirrtum §§ 16 I, 17 (mit Streitentscheidung) bei vermeintlicher Nothilfe
Hausarbeit 2Maulwurfsgift für Oma (von Thomas Bode)
Problemschwerpunkte: Fehlschlag eines Mordversuchs in einer Verwechslungskonstellation (§§ 16 I, 24); versuchter Mord in (doppelter) mittelbarer Täterschaft (§§ 22, 23 I, 25 I Var. 2); Beihilfe (durch neutrale Handlungen) zum versuchten Mord, (§§ 211, 27); Abweichungen des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf bei Beihilfe
3. TeilHausarbeiten aus der Fortgeschrittenenübung
Hausarbeit 3„Wir müssen gewinnen, alles andere ist primär!“ (von Thomas Bode)
Problemschwerpunkte: Betrug in Mittäterschaft (Sportwettenbetrug, Vermögensbegriff und Vermögensschaden, § 263 I, 265c,d); Körperverletzung im professionellen Fußballsport (Sozialadäquanz; Einwilligung, §§ 223, 228); Untreue (§ 266); Hehlerei (§ 259)
Hausarbeit 4„Dunkle Hautfarbe“, „ausländische Gesichtszüge“, „rassistische Polizeiwillkür“ und der Brand in einer Gefängniszelle (von Nils Kosmetschke und Thomas Bode)
Problemschwerpunkte: § 113 III: „Unrechtmäßigkeit“ der Diensthandlung, Rechtmäßigkeitsbegriffe (Polizeirecht, Verfassungsrecht); inzidente Prüfung des Festnahmerechts nach § 127 StPO im Rahmen einer Notwehrprüfung; Verhältnis von § 240 und § 113; §§ 239 I, IV, 13, 18: Unterlassen und Erfolgsqualifikation
Hausarbeit 5Bargeldloser Zahlungsverkehr (von Holger Niehaus)
Problemschwerpunkte: Täterschaft und Teilnahme; Akzessorietätslockerung (§ 28 II); Bandenmitgliedschaft als besonderes persönliches Merkmal; Teilrücktritt vom qualifizierten Versuch; tatbestandliche Probleme des § 203
Hausarbeit 6Rocker und Versicherungen (von Christopher Kluth)
Problemschwerpunkte: Versuchter Mord (Mordmerkmale); Blutalkoholkonzentration: Berechnung aus Trinkmengen (Widmark-Formel), Auswirkungen des in-dubio-pro-reo-Satzes auf die Berechnung; Betrug; Straßenverkehrsdelikte
Hausarbeit 7Scheidung auf Westfälisch (von Gunnar Herrmann)
Problemschwerpunkte: Brandstiftungsdelikte; qualifizierter Betrug (§ 263 V); Versuch der Beteiligung an einem Verbrechen (§ 30) und Rücktritt hiervon (§ 31); § 316: absolute und relative Fahrunsicherheit; „Grenzwert“ bei Segways
Hausarbeit 8Gesetzlose Fernstraßen (von Holger Niehaus)
Problemschwerpunkte: Straßenverkehrsdelikte; Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit; qualifikationsspezifischer Zusammenhang beim erfolgsqualifizierten Delikt; Zurechnung der Verursachung der schweren Folge bei Mittäterschaft; Raubqualifikationen (§ 250 I, II)
Anhang„Technische Anleitung“ zur Anfertigung von Hausarbeiten (von Thomas Bode)
Sachregister
von Thomas Bode und Holger Niehaus
1
Das strafrechtliche Hausarbeits-Gutachten unterscheidet sich methodisch nicht von einer Klausuraufgabe. Unterschiede bestehen darin, dass in der Hausarbeit die Gesetzesgeschichte und die Motive des Gesetzgebers (historisch-teleologische Auslegung) im Rahmen der Normauslegung herangezogen werden können, und darin, dass fremde Aussagen mit Belegen (Fußnoten) versehen werden müssen. Im Übrigen beschränken sich Unterschiede auf die Formalia (vgl. unten II). So wird etwa dem Gutachten in der Hausarbeit eine Gliederung vorangestellt, was in der Klausur unterbleibt.
Ansonsten gilt auch in der Hausarbeit, dass etwa die richtige Schwerpunktsetzung und die Vermeidung überflüssiger Ausführungen ein wesentliches Qualitätskriterium der Bearbeitung ist. Die fehlende Begrenzung der Bearbeitungszeit und ggf. des Umfangs der Hausarbeit darf also nicht etwa dazu führen, dass der Bearbeiter diese Gesichtspunkte aus dem Blick verliert. Es ist daher – auch und gerade bei fehlender Seitenzahlbegrenzung – eine Fehlannahme, dass eine längere Bearbeitung auch eine bessere wäre.
Soweit dem Bearbeiter Hausarbeiten in unterschiedlichen Abschnitten des Studiums begegnen („Anfänger-Hausarbeit“, „Fortgeschrittenen-Hausarbeit“, „Examens-Hausarbeit“[1]), sind damit ebenfalls keine methodischen Unterschiede bezeichnet, sondern lediglich unterschiedliche Maßstäbe hinsichtlich des Umfangs der Aufgabe, der Auswahl des Prüfungsgegenstandes und des Erwartungshorizonts bei der Bewertung.
Wer jemals einen juristischen Text verfasst hat, weiß, dass es sich bei der Annahme, man habe die Probleme der Aufgabe gedanklich durchdrungen und müsse jetzt die Ergebnisse „nur noch (innerhalb weniger Tage) niederschreiben“, um einen weitverbreiteten Irrtum handelt. Der Bearbeiter sollte daher unbedingt rechtzeitig vor Ablauf der Abgabefrist mit der Niederschrift beginnen.
2
Eine juristische Hausarbeit besteht üblicherweise aus folgenden Abschnitten[2]:
a)
Deckblatt,
b)
Sachverhalt,
c)
Literaturverzeichnis,
d)
Gliederung,
e)
Gutachten,
f)
gegebenenfalls Unterschrift, Versicherung, die Arbeit ohne fremde Hilfe angefertigt zu haben (wenn ausdrücklich von der Prüfungsordnung oder vom Aufgabensteller verlangt).
Ein Abkürzungsverzeichnis ist in Hausarbeiten regelmäßig nicht veranlasst. Der Hinweis auf das Standardwerk von Kirchner („Hinsichtlich der verwendeten Abkürzungen wird auf Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 10. Aufl., 2021 Bezug genommen.“) ist mancherorts üblich, aber nicht erforderlich.
3
Auf das Deckblatt gehören (links oder rechts oben) der Name des Verfassers und das Fachsemester. In der Mitte findet sich die Bezeichnung der Veranstaltung, in deren Rahmen die Hausarbeit geschrieben wird (z.B.: „Übung im Strafrecht für Fortgeschrittene, Sommersemester 2023, Prof. Dr. X, 1. Hausarbeit“).
Selbstverständlich sind die Vorgaben des Aufgabenstellers zu beachten. Handelt es sich um eine Examenshausarbeit, so darf nicht der Name des Verfassers, sondern nur die Kennziffer angegeben werden.
4
Nach dem Deckblatt folgt der Sachverhalt der Aufgabenstellung. Auch wenn dem Korrektor der Sachverhalt ohnehin vorliegt, wird die Hausarbeit erst durch die Wiedergabe des Sachverhalts ein in sich geschlossenes und für den Leser nachvollziehbares Gutachten.
Der Sachverhalt sollte abgeschrieben und nicht etwa der ausgedruckte Aufgabentext des Aufgabenstellers eingeheftet werden.
5
In das Literaturverzeichnis werden alle Schriften aufgenommen, die im Gutachten Verwendung gefunden haben (und nur solche), nicht aber die zitierte Rechtsprechung (auch nicht, wenn nicht die amtliche Sammlung (BGHSt), sondern eine Fundstelle in einer Zeitschrift verwendet wird (BGH, NJW 2023, 166)). Das darf nicht zu dem Missverständnis verleiten, die Berücksichtigung der Rechtsprechung sei etwa weniger wichtig für die Auseinandersetzung mit den im Gutachten aufgeworfenen Rechtsfragen als die Beschäftigung mit der einschlägigen Literatur (siehe Rn. 17).
Anmerkungenzu Gerichtsentscheidungen gehören hingegen in das Literaturverzeichnis (Bsp.: „Roxin, Claus, Anmerkung zu BGH NStZ 1999, 147, in: NStZ 1999, 149“).
Nicht in das Literaturverzeichnis gehören selbstverständlich Werke und Aufsätze, die im Gutachten überhaupt nicht zitiert werden (selbst wenn das Werk thematisch zu den im Gutachten behandelten Problemen passt).
6
Das Literaturverzeichnis dient (lediglich) der Information des Lesers darüber, welche Werke im Gutachten vom Verfasser herangezogen worden sind. Es stellt keine Qualität der Bearbeitung dar, wenn das Literaturverzeichnis künstlich ausgedehnt wird, und umgekehrt ist es selbstverständlich kein Mangel der Bearbeitung, wenn aus der stetig größer werdenden Vielzahl der Lehrbücher und Monographien nur einige ausgewählte zitiert werden.
Wenn z.B. erkennbar Werke lediglich einmal im Gutachten zitiert werden (oftmals zu Aspekten, die sich in jedem beliebigen Lehrbuch oder Kommentar finden, wie etwa der Vorsatzdefinition), um sie in das Literaturverzeichnis aufnehmen zu können, so entspricht dies nicht dem Sinn des Gutachtens und schon der Student im 1. Semester sollte derartige Manöver für unter seiner Würde erachten. Es gibt im Rechtswissenschaftsstudium keine „Fleißkärtchen“ für das Zitieren von möglichst viel Literatur. Eine inhaltlich mit einer anderen Arbeit gleichwertige Leistung wird nicht dadurch besser (und wird deshalb auch nicht besser benotet), weil in ihr mehr Kommentare und Lehrbücher zitiert werden.
Wer sich allerdings – umgekehrt – ausweislich seines Literaturverzeichnisses nur in ganz geringem Umfang mit der zur Verfügung stehenden Literatur auseinandergesetzt hat, erfüllt die ihm gestellte Aufgabe nicht in vollem Umfang und wird sich in aller Regel dem Einwand einer oberflächlichen Bearbeitung der angesprochenen Probleme ausgesetzt sehen. Die im Rahmen einer Hausarbeit aufgeworfenen Probleme werden sich nämlich in aller Regel nicht lediglich mit den abstrakten Problemdarstellungen in zwei oder drei Lehrbüchern und Kommentaren lösen lassen. Der Verfasser soll in der Hausarbeit auch zeigen, dass er das „juristische Handwerk“ beherrscht, also mit der zur Verfügung stehenden Literatur arbeiten und diese zur vertieften Bearbeitung einzelner Probleme nutzen kann.
7
Nicht selten wird vor dem Zitieren sog. grauer Literatur gewarnt (also von Repetitor- und sonstigen Skripten; Anleitungsbüchern für Anfänger etc.).
Richtig an dieser Empfehlung ist (nur), dass ein Zitat möglichst den Urheber des zitierten Gedankens benennen soll (vgl. unten zu Primär- und Sekundärliteratur). Deshalb entspricht es nicht einer wissenschaftlichen Herangehensweise, wenn lediglich Werke zitiert werden, in denen fremde Gedanken lediglich in einer auf die (vermeintlichen) Bedürfnisse von Studierenden zugeschnittenen Weise zusammengefasst und präsentiert werden, ohne dass der Verfasser das Werk überhaupt mit dem Anspruch verfasst hat, diese Gedanken einer kritischen Würdigung zu unterziehen und mit seiner Autorität für die Richtigkeit des Geschriebenen einzustehen.[3]
Es geht also bei den entsprechenden Hinweisen nicht darum, dass bestimmte Werke, Verlage oder gar Verfasser „verpönt“ wären, sondern darum, den geistigen Urheber eines Gedankens oder jedenfalls einen Autoren, der diesen Gedanken als eigenen im rechtswissenschaftlichen Diskurs vertritt, zu benennen.
8
Die Titel im Literaturverzeichnis werden alphabetisch geordnet (im Fall der Untergliederung, siehe sogleich unten aa), selbstverständlich für jede Kategorie getrennt). Sie werden nicht durchnummeriert (sondern man lässt zwischen den Beiträgen jeweils eine Zeile frei oder arbeitet mit einem Abstand[4]).
9
Es ist eine Zweckmäßigkeitsfrage (und damit dem Verfasser überlassen), ob im Literaturverzeichnis zwischen Kommentaren, Lehrbüchern/Monographien und Aufsätzen differenziert wird oder nicht. Ersteres wird sich nur anbieten, wenn es sich um umfangreichere Literaturverzeichnisse mit einer erheblichen Anzahl von Titeln zu jeder der genannten Kategorien handelt.
10
Es werden genannt: Name, Vorname (bei mehreren Verfassern werden beide vollständig zitiert, wobei die Namen durch einen Schrägstrich getrennt werden (s.u. im Beispiel)), Titel des Beitrags, Zeitschrift, Jahrgang, Anfangsseite.
Akademische Titel der Verfasser („Prof.“, „Dr.“), Amts- und Berufsbezeichnungen („Richter am BGH“; „Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht“) werden weggelassen. Für die Bezeichnung der Zeitschrift reicht eine in der Fachsprache gebräuchliche Kurzform aus (also „NJW“ und nicht „Neue Juristische Wochenschrift“). Es wird im Literaturverzeichnis nur die Anfangsseite des Beitrags genannt, nicht die Seite der Fundstelle(n), die im Gutachten verwendet wird/werden. Ob die Namen der Verfasser im Literaturverzeichnis (und/oder in den Fußnoten im Gutachten) kursiv gesetzt werden, ist dem Geschmack des Bearbeiters überlassen.
Handelt es sich um einen Beitrag, der in einer Festschrift (ggf. abgekürzt mit „FS“) oder in einem Sammelband erschienen ist, werden anstelle der Zeitschrift die Festschrift oder der Sammelband und die Anfangsseite des Beitrags genannt:
Dencker, Friedrich, Organisierte Kriminalität und Strafprozess, in: Albrecht/Dencker u.a.: Organisierte Kriminalität und Verfassungsstaat, Band 33, Heidelberg 1998, S. 41 ff.
Welp, Jürgen, Die Entwicklung der Fernmeldeüberwachung in der Bundesrepublik Deutschland, FS für Mangakis, Athen 1999, S. 809 ff.
Wissing, Volker/Cierniak, Jürgen, Strafbarkeitsrisiken des Arztes und von Betriebsinhabern nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen, NZWiSt 2016, 41.
Ob bei einem Beitrag, der sich über mehrere Seiten der Zeitschrift oder des Werkes erstreckt, der Zusatz „ff.“ verwendet wird, bleibt dem Belieben des Verfassers überlassen. Die Handhabung sollte lediglich einheitlich erfolgen. Gleiches gilt für die Frage, ob die Autoren- und/oder Bearbeiternamen (in Kommentaren) kursiv geschrieben werden oder nicht.
11
Hier gilt dasselbe wie bei den Aufsätzen (s.o.). Anstelle der Zeitschrift und der Anfangsseite werden Erscheinungsort und -jahr genannt. Es wird jeweils (nur) die neueste vorhandene Auflage zitiert.[5] Die Angabe einer Seitenzahl entfällt. Die Angabe von Untertiteln des Werkes (z.B. „Straftaten gegen Persönlichkeits- und Gemeinschaftswerte“ in dem Lehrbuch Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht BT 1) ist nicht erforderlich (allerdings auch nicht falsch).
Grünwald, Gerald, Das Beweisrecht der Strafprozeßordnung, Baden-Baden 1993
Wessels, Johannes/Hettinger, Michael/Engländer, Armin, Strafrecht, Besonderer Teil 1, 46. Aufl., Heidelberg 2022
(zit.: Wessels/Hettinger, BT 1)
12
Kommentierungen werden nicht als Werk des zitierten Bearbeiters der jeweiligen Vorschrift zitiert, sondern als Werk des/der Herausgeber(s). Hat sich ein Kommentar unter einem bestimmten Werknamen etabliert, so sollte dieser Werkname zitiert werden (also etwa: „Münchener Kommentar zur StPO“ (im Literaturverzeichnis unter „M“), nicht: „Kudlich, Hans (Hrsg.), Münchener Kommentar zur StPO“ (im Literaturverzeichnis unter „K“)).
Fischer, Thomas, Strafgesetzbuch, 70. Aufl., München 2023
(zit.: Fischer)
Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 13 (§§ 242 – 262), 13. Aufl., Berlin 2022
(zit.: LK-StGB/Bearbeiter)
Schönke, Adolf/Schröder, Horst, Strafgesetzbuch, 30. Aufl., München 2019
(zit.: Schönke/Schröder/Bearbeiter)
Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, herausgegeben von Rudolphi/Horn/Samson, Loseblattkommentar[6]
(zit.: SK-StGB/Bearbeiter)
13
Will man ein häufig im Gutachten zitiertes Werk nicht ständig in der Fußnote vollständig zitieren (mit Titel, Auflage und Erscheinungsjahr), so bietet es sich an, in den Fußnoten ein Kurzzitat zu verwenden (z.B. „Schönke/Schröder/Perron/Weißer, § 21 Rn. 4). In diesem Fall muss im Literaturverzeichnis die im Gutachten verwendete Zitierweise unter dem zitierten Werk angegeben werden (vgl. die obigen Beispiele). Das gilt im Übrigen für alle Werke (also auch für Lehrbücher etc., die im Gutachten abgekürzt zitiert werden). Werden Bücher nur einmal oder wenige Male zitiert, so erscheint ein abgekürztes Zitat in der betreffenden Fußnote und dementsprechend die Angabe einer abgekürzten Zitierweise im Literaturverzeichnis als entbehrlich. Bei der Angabe der Zitierweise im Literaturverzeichnis werden die Namen der jeweiligen Kommentatoren durch den Platzhalter „Bearbeiter“ ersetzt (s.o.). Die Angabe der weiteren Zitierweise („§, Rn.“) ist entbehrlich, weil selbsterklärend. Bei Aufsätzen entfällt eine Angabe der Zitierweise, weil diese sich von selbst versteht.
Wer unsicher ist, wie er ein Werk abgekürzt zitieren soll, findet häufig „Zitiervorschläge“ auf einer der vordersten Seiten des Werkes. Orientieren kann man sich auch an der von den obersten Gerichtshöfen verwendeten Zitierweise. Der BGH kürzt in seinen Entscheidungen z.B. den Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch üblicherweise wie folgt ab: „LK-StGB/Bearbeiter“.
14
Die dem Gutachten vorangestellte Gliederung richtet sich nach den Gliederungspunkten im Gutachten: Jede im Gutachten verwendete Überschrift soll sich in der Gliederung wiederfinden. Die Vermeidung unnötiger Überschriften im Gutachten („1. Tatbestand“, „a) Objektiver Tatbestand“ usw., vgl. Rn. 19) trägt insoweit auch dazu bei, die Gliederung übersichtlich zu halten, so dass sie ihre Funktion der Übersicht über die Struktur der Arbeit erfüllen kann.
Die Gliederungsüberschriften sollten aus aussagekräftigen, kurzen Schlagworten bestehen. Es sind also nicht etwa ganze Sätze oder gar Fragen zu formulieren (also nicht: „a) Hat A eine fremde bewegliche Sache weggenommen?“).
Wer einen Sachverhalt in „Teile“, „Abschnitte“ oder „Handlungskomplexe“ gliedert, muss durch eine Umschreibung deutlich machen, auf welchen Abschnitt des Sachverhalts sich diese Einteilung bezieht.
Nicht weiterführend ist daher etwa folgende – vielfach anzutreffende – Gliederung:
1.
Tatkomplex.
…
2.
Tatkomplex.
Hilfreich für die Verständlichkeit kann dagegen eine solche Gliederung sein:
1.
Handlungsabschnitt: Das Verbrauchen der Mietkaution
…
2.
Handlungsabschnitt: Das Geschehen an der Tankstelle
Bei der Umschreibung dürfen wiederum keine Rechtsbegriffe vorweggenommen werden, die erst noch im nachfolgenden Gutachten untersucht werden sollen (also nicht: „1. Tatkomplex: Die Wegnahme der Geldbörse“,[7] sondern etwa: „Die Entwendung der Geldbörse“).
In juristischen Arbeiten (und auch später in der Praxis) ist folgende Gliederungsstruktur üblich:
1.
Handlungskomplex: Der Überfall auf O (soweit Handlungskomplexe gebildet werden, s.o.)
A.
(z.B.: Strafbarkeit des X)
I.
(Körperverletzung, § 223 StGB)
1.
(Körperliche Misshandlung)
a)
…
aa)
…
(1)
…
(a)
…
Welche Textebene mit welcher Gliederungsziffer versehen wird, ist nicht vorgegeben. Es kann also z.B. auch die Deliktsbezeichnung auf der Ebene A., B. usw. erfolgen („A. Körperverletzung, § 223 StGB“). Auch ist es eine reine Darstellungsfrage, die dem Bearbeiter überlassen bleibt, ob die unteren Gliederungsebenen jeweils ein Stück nach rechts eingerückt werden oder ob eine linksbündige Darstellung erfolgt, ob zwischen dem Gliederungspunkt und der Seitenangabe am rechten Rand jeweils eine Reihe von Punkten gesetzt wird oder nicht usw.
Die in geisteswissenschaftlichen Arbeiten übliche Gliederung („1.1.1.4.“, „1.1.1.5.“ usw.) sollte vermieden werden, da sie in juristischen Arbeiten nicht zur Übersichtlichkeit beiträgt.
15
Ein Nachweis in einer Fußnote muss sich stets auf eine abstrakte Aussage (Rechtsausführungen) im Text beziehen, darf also nicht etwa an Aussagen zum konkreten Fall anschließen (Denn eine Aussage dazu, ob etwa A und B den PKW VW Golf des Z weggenommen haben, findet sich in dem zitierten Werk oder in der Gerichtsentscheidung sicherlich nicht.). Zulässig ist es hingegen, einen Beleg im Anschluss an eine Passage, in der sowohl abstrakte Rechtsausführungen als auch Aussagen zum konkreten Fall enthalten sind, anzubringen, wenn dies mit „Vgl.“ eingeleitet wird (Denn dadurch wird kenntlich gemacht, dass sich unter der angegebenen Fundstelle nicht exakt der Inhalt des Textes findet. Dem Autor des Beleges oder dem zitierten Gericht wird dann also keine Aussage untergeschoben, die er oder es gar nicht getätigt hat.).
16
(1) Bei Gerichtsentscheidungen reicht die Angabe der Fundstelle (unter Verwendung der fachsprachlich üblichen Abkürzungen, z.B. NStZ, aus). Die Angabe des Entscheidungsdatums und des Aktenzeichens ist dann nicht erforderlich (anders als es etwa der BGH in seinen Entscheidungen handhabt, wenn er eigene Entscheidungen zitiert[8]). Eine Entscheidung wird nur dann mit Datum und Aktenzeichen zitiert, wenn keine Fundstelle (etwa in einer Fachzeitschrift) bekannt ist und angegeben wird. Wird nicht aus der dem Hausarbeitsverfasser vorliegenden Entscheidung selbst zitiert, sondern aus einer juristischen Datenbank (juris, BeckRS), dann wird zusätzlich die Datenbank angegeben.
Werden mehrere Entscheidungen eines Gerichts zitiert, so reicht es, die Gerichtsbezeichnung der Zitatenkette einmal voranzustellen (selbst wenn es nur „BGH“ als Bestandteil von „BGHSt“ ist)
BGHSt 49, 502, 504; NJW 2002, 602, 604; NStZ 2009, 104, 106; OLG Frankfurt, NJW 2003, 15, 17.
LG Berlin, Urt. v. 27.2.2017 – (535 Ks) 251 Js 52/16 (8/16), juris.
Wenn die Rechtsprechung zu einer bestimmten Frage einheitlich ist (z.B. zur Definition des Merkmals „Heimtücke“), reicht es aus, einige wenige Entscheidungen des BGH zu zitieren. Es ist nicht erforderlich, in diesem Fall dutzende Entscheidungen zu zitieren. Auch ist es überflüssig, Entscheidungen der Oberlandesgerichte oder der Tatgerichte zu zitieren, wenn diese mit der Rechtsprechung des BGH übereinstimmen.
Auf der anderen Seite reicht die Behauptung, etwas sei „ständige Rechtsprechung“ als Beleg nicht aus (Ein solcher Hinweis ist im Übrigen auch nicht weiterführend (da es sich um eine reine Behauptung handelt)). Es müssen einige Fundstellen dafür als Beleg angegeben werden.
Werden unterschiedliche Gerichte zitiert, so werden üblicherweise die Entscheidungen des ranghöheren Gerichts vorangestellt (also Entscheidungen des BGH vor solchen eines Oberlandesgerichts). Eine festgelegte Reihenfolge bei mehreren Entscheidungen desselben Gerichts gibt es nicht. Zum Teil wird empfohlen, die älteste Entscheidung zuerst zu zitieren, zum Teil wird das Gegenteil empfohlen. Dies bleibt daher dem Bearbeiter überlassen.
(2) Die Abkürzung für „Randnummer“ sollte im gesamten Fußnotenapparat einheitlich verwendet werden, selbst wenn in den Zitiervorschlägen der Kommentierungen unterschiedliche Schreibweisen empfohlen werden sollten (also z.B. in einem Werk „Rn.“ und im anderen „Rdnr.“).
17
Primärliteratur wird so genannt, weil in ihr der Gedanke erstmals entwickelt wird. Juristische Sekundärliteratur diskutiert diese Idee und entwickelt sie weiter. Tertiärliteratur bereitet den Stand der Sekundärliteratur für Lehrzwecke auf.
Grundsätzlich sollten bei der Wiedergabe einer fremden Auffassung der oder die Urheber des Gedankens zitiert werden (Primärliteratur). Für Ausbildungszwecke reicht es aber auch aus, wenn im Rahmen der Darstellung unterschiedlicher Auffassungen Werke zitiert werden, in denen sich der Verfasser den fremden Gedanken zu eigen macht und erkennbar selbst hinter der These steht. Wer dagegen nur Tertiärliteratur in dem o.g. Sinne verwendet, setzt sich Einwänden aus:
Wenn laut Gutachtentext eine „von der Rechtsprechung“ vertretene Auffassung wiedergegeben wird (wobei allerdings die Bedenken schon dabei anfangen, dass es im Gutachten gleichgültig ist, wer eine Auffassung vertritt, s.u.), dann aber in der Fußnote als Beleg etwa eine Fundstelle aus einem Lehrbuch angegeben wird, kann es sich bestenfalls um eine Aussage des Hausarbeitsverfassers „vom Hörensagen“ handeln. Es ist die Aufgabe des Bearbeiters, selbst die Rechtsprechung aufzuarbeiten und die entsprechenden Rechtsprechungs-Fundstellen zu benennen.
Wenn in einem Gutachten einschlägige Rechtsprechung überhaupt nicht berücksichtigt wird (etwa weil der Bearbeiter nur mit einem oder wenigen Lehrbüchern gearbeitet hat), sondern nur Literaturfundstellen genannt werden, so ist dies im Übrigen ein Mangel des Gutachtens, weil das Meinungsspektrum im juristischen Diskurs nicht ausgeschöpft wird.
Nicht selten werden in studentischen Bearbeitungen bei der Darstellung von gegensätzlichen Auffassungen dieselben Werke als Beleg für unterschiedliche Auffassungen zitiert (weil in dem Lehrbuch die unterschiedlichen Auffassungen dargestellt werden). Auch dies ist ein Mangel, weil es sich um einen „Beleg“ „vom Hörensagen“ handelt, denn der Bearbeiter sagt damit letztlich kaum mehr als Folgendes aus: „Der Verfasser des Lehrbuchs X sagt, der Verfasser der Monographie Y oder das Gericht G hätte gesagt, dass …“
18
Normen müssen vollständig mit Absatz, Satz und „Alternative“ (bei zwei Auswahlmöglichkeiten, z.B. § 266 I 1. oder 2. Alt. StGB) bzw. „Variante“ oder „Modalität“ (bei mehr als zwei Auswahlmöglichkeiten, z.B. § 267 I 1, 1. – 3. Var. StGB) zitiert werden. Auch hier handelt es sich nicht um Formalismus. Wer etwa bei der Untreue nur „§ 266 I StGB“ zitiert und dadurch nicht zu erkennen gibt, ob er die Missbrauchs- oder die Treuebruchsalternative prüft, zeigt schon dadurch mangelndes Problembewusstsein.[9]
Entweder werden Absätze einer Vorschrift durch römische Ziffern und die Sätze des jeweiligen Absatzes durch eine anschließende arabische Ziffer gekennzeichnet (§ 243 I 2 Nr. 1 StGB) oder durch die Abkürzungen „Abs.“ und „S.“ (§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB). Eine Vermischung dieser Schreibweisen sollte unterbleiben (also nicht: „§ 243 I S. 2 Nr. 1“).
Abgesehen von solchen in der Rechtssprache etablierten Gebräuchlichkeiten richtet sich die Darstellung nach dem Belieben des Bearbeiters (Es gibt etwa keine Regeln dafür, ob der Begriff „Bundestagsdrucksache“ überhaupt abgekürzt wird und, falls ja, mit „BT-Dr.“, „BT-Drucks.“ o.a.).
Das BVerfG und der BGH zitieren in ihren Entscheidungen im Original[10] wie folgt: „§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB“ (abgekürzt wird also nur beim Absatz und bei Ziffern).
Der zu Beginn einer Bearbeitung häufig zu lesende Satz „§§ ohne besondere Kennzeichnung sind solche des StGB“ ist nicht erforderlich, da sich dies von selbst versteht (insoweit handelt es sich um überflüssigen Formalismus), aber auch nicht falsch.
Art. 1 I, 2 I GG
§ 241a I Var. 1 StGB
Art. 34 S. 3 GG
Art. 229, § 5 S. 2 EGBGB
§ 993 I Hs. 2 BGB
RL 2000/43/EG
§ 224 I Nr. 2 Var. 2 StGB
BT-Drs. 1/3713, S. 19
§§ 242 I, 243 I 2 Nr. 3 StGB
BGBl. I (1998), S. 12
§ 238 I Nr. 1-4 StGB
19
Das Gutachten sollte sinnvoll und maßvoll gegliedert sein, um die Lesbarkeit und Verständlichkeit der Ausführungen zu erhöhen; ein seitenlanger, ununterbrochener Fließtext ist also zu vermeiden.[11] Andererseits dürfen die Gliederung und der Prüfungsaufbau aber nicht zum bloßen Selbstzweck werden.[12]
Das gilt etwa für die Unterteilung des Sachverhaltes in einzelne – z.B. chronologisch geordnete – Abschnitte. Wer ein überschaubares und inhaltlich zusammengehöriges Geschehen in unterschiedliche „Handlungsabschnitte“ unterteilt, erhöht die Verständlichkeit des Gutachtens nicht; möglicherweise reißt er sogar inhaltlich zusammengehörige Aspekte auseinander.[13]
Wenn der Dieb auf der Flucht Gewalt anwendet (§ 252 StGB), wäre es ungeschickt, das Wegnahmegeschehen und die Flucht in zwei Handlungsabschnitte aufzuteilen, denn der Diebstahl (§ 242 StGB) ist Voraussetzung des räuberischen Diebstahls und wird von diesem im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängt.
Zu vermeiden ist auch eine „Übergliederung“, die nicht etwa die Lesbarkeit erhöht, sondern den Eindruck einer anfängerhaften und schematischen Prüfung hinterlässt.[14]
Beispiel für eine „Übergliederung“, wie sie oftmals in strafrechtlichen Bearbeitungen anzutreffen ist:
„I. Diebstahl, § 242 I StGB
A könnte sich wegen Diebstahls gem. § 242 I StGB strafbar gemacht haben indem er…
1. Tatbestand
A müsste den Tatbestand verwirklicht haben.
a) Objektiver Tatbestand
Dazu müsste er zunächst den objektiven Tatbestand verwirklicht haben.
aa) Sache
Dann müsste es sich bei der Schmuckschatulle um eine Sache handeln. Eine Sache …
bb) fremd
…
cc) beweglich“
Die Vielzahl von Überschriften und nicht weiterführenden, vielmehr inhaltsleeren Füllsätzen erschwert dem Leser das Nachvollziehen des Gedankenganges und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Zeit- bzw. Platzknappheit (an den wirklich problematischen Stellen der Aufgabe) führen.
Gegenbeispiel:
„I. Diebstahl, § 242 I StGB
A könnte sich wegen Diebstahls gem. § 242 I StGB strafbar gemacht haben, indem er…
1. Dann müsste es sich bei der Schmuckschatulle um eine für ihn fremde bewegliche Sache gehandelt haben.“
20
Es versteht sich bei einem Studium, das ausschließlich aus dem Umgang mit Sprache besteht und das darauf gerichtet ist, den Absolventen dazu zu befähigen, die späteren Kommunikationspartner (Gerichte, Kollegen, Staatsanwälte, gegnerische Anwälte, Mandanten) mittels der eigenen Texte zu überzeugen, von selbst, dass auch sprachliche Aspekte bei der Bewertung eine Rolle spielen können (und ggf. müssen).
Es ist also nicht etwa ein Grund zur Remonstration oder Prüfungsanfechtung, wenn bei der Korrektur diese Gesichtspunkte bewertet werden oder sich entsprechende Randbemerkungen finden.
Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass jeder Tippfehler oder jeder zu lang geratene oder sprachlich nicht ganz geglückte Satz zu Punktabzügen führt. Häufen sich aber orthographische[15] oder grammatikalische Fehler (wird z.B. ständig „das“ (Relativsatz) mit „dass“ verwechselt), so ist dies ein Qualitätsmangel, der neben anderen Gesichtspunkten bei der Bewertung Berücksichtigung finden wird.
-
Im Rahmen der Obersätze lautet die korrekte Formulierung entweder, dass sich jemand „wegen“ eines Delikts „strafbar“ oder aber „eines“ Delikts „schuldig“ gemacht haben könnte (also nicht: „wegen Diebstahls schuldig“ oder „eines Diebstahls strafbar“).[16]
-
„Rechtssprechung“ statt „Rechtsprechung“; „Todschlag“ statt „Totschlag“.
-
Einige verbreitete Textverarbeitungsprogramme sind werkseitig so eingestellt, dass sie automatisch etwa „StPO“ durch „Stopp“ ersetzen. Diese Funktion sollte ein Bearbeiter strafrechtlicher Aufgaben aus nahe liegenden Gründen zeitnah deaktivieren.
21
Überflüssige Verstärkungen wie „unproblematisch“, „offensichtlich“ oder „eindeutig“ sollten unterbleiben. Ist etwas tatsächlich „offensichtlich“, dann sollte dieser Gesichtspunkt weggelassen oder mit einer kurzen Feststellung abgehandelt werden.
Die Verwendung von Fremdwörtern ist nur dort angezeigt, wo der fremdsprachliche Begriff eine Situation genauer bezeichnet als seine deutsche Entsprechung oder wo eine solche Entsprechung gänzlich fehlt.[17] Im Übrigen bestimmt § 184 S. 1 GVG: „Die Gerichtssprache ist deutsch.“
Etwas anderes gilt dann, wenn ein fremdsprachlicher Begriff sich derart eingebürgert hat, dass er letztlich zum Bestandteil auch der (allgemeinen) deutschen Rechtssprache geworden ist (etwa: Leasing[18], Factoring, Churning).
Vermieden werden sollte in jedem Fall ein mit Abkürzungen durchsetzter (studentischer) Jargon, der zum Teil in der Ausbildungsliteratur verbreitet sein mag und in Fällen evidenten Platzmangels auch seine Berechtigung hat,[19] im ausformulierten juristischen Gutachten jedoch als unangemessen erscheint.[20] Oftmals soll durch die exzessive Verwendung von fachsprachlichen Abkürzungen offenbar Professionalität signalisiert werden. Erreicht wird indes häufig das Gegenteil – nämlich der Eindruck eines unbeholfenen und wenig sorgfältigen Umgangs mit Sprache.
Beispiele für häufig anzutreffende Abkürzungen, die im Rahmen interner Notizen (Lösungsskizzen) zur Zeitersparnis hilfreich sein mögen, aber im ausformulierten Gutachten keine Verwendung finden sollten (jedenfalls nicht ohne Einführung der Abkürzung):
alic
– actio libera in causa
e.i.p.
– error in persona
ETB(I)
– Erlaubnistatbestandsirrtum
obj./subj. TB
– objektiver/subjektiver Tatbestand[21]
Rspr.
– Rechtsprechung
RW
– Rechtswidrigkeit
SE
– Schadensersatz
22
Ein wichtiges Qualitätskriterium einer Gutachtenaufgabe[22] (gleich ob Klausur oder Hausarbeit) ist das Erkennen und Herausarbeiten der Schwerpunkte der Aufgabe, die durch eine vertiefte Argumentation gewürdigt werden müssen.[23]
„Mut zum Weglassen“: Eine gelungene Schwerpunktsetzung setzt den Mut voraus, offensichtlich fernliegende Gesichtspunkte/Straftatbestände wegzulassen und offensichtlich vorliegende Voraussetzungen kürzer abzuhandeln als problematische Merkmale („Je komplexer ein Problem, desto ausführlicher die Darstellung“[24], s.u.). Die erwünschten Punktzahlen erhält der Bearbeiter ohnehin nicht für die Erörterung offensichtlich fernliegender Gesichtspunkte, sondern für die sorgfältige Subsumtion unter die tatsächlich problematischen Merkmale und die Anwendung der Methoden der Gesetzesauslegung.
Wer sich dagegen vor den eigentlichen Problemen der Aufgabe „wegduckt“ (nach dem Motto: Wer nichts schreibt, schreibt auch nichts Falsches), kann nicht erwarten, für die Prüfung von Banalitäten („Bei dem PKW müsste es sich um eine bewegliche Sache handeln.“) eine ausreichende oder gar bessere Leistung attestiert zu bekommen.
Die Hausarbeit wird grundsätzlich im sog. Gutachtenstil verfasst. Der Verfasser wirft also zunächst die Frage auf, ob eine Voraussetzung / ein gesetzliches Merkmal verwirklicht ist. Die Frage wird beantwortet, indem das Merkmal zunächst abstrakt definiert wird und sodann eine Verbindung zwischen dem konkreten Sachverhalt und der Definition hergestellt wird („Subsumtion“ im engeren Sinne). Das Ergebnis wird sodann in einem Ergebnissatz festgehalten.[25]
4 Subsumtionsschritte:
1.
Aufwerfen der Frage (Obersatz)
2.
Definition des Merkmals
3.
Herstellung einer Verbindung zwischen Definition und Sachverhalt (Subsumtion im engeren Sinne)
4.
Ergebnis der Prüfung
Subsumtion im engeren Sinne bedeutet dabei etwas anderes als die bloße Nacherzählung von Ausschnitten des Sachverhaltes im Anschluss an eine Definition.[26] Die – nicht selten wörtliche – Wiederholung des den Beteiligten bekannten Sachverhaltes ist vielmehr gänzlich überflüssig (s.o.)[27] und ersetzt die notwendige Argumentation nicht. Dem Leser soll durch Argumente verdeutlicht werden, weshalb das bekannte Geschehen die Voraussetzungen der Definition erfüllt.
Nicht selten ist folgendes „Begründungsmuster“ anzutreffen (das sich unter Umständen durch das gesamte Gutachten zieht):
„Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendig eigenen Gewahrsams.
Das ist hier der Fall.“
Wer in dieser Weise vorgeht, subsumiert nicht den Sachverhalt unter die gesetzlichen Voraussetzungen, wie es die Aufgabe des Gutachters ist. Es fehlt das entscheidende Element, nämlich die Herstellung einer Beziehung zwischen dem konkreten Sachverhalt und der abstrakten Definition. Die bloße Reproduktion einer gelernten abstrakten Definition unter anschließender schlichter Behauptung, dass die Voraussetzungen erfüllt seien, verfehlt die gestellte Aufgabe vollständig und ist daher letztlich ungenügend.
Liegen die Voraussetzungen eines Merkmals tatsächlich offensichtlich vor, so kann eine bloße Feststellung ausreichen, die jedoch den Bezug zum Sachverhalt herstellen muss (dazu sogleich).
Beispiel:
„1. Indem A sich ohne Willen des X in dessen Garage begab, sich in dessen PKW Mercedes setzte und damit davonfuhr, brach er den Gewahrsam des X und nahm daher eine fremde bewegliche Sache weg.“
Die schematische, ausnahmslose Verwendung des Gutachtenstils wirkt nicht nur stilistisch oft anfängerhaft und gekünstelt,[28] sondern sie steht auch einer richtigen Schwerpunktsetzung im Wege. Der Leser wird gerade nicht zielstrebig zu den Problemen der Aufgabe geführt, wenn der Bearbeiter etwa bei evidentem Alleineigentum eines Dritten der „Fremdheit“ im Rahmen des Diebstahls denselben Prüfungsaufwand zuteil werden lässt wie einem hochproblematischen Merkmal.
Der Einsatz eines (verkürzten) Urteilsstils ist daher bei unproblematischen Voraussetzungen nicht nur erlaubt, sondern – vor dem Hintergrund der Aufgabe zu richtiger Schwerpunktsetzung – geboten und kann gerade das Kennzeichen einer guten Hausarbeitslösung sein.[29] Aus demselben Grund kann auch eine schlichte Feststellung des Vorliegens einer Voraussetzung ausreichen (Beispiel: „Der PKW Audi des X war eine für den A fremde, bewegliche Sache.“).
Urteilsstil bedeutet allerdings nicht, dass eine Begründung des Ergebnisses entbehrlich wäre, sondern – im eigentlichen Sinne – lediglich, dass das Ergebnis der Prüfung an die erste Stelle rückt und dadurch lediglich drei Begründungsschritte verbleiben. Die Verwendung des (echten) Urteilsstils führt deshalb auch nicht ohne Weiteres zu einer wesentlichen Verkürzung der Ausführungen.
Beispiel für den Einsatz des Urteilsstils:
„1. A hat den X im Sinne des § 263 StGB über Tatsachen getäuscht und bei ihm dadurch einen entsprechenden Irrtum hervorgerufen.
Täuschung ist die wahrheitswidrige Behauptung einer Tatsache oder ein sonstiges Verhalten, das Erklärungswert hat und der Irreführung anderer dient. Indem A dem X erklärte, er sei Eigentümer des verkauften PKW VW, behauptete er ihm gegenüber eine unwahre Tatsache, wodurch bei X eine unrichtige, nicht der Wirklichkeit entsprechende Vorstellung hervorgerufen wurde.“
Sobald ein Merkmal nicht unproblematisch bejaht werden kann, ist wieder in den Gutachtenstil zu wechseln:
„2. X müsste infolge seines Irrtums auch eine Vermögensverfügung vorgenommen haben…“
Wenn daher von „Urteilsstil“ die Rede ist, ist oftmals nicht dieser gemeint, sondern die Feststellung eines Merkmals mit einem Satz, die in offensichtlichen Fällen zulässig ist.
23
Die Auslegung gesetzlicher Merkmale stellt die zentrale Aufgabe des juristischen Gutachtens dar. Ein maßgebliches Kriterium für den Hausarbeitserfolg ist es deshalb, ob der Verfasser zeigen kann, dass er die Auslegung von Normen methodisch beherrscht und mittels der erworbenen Auslegungsfertigkeiten zu einem überzeugenden Ergebnis gelangt. Daher ist es (im Hinblick auf den Erfolg der Bearbeiter) bedauerlich, dass „schon ein schlichtes Abarbeiten der Auslegungscanones die Ausnahme, nicht die Regel“ ist.[30] Wendet man es ins Positive, so liegt darin für den Bearbeiter eine erhebliche Chance: Wer sich unter Nennung und Anwendung der im Folgenden kurz dargestellten Auslegungsmethoden um eine eigene Argumentation bemüht, gehört nicht selten bereits deshalb zum besseren Teil der Bearbeiter.
Haben sich im Rahmen der Auslegung eines Merkmals unterschiedliche Auffassungen gebildet, so gehört auch ihre Darstellung zu einem vollständigen Gutachten. Es muss allerdings davor gewarnt werden, die Bedeutung der Reproduktion bekannter „Streitstände“ für den Erfolg zu überschätzen und die Auslegung problematischer Merkmale mit Hilfe der anerkannten Methoden zu vernachlässigen.[31]
24
Zur Auslegung von Gesetzen haben sich in der juristischen Methodenlehre vier Kriterien herausgebildet:[32]
1.
Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung)
2.
Gesetzeszusammenhang (systematische Auslegung)
3.
Entstehungsgeschichte (historische Auslegung)
4.
Sinn und Zweck (teleologische Auslegung)
aa) Ist ein Merkmal problematisch, so sollte der Bearbeiter vom Wortlaut der Norm ausgehen (und dies auch durch die Benennung dieser Auslegungsmethode verdeutlichen), denn die rechtsprechende Gewalt ist an das Gesetz gebunden (Art. 20 III GG; im Strafrecht gilt zusätzlich Art. 103 II GG). Der Wortlaut – als Grenze der Auslegung, jenseits derer der Bereich der Rechtsfortbildung mittels Analogie und teleologischer Reduktion beginnt – sollte auch dann zum Ausgangspunkt der Überlegungen genommen werden, wenn er unergiebig ist. In diesem Fall kann gerade die Unergiebigkeit festgestellt werden, so dass der Weg für die übrigen Auslegungsmethoden frei ist.
bb) Die systematische Auslegung fragt nach Argumenten, die sich aus dem gesetzlichen Zusammenhang des auszulegenden Merkmals ergeben. Vergleichsmaßstab können dabei andere Sätze oder Absätze derselben Norm sein, die amtliche Gesetzesüberschrift, die Stellung der Norm in einem bestimmten Abschnitt des Gesetzes, aber auch andere Normen desselben Gesetzes oder anderer Gesetze. Wer zur Stützung seiner Auffassung ein systematisches Argument anführen kann, überzeugt den Leser in der Regel jedenfalls von der Vertretbarkeit seiner Ansicht und stellt unter Beweis, dass er nicht nur Einzelaspekte „gelernt“, sondern Zusammenhänge des Rechts begriffen hat. Dies wird sich in aller Regel auch in der Hausarbeitsbewertung deutlich niederschlagen.
Im Rahmen des Festnahmerechts nach § 127 I StPO ist umstritten, ob ein dringender Tatverdacht ausreicht.[33] Hier ergibt die Lektüre der vollständigen Norm, die im Übrigen auch dem fortgeschrittenen Bearbeiter stets nur empfohlen werden kann,[34] dass der Gesetzgeber in Abs. 2 des § 127 StPO für das Festnahmerecht der Polizeibeamten mit einer Verweisung auf § 112 StPO gearbeitet hat, so dass dort der dringende Tatverdacht ausreicht. Hätte der Gesetzgeber den dringenden Tatverdacht auch in Abs. 1 ausreichen lassen wollen, so hätte eine ähnliche Verweisung auch in Abs. 1 nahe gelegen, die jedoch unterblieben ist. Die systematische Auslegung spricht also dafür, dass der dringende Tatverdacht in Abs. 1 (in Abgrenzung zu Abs. 2) nicht ausreicht. Wer auf diesen Umstand verweisen kann, gelangt also durch eine systematische Auslegung innerhalb der Norm des § 127 StPO zu einem überzeugenden Ergebnis.
cc) Die historische Auslegung betrachtet die Entwicklung eines Gesetzes unter Berücksichtigung des Willens des jeweiligen Gesetzgebers. Da es „den Gesetzgeber“ nicht gibt, ist diese Formulierung allerdings problematisch und darf nicht dazu verführen, Äußerungen einer Gesetzbegründung einfach als maßgeblich für die Auslegung anzusehen. Die in den Gesetzesmaterialien (Begründungen von Gesetzesentwürfen, Stellungnahmen des Rechtsauschusses oder anderer Gesetzgebungsorgane (z.B. des Bundesrates), die man in Bundestagsdrucksachen und Bundesratsdrucksachen findet[35]) niedergelegten Erwägungen stammen regelmäßig nicht vom „Gesetzgeber“ (den Mitgliedern des Parlamentes, schon gar nicht von deren Gesamtheit), sondern diese Begründungen werden z.B. von den Mitarbeitern des Ministeriums verfasst, das den Gesetzentwurf erarbeitet hat (im Strafrecht regelmäßig das Justizministerium). Die Annahmen einer Gesetzesbegründung entfalten daher keine Bindungswirkung für die Auslegung.[36] Denn eine „verbindliche Richtschnur“ für die Auslegung bildet nach der juristischen Methodenlehre allenfalls die Regelungsabsicht des Gesetzgebers. Als für die Auslegung bedeutsamer Wille des Gesetzgebers sind deshalb nur die in der Regelung erkennbar ausgeprägte und in ihr angelegte Grundabsicht und diejenigen Vorstellungen anzusehen, die in der gesetzgebenden Körperschaft oder ihren Ausschüssen zum Ausdruck gebracht und ohne Widerspruch geblieben sind.[37]
dd) Erst zuletzt ist auf die teleologische Auslegung einzugehen.[38] Auch hier gilt: Wer den Sinn und Zweck einer Norm (im Strafrecht regelmäßig der Schutz eines bestimmten Rechtsguts) nachvollziehbar herausarbeitet und daraus Argumente für ein bestimmtes Verständnis eines gesetzlichen Merkmals ableiten kann, demonstriert Fertigkeiten, die über die schlichte Gesetzesanwendung hinausgehen, was bei der Bewertung der Hausarbeit Berücksichtigung finden wird.
ee) Eine Zwischenstellung zwischen systematischer und teleologischer Auslegung nehmen die sog. verfassungskonforme und die richtlinienkonforme Auslegung ein.[39] Bei der Auslegung einer Norm sollen Vorgaben des höherrangigen Rechts (Verfassungsrecht, europarechtliche Normen und Vorgaben) möglichst berücksichtigt werden.
Nach dem Wortlaut des § 112 III StPO („Haftgrund der Tatschwere“) reicht der dringende Tatverdacht einer der Katalogtaten aus, um den Verdächtigen in Untersuchungshaft zu nehmen. Die Untersuchungshaft dient jedoch ausschließlich der Verfahrenssicherung und ist keine vorweggenommene Strafe bei besonders schweren Delikten. § 112 III StPO könnte deshalb gegen die mit Verfassungsrang ausgestattete Unschuldsvermutung verstoßen. Das BVerfG hat § 112 III StPO gleichwohl für verfassungskonform erklärt, weil die Norm im Wege „verfassungskonformer Auslegung“ dahingehend interpretiert werden könne und müsse, dass zu den Voraussetzungen des § 112 III StPO eine abstrakte Flucht- oder Verdunkelungsgefahr hinzutreten müsse.[41] Der Vorgang zeigt indes gerade die Fragwürdigkeit einer uferlosen verfassungskonformen – wie auch der teleologischen – „Auslegung“,[42] denn es handelt sich „weniger um eine Auslegung, als um eine Umdeutung des Gesetzes“.[43]
25
Existiert zur Auslegung eines gesetzlichen Merkmals eine Meinungsverschiedenheit, so lassen sich aus Sinn und Zweck eines Gutachtens[44] einige Hinweise für eine zweckmäßige Darstellung herleiten.
aa) Zum einen bedarf es einer Argumentation zu den unterschiedlichen Auffassungen und einer Entscheidung zugunsten einer von ihnen nur und ausschließlich dann, wenn der Meinungsstreit für das Ergebnis des konkret zu begutachtenden Falles von Bedeutung ist.[45] Ob dies der Fall ist, ist daher zunächst durch Subsumtion zu ermitteln und darzustellen. Wirken sich die unterschiedlichen Auslegungen auf die Lösung des zu begutachtenden Falles nicht aus, so ist die gleichwohl erfolgende Stellungnahme des Bearbeiters überflüssig und entspricht nicht dem geforderten Gutachtenauftrag (Ein solches Vorgehen könnte man vielmehr als „Lehrbuchstil“ bezeichnen[46]). Hierbei handelt es sich nach der hier vertretenen Auffassung um einen methodischen Mangel.
Soweit gelegentlich ein anderer Aufbau dahingehend empfohlen wird, dass vor einer Subsumtion zunächst sämtliche Auffassungen vorgestellt und im Rahmen der Auslegung die vorzugswürdige Ansicht ermittelt wird („rechtsfragenbezogene Darstellung“), ist davon aus den vorgenannten Gründen abzuraten: Kommen alle Auffassungen im konkreten Fall zu demselben Ergebnis, ist eine Kritik der einzelnen Auffassungen überflüssig und falsch.[47] Gelangen die Meinungen nicht zu demselben Ergebnis, ist die Kritik einer Ansicht noch vor der Darstellung der übrigen Meinungen verfrüht, weil der Leser zu diesem Zeitpunkt nicht weiß, ob es einer Stellungnahme des Bearbeiters überhaupt bedarf.
bb) Aus dieser Überlegung ergibt sich zugleich, dass vor einer argumentativen Auseinandersetzung mit einzelnen Lehrmeinungen geprüft werden muss, zu welchem Ergebnis die Zugrundelegung der jeweiligen Auffassung im zu entscheidenden Fall führt.[48]
cc) Aus der Natur des Gutachtens folgt weiterhin, dass es unerheblich ist, wer (welches Gericht oder welche Vertreter des Schrifttums) eine Auffassung vertritt.[49] Die Nennung des (vermeintlichen) Urhebers einer Auffassung ist daher überflüssig,[50] zumal ein solches Vorgehen mit Gefahren verbunden ist. So ist häufig zu lesen, „die Rechtsprechung“ vertrete eine bestimmte Auffassung. Tatsächlich bestehen aber oftmals auch innerhalb der rechtsprechenden Gewalt erhebliche Meinungsunterschiede zu bestimmten Auslegungsfragen – nicht selten sogar zwischen den Senaten oder Kammern desselben Gerichts.[51]
Gleiches gilt für „die Literatur“. Auch hier gibt es in der Regel nicht nur eine Richtung innerhalb des Schrifttums, das als Gesamtinstitution ebenso wenig existiert wie „die Rechtsprechung“. Mit solchen Formulierungen sollte daher zurückhaltend umgegangen werden. Erst recht gilt dies für Formulierungen wie „nach herrschender Meinung“ oder „nach der überwiegenden Literatur“. Es gilt erneut: Ob eine Auffassung „herrschend“ ist oder nicht, ist im Gutachten unerheblich; der Verfasser hat lediglich darzulegen, ob sie zutreffend ist, also einer Überprüfung anhand der Auslegungsmethoden standhält. Die Berufung auf eine „herrschende Meinung“ oder auf die Autorität eines Obergerichts ersetzt daher keinesfalls die eigene Argumentation.[52]
Die Behauptung, eine Auffassung sei herrschend, ist zudem auch deshalb letztlich substanzarm, weil sie kaum nachprüfbar ist: Nach welchen Kriterien soll sich die „Herrschaft“ einer Auffassung beurteilen: Anzahl der Meinungsvertreter, beruflicher Status/Reputation der Verfasser; Renommee des Publikationsorgans (Kommentar/Zeitschrift), Alter der Veröffentlichungen?
Zusätzlichen Einwänden setzen sich diejenigen Bearbeiter aus, die zunächst eine Meinung „des BGH“ oder „des BVerwG“ darstellen und sodann von der „herrschenden Gegenansicht“ sprechen. Hier dürfte es noch am Gespür für die juristische Praxis fehlen: Die Auffassung der obersten Gerichte mag zwar nicht immer „richtig“ sein, sie ist aber stets „herrschend“.
Es stellt sich deshalb die Frage, wie eine Meinung oder Meinungsgruppe überhaupt bezeichnet werden kann. In vielen Fällen haben sich treffende Kurzbezeichnungen für eine bestimmte Auslegung herausgebildet, deren Verwendung die Verständlichkeit der Ausführungen unterstützt und deshalb hilfreich ist. Dies gilt etwa für die „Tatherrschaftslehre“ im Rahmen der Anforderungen an die Täterschaft (§ 25 StGB). Ist dies nicht der Fall, so sollte der Verfasser nicht künstlich darum bemüht sein, einer denkbaren Form der Auslegung einen „Theorienamen“ zu verleihen. Die vielfach anzutreffenden „gemischt objektiv-subjektiven Theorien“ und ähnliche Bezeichnungen helfen dem Leser bei der Orientierung kaum weiter.[53] Der Bearbeiter sollte sich in diesen Fällen nicht gehemmt fühlen, im einleitenden Satz schlicht von „einer Auffassung“ und der „Gegenmeinung“ zu sprechen.[54] Dies mag auf Dauer nicht eben einen Genuss für das ästhetische Empfinden darstellen, es vermeidet indes die oben genannten Unwägbarkeiten, und letzten Endes stellt ein juristisches Gutachten bei allem Bemühen um sprachliche Klarheit und Eleganz keinen Schönheitswettbewerb dar.[55] Aus demselben Grund wird hier nicht auf die von manchen für vorzugswürdig erachtete Methode der Streitdarstellung mittels einer „problem- oder rechtsfragenorientierten Darstellungsweise“[56] eingegangen. Man mag das oben und im Folgenden empfohlene Vorgehen als schematisch empfinden,[57] es hilft indes, Fehler zu vermeiden, indem es dem Bearbeiter eine methodisch korrekte Herangehensweise zur Verfügung stellt.[58]
Auch im Rahmen der Darstellung von Meinungsstreitigkeiten bedeutet die Aufgabe, eine Hausarbeit im Gutachtenstil zu verfassen, nicht, dass stets sämtliche Auffassungen zu einem Merkmal, die nicht selten in ihren Nuancen nur schwer zu unterscheiden sind, darzustellen wären (vgl. Rn. 22: „Mut zum Weglassen“. So zählt etwa Kühl zur Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit allein zehn „Theorien“[59]). Vielmehr ist es legitim und sinnvoll, Auffassungen, die hinsichtlich eines für den Fall entscheidenden Umstandes übereinstimmen, zu einer Meinungsgruppe zusammenzufassen. In dem vorgenannten Beispiel der Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit verläuft etwa die Haupttrennlinie zwischen denjenigen, die über das Wissen hinaus ein „voluntatives Element“ verlangen und denjenigen, die – mit unterschiedlichen Nuancen – auf ein Willenselement verzichten wollen („kognitive Theorien“). Die Darstellung des Meinungsstreits kann sich also unter Umständen – wenn es für die Falllösung darauf ankommt, ob für den Vorsatz ein voluntatives Element zu fordern ist – auf die Auseinandersetzung mit diesen beiden Meinungsgruppen beschränken.[60]
Zur Verdeutlichung der Anforderungen an die gutachterliche Darstellung eines Meinungsstreites die nachfolgende Übersicht:[61]
26
Beispiel (zur Frage des Vorliegens eines Unfalls“ im Sinne des § 142 StGB bei vorsätzlicher Herbeiführung):[62]
Aufwerfen des Problems: „Es müsste ein Unfall im Straßenverkehr i.S.d. § 142 I StGB vorgelegen haben. Dies ist jedes plötzlich auftretende Ereignis im Straßenverkehr, das mit dessen Gefahren im Zusammenhang steht und einen nicht ganz unerheblichen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, wenn eine Kollision im Straßenverkehr von einem der Beteiligten – nicht aber von dem anderen – vorsätzlich herbeigeführt wird, ist umstritten.“
1. Meinung:
→
Abstrakte Darstellung der Ansicht:„Nach einer Ansicht liegt erst dann kein Unfall i.S.d. § 142 I StGB mehr vor, wenn das Ereignis von beiden Beteiligten vorsätzlich herbeigeführt wurde. Sei dies nicht der Fall, stelle sich das Ereignis für die unvorsätzlich handelnde Partei durchaus als unvorhergesehenes Ereignis im Straßenverkehr dar.“
→
Subsumtion und Ergebnis:„Im vorliegenden Fall hat lediglich A bei der Herbeiführung der Kollision zwischen dem BMW und dem Audi vorsätzlich gehandelt. B hingegen ahnte nichts von dem Zusammenstoß des BMW des A mit ihrem parkenden Fahrzeug. Nach dieser Auffassung läge daher ein Unfall i.S.d. § 142 I StGB vor.“
2. Meinung:
→
Abstrakte Darstellung der Ansicht:„Nach der Gegenauffassung realisiert sich in den Fällen der vorsätzlichen Herbeiführung einer Kollision nicht das spezifische Risiko des Straßenverkehrs, sondern das (allgemeine) Risiko, Opfer deliktischen Verhaltens anderer zu werden, so dass in diesen Fällen kein Unfall i.S.d. § 142 I StGB vorliege.“
→
Subsumtion und Ergebnis:„Aufgrund des Vorsatzes des A sind die Folgen der Kollision nach dieser Ansicht nicht Ausdruck verkehrsspezifischer Gefahren sondern des deliktischen Willens des A. Nach dieser Ansicht läge daher kein Unfall vor.“
Zwischenüberlegung: Wenn alle Auffassungen zu demselben Ergebnis im konkreten Fall gelangen, dann endet die Darstellung hier. Ist dies nicht der Fall, wie im obigen Beispiel, dann ist der Streit zu entscheiden:
Stellungnahme[63]:
Auslegung des betreffenden gesetzlichen Merkmals (hier: Unfall i.S.d. § 142 I StGB) anhand der anerkannten Auslegungsmethoden:
-
Wortlaut
-
Systematik
-
Entstehungsgeschichte
-
Sinn und Zweck der Norm (§ 142 I StGB)
An dieser Stelle hat der Bearbeiter die Gelegenheit, die erworbenen Auslegungs- und Argumentationsfähigkeiten zu demonstrieren,[64] im vorliegenden Beispiel insbesondere systematische und teleologische Argumente zusammenzutragen[65] und dabei sein „Punktekonto“ dadurch zu erhöhen, dass er nicht nur diejenigen Argumente nennt, die für die von ihm präferierte Ansicht sprechen, sondern sich auch mit den „contra“-Argumenten auseinandersetzt.
27
Wer mit anderen Bearbeitern der Aufgabe – sei es bei der Recherche, sei es bei der Ausformulierung der Texte – zusammenarbeitet oder gar fremde Texte ganz oder teilweise übernimmt, liefert keine vollständig eigene Leistung ab und begeht deshalb einen Täuschungsversuch, so dass seine Bearbeitung mit „ungenügend“ bewertet wird, wenn dies bemerkt wird.
Wer fremde Gedanken nicht durch ein Zitat kenntlich macht (und dadurch den Inhalt als eigene Leistung ausgibt), verstößt gegen die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens, was einen Mangel der Bearbeitung darstellt.
28
Die Bewertung der Hausarbeit kann regelmäßig mit der sog. Remonstration angefochten werden. Eine Remonstration ist eine meist rechtlich ungeregelte Gegendarstellung zur Bewertung einer Hausarbeit, die den Studierenden von den meisten Aufgabenstellern innerhalb einer gewissen (vom Aufgabensteller oder dem Prüfungsamt bestimmten) Frist eingeräumt wird. Regelmäßig wird eine Begründung der Remonstration verlangt.
Eine Remonstration ist begründet, wenn eine inhaltliche Fehleinschätzung des Korrektors vorliegt, weil er rechtlich Richtiges als falsch bewertet oder er zutreffende Ausführungen des Bearbeiters nicht einbezieht oder wenn die vergebene Note in einem Missverhältnis zum Votum oder zu der gezeigten Leistung steht, wobei dem Prüfer ein Beurteilungsspielraum zusteht.
Korrektoren und Prüfer sind weder gehalten, jeden richtigen Aspekt einer Bearbeitung am Rand oder im abschließenden Votum positiv zu würdigen (oder „abzuhaken“) noch dazu, jeden Mangel ausführlich zu kommentieren oder im Votum darzulegen.
In der Praxis erschöpfen sich Remonstrationen nicht selten darin, dass etwa gerügt wird, dass der Verfasser auf S. 3 den (unproblematischen) objektiven Tatbestand des Diebstahls ohne am Rand vermerkte Beanstandung geprüft habe oder sich am Rand der Arbeit insgesamt nur zehn negative Anmerkungen befinden usw.
Von einem Rechtswissenschaftsstudierenden sollte erwartet werden können, dass er seine Leistung nach Teilnahme an der Besprechung der Aufgabe durch den Prüfer einer selbstkritischen und nüchternen Würdigung unterzieht und gegen die Bewertung nur vorgeht, wenn dem Korrektor Fehler unterlaufen sind oder seine Bewertung nicht nachvollziehbar oder unvertretbar ist.
Die Vielzahl offensichtlich unbegründeter Remonstrationen in der Praxis wird aber keinem Prüfer den Blick darauf verstellen, dass es auch berechtigte und wohlbegründete Beschwerden gibt.
von Thomas Bode
1
Im ländlichen Brandenburg ereignet sich durch einen Kurzschluss ein Hausbrand im Dachgeschoss eines alten Mehrfamilienhauses des A. Der dreijährige K steht in der linken Dachgeschosswohnung weinend am geöffneten Fenster. Im Hintergrund züngeln bereits Flammen.
Feuerwehrmann F ist privat unterwegs, als er zufällig den Brand bemerkt. Als erster und scheinbar alleine am Ort, springt er aus dem Auto und läuft mit einer Axt und einem Feuerlöscher in das Haus, um K zu retten.
Im sehr engen Treppenhaus liegt aber in Höhe des ersten Stockwerks der beleibte (150 kg schwere) D auf der Treppe und versperrt so F den Weg. D ist nach einem unglücklichen Sturz zwischen Wand und Treppengeländer eingeklemmt und hat sich das rechte Bein gebrochen. Auch aufgrund seiner Leibesfülle kann er aus eigener Kraft nicht aufstehen. F ruft über sein Telefon Verstärkung. Andere Feuerwehrleute und ein Sanitätswagen wollen in wenigen Minuten kommen, das Treppengeländer zersägen und den eingeklemmten D aus dem Weg tragen. Sofort nach dem Telefonat klettert F kurzerhand über den um Hilfe flehenden D, der wegen der unvermeidbaren Tritte auf seinen Bauch einige Qualen aussteht und Quetschungen sowie eine Schürfwunde erleidet. Mit kleineren Blessuren des D hatte F auch gerechnet, ihm war es aber wichtiger K zeitnah aus dem brennenden Haus zu schaffen.
Im Dachgeschoss angekommen schlägt F die verschlossene Holztür mit der Axt ein und rettet den kleinen K im letzten Moment vor den Flammen. Als er mit dem Kind im Arm nach unten rennen will, hat sich der Brand bereits in alle Richtungen vorgefressen. Ein brennender Balken stürzt ins Treppenhaus, sodass der Weg nach unten versperrt ist. F öffnet das Fenster im Flur des 3. Stocks und wirft den geschockten Jungen in das inzwischen unten von den inzwischen angerückten Feuerwehrleuten aufgespannte Sprungtuch, bevor er selbst aus dem Fenster springt. Aufgrund seiner Erfahrung als Feuerwehrmann geht F davon aus, dass bei einem Fall aus dieser Höhe bei einem Kind mindestens Verstauchungen oder Verrenkungen eintreten, schwere Verletzungen aber ausbleiben werden. So geschieht es auch. K verstaucht sich durch den Fall in das Sprungtuch den Arm und erleidet ein Schleudertrauma. Ansonsten ist er wohlauf.
Zwar wird auch D gerettet, aber die Feuerwehr bekommt den Brand nicht in den Griff. Vor dem Haus spielen sich dramatische Szenen ab. Inzwischen ist V, der Vater des K, aufgetaucht.
V findet seinen Sohn nicht, da dieser im Krankenwagen von einem Notarzt zur Sicherheit untersucht wird. Ein spät hinzugekommener und falsch informierter Feuerwehrmann sagt ihm auf seine Nachfrage, dass K bei dem Brand gestorben sei und alles nach Brandstiftung aussehe.
D hatte in der Vergangenheit aufgrund eines Streites mit V dessen Gartenlaube in Brand gesteckt und diesen vor einigen Tagen mit weiterer Brandstiftung bedroht. Außerdem war er als einziger erwachsener Bewohner bei Brandausbruch vor Ort.V hält den auf einer mobilen Krankenbahre liegenden D daher fälschlich für den Brandstifter des aktuellen Hausbrandes.
V geht wutentbrannt auf D los und beginnt ihn zu würgen; den Tod des D nimmt V dabei in Kauf, da er zu diesem Zeitpunkt durch die Fehlinformation noch fest davon ausgeht, dass sein Sohn durch die vermeintliche Schuld des D ums Leben gekommen sei.
In dieser Situation kommt Sanitäter S dem D zu Hilfe und reißt V von der Trage weg, damit dieser von D ablasse. Wie von S zur Rettung des D in Kauf genommen, geht V dabei schmerzhaft zu Boden. V rappelt sich auf und attackiert aber nun heftig S. In der daraus entstehenden Auseinandersetzung gerät S in Panik und schlägt wild um sich. Dabei trifft er V so hart, dass dieser sich umdreht, um fortzulaufen. Obwohl ihm bewusst ist, dass V bereits flüchtet, ist S aus Angst immer noch so aufgewühlt und wütend, dass er weiter auf V einschlagen will. In seiner Verwirrung und wegen der Sichtbehinderung durch die vom Haus herziehenden starken Rauchschwaden verwechselt er beim Nachsetzen V aber mit dem unbeteiligten Helfer H, der stattdessen einige schmerzhafte Faustschläge abbekommt und sich zurückzieht.
S meint dadurch den Angreifer in die Flucht geschlagen und bestraft zu haben und schiebt D aus dem immer stärker werdenden Rauch in Richtung Krankenwagen. V hat inzwischen seinen Sohn wohlbehalten wieder aufgefunden und die eigentliche Brandursache erfahren. Danach hat er noch Hühner aus einem an das Haus angrenzenden verriegelten Holzschuppen befreit, indem er das Schloss mit einer Axt aufschlug. Er will sich noch bei D und S entschuldigen, bevor diese in den Krankenwagen steigen und losfahren. Darum rennt er eilig auf die beiden zu, vergisst dabei aber, dass er noch die Axt in der Hand hält.
S missdeutet das Gestikulieren und Rufen des mit der Axt bewaffneten V als erneuten, nun „finalen“ Angriff auf D. S wirft einen zufällig griffbereiten Defibrillator auf V, um ihn zu stoppen, bevor er – bereits auf wenige Meter herangerückt – mit der Axt in die Nahdistanz gelangen kann. Unglücklicherweise trifft die harte Plastikkante des ca. 600g schweren Defibrillators V an der Schläfe. V erleidet eine Gehirnblutung, die binnen Sekunden zu seinem Tod führt. Damit hatte S nicht gerechnet. Er war sich zwar der Gefahr gravierender Verletzungen bewusst, wollte V aber stoppen, nicht töten.
Aufgabe: Prüfen Sie die Strafbarkeit von F und S nach dem StGB.
2
Teil 1:Strafbarkeit des F
A.§ 123 I Var. 1 zu Lasten des Hausrechtsinhabers durch Betreten des Hauses
I.Tatbestand
II.Rechtswidrigkeit – § 34 Notstand
1.Gegenwärtige Gefahr
2.Nicht anders abwendbar
3.Interessenabwägung
a)Die betroffenen Rechtsgüter – qualitative Abwägung
b)Der Grad der drohenden Gefahren – quantitativ
4.Angemessenheit
5.Subjektives Rechtfertigungselement
III.Ergebnis
B.§ 223 I Var. 1 zu Lasten des D durch Überklettern
I.Tatbestand
II.Rechtswidrigkeit – § 34 Notstand
1.Gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben des K
2.Die Gefahr war nicht anders abwendbar
3.Interessenabwägung
4.Subjektives Rechtfertigungselement
III.Ergebnis
C.§ 323c zu Lasten des D wegen des Liegenlassens des D
I.Tatbestand
1.Unglücksfall
2.Keine Hilfeleistung des F trotz Möglichkeit und Zumutbarkeit
II.Ergebnis
D.§ 303 I Var. 1 zu Lasten des Hauseigentümers wegen des Zerschlagens der Tür
I.Tatbestand
II.Rechtswidrigkeit – § 904 BGB Notstand
1.Einwirkung auf fremde Sache
2.Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben des K
3.Zur Abwendung notwendig
4.Weit überwiegendes Interesse an der Schadensabwendung
5.Abwendungswille bei Gefahrkenntnis
III.Ergebnis
E.§ 123 I Var. 1 zu Lasten des V durch das Betreten der Wohnung
I.Tatbestand
II.Rechtswidrigkeit – § 34 Notstand
1.Gefahrenlage
2.Nicht anders abwendbar
3.Interessenabwägung
4.Subjektives Rechtfertigungselement
5.Ergebnis
F.§ 223 I Var. 1, 2 zu Lasten des K durch das Werfen aus dem Fenster
I.Tatbestand
1.Objektiver Tatbestand
a)Erfolg, Handlung, Kausalität
b)Objektive Zurechnung – Gefahrverringerung
2.Subjektiver Tatbestand
II.Rechtswidrigkeit
1.§ 34 Notstand
2.Mutmaßliche Einwilligung
a)Verfügbarkeit (Disponibilität) des Rechtsguts
b)Besondere Anforderungen an den Ersatz der Einwilligungserklärung
aa)Fehlen einer ausdrücklichen Erklärung
bb)Möglichkeit vorheriger Befragung
c)Mutmaßlicher Wille der Sorgeberechtigen des Klaus
aa)Entgegenstehender „unvernünftiger“ Wille des Betroffenen?
bb)Objektive Wertung der Interessenabwägung
d)Subjektives Rechtfertigungselement
aa)Gewissenhafte Prüfung aller Umstände
bb)Absicht im Interesse des Betroffenen zu handeln
III.Ergebnis
Teil 2:Strafbarkeit des S
A.§ 223 I Var. 1 zu Lasten des V durch die zwei ersten Schläge auf V
I.Tatbestand
II.Rechtswidrigkeit – § 32 Notwehr
1.Notwehrlage
a)Angriff
b)Gegenwärtigkeit
c)Rechtswidrigkeit des Angriffs
2.Notwehrhandlung
a)Geeignetheit
b)Erforderlichkeit
c)Gebotenheit
3.Verteidigungswille
III.Ergebnis
B.§ 223 I Var. 1 zu Lasten des H wegen der Schläge auf H
I.Tatbestand
II.Rechtswidrigkeit
1.§ 32 Notwehr
2.Erlaubnistatumstandsirrtum
III.Schuld – § 33 Notwehrexzess
1.Nur intensiver Notwehrexzess zulässig?
2.Auch zeitlich extensiver Notwehrexzess zulässig?
a)Differenzierende Theorie
b)Keine Notwehrlage notwendig?
3.Personaler Exzess?
a)Pro
b)Contra
c)Zwischenergebnis
4.Ergebnis
C.§ 212 I wegen des Wurfs auf V
I.Tatbestand
1.Objektiver Tatbestand
2.Subjektiver Tatbestand
II.Ergebnis
D.§ 223 I Var. 1, 2 durch den Wurf mit dem Defibrillator zu Lasten des V
I.Tatbestand
1.Objektiver Tatbestand
2.Subjektiver Tatbestand
II.Rechtswidrigkeit – § 32 Notwehr (bzw. Nothilfe)
1.Notwehrlage
2.Ergebnis
III.Erlaubnistatumstandsirrtum (Erlaubnistatbestandsirrtum)
1.Vorgestellte Nothilfelage
2.Vorstellung einer objektiv erforderlichen Notwehrhandlung
3.Rechtsfolgen des Erlaubnistatumstandsirrtums des S
a)Vorsatztheorie
b)Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen
c)Strenge Schuldtheorie
d)Eingeschränkte Schuldtheorie
aa)Vorsatz entfällt, § 16 I analog
bb)Rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie – Rechtsfolge des § 16 I
4.Streitentscheidung
IV.Ergebnis
E.§ 222 wegen des Wurfs auf V
I.Tatbestand
II.Ergebnis
F.Endergebnis
3
Diese Hausarbeit für Anfänger enthält vor allem Probleme des Allgemeinen Teils:
1.
Notstand (§ 34 StGB, § 904 BGB)
2.
Mutmaßliche Einwilligung
3.
Notwehrexzess § 33 (zeitlich, personal)
4.
Erlaubnistatumstandsirrtum (mit Streitentscheidung)[1]
4
F könnte sich des Hausfriedensbruches gemäß § 123 I Var. 1[2] strafbar gemacht, als er das Haus betrat.
5
F müsste gegen den Willen der Hausrechtsinhaber in das Gebäude eingedrungen sein. Für den Eingang und das Treppenhaus haben Verwalter bzw. der Eigentümer A und seine Mietergemeinschaft das Hausrecht.[3] Das Hausrecht wird aber nur gebrochen, wenn keine Erlaubnis zum Betreten besteht. Ein „Eindringen“ ist nach dem Wortsinn schon nicht möglich, wenn das Betreten willentlich zugelassen wird (tatbestandsausschließendes Einverständnis). Eine individuelle Erlaubnis war dem F hier nicht erteilt. Ein ausdrückliches Einverständnis fehlt.