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Der Transport von Gütern und Personen auf dem Wasser war bereits im Altertum der einfachste und komfortabelste Weg, Entfernungen zu überbrücken. Die Menschen siedelten bevorzugt an Flüssen oder bauten Kanäle, um Städte und Flusssysteme zu verbinden. In "Hausboot Zeitreise" werden Sie in die Anfänge der brandenburgisch-preußischen Industrialisierung zurückversetzt. Sie erfahren bei einer Bootstour auf dem Finowkanal, dass dieser bereits vor über 400 Jahren einen wesentlichen Anteil am Aufschwung des Landes und der Stadt Berlin hatte. Der Reisebericht führt Sie mit dem Boot auf der ältesten noch befahrbaren Wasserstraße in Deutschland zu den Denkmalen aus der Zeit der brandenburgischen Kurfürsten und preußischen Könige. Fühlen Sie sich wie der Schiffsführer eines Finowmaßkahns, wenn Sie als Skipper eines modernen Hausbootes die zwölf historischen und handbetriebenen Schleusen durchfahren, alte Fabrikgebäude passieren oder im Familiengarten Eberswalde Geschichte mit Spaß erkunden. Der Rückweg führt Sie über den Oder-Havel-Kanal mit dem Schiffshebewerk Niederfinow und einem Abstecher auf den Werbellinsee zurück zum Ausgangshafen Zehdenick. Mit zahlreichen Hausboot-Tipps sowie hochwertigen Farbfotos können Sie die Reise nacherleben und sind für einen eigenen Bootstörn durch diese einmalige Kulturlandschaft im nächsten Urlaub gut gerüstet.
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Seitenzahl: 88
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Als Autor freue ich mich über Hinweise zu Änderungen und Korrekturen sowie über Tipps und Anregungen, die ich in nachfolgenden Auflagen gern berücksichtige. Nutzen Sie dafür bitte die Mailadresse [email protected] oder das Kontaktformular auf der Webseite unter www.hausboot-smalltalk.de.
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Bildnachweis:
Seite → oben: Der Wasserfall bei Neustadt-Eberswalde, Museum Eberswalde
http://www.museum-digital.de/brandenburg/index.php?t=objekt&oges=4074
Seite → unten: Ansicht des Kupferhammers bei Neustadt-Eberswalde, Museum Eberswalde
http://www.museum-digital.de/brandenburg/index.php?t=objekt&oges=4083
Sonstige Bilder und Grafiken: Torsten Krone
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ITERATUR
13. Jh.
Erste Mühlen und Hammerwerke an der Finow
1603
Verlegung eines älteren Kupferhammers an die Finow und Gründung der ersten Industrieansiedlung im Finowtal
1605 - 1620
Bau des ersten Finowkanal
1618 - 1648
Dreißigjähriger Krieg und Zerstörung des Kanals
1698 - 1700
Bau des ersten Messingwerks (heutige Messingwerksiedlung)
1698 - 1702
Errichtung einer Eisenspalterei auf dem Gelände des jetzigen Familiengarten
1605
1743 - 1746
Bau des zweiten Finowkanals
1765
Fertigstellung der Papiermühle in Wolfswinkel
1766
Erweiterung des Werbellinfließ zum Werbellinkanal
1823 - 1860
Erneuerung der Schleusen
1841 - 1844
Durchschnittlich werden jährlich 13.334 Kähne und 48.000 Stämme Floßholz geschleust
1874 - 1885
Bau von zweiten Schleusen an allen Staustufen (diese sind die heute nutzbaren Schleusen)
1905 - 1914
Bau des Oder-Havel-Kanals (Hohenzollernkanal)
1908 - -1911
Bau des Kraftwerks Heegermühle am Finowkanal
2016
1917 - 1918
Errichtung des Wasserturms in der Messingwerksiedlung
1925
Zuschütten der Zerpenschleuse
1929 - 1960
Verfüllung der älteren Schleusen an den Staustufen
1926 - 1936
Grundlegende Instandsetzung der Schleusen des Finowkanals
1931
Errichtung der Kupferhäuser als Musterhaussiedlung
1934
Einweihung des Schiffshebewerkes Niederfinow
1955
Abschluss der erneuten Schiffbarmachung des Finowkanals nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges
2001
Abschluss der denkmalgerechten Sanierung der Stadtschleuse Eberswalde aus dem Jahr 1831
2016
Das Wasser- und Schifffahrtsamt registriert 16.800 Fahrzeuge zwischen Ruhlsdorf und Liepe
Wir haben es wieder einmal geschafft, die Familie für eine Woche Hausbooturlaub zusammenzubringen. Mit dem Studienbeginn unserer Kinder sind gemeinsame Reisen selten geworden. Verständlich, schließlich hat die Jugend eigene Ziele und Interessen in der Freizeit, sodass wir »Alten« in den letzten Jahren öfter allein unterwegs waren. Dennoch erregt die Ankündigung eines Bootsurlaubes regelmäßig die Aufmerksamkeit bei den Kindern, die früheren Fahrten sind in guter Erinnerung geblieben. Diesmal klappt es, neben uns Eltern gehören Tochter nebst Freund sowie unser Sohn zur Crew. Der Familienhund, eine französische Bulldogge, macht seine zweite Schiffsreise. Eine Hausboottour ist somit eine attraktive Gelegenheit, Generationen zusammen zu bringen.
Das »Logbuch« notiert den 26. September 2016. In der kommenden Hausbootwoche wollen wir auf dem Finowkanal bis Oderberg fahren. Der Rückweg führt uns über den Oder-Havel-Kanal einschließlich der Werbelliner Gewässer zum Ausgangshafen Zehdenick zurück. Auf dieser Tour sind nicht die romantischen Ankerplätze mecklenburgischer Buchten das Ziel, sondern die Ursprünge brandenburgisch-preußischer Industrialisierung entlang der ältesten befahrbaren Wasserstraße Deutschlands, dem Finowkanal. Es wird eine Zeitreise durch 400 Jahre Kanal- und Industriegeschichte, ein Blick auf das, was eine Region aus diesem kulturgeschichtlichen Erbe gemacht hat. Eine Tour, bei der aber auch die Hausbooterlebnisse nicht zu kurz kommen, voller unerwarteter Entdeckungen und kleiner Hausbootabenteuer. Wer meint, historische Wasserwege nur in Frankreich auf dem bekannten Canal du Midi oder den englischen Wasserstraßen zu finden, der irrt. Hinsichtlich der Länge dieser Kanäle kann der Finowkanal freilich nicht mithalten, aber mit der technischen Faszination handbetriebener Schleusen und dem Reiz eines romantischen Wasserweges durchaus.
Die Vorteile der Nachsaison sind neben deutlich günstigeren Charterkosten sowie weniger Bootsurlaubern auch die eine oder andere »Zugabe« seitens der Vermieter. So haben wir eine Bootübernahme bereits für 12:00 Uhr vereinbart, um die ersten 18 km von Zehdenick bis Liebenwalde am Anreisetag zu schaffen. Pünktlich wartet nicht nur ein Mitarbeiter der Firma 5-Sterne Yachtcharter auf uns, sondern auch eine blank geputzte Linssen Yacht. Mit drei Kabinen und sechs festen Schlafplätzen ist ausreichend Platz vorhanden. Im Salon kann es sich der Hund in seinem Korb bequem machen. Nach der Einweisung, einer Probefahrt sowie den Formalitäten geht es an das Beladen. Da wir diesmal alle Lebensmittel für unsere Fünf-Personen-Crew mitgebracht haben, um unterwegs keine Zeit mit Einkäufen zu verbrauchen, gibt es richtig Arbeit. Wenig später herrscht im Boot ein mittleres Chaos und der Hund ist ganz aufgeregt. Dank der zahlreichen Schränke und Staufächer können die meisten Dinge schnell untergebracht werden. 15:00 Uhr sind wir abfahrbereit. Das Ablegen fällt nicht schwer, denn die Marina versprüht wenig Romantik. Der gleich nebenan liegende Stadthafen wäre für eine Übernachtung empfehlenswerter. Nach der Stadtschleuse und der Hubbrücke in Zehdenick folgen ruhige Havelkilometer auf dem Vosskanal. Von der Schleuse Bischofswerder sind es dann keine 5 km bis Liebenwalde.
Als wir uns der Marina nähern, ist es schon nach 17:00 Uhr und der Hafenmeister wartet bereits. Ein Anruf am Nachmittag hatte unser Kommen angekündigt. Zur Reisezeit Ende September gibt es keine Platznot bei den 20 Liegeplätzen, auch wenn nicht alle für ein Charterboot von knapp dreizehn Metern geeignet sind. Wir bekommen einen Platz an der 100 m langen Steganlage zugewiesen und nehmen zunächst die nähere Umgebung in Augenschein. Der Tag einschließlich der Anreise war anstrengend, da durstet es die Kehlen nach einem Feierabendtrunk. Die Marina umfasst einen kleinen Imbiss. Fischbrötchen und Buletten werden für uns aufgelegt. Dazu wird ein Bier ausgeschenkt. Der Sitzplatz unter den Sonnenschirmen auf der Terrasse bietet einen Blick auf den Steg, die Boote und den Kanal. Damit sind wir als Hausbootfahrer glücklich und können zur Ruhe kommen.
Die Stadt Liebenwalde markiert das westliche Ende des Finowkanals, der hier unter dem Namen Langer Trödel beginnt. Von unserem Liegeplatz ist das Kanaldreieck nur wenige Meter entfernt. Aus nördlicher Richtung sind wir über den Vosskanal gekommen, südlich führt der Malzer Kanal bis zum Oder-Havel-Kanal. Beide Kanalstücke gehören heute zur Oberen Havel-Wasserstraße. Diese Wasserwege bringen Liebenwalde den Status als Stadt der drei Kanäle ein.
Nach dem Anlege-Trunk bleibt noch etwas Zeit und Licht für einen Stadtrundgang durch Liebenwalde, dessen erste Erwähnungen auf das 13. Jahrhundert zurückgehen. Von der Marina ist es etwa einen Kilometer bis zur fast vollständig sanierten Altstadt. Wer aus einer Großstadt angereist ist oder den Altstadtkern einer mittelalterlichen Ansiedlung vor Augen hat, muss seine Erwartungen natürlich einbremsen. Die Stadt mit ihren reichlich viertausend Einwohnern einschließlich der Eingemeindungen bezeichnet sich selbst als »kleine Ackerbürgerstadt«. Restaurierte Häuser und Straßen, allen voran das schöne Rathaus von 1879 bieten interessante Fotomotive. Lohnend ist ein Detailblick auf die Gestaltung vieler Türen und manchen historischen Türknauf. Weitere Informationen bietet das Stadtmuseum mit einer ungewöhnlichen Location im ehemaligen Stadtgefängnis. Die Jahrhunderte ermöglichten der Stadt nicht nur wirtschaftlichen Aufschwung vor allem durch den Anschluss an die Kanäle, sondern waren auch von Elend gekennzeichnet. Dreimal brannten Kirche, Schule sowie die meisten Häuser nieder. Der Dreißigjährige Krieg brachte die Pest und führte zu Plünderungen und Verwüstungen durch die Dänen, aber man baute die Stadt immer wieder auf. Mit dem 1914 fertiggestellten Oder-Havel-Kanal verlor Liebenwalde den direkten Anschluss zum Lastschiffsverkehr und geriet in eine wirtschaftliche Krise.
Abschließen können Sie den Stadtrundgang im neu gebauten Stadthafen etwa 100 m von der Marina Liebenwalde entfernt auf der anderen Seite der neugebauten Hubbrücke. Die 32 Liegeplätze liegen ungenutzt vor den Gebäuden der gastronomischen und sanitären Versorgung. Der Grund dafür hat auch kleine Auswirkungen auf unsere Route, denn der Lange Tödel ist 2016 nur bis maximal 80 cm Tiefgang freigegeben. Totes Holz am Boden des Kanals kann Schäden am Boot verursachen und muss noch beräumt werden. Zur Saison 2017 sollen die Probleme behoben sein.
Am heutigen Tag haben wir genug erlebt und gesehen. Die viele frische Luft sorgt für frühe Müdigkeit. Die Nutzung der großzügigen Sanitäranlagen der Marina schonen die Ressourcen von Wasser- und Abwassertank an Bord, bevor wir uns in die Kojen verkriechen.
Tipp
Hausbootfahren ist manchmal eine kleine Herausforderung aber nicht wirklich schwierig. Wenn Sie es mit Ruhe angehen und bei der Einweisung gut aufpassen, können Sie ohne Vorkenntnisse zum Urlaubsskipper werden. Achten Sie bei der Bootsübernahme sehr sorgfältig auf Schäden am Boot und intakte sowie luftdichte Fender.
Die Crew
Die Mannschaft für diese Reise, nur der Skipper fehlt
Hund an Bord
Unsere französische Bulldogge kann natürlich auch selbst laufen
Klappbrücke Zehdenick
Die Öffnung der Klappbrücke ist mit der Schleuse in Zehdenick gekoppelt
Die Zuschauer auf der Fußgängerbrücke haben einen guten Blick
Stadthafen Liebenwalde
Der neue Stadthafen Liebenwalde wartet noch immer auf Gäste
Marina Liebenwalde
Die Marina bietet Platz für 20 Boote verschiedener Größe
Hubbrücke Liebenwalde
Die schöne neue Hubbrücke trennt die Marina vom Stadthafen und soll ab 2017 die Einfahrt in den Langen Trödel auch für größere Hausboote gewähren
Es ist Morgen an Bord, ein ganzer Bootstag liegt vor uns. Die Anstrengungen der Anreise sind verschwunden, die erste Nacht hat eine emotionale Verbindung zum Schiff geschaffen, es ist jetzt »unser« Boot. Die Heizung schafft wohlige Wärme, draußen ziehen herbstliche Nebelschleier über das Wasser, bis sie sich im Licht der aufsteigenden Sonne auflösen. Die Bordküche verbreitet Kaffeeduft, der auch die Jugend langsam aus den Kojen holt. Beim Frühstück haben wir keine Eile und trödeln ein wenig, schließlich nennt sich dieses Kanalstück Langer Trödel.
Die Bezeichnung des ersten Teilstücks des Finowkanals passt somit sehr gut zum Hausbootfahren, denn es geht um ein langsames Vorankommen. Der Name stammt allerdings aus alten Zeiten des Kanals und symbolisiert die Begriffe Trödeln oder Treideln. Als die Schiffe noch keinen eigenen Antrieb hatten, mussten sie von Menschen, manchmal auch Tieren gezogen werden. Diese schwere Arbeit nennt man Treideln. Das ging entsprechend langsam. Dass wir uns in der heutigen hektischen Zeit an der Langsamkeit erfreuen, hätte damals sicher niemand gedacht.