Healing Hearts – Für immer in deinem Herzen - Annabell Nolan - E-Book
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Healing Hearts – Für immer in deinem Herzen E-Book

Annabell Nolan

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Beschreibung

Erste Hilfe für die Liebe

Allana brennt für ihren Job im Crystal Lake - der besten Sport-Klinik der USA. Als neue Leiterin muss sie sich allerdings erst noch beweisen. Zum Glück steht James, der charismatische Chefarzt, immer auf ihrer Seite. Doch dann erscheint ein Zeitungsartikel, der das Crystal Lake stark belastet. Allana ahnt nicht, dass dies der Beginn ihrer härtesten Prüfung ist - beruflich und in der Liebe.

Umgeben von verschneiten Berghängen, Skipisten und luxuriösen Villen rettet das beste Krankenhaus-Team der USA Tag für Tag Menschenleben. Sportler, die auf dem Weg zur Spitze einen tiefen Fall hinnehmen mussten, gehören zu den Patienten im Crystal Lake - wo nicht nur Knochenbrüche, sondern auch Herzen geheilt werden. Denn hinter der nächsten Tür wartet oft schon die ganz große Liebe ...

LESERSTIMMEN:

"Perfekt für alle ‚Grey’s Anatomy‘-Fans. Ich liebe Krankenhausserien [...] und wurde nicht enttäuscht. Gefühlschaos, Liebe, Intrigen... Es ist alles dabei, was eine Serie beinhalten sollte und ich liebe es." (Ein-Hauch-von-Bücherwind, Lesejury)

"Diese romantische Krankenhaus-Serie sorgt für Herzklopfen." (Ellysetta-Rain, Lesejury)

Mehr als 700 Seiten voller attraktiver Sportler, gebrochener Herzen und großer Gefühle! Dieses eBook ist bereits als romantische Arzt-Serie unter dem Titel "Crystal Lake" erschienen.

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.



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Impressum

beHEARTBEAT Originalausgabe »be« - Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln Covergestaltung: © ZERO Werbeagentur GmbH, München unter Verwendung von Motiven von © George Rudy / shutterstock.com; © Maciej Bledowski / shutterstock.com; © Carlos Amarillo / shutterstock.com; © Bokeh Blur Background / shutterstock.com eBook-Erstellung: readbox publishing GmbH, Dortmund ISBN: 978-3-7325-9547-1

Annabell Nolan

Healing Hearts - Für immer in deinem Herzen

Über diese eBox

Annabell NolanCrystal Lake - Diagnose LiebeDIE SERIE: Das Crystal Lake Medical Center in Aspen ist eine der renommiertesten Sport-Kliniken der Welt. Umgeben von verschneiten Berghängen, Skipisten und luxuriösen Villen rettet das beste Krankenhaus-Team der USA Tag für Tag Menschenleben. Vor allem Sportler, die auf dem Weg zur Spitze einen tiefen Fall hinnehmen mussten, gehören zu den Patienten im Crystal Lake - wo nicht nur Knochenbrüche, sondern auch Herzen geheilt werden. Denn hinter der nächsten Tür wartet oft schon die ganz große Liebe ... ÜBER FOLGE 1: Allana McGinty lebt für ihren Job. Als neue Leiterin des Crystal Lake Medical Center muss sie sich allerdings erst noch beweisen. Zum Glück hat sie den charismatischen Chefarzt Dr. James Raker auf ihrer Seite. Als Allana einen Zeitungsartikel liest, in dem das Crystal stark belastet wird, ahnt sie noch nicht, dass dies der Beginn ihrer härtesten Prüfung ist. Währenddessen beginnt Leena Summers ihren ersten Tag als ausgebildete Orthopädin gleich mit einem schwierigen Fall. Mark Turner, erfolgreicher Snowboarder und wahnsinnig attraktiv, wird nach einem Sturz ins Crystal Lake eingeliefert. Von Beginn an knistert es gewaltig zwischen Leena und Mark. Seine arrogante Art stößt sie zwar ab, übt jedoch auch einen gewissen Reiz auf sie aus. Aber Leenas Herz wurde schon einmal gebrochen. Ist sie bereit, einer neuen Liebe eine Chance zu geben?Jetzt lesen
Crystal Lake - Nebenwirkung HerzklopfenÜBER FOLGE 2: Dunkle Wolken brauen sich über dem Crystal Lake Medical Center zusammen: Allanas Ex-Mann Ryan, ein erfolgreicher Anwalt, versucht alles, um der Klinik zu schaden. James und Allana kommen sich derweil immer näher. Können sie das Krankenhaus gemeinsam vor der drohenden Klage schützen? Zur selben Zeit wird Daniel Porter im Rehazentrum des Crystal Lake behandelt. Der gutaussehende und ehrgeizige Eishockeyspieler muss rechtzeitig zum entscheidenden Meisterschaftsspiel wieder fit sein und mutet sich zu viel zu. Seine Physiotherapeutin Jane kennt sich mit schwierigen Patienten aus - aber Daniel stellt sie vor eine besondere Herausforderung. Sie fühlt sich auf Anhieb zu ihm hingezogen, und auch Daniel scheint Gefallen an der jungen Frau zu finden. Wäre da nur nicht Daniels intriganter Manager, der alles dafür tut, diese Beziehung zu verhindern ... DIE SERIE: Das Crystal Lake Medical Center in Aspen ist eine der renommiertesten Sport-Kliniken der Welt. Umgeben von verschneiten Berghängen, Skipisten und luxuriösen Villen rettet das beste Krankenhaus-Team der USA Tag für Tag Menschenleben. Vor allem Sportler, die auf dem Weg zur Spitze einen tiefen Fall hinnehmen mussten, gehören zu den Patienten im Crystal Lake - wo nicht nur Knochenbrüche, sondern auch Herzen geheilt werden. Denn hinter der nächsten Tür wartet oft schon die ganz große Liebe ...Jetzt lesen
Crystal Lake - Notfall LiebeskummerÜBER FOLGE 3: Allana und James sind endlich ein Paar. Als Kollegen versuchen sie, ihre Beziehung im Krankenhaus jedoch geheim zu halten. In der Zwischenzeit hat Ryan den Sportler Randall Murray letztendlich doch von einer Klage überzeugen können. Und Allana erfährt, dass James ihr etwas verheimlicht, was das Krankenhaus ruinieren könnte. Hat die junge Liebe trotz aller Widrigkeiten eine Chance? Auf der chirurgischen Station muss sich Clare Hamilton mit dem arroganten Finnley Cooper herumschlagen. Der gutaussehende CEO macht allen Mitarbeitern des Crystal Lake das Leben schwer. Niemand außer Clare soll sich um ihn kümmern - deshalb stellt er sie kurzerhand als seine Privatschwester ein. Während der gemeinsamen Zeit erkennt Clare, dass hinter Finnleys harter Fassade ein liebevoller Mensch steckt. Die beiden kommen sich schnell näher. Doch Oberschwester Denise Keller hat ebenfalls ein Auge auf den CEO geworfen - und sie kämpft nicht immer mit fairen Mitteln ... DIE SERIE: Das Crystal Lake Medical Center in Aspen ist eine der renommiertesten Sport-Kliniken der Welt. Umgeben von verschneiten Berghängen, Skipisten und luxuriösen Villen rettet das beste Krankenhaus-Team der USA Tag für Tag Menschenleben. Vor allem Sportler, die auf dem Weg zur Spitze einen tiefen Fall hinnehmen mussten, gehören zu den Patienten im Crystal Lake - wo nicht nur Knochenbrüche, sondern auch Herzen geheilt werden. Denn hinter der nächsten Tür wartet oft schon die ganz große Liebe ...Jetzt lesen
Crystal Lake - Symptom GlücksgefühlÜBER FOLGE 4: Das Crystal Lake Medical Center steckt in der Krise. Der Ruf der renommierten Klinik ist angekratzt, und die Patientenzahlen sinken. Und auch privat kämpft Allana nach der Trennung von James mit ihren eigenen Dämonen. Als sie nach Wochen abends endlich wieder ausgeht, trifft sie jedoch einen gutaussehenden Fremden, der es schafft, sie von ihrem Kummer abzulenken. Aber wo hat sie dieses Gesicht nur schon einmal gesehen? Bei einer gemeinsamen Physiotherapie lernen sich währenddessen Grace und Brad kennen. Die Eiskunstläuferin muss nach einem Sturz im Crystal Lake behandelt werden und fühlt sich sofort zu dem attraktiven Base-Jumper hingezogen. Doch nach dem Tod ihrer Mutter kann Grace nur schwer Vertrauen zu einem Menschen aufbauen, und auch Brads Vergangenheit holt ihn immer wieder ein. Werden die beiden es schaffen, die Hindernisse zu überwinden? DIE SERIE: Das Crystal Lake Medical Center in Aspen ist eine der renommiertesten Sport-Kliniken der Welt. Umgeben von verschneiten Berghängen, Skipisten und luxuriösen Villen rettet das beste Krankenhaus-Team der USA Tag für Tag Menschenleben. Vor allem Sportler, die auf dem Weg zur Spitze einen tiefen Fall hinnehmen mussten, gehören zu den Patienten im Crystal Lake - wo nicht nur Knochenbrüche, sondern auch Herzen geheilt werden. Denn hinter der nächsten Tür wartet oft schon die ganz große Liebe ...Jetzt lesen
Crystal Lake - Prognose TraummannÜBER FOLGE 5: Allana kann es nicht glauben: Der Fremde, der ihr schon seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf geht, ist Randall Murray. Ausgerechnet der Mann, der das Crystal Lake verklagt. Seit ihrer Begegnung in der Vergleichsverhandlung kämpft sie mit ihren widerstreitenden Gefühlen. Sie kann sich doch nicht auf den Feind einlassen ... oder doch? James widmet sich hingegen voll und ganz seinem Job, um sich von der Trennung und dem Trubel rund um das Krankenhaus abzulenken. Doch schon bald lernt er die Journalistin Charlotte kennen, die sich von ihm Informationen für einen Artikel zu neuen Behandlungsmethoden erhofft. Sofort sprühen die Funken zwischen den beiden. Aber Charlotte verbirgt etwas vor James - und dieses Geheimnis könnte nicht nur die Beziehung, sondern die Zukunft der gesamten Klinik gefährden ... DIE SERIE: Das Crystal Lake Medical Center in Aspen ist eine der renommiertesten Sport-Kliniken der Welt. Umgeben von verschneiten Berghängen, Skipisten und luxuriösen Villen rettet das beste Krankenhaus-Team der USA Tag für Tag Menschenleben. Vor allem Sportler, die auf dem Weg zur Spitze einen tiefen Fall hinnehmen mussten, gehören zu den Patienten im Crystal Lake - wo nicht nur Knochenbrüche, sondern auch Herzen geheilt werden. Denn hinter der nächsten Tür wartet oft schon die ganz große Liebe ...Jetzt lesen
Crystal Lake - Befund Happy EndÜBER FOLGE 6: Das Schicksal des Crystal Lake Medical Center ist besiegelt: Nach der gescheiterten Vergleichsverhandlung wird der Streit um den Behandlungsfehler vor Gericht ausgetragen. Die Lage scheint aussichtslos - wäre da nicht das spürbare Knistern zwischen Allana und Randall Murray. Beide wehren sich gegen ihre Gefühle. Aber wie lange können sie einander noch widerstehen? Währenddessen läuft langsam die Arbeit im neuen psychotherapeutischen Zentrum der Klinik an. Die junge Psychologin Emma Ross ist eine der ersten Mitarbeiterinnen. Und sofort hat sie es mit einem schwierigen Fall zu tun: Sean Morgan, erfolgreicher Quarterback, erholt sich im Crystal Lake von einem Autounfall. Nur langsam gelingt es Emma, zu ihrem schweigsamen Patienten durchzudringen. Doch sie merkt schnell, dass ein schreckliches Ereignis schwer auf ihm lastet. Nach und nach lernt sie Sean immer besser kennen - und entwickelt entgegen ihrer beruflichen Überzeugung Gefühle für ihn. Aber kann Sean seine Vergangenheit hinter sich lassen? DIE SERIE: Das Crystal Lake Medical Center in Aspen ist eine der renommiertesten Sport-Kliniken der Welt. Umgeben von verschneiten Berghängen, Skipisten und luxuriösen Villen rettet das beste Krankenhaus-Team der USA Tag für Tag Menschenleben. Vor allem Sportler, die auf dem Weg zur Spitze einen tiefen Fall hinnehmen mussten, gehören zu den Patienten im Crystal Lake - wo nicht nur Knochenbrüche, sondern auch Herzen geheilt werden. Denn hinter der nächsten Tür wartet oft schon die ganz große Liebe ...Jetzt lesen

Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressum1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. KapitelEpilog

Crystal Lake – Die Serie

Das Crystal Lake Medical Center in Aspen ist eine der renommiertesten Sport-Kliniken der Welt. Umgeben von verschneiten Berghängen, Skipisten und luxuriösen Villen rettet das beste Krankenhaus-Team der USA Tag für Tag Menschenleben. Vor allem Sportler, die auf dem Weg zur Spitze einen tiefen Fall hinnehmen mussten, gehören zu den Patienten im Crystal Lake – wo nicht nur Knochenbrüche, sondern auch Herzen geheilt werden. Denn hinter der nächsten Tür wartet oft schon die ganz große Liebe …

Über diese Folge

Allana McGinty lebt für ihren Job. Als neue Leiterin des Crystal Lake Medical Center muss sie sich allerdings erst noch beweisen. Zum Glück hat sie den charismatischen Chefarzt Dr. James Raker auf ihrer Seite. Als Allana einen Zeitungsartikel liest, in dem das Crystal stark belastet wird, ahnt sie noch nicht, dass dies der Beginn ihrer härtesten Prüfung ist.

Währenddessen beginnt Leena Summers ihren ersten Tag als ausgebildete Orthopädin gleich mit einem schwierigen Fall. Mark Turner, erfolgreicher Snowboarder und wahnsinnig attraktiv, wird nach einem Sturz ins Crystal Lake eingeliefert. Von Beginn an knistert es gewaltig zwischen Leena und Mark. Seine arrogante Art stößt sie zwar ab, übt jedoch auch einen gewissen Reiz auf sie aus. Aber Leenas Herz wurde schon einmal gebrochen. Ist sie bereit, einer neuen Liebe eine Chance zu geben?

Über die Autorin

Nach etlichen ausgedehnten USA-Aufenthalten lebt und schreibt Annabell Nolan in Berlin, ihrer Stadt der Liebe. Die schönste Jahreszeit für sie ist der Frühsommer, wenn der Flieder betörend duftet und die Bienen durch ihren Garten summen. Dann schreibt sie im Schatten ihres knorrigen Apfelbaums, bis es Zeit wird, den Grill anzuzünden und mit ihrem Liebsten und guten Freunden bis spät in die Nacht zu plaudern.

Wenn Annabell nicht gerade neue Geschichten für Verlage, Funk und Fernsehen entwickelt, bummelt sie gern durch Berlins Schlösser und deren Gärten oder versinkt in moderner Kunst.

A N N A B E L L  N O L A N

1. Kapitel

Um ihn herum war es schwarz und kalt. Nur sehr langsam kehrten die Farben vor seinen Augen zurück. Als Erstes das Weiß des Schnees, später dann das Grün der Tannen und das Blau des Himmels.

Seine Sonnenbrille musste er beim Sturz verloren haben. Ja, genau, er war gestürzt. Glücklicherweise war er wohl nur ein paar Minuten bewusstlos gewesen. Oder Sekunden?

Also schön, dachte er, der Reihe nach. Mein Name ist Mark Turner, und ich bin Snowboardfahrer. Amerikanische Olympiahoffnung. Ich sehe gut aus, und Emely Redding ist meine Verlobte.

So weit, so gut.

Er hob den rechten Arm. Alles dran. Dann den linken, ebenfalls in Ordnung. Fängt gut an. Vorsichtig wischte er sich mit dem Handschuh über das Gesicht. Nase, Augen, Mund, Zähne, alles da. Ein wenig Blut. Rasch zog er den Handschuh aus und betastete seine Wange. Eine Schürfwunde. Kein Problem, nichts Tiefes. Schon mal gut.

Was auch immer passiert war, sein Gesicht hatte keinen großen Schaden genommen, und das erleichterte ihn. Schließlich zierte sein Kopf die Dosen eines namhaften Sporterfrischungsgetränkes. Gebräunt und gutaussehend lächelte er darauf dem Trinkenden zu.

Linkes Bein noch dran.

Rechtes Bein … Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen ganzen Körper. Rechtes Bein im Arsch.

Er schloss einen Moment lang die Augen, dann blinzelte er und suchte den strahlend blauen Himmel nach dem Helikopter ab, der ihn am Old Lady Ridge Bergkamm zum Training abgesetzt hatte. Als er ihn endlich entdeckte, begann er hilflos zu winken.

Ungläubig sah er dem kleiner werdenden Helikopter nach. Niemand hatte ihn gesehen.

Kälte kroch jetzt unter seine Skijacke und in seine Thermohosen. Was auch immer mit seinem Bein nicht stimmte – wahrscheinlich war es gebrochen –, so würde er es auf keinen Fall aus eigener Kraft ins Tal schaffen.

Hier würde ihn so schnell niemand finden. Das war keine offizielle Piste, deshalb hatte er sich ja hier absetzen lassen: um ungestört zu trainieren. Hastig sah er sich nach allen Seiten um. Natürlich war nichts und niemand zu sehen.

Was ihn auch erleichterte, denn in seinem Zustand wäre er ein gefundenes Fressen für jeden Bären oder wahrscheinlich sogar für einen Berglöwen.

Würde ihn überhaupt jemand finden? Würde ihn jemand vermissen? Vielleicht heute Abend das Hotel, in dem er abgestiegen war. Vielleicht in ein paar Tagen seine Verlobte oder auch sein Agent und Manager, aber bis dahin konnte er längst tot sein. Erfroren, vom Bären gefressen oder von einem Puma zerfleischt.

Ja, okay, das klang jetzt etwas melodramatisch, aber ganz von der Hand zu weisen war es nicht. Vorsichtig und unter großen Schmerzen robbte er auf dem Hang ein Stückchen aufwärts, bis er sich schwer atmend mit dem Rücken gegen einen Felsen lehnen konnte. Das war ein schöner Blick ins Tal, dachte er. Wie oft war es ihm nur darum gegangen, möglichst schnell unten anzukommen. Hatte er jemals diese unglaubliche Schönheit wirklich genießen können?

Die Sonne auf dem glitzernden Schnee, das leise Rauschen des Windes in den Bäumen, knackende Äste. Irgendwo sang ein Vogel tapfer gegen den Winter. Eine zauberhafte Welt, die er sehr vermissen würde, müsste er jetzt und hier sein Leben lassen.

Abgesehen von dieser Schönheit, würde ihn wirklich jemand vermissen?

Emely, weil er kein Geld mehr in die Kassen spülte. Roger, weil er keine Werbedeals mehr für ihn abschließen konnte. Seine Eltern? Ob ihnen überhaupt auffallen würde, dass er nicht mehr da war?

Seltsam, solange er sich über den Tod keine Gedanken gemacht hatte, war seine Welt völlig in Ordnung gewesen. Jetzt war ihm, als legte dieser verdammte Unfall die Finger in alle wunden Stellen seiner Existenz.

Das erste Mal in seinem Leben spürte Mark Turner so etwas wie Angst in sich aufsteigen.

*

Als Dr. Leena Summers die Schwingtür zur Notaufnahme des Crystal Lake Medical Centers aufstieß, atmete sie einmal tief ein. Krankenhausluft ist doch überall gleich, dachte sie. Und die Mischung aus Putz- und Reinigungsmitteln umhüllte sie wie ein vertrauter Kokon.

Zügigen Schrittes durchquerte Leena den Wartebereich, trat an den Stationstresen und lächelte Schwester Betty freundlich zu, die dahinter telefonierte und ihr mit einer knappen Handbewegung zu verstehen gab, dass Leena sich gedulden müsse.

Um Bettys Augen hatten die letzten Jahre feine Falten gezaubert, und sie hatte ein paar Kilo zugelegt, aber von ihr ging immer noch dieselbe Energie aus, die Leena schon als Jugendliche bewundert hatte.

Jetzt erst legte Betty auf, musterte Leena und runzelte ungläubig die Stirn, bevor sich ihre Züge zu einem breiten Lächeln entspannten.

»Leena?« Ihre helle Stimme klang erstaunt. Und dann fragte sie noch einmal, diesmal etwas lauter: »Leena? Das glaub ich nicht! Was …?« Behände stand sie auf, umrundete den Tresen, und bevor Leena sichs versah, hatte sie zwei Küsse auf jeder Wange. »Ich kann es immer noch nicht fassen!« Betty schob sie auf eine Armlänge von sich, um sie genau in Augenschein zu nehmen. »Die kleine Leena ist erwachsen geworden. Wie lange ist das her? Zehn Jahre? Meine Güte, dann bist du jetzt achtundzwanzig, oder? Was machst du denn hier? Ich dachte, du lebst in Chicago und hast die Nase voll vom Landleben. Das hast du jedenfalls immer gesagt, als du noch klein warst.« Bettys Spott war gutmütig, so wie eben Betty gutmütig war, dachte Leena.

»Heute ist mein erster Tag am Crystal Lake. Sei lieb zu mir, Betty.«

»War ich nicht immer lieb zu dir?« Entrüstet griff Betty nach Leenas Hand. »Hab ich dich nicht immer mit Muffins gefüttert und dir Stifte zum Malen gegeben, wenn du deinen Vater zur Visite an den Wochenenden begleitet hast? Ach, das freut mich so, du glaubst es nicht! Wenn dein Vater das jetzt sehen könnte …« Rasch schlug Betty die Augen nieder.

»Ja, ich weiß«, gab Leena leise zurück, »ich glaube, er wäre stolz auf mich.«

»Ja, das wäre er. Ganz sicher. Ich hab ihn nicht vergessen. Er war einer unserer besten Unfallchirurgen. Es vergeht kein Tag …«

»Für mich auch nicht.« Leena musste schlucken. Fünf Jahre lag der Verkehrsunfall ihres Vaters schon zurück, bei dem er sich so schwere Verletzungen zugezogen hatte, dass er drei Tage später im Crystal Lake Medical Center verstarb. Ein schwarzer Tag für Leena und ihre Mutter, aber auch für das gesamte Krankenhaus.

»Sieh dich an«, sagte Betty betont leichthin, »jetzt bist du selbst Ärztin. Und was ist mit deiner Stelle in Chicago?«

»Ich bin fertig mit meiner Ausbildung. Vor dir steht Dr. Leena Summers, Orthopädin und Sportmedizinerin.« Als sie es aussprach, wurde Leena von einer Woge von Stolz erfasst. Ja, kein Zweifel, sie hatte es geschafft. »Und ich wollte nach Hause zurück.«

»Gibt es nicht genug Schnee in Chicago?«, fragte Betty ironisch, und Leena begann zu lachen.

»Unmengen davon sogar, aber es gibt keine Berge, und das hat mir gefehlt. Die Luft, die Wälder und die Skipisten –«

Das schrille Läuten des Telefons unterbrach Leenas Aufzählung. Betty lehnte sich über den Counter.

»Notaufnahme, Crystal Lake Medical Center!«, meldete sie sich knapp, bevor sie die Sprechmuschel mit ihrer Hand bedeckte. Gerade als Leena sich umdrehen und nach einem der Klemmbretter greifen wollte, um den ersten Patienten des Morgens zu behandeln, spürte sie einen Ruck an ihrem Kittel.

»Leena, bleib hier. Der Rettungshubschrauber landet in vier Minuten!«

»Frag den Notarzt, was er bringt.«

Selbst nach all den Jahren Berufserfahrung an einem der größten Krankenhäuser Chicagos durchfuhr Leena jetzt ein unbestimmtes Gefühl der Anspannung, während sie Bettys Antwort lauschte.

»Snowboardunfall, sieht nach einer komplizierten Fraktur aus, sagt der Notarzt.«

Das zweite Mal an diesem Tag atmete Leena tief durch. Ein Beinbruch also ist mein erster Fall zu Hause, dachte sie, bevor sie ihr Stethoskop aus der Kitteltasche holte und es sich um den Hals hängte.

Vier Minuten können zäh verstreichen oder rasend schnell vergehen, so wie eben jetzt. Leena fuhr sich durch die dunklen kurzen Locken, während sie mit Betty und einem weiteren Pfleger hinter der Tür zum Dach der Klinik auf den Hubschrauber wartete. Leises Motorendröhnen drang in ihre Ohren, bis es immer lauter wurde und schließlich aufbrandete wie ein Orkan. Vor dem klaren Winterhimmel der Rocky Mountains senkte sich der Rettungshubschrauber langsam auf die Landesplattform.

Als Erster sprang der Notarzt aus der Tür, bevor zwei Sanitäter den Patienten auf der Trage nach draußen hoben.

Eisige Winterluft umfing Leena auf dem Dach, während der Notarzt auf sie zukam und ihr ein Klemmbrett in die Hand drückte.

»Hi, ich bin Dr. Pete Bowers, und Sie sind neu hier, stimmt’s?«, brüllte ein freundlicher, schlanker Mann Mitte fünfzig gegen die lärmenden Rotorblätter an.

»Ja, Dr. Leena Summers, mein erster Tag am Crystal Lake.« Leena lächelte freundlich.

»Freut mich, willkommen an Bord! Ich bring Ihnen heute Mark Turner, neunundzwanzig Jahre alt, Snowboardunfall oben an der Old Lady Ridge. Er hat ein Weilchen im Schnee gelegen und ist unterkühlt. Das rechte Bein sieht nicht gut aus. Wir haben es geschient. Keine sichtbaren Kopfverletzungen, war wohl nur sehr kurz bewusstlos. Sonst ein paar Schürfwunden.« Dr. Bowers beugte sich vor und schrie Leena jetzt direkt ins Ohr: »Viel Spaß am Crystal Lake! Wir sehen uns bestimmt noch öfter!« Mit einem verschmitzten Zwinkern nickte er ihr zum Abschied zu.

»Ja, danke, ich freu mich!«, brüllte Leena zurück, und dann wandte sie sich im Gehen ihrem Patienten zu.

»Hallo, Mr Turner. Ich bin Dr.-«

»Summers. Hab ich gehört, bin ja nicht taub«, unterbrach sie Mark Turner rüde.

Verblüfft hob Leena die Augenbrauen und musterte ihren Patienten, der halb aufrecht auf der Trage saß, die Betty und ihr Kollege eben zum Fahrstuhl schoben. Sein kantiges Gesicht schimmerte blass unter seiner Sonnenbräune im unbarmherzigen Licht der Neonleuchte. Er sieht ziemlich gut aus, durchfuhr es Leena, und trotz seiner Verletzung und des angegriffenen Zustandes, in dem er sich befand, lag in seinen hellblauen Augen eine Entschlossenheit, die sie beeindruckte.

Dennoch hatte der Unfall Spuren bei ihm hinterlassen. Nicht nur gut erkennbar an der Halskrause, die ihm der Notarzt vorsichtshalber umgelegt hatte, der zerrissenen Skijacke und den Schürfwunden auf seinen scharfen Wangenknochen, sondern auch am Zittern seiner Finger, als er sich fahrig eine Strähne seines nussbraunen Haares aus der Stirn wischte.

»Und wie geht es jetzt weiter, Dr. Summers?«, fragte Mark Turner, als sie im Behandlungsraum der Notaufnahme ankamen. Seine Stimme klang ungeduldig.

»Ich sehe mir Ihr Bein an, danach checken wir Sie erst einmal genau durch, und dann kann ich mehr sagen.« Leena antwortete betont ruhig, spürte aber eine gewisse Verärgerung über seinen rauen Ton. Das ist sicher der Schock, dachte sie und wandte sich rasch Bettys gutmütigem Gesicht zu: »Vitalzeichen, großes Blutbild, und wir brauchen zügig ein Röntgenbild vom rechten Unterschenkel. Achtet auf seine Temperatur. Gebt ihm ganz langsam einen halben Liter erwärmte Kochsalzlösung. Das sollte für den Anfang reichen.«

Leena rieb beide Hände gegeneinander, bevor sie die leichte Decke zurückschlug und einen Blick auf Mark Turners Bein warf.

»Das wird jetzt wehtun«, warnte sie den jungen Snowboarder und lächelte ihm beruhigend zu.

»Machen Sie schon«, gab er zischend zurück, ohne ihr Lächeln zu erwidern, »als Profisportler bin ich Schmerzen gewöhnt.«

Vorsichtig strich sie mit dem Finger über seine weiche Haut. Kühl fühlte sich das Bein an, und gerade als sie den Bruch und die Schwellung abtastete, hörte sie, wie ihrem Patienten ein leises Stöhnen entfuhr.

»Gib ihm bitte noch etwas gegen die Schmerzen in seine Infusion, Betty.«

Mark Turner entfuhr ein pustender Laut. »Na, schön, dass Sie darauf noch gekommen sind!«

Leena legte die Decke wieder behutsam über das Bein, richtete sich auf, holte tief Luft und sagte dann ruhig: »Mr Turner, ich kann Ihr Bein nicht richtig untersuchen, wenn ich Ihnen schon vorher Schmerzmittel gebe. Können Sie mir sagen, wie der Unfall passiert ist?«

Sie fing seinen Blick auf. Was habe ich ihm denn bloß getan, fragte sie sich. Bei allem Verständnis für seine Situation, seine Schmerzen und den mit Sicherheit traumatischen Sturz kam sie trotzdem nicht umhin, sich über seinen unfreundlichen Ton zu wundern. Viel schlimmer allerdings als die Verwunderung war der Ärger, den sie in sich aufsteigen spürte.

Mark Turner schloss für einen Moment die Augen, als das Schmerzmittel in seine Vene floss, dann sah er ihr wieder in die Augen. »Was soll schon passiert sein? Ich habe mich mit dem Helikopter am Old Lady Ridge zum Training absetzen lassen und muss eine Unebenheit übersehen haben. Der Abhang ist steil, ich verlor das Gleichgewicht, umarmte einen kahlen Strauch, bevor ich gegen einen kleinen Felsen prallte.« Er zuckte die Schultern, als wäre das alles nichts. »Nächste Woche ist die Meisterschaft, aber die kann ich wohl vergessen.« Er bedachte seinen Unterschenkel mit einem bösen Blick, als wäre ebendieses Körperteil an seinem Sturz schuld. »So, Mrs Summers, und jetzt müsste ich mal telefonieren. Und wo bleibt eigentlich mein behandelnder Arzt, Dr. Bade? Schaffen Sie ihn her, er soll sich das unbedingt ansehen.«

Hatte Leena es bisher noch geschafft, höflich zu bleiben, spürte sie jetzt, wie aus dem Ärger Wut wurde. Was bildete sich dieser aufgeblasene Affe eigentlich ein?

»Erstens bin ich Doktor Leena Summers und nicht Mrs Summers, und zweitens –« Leena unterbrach sich. Was war eigentlich zweitens? Dass er es wagte, ihren Titel unter den Tisch fallen zu lassen, hatte sie so erbost, dass sie völlig vergessen hatte, was sie noch sagen wollte.

Mark Turners Lippen kräuselte jetzt ein spöttisches Lächeln. Überraschend warm war seine Hand, als er nach ihrer griff. »Und zweitens, Doktor Summers?« Diesmal betonte er ihren Titel so, dass er völlig unwahrscheinlich erschien, so als hätte sie nie studiert, so als würde sie sich nur als Ärztin ausgeben.

»Zweitens«, mischte sich Betty energisch ein und löste die Bremsen der Trage, »zweitens fahren wir jetzt zum Röntgen. Brandon«, sie nickte ihrem Kollegen zu, »wenn du so lieb wärst?«

»Kommen Sie, Dr. Summers, Sie haben noch andere Patienten!« Leena ließ sich von Betty ins Arztzimmer ziehen, wo sich Betty in ihrer vollen Größe von ungefähr anderthalb Metern vor ihr aufbaute.

»Leena, was war das denn? Warum lässt du dich von dem eingebildeten Kerl so provozieren?«

Verwirrt fuhr sich Leena mit dem Handrücken über das Kinn. »Ach, Betty, ich weiß nicht, das fängt ja gut an. Was habe ich diesem Mr Turner eigentlich getan?«

Betty tätschelte Leenas Arm. »Jetzt mach dir mal nicht so einen Kopf. Das wird schon. Willst du, dass ich seinen Arzt, Dr. Bade, anpiepe?«

Kämpferisch reckte sie ihr Kinn nach oben. »Bis wir alle Ergebnisse haben, wird sich Mr Turner wohl gedulden müssen! Ich kümmere mich jetzt erst einmal um andere Patienten.«

Verschwörerisch zwinkerte Betty ihr zu. »Da ist noch eine junge Dame mit einem gebrochenen Daumen im Behandlungsraum eins.«

»Die sehe ich mir gleich mal an. Wenn alles fertig ist, sagst du dann Dr. Bade bitte Bescheid? Danke, Betty.«

*

Mark Turner starrte erst einen Moment lang finster auf sein Bein, dann auf das Telefon, das ihm eine der Schwestern gegeben hatte. Vielleicht der ältere Drachen, er konnte es nicht mehr sagen. Das Schmerzmittel vernebelte seine Gedanken. So ganz war ihm nicht klar, was er von diesem Unfall zu halten hatte, und vor allem wusste er nicht, was dieser Unfall für seine zukünftige sportliche Karriere bedeuten könnte.

Er schloss die Augen. Eine bleierne Müdigkeit übermannte ihn. Wach bleiben, Mark, befahl er sich und drehte unentschlossen das Telefon in seiner Hand. Wen sollte er zuerst anrufen? Roger, seinen Agenten und Manager? Emely, seine Verlobte? Oder vielleicht seine Eltern? Letzteres schob er weit weg. Sinnlos. Nicht nachdenken, Mark.

Emely also. Langsam und Ziffer für Ziffer wählte er ihre Nummer. Es klingelte ein paarmal, dann näselte ihre vertraute hohe Stimme ungeduldig: »Emely Redding!«

»Em, ich bin es, Mark.«

»Mark? Was ist das für eine komische Nummer, unter der du mich anrufst? Wo bist du?« Ihre Fragen klangen wie Pistolenschüsse in seinen Ohren.

»Ich bin im Crystal Lake Medical Center, in Woody Creek.« Er machte eine dramatische Pause.

»Ja, und? Ich habe gleich einen Termin bei unserer Wedding-Planerin. Also fass dich kurz.«

»Em, ich hatte einen Unfall, mein Bein ist gebrochen. Ich muss operiert werden!«

»Ach, nein, das ist ja schrecklich!« Emely stieß einen kleinen Schrei aus. »Meinst du, du bist bis Juni wieder fit? Weil – ach, Mark, wir werden zur Zeremonie fast achthundert Meter Strand entlanglaufen müssen. Außerdem, wie wird der Anzug sitzen, wenn du vielleicht noch eine Schiene tragen musst? Und außerdem«, und jetzt klang ihre Stimme wirklich alarmiert, »wie willst du denn Geld verdienen, wenn du nicht an Turnieren und Wettkämpfen teilnehmen kannst?«

Mark fühlte sich matt. »Em, kannst du Roger anrufen? Er muss Bescheid wissen, damit er das Aspen International nächste Woche absagen kann.«

»Nichts mache ich.« Emelys Stimme klang entschlossen.

»Fürs Erste ist das einfach nur eine kleine Trainingspause, sonst springen uns noch deine Sponsoren ab. Und jetzt reiß dich zusammen, Mark, und werd gesund. Ich komm, sobald ich alles unter Kontrolle habe.«

Sie hatte aufgelegt, bevor er noch etwas sagen konnte. Typisch Emely. Sie wollte immer alles kontrollieren. Normalerweise hätte er sich mit ihr jetzt bis aufs Blut gestritten, aber heute fehlte ihm einfach die Kraft. Normalerweise, und das ging so, seitdem sie ein Paar waren, also ungefähr seit der Highschool, hätten sie sich jetzt angebrüllt. Am Ende hätte Emely geweint und das zu ihm gesagt, was seine Mutter sonst zu seinem Vater sagte: Ich meine es doch nur gut mit dir!

Es war nicht immer so gewesen, aber die Zeit, in der sie so verliebt ineinander waren, dass sie es kaum ertragen konnten, den Blick vom anderen zu lösen, war lange her.

Jetzt war ihre Beziehung wie eine Angewohnheit, die man nicht mehr ablegen konnte oder auch wollte. Sie hatten sich beide verändert, das wurde ihm immer klarer, hier in diesem Krankenhausbett. Emely hatte sich an sein Geld und sein Ansehen gewöhnt, während er immer weniger Zeit mit ihr verbrachte, weil ihn seine sportliche Karriere zunehmend forderte.

So würde es weitergehen. Hochzeit am Strand von Malibu, ein Haus, zwei wunderschöne Kinder, die aussehen würden wie Emely und die genauso leer und kalt aufwachsen würden wie er.

Seine Gedanken glitten zu dieser jungen Ärztin. Leena Summers. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Sie hatte etwas, das er ungemein anziehend fand. Wenn sie wütend war, tauchten kleine rote Punkte auf Hals und Wangen auf.

Ganz ehrlich, es war ihm völlig egal, ob Dr. Bade oder sie ihn operierte, aber er sah es gern, wenn sie sich aufregte. Sie hatte etwas Ungestümes, wie eine ungezähmte Berglöwin. Und trotz seines momentanen Zustandes erwachte etwas wie Jagdinstinkt in ihm.

*

»Randall Murray«, murmelte Allana McGinty leise vor sich hin, als sie die Zeitung sinken ließ. »Randall Murray, der Rodler.« Und war Randall Murray bisher einfach nur ein Fall am Crystal Lake gewesen, einer von vielen, blieb jetzt, dank des Artikels, ein schaler Beigeschmack, wenn sie diesen Namen aussprach.

Nachdenklich hob sie ihre Kaffeetasse zum Mund und stellte sie dann doch wieder ab, ohne einen Schluck zu trinken. Stattdessen stand sie auf, ging langsam die drei Schritte bis zum Panoramafenster ihres Büros und legte ihre Hand an die beruhigend kühle Scheibe.

Hatte sie in den letzten drei Jahren als Klinikleitung am Crystal Lake den Blick vom Hang auf das kleine Skiörtchen Woody Creek und den gleichnamigen Bachlauf, der sich malerisch durch das Tal in Richtung Aspen schlängelte, immer wie selbstverständlich genossen, schienen ihr die schneebedeckten Hänge, die Pisten und der langsam zuckelnde Skilift plötzlich sehr zerbrechlich. Fast so, als würde sie auf eine Miniatureisenbahnlandschaft schauen, die jederzeit mit einer beiläufigen Handbewegung vom Brett gewischt werden könnte.

Trotz der Wärme im Büro fröstelte sie und zog die schmalen Schultern zusammen. Es ist nur ein Zeitungsartikel, beruhigte sie sich selbst. Noch dazu in einem Lokalblatt. Keine wichtige Zeitung, die viele Menschen lesen, sondern nur die, die an der Tankstelle warten und gelangweilt eine Ausgabe davon aus dem Ständer ziehen.

Einen tiefen Atemzug später fühlte sie, wie die Anspannung ein wenig wich. Viel stand ja auch gar nicht in dem Artikel. Ausführlich beschrieb er die früheren Erfolge des Profirodlers, und erst im letzten Absatz tauchte in einem Nebensatz die Frage auf, ob das derzeitige Karrieretief des Sportlers vielleicht auf die Operation im letzten Jahr zurückgeführt werden könnte.

Wer schrieb außerdem für solche lokalen Käseblätter? Junge, unerfahrene Journalisten. Vielleicht war das einfach eine ungeschickte Formulierung mit dem Behandlungsfehler.

Trotzdem sollte sie der Sache nachgehen, so viel stand fest. Sie drückte den Knopf auf ihrer Sprechanlage: »Gloria, bitte lassen Sie mir zügig alle Patientenakten zum Fall ›Randall Murray‹ in mein Büro liefern.«

Es knarrte einen Augenblick, dann antwortete Glorias kratzige Stimme gut gelaunt wie immer: »Sehr gern, Ms McGinty!«

Erleichtert ließ sich Allana wieder in ihren Schreibtischsessel fallen und lehnte sich zurück, um für einen Augenblick die Augen zu schließen. Es ist immer gut, so etwas gleich anzugehen und nicht auf die lange Bank zu schieben, dachte sie. Und das war ja auch ihre große Stärke: Dinge anpacken, Dinge erledigen und dabei alle mitreißen und begeistern. Und mit ebendiesen Qualitäten hatte sie sich in den letzten zehn Jahren hochgearbeitet. Von der einfachen Krankenschwester zur angesehenen Klinikleitung.

Ohne Ryan hättest du das nicht geschafft, meldete sich eine hartnäckige kleine Stimme in Allanas Hinterkopf. Ryan. Ryan Bellcrest. Allana verbannte den Gedanken an ihren Exmann in die hinterste Ecke ihrer Gedankenwelt. Nein, sie würde sich ihren Tag weder von Randall Murray und dem Zeitungsartikel versauen lassen noch von diesem intriganten Mistkerl.

Sie sah gerade aus dem Fenster auf den wolkenlosen blauen Himmel, auf die schrägen Sonnenstrahlen und den glitzernden Schnee auf dem schmalen Fensterbrett, als Glorias Stimme knarrend aus der Sprechanlage drang: »Ms McGinty, ich habe das Archiv in der Leitung, kann ich durchstellen?«

Allana runzelte verwundert die Stirn. »Ja, sicher«, gab sie zurück und griff zum Hörer.

»Ms McGinty? Hier ist Sarah Preston aus dem Archiv. Ich habe gerade nach den Akten geschaut, die Sie angefordert haben, und wollte Ihnen nur sagen, dass eine fehlt, nämlich die letzte. Den Rest schicke ich Ihnen gleich nach oben.«

»Die letzte …«, murmelte Allana nachdenklich, also wahrscheinlich genau die, die den Aufenthalt mit der Operation beschrieb. »Wo könnte sie sein, diese letzte Akte?«

»Sehen Sie, Ms McGinty, das ist genau das, was mich auch wundert, ich habe keine Ausleihe im Computer verzeichnet.«

»Können Sie sehen, wer die Akte als Letzter bearbeitet hat?«

»Einen Moment, bitte.« Rauschen im Hörer. Ungeduldig griff Allana nach einem ihrer vielen Bleistifte und tippte mit der Spitze rhythmisch auf den Notizzettel vor ihr.

»So, jetzt«, meldete sich Sarah Preston zurück. »Dr. Bade hat als Letzter ein Dokument hinzugefügt. Gut möglich, dass die Akte noch bei ihm auf dem Schreibtisch liegt. Sie wissen ja, wie das ist. Immer wieder fordern wir sie an, aber –«

»Ja, ja, danke«, unterbrach Allana Sarahs Beschwerde. »Schicken Sie einfach hoch, was Sie haben.«

Nachdenklich schrieb Allana seinen Namen in Großbuchstaben auf den Zettel vor ihr:

Dr. William Bade.

*

»Haben Sie Dr. Bade schon erreicht?«, fragte Mark Turner mit einem raschen Blick auf die Uhr.

Leena zog sich einen der Hocker heran und setzte sich neben das Bett ihres Patienten in der Notaufnahme.

»Leider noch nicht, Mr Turner. Aber ich habe Ihnen hier Ihre Röntgenaufnahmen mitgebracht und mit meinem Kollegen aus der Radiologie ihren CT-Befund ausgewertet. Sie müssen heute noch operiert werden. Das Gewebe um den Bruch beginnt anzuschwellen, und wenn wir das nicht entlasten, wird die Blutzufuhr unterbrochen.« Leena schluckte. Nachdem sie alle Befunde gesehen hatte, tat ihr Mark Turner sogar ziemlich leid. »Sie könnten Ihr Bein verlieren, wenn wir nicht zügig handeln.«

Falls ihn diese Neuigkeit schockierte, konnte er das mit seinem ausdruckslosen Gesicht gut verbergen. Einzig seine Stimme zitterte leicht, als er sprach. »Das Wichtigste ist doch jetzt Dr. Bade.« Und da war es wieder: sein spöttisches kleines Lächeln, das sie so auf die Palme brachte.

»Mr Turner,« unterbrach sie ihn hastig, »wichtig ist, dass ich Sie jetzt zügig operiere!« Er sieht gut aus, schoss es ihr durch den Kopf, aber trotzdem kann er sich nicht alles erlauben.

»Vergessen Sie ’s! Ich verlange, dass Sie Dr. Bade anfordern, damit er mich operiert und mir endlich sagt, wann ich wieder Snowboard fahren kann.«

Jetzt platzte Leena endgültig der Kragen. Hastig erhob sie sich und schob den Hocker beiseite. »Sie hören mir jetzt mal gut zu, Mr Turner, im Moment bin ich hier die diensthabende Ärztin. Wenn ich Sie nicht bald auf dem Tisch habe, kann ich Ihnen versichern, dass nicht die Frage ist, wann sie wieder auf dem Snowboard stehen, sondern ob jemals wieder! Etwas anderes würde Ihnen übrigens Ihr Dr. Bade auch nicht sagen!«

Unbeirrbar stemmte sie die Hände in ihre Hüften.

»Ha!«, entfuhr es Mark Turner. »Sie können ja auch ganz energisch, Dr. Summers. Das steht Ihnen wirklich gut, aber jetzt ist Schluss mit den Spielchen. Bringen Sie mir ein Telefon! Kann doch nicht sein, dass hier niemand meinen Arzt erreicht.«

»Ich verbitte mir diesen Ton, Mr Turner!«

Auf dem Absatz drehte sie sich um. Erst als sie im Arztzimmer die Tür hinter sich geschlossen hatte, spürte sie, wie Tränen der Wut in ihr aufstiegen. Hatte sie dafür wirklich Chicago verlassen? Aus dem halben Ostteil der Stadt waren die Menschen zu ihr gekommen, um sich operieren zu lassen, und jetzt kam irgendein dahergelaufener Snowboardfahrer, von dem sie noch nie vorher gehört hatte, und behandelte sie, als wäre sie eine blutige Berufsanfängerin. Wütend ballte sie die Hände zu Fäusten. Nein, sie würde in Zukunft anders mit diesem Turner sprechen. Betont freundlich und höflich, das nahm sie sich vor, und am Ende würde es klingen, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank.

Bevor sie den Raum verließ, warf sie einen prüfenden Blick in den Spiegel. Sie hatte in den Tagen nach ihrem Umzug nach Woody Creek nicht wirklich viel geschlafen. Die Umzugskisten packten sich eben nicht von allein aus, und außerdem hatte sie noch etliche Möbelstücke aufgebaut und an ihren Platz gewuchtet. Die schlaflosen Nächte rächten sich jetzt mit dunklen Ringen unter ihren braunen Augen. Und viel an die frische Luft war sie ebenfalls nicht gekommen. Ihre Mutter hatte ihr auch schon gesagt, sie sähe blass aus, viel zu blass.

»Dr. Summers bitte zur Aufnahme, Dr. Summers bitte zur Aufnahme!« Bettys Stimme knarrte aus dem Lautsprecher, und Leena setzte sich hastig in Bewegung.

»Etwas Neues von Dr. Bade?«

Betty schüttelte den Kopf, bedeckte wieder die Sprechmuschel mit der Hand. Unser Chefarzt, Dr. Raker, ist am Telefon und will wissen, wann du gedenkst, Mr Turner zu operieren.« Betty verdrehte die Augen. »Wahrscheinlich hat er sich die CT-Bilder im Computer angeschaut.«

»Hallo, Dr. Raker, ich …« Weiter kam Leena nicht.

»Dr. Summers, herzlich willkommen im Crystal Lake Medical Center, na, haben Sie sich schon eingelebt? Ich gehe davon aus, dass schon ein OP für Mr Turner vorbereitet wird? Wir wollen doch unsere amerikanische Olympiahoffnung nicht mit diesem hässlichen Bruch herumliegen lassen, oder?« Dr. Raker lachte in den Hörer, doch Leena ließ sich von seiner vorgeschobenen Freundlichkeit nicht täuschen. Er ist nett zu mir, weil ich neu bin, dachte sie. In drei Wochen redet er sicher anders mit mir. »Mr Turner verlangt nach seinem eigenen Arzt, Dr. Bade, wir versuchen schon, ihn zu erreichen.«

»Na, na, dann fangen Sie halt schon mal an, und Dr. Bade stößt zu Ihnen, wenn er da ist.«

Kleinlaut schluckte Leena. »Mr Turner möchte nicht von mir operiert werden, Dr. Raker. Vielleicht könnten Sie noch einmal …«

»Dr. Summers, ich bin sicher, Sie bekommen das hin. Immerhin sind Sie wahrscheinlich aus Chicago noch ganz andere Sachen gewöhnt, was? Natürlich würde ich Ihnen sehr gerne helfen, nur leider bin ich auf dem Weg nach Dallas zu einer Tagung. Und jetzt ab in den OP mit unserem Snowboardwunder!«

Dr. Raker hatte aufgelegt, bevor Leena noch etwas sagen konnte.

»Betty, wünsch mir Glück!«

»Wofür denn, Süße?«

Doch Leena hatte sich schon umgedreht und zog mit einem Ruck den Vorhang vor Mark Turners Bett beiseite.

»So Mr Turner, keine Spielchen mehr, das sagten Sie doch vorhin. Dr. Bade ist nicht zu erreichen. Entweder ich operiere Sie jetzt, oder Sie verlieren Ihr Bein. Suchen Sie sich aus, was Ihnen gefällt.«

Fest erwiderte Leena Mark Turners zweifelnden Blick.

»Entschuldigen Sie, Dr. Summers, Sie sehen mir einfach zu jung aus. Ich brauche mein Bein, ich brauche jemanden mit viel Erfahrung, der mich operiert. Nicht jemanden, der seinen ersten Tag am Crystal Lake hat.« Diesmal klang er weder bissig noch spöttisch, sondern nur ängstlich. Das hat er also verborgen, dachte Leena, der große Mark Turner hat einfach nur Angst, so wie jeder Mensch vor so einem Eingriff Angst hätte. Ein Schleier hatte sich über seine blauen Augen gelegt, so als hätte jemand von innen das Licht ausgeknipst. Ein wirklich schöner Mann, dachte Leena. Ein Mann, dem ein unbeschwertes Lächeln sehr viel besser stand als die Sorge auf seiner Stirn. Und trotz allem Ärger über seine unverschämte Art war es die Ärztin in Leena, die ihm gern seine Unbeschwertheit zurückgeben wollte.

»Leena, ach, Dr. Summers!«

Betty war hinter ihr aufgetaucht und atmete hastig. »Es gab einen Lawinenabgang am Longneck Mountain!« Aufgeregt wedelte Betty mit ihrer kleinen Hand.

»Ok, Betty, ganz ruhig. Wie viele Verletzte? Du kümmerst dich mit dem jungen Assistenzarzt, wie heißt er? Ach ja, Montgomery, mit Dr. Montgomery um die Triage, ich bereite die OPs vor.«

»Nein, nein, keine Verletzten, aber Dr. Bade ist quasi in seinem Haus eingeschlossen. Alle Passstraßen sind gesperrt. Vor Morgen wird da nichts geräumt. Vor Morgen kann er nicht hier sein.«

Leena nickte langsam und drehte sich wieder zu Mr Turner um. »Also, Mr Turner, Sie hören ja, wie es steht. Soll ich den OP für Sie vorbereiten lassen?«

*

Zum zweiten Mal an diesem Tag hinterließ Allana eine Nachricht auf Dr. Bades Mailbox. Vielleicht sollte sie einfach selbst nachsehen, wo er steckte? Vielleicht war er im OP oder in der Rettungsstelle, aber würde dann nicht eine Schwester seine Anrufe entgegennehmen?

Und plötzlich war sie wieder da, die unbestimmte Unruhe von heute Morgen, das seltsam flaue Gefühl im Magen. Ebenjenes Gefühl, das Allana nach der Lektüre des Artikels überfallen hatte.

Was wusste sie eigentlich über Dr. Bade, außer dass er gleichermaßen beliebt war bei Patienten und Personal? Dr. Bade, der Arzt mit dem gütigen Lächeln, der leise und beruhigend sprach, der am Wochenende zu Visiten einen Karton Donuts mitbrachte und die gestresste Nachtschwester aufheiterte.

Hatte sie jemals mit ihm näher zu tun gehabt? Sie konnte sich nicht daran erinnern.

Entschlossen schlüpfte Allana in ihr tailliertes Jackett, das ausgezeichnet zu ihrem neuen kurzen, schwarzen Rock passte, fädelte ihr Namensschild ans Revers und zog die Bürotür ins Schloss.

»Ich bin im Haus unterwegs, Gloria, bitte stellen Sie keine Anrufe auf mein Handy durch. Ach, und versuchen sie, Dr. Bade für mich zu erreichen.«

Freundlich wie immer nickte Gloria ihr zu, und die beiden Frauen tauschten einen Blick. Allana erinnerte sich noch gut an den Tag, an dem die rundliche ältere Frau mit der großen Brille zum Vorstellungsgespräch erschienen war. Ein Bauchgefühl hatte ihr gleich gesagt, dass sie die Richtige für den Job war, und die Zeit hatte ihr recht gegeben. Gloria war ihr Fels in der Brandung geworden, ihre treue rechte Hand. Vor allem aber war sie ihr kluger Ratgeber in schwierigen Situationen. Vielleicht, schoss es Allana durch den Kopf, vielleicht würde sie heute ihren Rat noch brauchen.

Und während sie mit klappernden Absätzen in Richtung Treppenhaus ging, versuchte sie, genau diesen Gedanken abzuschütteln.

Zügig stieg sie bis ins Erdgeschoss hinab und betrat die Rettungsstelle durch einen Seiteneingang direkt hinter dem Schwesterntresen.

»Ah, Schwester Betty!« Natürlich. Allana seufzte innerlich. Zwar war Betty eine ausgezeichnete Krankenschwester, das musste Allana zugeben, aber eben auch echt anstrengend, wenn es darum ging, ihre Rettungsstelle gegen die notwendigen Sparmaßnahmen zu verteidigen. Bedauerlicherweise war sie schon so lange im Haus, dass sie einen guten Draht zum Chefarzt hatte, den sie noch als einfachen Assistenzarzt kennengelernt hatte.

Langsam drehte sich Betty zu ihr um und hob eine Augenbraue. »Ms McGinty, was kann ich für sie tun? Soll ich noch ein paar Schwestern an diesem sonnigen Tag entlassen?«

Das Beste würde es sein, diese Spitze zu übergehen, dachte Allana, räusperte sich und sagte dann ruhig: »Ich bin auf der Suche nach Dr. Bade. Haben Sie ihn gesehen?«

»Nein, habe ich nicht.« Bettys Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.

»Wissen Sie, wo ich ihn finden kann?«

Für einen Moment öffnete Betty den Mund, als ob sie etwas sagen wollte, dann presste sie die Lippen fest aufeinander und zuckte wortlos die Schultern.

»Na schön, Schwester Betty, vielen Dank für die Auskunft!« Vielen Dank für nichts, fügte Allana im Geiste hinzu. Irgendetwas verschwieg ihr Betty, so viel war sicher, aber Allana war klug genug, um zu wissen, dass es keinen Sinn ergab weiterzufragen. Betty hatte ihren eigenen Kopf, und dieser Kopf hatte beschlossen, Allana die Schuld an allen notwendigen Einsparungen der Klinik zu geben.

Hier kam sie nicht weiter, aber vielleicht weiß jemand im OP mehr, dachte sie und rieb sich die Stirn, als sie ihren Weg durch das Krankenhaus fortsetzte.

Eilig bog Allana um die Ecke und stieß dabei mit einer ihr entgegenkommenden jungen Ärztin zusammen.

»Tut mir leid!«, sagte sie, bückte sich, um auch ein paar der zu Boden gefallenen Papiere aufzuheben, und sah dann auf.

»Macht nichts, um die Ecke kann man schlecht sehen«, antwortete die junge Frau mit den dunklen kurzen Locken. Sie hat ein hübsches Gesicht, dachte Allana. Klare Züge und ein gewinnendes Lächeln. Und plötzlich fiel es ihr ein: »Sie müssen unsere neue Kollegin sein, Dr. Summers.«

Sichtlich verlegen reichte ihr die junge Ärztin die Hand.

»Richtig, ich bin Dr. Leena Summers!«

Fest griff Allana zu. »Allana McGinty, ich bin die Klinikleitung. Willkommen im Crystal Lake, ich hoffe, es gefällt Ihnen bei uns?«

»Ja, vielen Dank!«

»Sagen Sie, Dr. Summers, haben Sie zufällig Dr. Bade gesehen? Ich habe schon mehrfach versucht, ihn zu erreichen.«

»Oh.« Über Leenas Gesicht legte sich ein kleiner Schatten. »Nein, gesehen nicht, aber ich habe gehört, dass der Weg zu seinem Haus von einer Lawine verschüttet wurde. Man sagte mir, dass die Passstraßen vor morgen nicht geräumt werden.« Leena Summers schüttelte bedauernd den Kopf. »Vielleicht hat es auch ein paar Handymasten erwischt, er konnte sich nur einmal bei uns melden, und es scheint mir, dass er wohl von der Außenwelt abgeschnitten ist.«

»Das ist in der Tat bedauerlich.«

»Ja, aber keine Sorge, ich übernehme seine OP.«

Wenigstens der OP-Plan würde also nicht allzu sehr durcheinanderkommen. Aufmunternd tätschelte Allana Dr. Summers’ Arm. »Sehr gut, das fängt ja gut an für Sie!«

Leena lachte herzlich. »Ach, ich bin aus Chicago einiges gewöhnt.«

Ein letztes Nicken, dann setzte Allana ihren Weg fort. Jetzt allerdings ging sie zielstrebig wieder in Richtung Treppenhaus. Vielleicht war die Akte in Dr. Bades Büro. Sie könnte seine Tür mit ihrem Generalschlüssel öffnen. Dann drehte sie sich ein letztes Mal um und rief: »Sagen Sie, Dr. Summers, wer hat Ihnen das mit der Lawine erzählt?«

»Schwester Betty! Fragen Sie sie, wenn Sie mehr Informationen brauchen! Schönen Tag noch!«

*

Das Händewaschen vor der Operation war für Leena ein heiliger Moment und der Augenblick, in dem sie sich selbst sammelte. Mechanisch übernahm ihr Körper das gewissenhafte Waschen ihrer zarten Haut, während sie im Kopf die anstehende OP durchgehen konnte. Und ebendiese OP würde nicht einfach werden. Unterhalb des Knies war Mark Turners Schienbeinknochen in viele einzelne Fragmente gesplittert, sodass das Röntgenbild aussah, als wäre ein Glas auf dem Boden zerbrochen. Trotzdem war Leena zuversichtlich. Sie hatte in Chicago Skateboardfahrer wieder auf ihr Board steigen sehen, an denen sie weitaus schlimmere Verletzungen operiert hatte. Die nächsten Stunden würden anstrengend werden, keine Frage, aber sie waren auch ihr Lohn für das harte Studium.

Gerade jetzt, als sie das Desinfektionsmittel auf ihren Händen und Armen verteilte, wurde ihr sehr deutlich, dass es genau das war, was sie sich immer gewünscht hatte: jemanden zu heilen. Und heute war dieser jemand Mark Turner. Hätte sie vorhin noch beinahe vor Wut geweint über sein Verhalten ihr gegenüber, stieg jetzt in ihr eine Milde auf. Er war auch nichts weiter als ein Patient, der Angst hatte und ihre Hilfe brauchte.

Ein letzter tiefer Atemzug, dann drückte sie die Schwingtür zum Operationssaal auf. »Alles fertig? Für die, die mich noch nicht kennen: Ich bin Dr. Leena Summers, und heute ist mein erster Tag am Crystal Lake. Also schön, dann geben wir jetzt diesem Mann sein Bein zurück, er wird es weiterhin auf dem Snowboard brauchen.«

Leena warf im Vorbeigehen einen letzten Blick auf das Gesicht von Mark Turner. Er sieht friedlich aus, schoss ihr durch den Kopf. Die Narkose gab seinem Gesicht etwas angenehm Weiches, beinahe Jungenhaftes.

»Bereit, Dr. Montgomery?« Der junge Assistenzarzt nickte ihr zu, und sie konnte seine Aufregung fühlen. Es war nicht lange her, da hatte sie ebenfalls zitternd am Tisch gestanden und bewundernd die Fachärzte angesehen. Jetzt war sie es, zu der Dr. Montgomery aufblickte. Und das nicht nur, weil er ihr bis zur Schulter ging, sondern weil er wissbegierig war. Das hatte er schon vorhin in der Notaufnahme bewiesen.

Ruhig nahm sie das Skalpell aus den Händen der OP-Schwester entgegen. »Also schön, Dr. Montgomery. Ich erkläre einfach, was ich tue, und Sie fragen, wenn etwas unklar ist, ja?«

2. Kapitel

Eine Lawine also. Allana blieb unschlüssig vor der verschlossenen Bürotür von Dr. Bade stehen. Es sah Schwester Betty ähnlich, ihr eine solche Information vorzuenthalten. All diese Kleinigkeiten, die den Berufsalltag so schwer machen, dabei wollte Allana eigentlich nichts weiter als Frieden mit ihren Angestellten. Ein unmögliches Unterfangen in einem Wirtschaftsbetrieb, das wurde ihr mit den Jahren immer mehr klar.

Allana seufzte tief, bevor sie mit ihrem Generalschlüssel die Bürotür knarrend öffnete.

Dr. Bades Büro befand sich im alten Teil des Krankenhauses. Ein schöner Backsteinbau, den Allana so sehr liebte, dass sie damals durchgedrückt hatte, das Gebäude sanieren zu lassen und nicht abzureißen. Der Altbau, der einmal ein Tuberkulose-Sanatorium war, und Allana immer das unbestimmt positive Gefühl einer »guten alten Zeit« gab, beheimatete nun alle Büros der behandelnden Ärzte des Krankenhauses. Dr. Bade residierte im Dachgeschoss. Noch nie hatte sie sein Büro betreten, musste nun aber zu ihrer Überraschung feststellen, dass sein Ausblick sogar schöner war als der ihrige. Vor den geschwungenen hohen Doppelfenstern breiteten sich die Hänge des Larkspur Mountain aus, und Allana erstarrte einen Moment vor Ehrfurcht, bevor sie die Schultern zusammenzog. Die Akte, erinnerte sie sich selbst. Such die Akte, Allana. Randall Murray.

Der Ausblick war das einzig Schöne an Dr. Bades Büro. Innen, schien es ihr, breitete sich ein einziges Chaos aus. Aktentürme krochen die Wände hoch und bedeckten, wie draußen der Schnee, jede Oberfläche. Dazwischen Stifte, zerknüllte Bonbonpapiere und Kaffeetassen. Ein sehr persönliches Chaos, und es war ihr unangenehm, darin herumzugraben.

Zu ihrer Überraschung war Randall Murrays Akte ziemlich weit oben in dem Stapel, den sie als Erstes durchsuchte. Beherzt zog sie sie hervor, drückte sie an ihre Brust und verließ das Büro, das sie sorgsam wieder verschloss.

Fast fühlte sie sich, als wäre sie jemandem zu nahe getreten. Vielleicht beschleunigte sie deshalb ihre Schritte auf dem Weg zurück in ihr eigenes Büro.

»Ms McGinty, ich kann Dr. Bade nicht erreichen, und er meldet sich auch nicht zurück.«

»Schon gut, Gloria, es hat wohl eine Lawine gegeben und Dr. Bade den Weg versperrt. Wahrscheinlich sind mal wieder ein paar Sendemasten umgeknickt.« Abwesend strich sich Allana eine Strähne ihres schwarzen Haars aus der Stirn. Es war mal wieder Zeit, sich ihr störrisches, krauses Haar glätten zu lassen. Woher sie die Zeit für einen Frisörtermin nehmen sollte, war ihr allerdings schleierhaft.

»Eine Lawine, ja?« Gloria runzelte die Stirn. »Im Radio haben sie nichts … Na ja. Soll ich Ihnen einen Kaffee bringen, Ms McGinty?«

Ein Lächeln huschte über Allanas Gesicht. »Das wäre großartig.«

Nur wenig später hatte sie eine dampfende Tasse vor sich stehen und die Akte bereits wieder zusammengeklappt.

So etwas Schlampiges hatte sie in all den Jahren, die sie bereits im Krankenhaus arbeitete, noch nicht gesehen. Kein Operationsbericht, kein ärztlicher Verlauf. Eigentlich war die Akte leer, bis auf die Dokumentation der Schwestern. Vor Gericht würde man ihnen das um die Ohren hauen. Und bei dem Gedanken zuckte Allana zusammen, gerade als Gloria nach einem kurzen Klopfen ihr Büro betrat.

»Ms McGinty, geht es Ihnen nicht gut?«

»Mir? Ich? Ach –« Allana unterbrach sich selbst und warf einen Blick auf die Uhr. Kein Wunder, dass der Rest Kaffee kalt war. Sie hatte fast drei Stunden über der leeren Akte und ihren Sorgen gebrütet. Der Nachmittag hatte seine Dämmerung bereits in die Ecken des Raumes geschoben.

Energisch durchschritt Gloria das gesamte Zimmer, um überall Lichtschalter zu betätigen.

»Bedrückt Sie etwas?«, fragte Gloria vorsichtig über die Schulter, und Allana war ihr äußerst dankbar für die Beiläufigkeit, mit der sie die Frage stellte.

»Haben Sie zufällig den Zeitungsartikel heute Morgen gelesen, Gloria?«

»Den über Randall Murray in der Woody Creek Gazette?«

»Hmm«, brummte Allana zustimmend.

»Ist es das, was Ihnen solche Sorgen macht? Ach, Journalisten! Junge Hunde. Beißen sich fest und hoffen, dass ein reißerischer Beitrag für sie das Sprungbrett zur Washington Post ist oder sie damit bei CNN landen.« Gloria lachte laut auf. »Ms McGinty, das ist nur ein Zeitungsartikel, nichts weiter.«

Erleichtert stimmte Allana in Glorias ansteckendes Lachen ein. Junge Hunde. Das ist es. Allana rieb sich den Nacken. Vielleicht hatte sie diesen Artikel wirklich einfach nur dramatisiert, sich hineingesteigert.

»Ach, und, Ms McGinty, wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, ich würde den Chef erst am Montag darüber informieren. Er ist zu einer Tagung in Dallas gefahren, und da wollen wir ihn doch nicht unnötig beunruhigen.«

Gloria hatte wie immer recht. Sie würde einfach mit Dr. Bade reden, wenn er wieder auftauchte. Spätestens am Montag nach dem Wochenende, dann eine kleine Info an den Chef, und dann könnte sie das Ganze einfach zu den Akten legen.

»Wissen Sie was, Gloria? Es ist Freitag. Wir gehen jetzt beide nach Hause ins Wochenende.«

»Jetzt schon? Es ist gerade erst vier durch und ich –«

Allana zwinkerte. »Genau, und Sie müssen jetzt heim.«

Gloria zwinkerte zurück und begann, alle Lichter wieder zu löschen.

»Erholen Sie sich gut, Ms McGinty!«

»Sie auch, Gloria.«

Zügig griff Allana nach ihrer Handtasche. Für heute ist es genug.

*

Müde streifte Leena den Kittel ab und warf ihn im Gehen in eine der grauen Mülltonnen. Müde, aber glücklich. Sie hatte, und das konnte sie wirklich stolz sagen, das Beste für Mark Turner herausgeholt. Angesichts der Schwere seiner Verletzungen war es zwar weiterhin unklar, ob er seine Profikarriere würde weiter vorantreiben können, aber zumindest würde er wieder schmerzfrei gehen können, und das war für Leena schon ein großer Erfolg.

Noch ein Blick in die Rettungsstelle, dann würde sie nach Hause gehen, ihren ersten Tag hier beschließen. Es war ein guter Anfang, dachte sie und lehnte sich über den Tresen der Aufnahme, hinter dem zu ihrer Überraschung Betty saß und sich über Papierkram beugte.

»Hast du nicht längst Feierabend?«, fragte Leena nach einem Blick auf die Uhr.

Betty schenkte ihr ein müdes Lächeln und richtete sich langsam auf. »Dasselbe könnte ich dich fragen, Herzchen.«

Leena winkte müde ab. »Ich hab Mark Turners Knochen zusammengepuzzelt.«

»Und, wird Mr Arroganz wieder auf einem Board stehen können?«

»Betty!«, rief Leena entsetzt aus, und Betty senkte schuldbewusst den Blick. »Es tut mir leid, Leena, ich bin müde, und ich mochte nicht, wie er dich behandelt hat, und …« Betty ließ den Kugelschreiber sinken.

»Schon gut. Vielleicht gehen wir jetzt beide heim, was denkst du?«

Betty schüttelte den Kopf. »Doppelschicht, alle sind krank.« Ein resigniertes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Und ich wette, du gehst noch zu Mr Turner?«

Ertappt errötete Leena. In der Tat war das ihr Plan: noch einmal nach ihm zu sehen. Sie würde das brauchen, um beruhigt schlafen zu können. Sie kannte sich zu gut. Schwierige Patienten betreute sie eben gern selbst.

»Mach nicht zu lange«, sagte Betty mahnend, bevor sie sich wieder über ihren Schreibtisch beugte.

Gutmütig gab Leena zurück: »Du auch!«

Leena hatte schon in Chicago die Abende im Krankenhaus geliebt. Das geschäftige laute Treiben des Stationsalltags ging in ein leises Gemurmel über. Die letzten Abendbrottabletts klimperten leise in dumpf rollenden Wagen, und jeder rüstete sich für die Nacht. Die Patienten hofften auf erholsamen Schlaf, während Ärzte und Schwestern sich eine ruhige Nacht wünschten.

Die Nachtschwester auf der chirurgischen Station war Leena sofort sympathisch. Vielleicht war sie ungefähr so alt wie sie selbst oder nur wenig jünger, und ihre braunen Augen leuchteten sanft und mitfühlend.

»Hallo, ich bin Schwester Clare Hamilton. Sagen Sie Clare zu mir. Sie müssen Dr. Summers sein? Herzlich willkommen!«

»Danke, Clare. Wie geht es meinem Patienten Mark Turner?«

Clare lächelte leicht, und ihr kluger Blick huschte über den Computermonitor, bevor sie Leena wieder in die Augen sah. »Er schläft. Vor einer halben Stunde hat er noch mal ein Schmerzmittel bekommen, so wie Sie es angeordnet haben.«

»Gut. Wenn in der Nacht etwas ist, rufen Sie mich bitte jederzeit an. Dr. Bade ist –«

»Von einer Lawine aufgehalten, ich weiß«, unterbrach sie Clare freundlich lächelnd. »Ich hoffe, es wird eine gute Nacht für alle. Und Sie, Dr. Summers, sehen auch müde aus. Gehen Sie beruhigt schlafen, ich kümmere mich um alles.«

»Das ist lieb, Clare. Ich seh noch einmal bei ihm hinein, und dann mache ich mich auf den Weg.«

So leise wie nur irgend möglich drückte Leena die Klinke zum Patientenzimmer hinunter und sah durch den Spalt. Ein Monitor und eine kleine Lampe auf dem Tisch waren die einzigen Lichtquellen im Zimmer und tauchten Mark Turners Gesicht in ein blassblaues Licht. Seine Züge waren entspannt, und er schien schmerzfrei zu schlafen.

Gerade als sie die Tür wieder ins Schloss ziehen wollte, hörte sie leise ihren Namen. So leise, dass sie sich fragte, ob er überhaupt etwas gesagt hatte.

»Dr. Summers, wie ist die OP verlaufen?«

Leena öffnete die Tür jetzt wieder weiter und trat ein paar Schritte ins Zimmer.

»Gut, Mr Turner, ich bin sehr zufrieden. Mehr kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Wir werden den weiteren Verlauf abwarten müssen. Schlafen Sie jetzt. Ich komme morgen Vormittag und sehe nach Ihnen.«

»Danke.« Seine Stimme war matt, aber deutlich, und Leenas Herz machte einen übermütigen Hüpfer, den sie allerdings ihrer Müdigkeit zuschob.

»Gern geschehen, Mr Turner. Das ist mein Job.«

*

Seltsam, dachte Mark Turner, sein erster Gedanke nach der OP hatte nicht etwa seinem Bein gegolten, sondern der jungen Ärztin mit den entzückenden Locken, die ihn operiert hatte. Leenas Gesicht hatte er vor sich gesehen. Ihre braunen Augen, ihr schönes Lächeln.

Sie hatte einen schönen Körper, dachte er, daran wird es liegen. Schlank und sportlich.

Emely erschien ihm oft so ungesund mager. Permanent versuchte sie, noch ein, zwei Kilos mit absurden Diäten schmelzen zu lassen, dabei war Mark zu keiner Zeit klar, wo genau sie eigentlich noch abnehmen wollte.

Er hatte sich damals in Emely verliebt, als sie noch nicht so viel Zeit vor dem Spiegel verbrachte. Damals, als er noch geglaubt hatte, er und sie würden im Leben in dieselbe Richtung schauen. Jetzt kam es ihm immer öfter so vor, als stünden sie Rücken an Rücken. Berührten sie sich eigentlich noch?

Und war ihm diese Berührung eigentlich wichtig?

Liebe ist doch nichts weiter als ein lohnendes Geschäft für beide Seiten. Bei seinen Eltern funktionierte das seit vielen Jahren ausgezeichnet.

Unwillig schüttelte er den Kopf, als Leena wieder vor seinem geistigen Auge auftauchte. Etwas an dieser Frau versetzte seiner Weltanschauung einen Schlag, wie ein Riss in einer frisch verputzten Wand.

Sein Smartphone vibrierte sich in die ungeordneten Gedanken. Emely hatte ihm sofort ein neues bestellt. Sein altes hatte den Sturz nicht überlebt.

»Hallo?«, sagte er fragend.

»Mark, hier spricht dein Vater.«

»Dad!« Für einen Moment hatte Mark wirklich die Illusion, sein Vater wäre besorgt um ihn.

»Ja, Mark, ich bin es. Emely hat mir von deinem Unfall erzählt. Das ist ja wirklich unglücklich.« William Turner räusperte sich, und Mark wurde klar, dass das seine Art von Anteilnahme war. Mehr würde er nicht erwarten können.

»Ich gehe also davon aus, dass du noch länger im Krankenhaus bleiben wirst?«

»Wahrscheinlich«, gab Mark knapp zurück.

»Wirklich blöd gelaufen, Sohn. Also brauchst du am Wochenende unser Ferienhaus in San Fernando Valley sicher nicht?«

»Nein, Dad«, sagte Mark matt.

»Schön, schön, das wollte ich nur wissen. »Machs gut, Sohn.« Eine kleine Pause. »Ach ja, und gute Besserung!«

Mark schaltete das Telefon aus und starrte an die kassettierte, weiße Decke, bevor ihn der Schlaf schließlich doch übermannte.

*

Allana erwachte am Samstag früher, als sie wollte. Eigentlich hätte sie sich darüber gefreut, ein wenig länger zu schlafen, aber die Gewohnheit der Woche zollte ihren Tribut. Trotzdem blieb sie noch etwas liegen und genoss die schrägen Sonnenstrahlen eines goldenen Wintermorgens, bevor sie schließlich doch die Beine aus dem Bett schwang, sich ihren Morgenmantel überstreifte und barfuß nach unten in die Küche tappte, um als Erstes die Kaffeemaschine anzustellen.

Ein langer Tag lag vor ihr. Sie würde heute keine Akten wälzen, keinen übrig gebliebenen Papierkram aus dem Krankenhaus durchgehen, das hatte sie sich fest vorgenommen. Stattdessen würde sie heute endlich den Flur renovieren. Die Farbeimer standen schon seit Wochen mahnend neben der Treppe. Früher hatte sie so etwas mit Ryan zusammen gemacht. Sie hatten gelacht, Musik gehört, sich gegenseitig mit Farbe bespritzt und am Abend Wein getrunken. So zumindest waren sie bei der Renovierung des restlichen Teils des alten Holzhauses vorgegangen, das sie zusammen gekauft hatten. Nun war nur noch der Flur übrig. Den wollten sie als Letztes neu gestalten.

Während der Duft frischen Kaffees durch das Haus strömte, wühlte Allana so lange in den Tiefen ihres begehbaren Kleiderschrankes, bis sie ihre alte Jeans mit den Farbklecksen gefunden hatte und dazu noch ein altes T-Shirt, das sie schon lange nicht mehr trug.

Es waren diese Momente, in denen sie Ryan fast vermisste, bis sie sich selbst wieder daran erinnerte, was er ihr angetan hatte. Hier in ihrem Schlafzimmer hatte er sie mit einer jungen Jurastudentin betrogen. Sicher nicht die Erste, sicher wäre sie nicht die Letzte geblieben, das war Allana trotz seiner Beteuerungen recht schnell klar.