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While the other works in the "Erlebnis Wissenschaft" series have concentrated on chemical substances in everyday life, this book brings to life a passionately debated physical phenomenon that has equally become an integral part of our lives - so-called electrosmog.
The term itself is misleading from the start, such that an objective scientific treatment is urgently needed. The author is one of Europe's leading experts in the field.
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Seitenzahl: 497
Veröffentlichungsjahr: 2012
Emsley, J. Leben, lieben, liftenRundum wohlfühlen mit ChemieMai 2008 ISBN: 978-3-527-31880-3
Schwedt, G. Betörende Düfte, sinnliche AromenMai 2008 ISBN: 978-3-527-32045-5
Schwedt, G. Wenn das Gelbe vom Ei blau machtSprüche mit versteckter ChemieMai 2008 ISBN: 978-3-527-32258-9
Synwoldt, C. Mehr als Sonne, Wind und WasserEnergie für eine neue ÄraMai 2008 ISBN: 978-3-527-40829-0
Zankl, H. Irrwitziges aus der WissenschaftVon Dunkelbirnen und LeuchtkaninchenMai 2008 ISBN: 978-3-527-32114-8
Ball, P. Brillante Denker, kühne PioniereZehn bahnbrechendeEntdeckungenMai 2007 ISBN: 978-3-527-31680-9
Froböse, R. Wenn Frösche vom Himmel fallenDie verrücktesten NaturphänomeneMai 2007 ISBN: 978-3-527-31659-5
Salzmann, W. Der Urknall und andere KatastrophenMai 2007 ISBN: 978-3-527-31870-4
Schuster, H. G. Bewusst oder unbewusst?Mai 2007 ISBN: 978-3-527-31883-4
Zankl, H. et al. Potzblitz BiologieDie Höhlenabenteuer von Rita und RobertMai 2007 ISBN: 978-3-527-31754-7
Emsley, J. Mörderische Elemente, prominenteTodesfälleMai 2006 ISBN: 978-3-527-31500-0
Froböse, R. / Jopp, K. Fußball, Fashion, FlachbildschirmeDie neueste KunststoffgenerationMai 2006 ISBN: 978-3-527-31411-9
Liedtke, S. / Popp, J. Laser, Licht und LebenTechniken in der MedizinMai 2006 ISBN: 978-3-527-40636-4
Schwedt, G. Was ist wirklich drin?Produkte aus dem SupermarktMai 2006 ISBN: 978-3-527-31437-9
Vowinkel, B. Maschinen mit Bewusstsein – Wohin führt die künstliche Intelligenz?Mai 2006 ISBN: 978-3-527-40630-2
1. Auflage 2008
Alle Bücher von Wiley-VCH werden sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag in keinem Fall, einschließlich des vorliegenden Werkes, für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler irgendeine Haftung.
Autor
Prof. Dr. Roland Glaser Waldsassener Str. 54 12279 Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2008 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind.
ISBN: 978-3-527-40753-8 ePDF ISBN: 978-3-527-64096-6 ePub ISBN: 978-3-527-64095-9 mobi ISBN: 978-3-527-64097-3
Meinen Eltern in dankbarer Erinnerung
Vor 40 Jahren verfasste der Autor einen kurzen Artikel für die »Naturwissenschaftliche Rundschau« (1968) zum Thema »Elektromagnetische Felder und belebte Natur« als Bericht über die gerade erschienene Monographie von Aleksandr Presman1. Dieses breite interdisziplinäre Gebiet, seine biophysikalischen Grundlagen, ebenso wie seine Anwendungen in Medizin und Umweltschutz reizten ihn zu weiterer Beschäftigung mit dieser Materie. Wie in kaum in einem anderen Bereich treffen hier die Fronten von Forschung und Fiktion aufeinander und beschäftigen zunehmend sogar Politiker und Juristen. Wunderheiler und Firmen propagieren Geräte und Vorrichtungen zur Therapie unterschiedlichster Erkrankungen; Bürgerinitiativen streiten mit Behörden und Industrie um die Installation neuer Fernleitungen und Sendemasten. Als Berater und Sachverständiger fühlt man sich mitunter eingezwängt zwischen Skeptikern auf der einen und Wundergläubigen auf der anderen Seite. Ärzte, Ingenieure, Politiker und viele Interessierte verlangen Auskunft: »Was hat es mit diesen Feldern und ihren postulierten Wirkungen auf Leben und Gesundheit im Guten wie im Bösen nun wirklich auf sich? Ist die Wissenschaft tatsächlich nicht in der Lage ein klares Wort zu sprechen?«
Und dabei ist das Thema nicht neu, vielmehr so alt, wie unser Wissen um Elektrizität und Magnetismus selbst, auch wenn es mit dem Siegeszug der Technik in letzter Zeit an Aktualität und Brisanz gewonnen hat. Schon sehr frühzeitig zog es Wissenschaftler in seinen Bann und strahlte aus auf Philosophie und Literatur.
Dies alles reizte den Autor den Versuch zu unternehmen, die vielen Tausende wissenschaftlicher Publikationen, die sich bei ihm inzwischen angesammelt haben, einmal in ihrer Quintessenz darzustellen, auch mit einem Seitenblick auf die Wissenschafts- und Kulturgeschichte sowie auf das reichhaltige Schrifttum im Internet und in Prospekten unterschiedlichster Art. Dabei durfte neben den brennenden Fragen von Medizin und Umweltschutz, die Magnet- und Elektroorientierung bei Tieren nicht vergessen werden. Unter Zoologen diskutiert man auch dies mitunter kontrovers, wenn auch weniger publikumswirksam. Biophysikalisch ist dies alles miteinander verknüpft. Nur aus einer Gesamtsicht der Dinge sind die Zusammenhänge zu verstehen.
Es sollte kein »Lehr-«, sondern ein »Lese«buch werden; keine Monographie, auch wenn das Sachwortverzeichnis am Ende des Buches ein Nachschlagen ermöglicht. Deshalb wurde auf Abbildungen verzichtet, die zwar mitunter durchaus zur Klärung beitragen könnten, den Fluss des Textes jedoch zerrissen hätten. Die Vignetten am Kopf eines jeden Kapitels sind als Auflockerung und auch etwas zur Illustration gedacht. Die Literaturzitate dienen teilweise als Belege, teilweise sollen sie Interessenten helfen, bei Bedarf tiefer in die Materie einzudringen. Natürlich konnten zu diesem Zweck nur wenige Schlüsselarbeiten genannt werden.
Der Autor hat einen recht heterogenen Leserkreis vor Augen, dessen Vorbildung und Interessen wahrscheinlich weit auseinander liegen – irgendwo in dem breiten Feld zwischen Medizin, Biologie, Umweltschutz und Elektrotechnik. Entsprechend breit ist natürlich auch die zu behandelnde Thematik. Diese zu bewältigen, dazu verhalfen ihm nicht nur die über Jahrzehnte gesammelten Publikationen, sondern auch die zahllosen Diskussionen in verschiedenen Gremien und nicht zuletzt auch solche mit Studenten im Hörsaal. Trotzdem wäre dieses Buch nicht zustande gekommen ohne die Hilfe vieler Freunde und Kollegen. Von Medizinern, Naturwissenschaftlern und Elektrotechnikern verschiedenster Orientierung wurden Kapitel gelesen und reichlich mit Hinweisen und Korrekturen versehen. Dafür fühlt sich der Autor zu tiefstem Dank verpflichtet.
Berlin, Januar 2008
Roland Glaser
»Daran erkenn ich den gelehrten Herrn! Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern, was ihr nicht fasst, das fehlt euch ganz und gar, was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr, was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht, was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht!«
Goethe: Faust II, 1. Akt
In meinem Regal steht ein dicker Aktenordner mit Zeitungsausschnitten und Prospekten über Nutzen und Gefahren durch elektrische und magnetische Felder; eine sehr unvollständige Sammlung, obgleich reichlich beliefert von Freunden und Kollegen im Verlauf von Jahrzehnten. Man könnte diese Berichte nach Themen ordnen. Da gibt es die Kassandrarufe, die Warnungen vor gesundheitlichen Schäden durch elektromagnetische Felder technischen Ursprungs, das Gruselkabinett meiner Sammlung: »Die unsichtbare Gefahr«, »Störfunk fürs Gehirn«, »Alzheimer durch Computer?«, »Gefahr aus der Steckdose«, »Krank und manipuliert durch Handy-Strahlen«, »Wenn Strom krank macht«, »Mit dem Handy kam die Angst«, »Selbstmord im Strahlengewitter«, »Elektrosmog im Kinderbett« – um solch griffige Formulierungen könnte der Wissenschaftler den Journalisten beneiden.
Doch es ist nicht nur die Technik, die uns stört. Die Natur selbst birgt offenbar ähnliche Gefahren: »Was tun, wenn der Erdstrahl droht? Lassen Sie sich nicht verstrahlen: Lernen Sie, wie sie den Todespfeilen aus der Tiefe entgehen und der Gefahr ins Gesicht lachen können!« Zum Glück gibt es also noch Samariter, welche der so bedrohten Menschheit selbstlos Hilfe versprechen: »Terracos schützt vor Elektrosmog«, »Der Mann, der mit der Rute Strahlen jagt«, »Pille gegen Elektrosmog«, »Software gegen Elektrosmog«. Welch Glück, dass man nicht schutzlos den Gefahren der Umwelt preisgegeben ist!
Doch wie jedes Gift sind elektrische und magnetische Felder offenbar nicht nur gefährlich, sondern können – richtig angewandt – auch Heilung bringen. Darüber berichten Internet und farbenprächtige Prospekte und Zeitschriften im Wartezimmer mancher Ärzte: »Pulsierende Felder bauen defekte Gelenke wieder auf«, »Magnetfeldtherapie – sanfte Naturkraft gegen Schmerzen«, »Signale gegen Gelenkschmerzen«, »Energie gegen Schmerzen«, »Magnetotherapie hilft von A – Z«.
Was soll man von solchen Schlagzeilen und Ankündigungen halten? Kann man sie einfach als Kuriosum betrachten und schmunzelnd darüber hinwegsehen oder sollte und müsste man sie ernst nehmen, ihnen auf den Grund gehen, sich damit auseinandersetzen? Ist die manchmal ans Mystische grenzende Furcht vor den unsichtbaren Feldern und Strahlen auf der einen und gleichzeitig der übersteigerte Glaube an ihre Heilwirkung auf der anderen Seite berechtigt? Handelt es sich lediglich um eine unbedeutende Zeiterscheinung oder beruht es vielmehr auf Kenntnismangel über die tatsächliche Natur und Wirkung dieser physikalischen Faktoren? Geht die Technik nicht vielleicht im Interesse des Profits zu leichtfertig mit der Gesundheit des Menschen um? Ignoriert, wie in einigen Prospekten betont, die molekular ausgerichtete »Schulmedizin« arrogant die ganzheitlich wirkenden Therapiemethoden mit magnetischen und elektrischen Feldern?
Fragen über Fragen, die sich letztlich nur auf der Basis biophysikalischer Sachkenntnis klären lassen. Allerdings sind zum Verständnis der Situation mitunter auch noch soziologische, psychologische und selbst kulturhistorische Einsichten nützlich. Wir werden in den folgenden Kapiteln sehen, dass diese Problematik beinahe so alt ist, wie die Kenntnis von Magnetismus und Elektrizität überhaupt. Wenn man sich auch in den vergangenen Jahrhunderten keine besonderen Sorgen um mögliche Schäden durch technisch erzeugte elektrische und magnetische Felder auf breite Bevölkerungskreise zu machen brauchte, so gaben doch schon immer ihre eigentümlichen und bis dahin unbekannten Eigenschaften Raum für mannigfache Spekulationen, auch bezüglich ihrer Einwirkung auf den Menschen.
Ursache für diesen Sachverhalt mag wohl sein, dass Magnetismus, Elektrizität und – ausgenommen den engen Frequenzbereich des Lichtes – auch die elektromagnetischen Felder und Strahlen unserer bewussten Wahrnehmung verschlossen sind. Nur indirekt können wir uns durch Messinstrumente von ihrer Anwesenheit überzeugen, sehen ihre Wirkung in der Anziehung von Gegenständen aus Eisen oder im Blitz der elektrischen Entladung, spüren das Muskelzucken im elektrischen Schlag oder erleben die Kommunikation mit Hochfrequenzfeldern beim Einschalten eines Radioempfängers, eines Fernsehers oder eines Telefons, ohne uns dabei allerdings über dieses Wunder der Technik sonderlich Gedanken zu machen.
Unsichtbar Existierendes war dem Menschen wohl immer schon eine Quelle von Furcht und Fantasie. Zunächst war der Elektromagnetismus auch für die Wissenschaft ein Gegenstand fantastischer Spekulationen. Wir werden im Folgenden Gelegenheit haben, uns damit etwas genauer zu beschäftigen. Doch heutzutage ist schließlich die Physik in der Lage, diese Felder zu erklären, sie zu berechnen, sie zu erzeugen und zu messen. Der Ingenieur nutzt dieses Wissen zum Bau vieler Geräte, die als Basis moderner Zivilisation unser Leben erleichtern. Ist damit nicht eigentlich der Elektromagnetismus »entzaubert«? Bleibt da noch Platz für irrationale Spekulationen?
Wenn der Physiker inzwischen auch konkrete Vorstellungen von der Natur dieser Felder hat, der Ingenieur die Ausbreitung und Intensität der Strahlung einer Antenne genau berechnen kann, so sind beide doch nicht in der Lage, schon allein daraus Schlussfolgerungen über mögliche Wirkungen derselben auf den biologischen Organismus zu ziehen. Der Biologe wiederum kennt zwar die elektrischen Potenziale der Zellen, der Arzt die Ströme im Körper, die er beim Patienten als Elektrokardiogramm oder Elektroenzephalogramm misst. Trotzdem können beide zu leichtfertig Rückschlüsse auf mögliche elektromagnetische Beeinflussung der Lebensprozesse ziehen. Tatsächlich ist eine multidisziplinäre Forschung unter Verbindung des Wissens aller dieser Disziplinen erforderlich, um mögliche Gefahren abzuschätzen und eventuell effektive Therapien zu entwickeln. In den folgenden Kapiteln soll versucht werden, die Ergebnisse dieser experimentellen Forschung aus zwei Jahrhunderten zusammenzufassen.
Dabei werden wir auch auf bisher durchaus noch rätselhafte Phänomene stoßen, wie etwa die Magnetorientierung vieler Tiere und die enorme Empfindlichkeit mancher Fische gegenüber elektrischen Feldern der Umwelt. Dies gilt es zu integrieren in das Gesamtbild, das wir uns von den Einwirkungen elektromagnetischer Felder auf das biologische System zu machen haben. Scheint es doch so, als verwiesen diese Beispiele aus der Tierwelt auf die Existenz von Effekten, bei denen die hohe Empfindlichkeit biologischer Systeme direkt in Erscheinung tritt.
Mitunter müssen oberflächliche Analogien und populistische Erklärungen richtiggestellt werden, denen man in der Presse oder auch in Prospekten von Therapiegeräten begegnet. Wie häufig wird zum Beispiel argumentiert, schwache Felder könnten die Gehirntätigkeit beeinflussen, da schließlich auch das Elektroenzephalogramm des Menschen nur Potenzialdifferenzen in der Größenordnung von Mikrovolt zeigt. Oder es wird behauptet, das fließende Blut mit seinen bewegten Ionen und geladenen Zellen ließe sich, der Lorentz-Kraft folgend, durch das Feld eines aufgelegten Magnetpflasters auslenken. Dem Außenstehenden mögen solche Erklärungen auf den ersten Blick logisch erscheinen. Erst ein näheres Hinsehen, die genaue Kenntnis der entsprechenden Parameter und Zusammenhänge entlarvt sie als Scheinargumente und zeigt das Ausmaß irrationaler Spekulationen.
Doch die rein naturwissenschaftliche Betrachtung des Gegenstandes erklärt noch nicht die immer wieder beobachtbare Attraktivität mannigfacher damit verbundener Spekulationen. Offenbar übt das Unbekannte, das »Wundersame« eine nicht zu unterschätzende Anziehungskraft auch auf den Menschen des 21. Jahrhunderts aus. Die Dominanz des Rationalen in unserer Welt hat dies nicht gemindert. Der Aufschwung von Naturwissenschaft und Technik hat nicht nur zu einem enormen kulturellen Aufschwung geführt, er hat uns in gewisser Weise auch ärmer gemacht. Dem Menschen wurde die ihm offenbar immanente Befriedigung seines Gefühls für das »Wunderbare« mehr und mehr entzogen. Abhilfe versuchen heute Film und Literatur zu schaffen. Der weltweite Publikumserfolg von »Harry Potter« mag das illustrieren; die großen Regale mit Esoterikliteratur in unseren Buchhandlungen ebenfalls. Es scheint tatsächlich ein elementares Bedürfnis dieser Art zu geben, das sich heute neue, mitunter abenteuerliche Wege der Erfüllung sucht.
Der Begründer der deutschen Soziologie, Max Weber, hat bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts mit vorausblickender Scharfsicht den Ausdruck »Entzauberung der Welt« geprägt. Er meinte damit den Ausschluss geheimnisvoller, unberechenbarer Mächte aus dem Weltbild des modernen Menschen und seine Überzeugung, dass er »alle Dinge im Prinzip durch Berechnung beherrschen könne«2. Max Weber ist vielleicht auf der anderen Seite des Ozeans mehr gelesen worden als in Deutschland. Die New-Age-Bewegung, die dort in den 1960er Jahren entstand und anschließend auch Europa ergriff, spricht von einem erforderlichen Paradigmenwechsel. Morris Berman, ein Vertreter dieser Richtung nennt in Anlehnung an Max Weber sein Buch »Wiederverzauberung der Welt«. Er spricht von der Notwendigkeit einer »nach-kartesianischen« Weltsicht, bedauert den Verlust des Irrationalen und fordert seine Stärkung gegenüber dem Logos.
Der amerikanische Religionssoziologe Peter L. Berger beschäftigt sich in seinem Buch: »Sehnsucht nach Sinn. Glauben in einer Zeit der Leichtgläubigkeit« mit dem Zulauf moderner Menschen zu Ersatzreligionen und irrationalen Heilslehren. Er deutet dies als Ausdruck einer Haltlosigkeit in unserer säkular orientierten Welt. Liegt die gleiche Tendenz nicht vielleicht auch den verbreiteten Ängsten vor elektromagnetischen Feldern zugrunde und dem, vom wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, irrationalen Glauben an wissenschaftlich unbegründete Therapiemethoden mit elektrischen oder magnetischen Feldern?
Und doch ist der Mensch des 21. Jahrhunderts durch die Wissenschaft geprägt. Bei aller Neigung zur Esoterik ist dieser Einfluss dennoch so stark, dass häufig das Bedürfnis besteht, sich trotzdem noch an etwas Logischem, etwas wissenschaftlich Fundiertem festzuhalten. Dieser Tendenz kommen manche »alternativen« Therapien entgegen, indem sie sich trotz ihres esoterischen Charakters bemühen, Scheinbrücken zu naturwissenschaftlichen Sachverhalten zu bauen.
Dies sei an einer Argumentation erläutert, die uns im Folgenden mehrfach beschäftigen wird: Verschiedene Verfahren esoterischer Ganzheitstherapie, aber auch die radioästhetischen Vorstellungen von Erdstrahlen, beziehen sich oft auf asiatische Heilslehren und benutzen mit Vorliebe den in der chinesischen Medizin verwendeten Begriff ch’i, manchmal auch Qi geschrieben. Dieser tief in der Philosophie des Taoismus verwurzelte Begriff bezieht sich auf eine archaische Vorstellung über eine mögliche Krankheitsverursachung durch Wind oder ein immaterielles Fluidum.
Im Prozess westlicher Assimilation asiatischer Philosophien wurde die Bedeutung dieses Begriffes modifiziert. Ch’i wird von Naturheilkundlern vielfach im europäischen Sprachgebrauch einfach mit »Energie« übersetzt. Das ist zwar nach Meinung führender Sinologen falsch3, doch dies wäre kein Problem für den Biophysiker, denn auch in der Umgangssprache verwendet man den Energiebegriff oft in einem sehr übertragenen Sinne: Man tankt »Energie« im Urlaub, man gibt einem Menschen neue »Energie« durch ein aufmunterndes Gespräch u. a. m. Warum auch nicht? Die Physik hat keinen Besitzanspruch auf dieses Wort, zumal es noch keine 150 Jahre her ist, seit sie es in ihren Sprachgebrauch einbezogen hat. Doch wenn man dieses Wort umgangssprachlich verwendet, dann darf man keine Schlüsse ziehen und Beziehungen herstellen, welche dem eigentlichen physikalischen Energiebegriff zustehen, ihm nicht Eigenschaften des wohl definierten Energiebegriffes der Thermodynamik zuschreiben, also zum Beispiel die Umwandlung einer Energieform in eine andere. Holt man »Reiki, die sanfte Kraft aus dem Kosmos« durch gen Himmel gereckte Hände ein, so kann man dies als Parabel gelten lassen. Diese Bewegung mag entspannend wirken, hat jedoch nichts mit einem biochemischen Energiegewinn zu tun. Wenn man gar von »ultrafeiner« Energiestrahlung der Halbedelsteine spricht oder Geräte anpreist, die angeblich ch’i-Energie elektromagnetisch zuführen können und damit das gestörte Gleichgewicht des Körpers wiederherstellen, wenn in »positive« und »negative« Energie unterteilt wird, dann ist die behauptete »Wissenschaftlichkeit« lediglich eine Mogelpackung.
Es ist natürlich einfach, dem Laien ein wissenschaftlich verbrämtes Scheinbild vorzugaukeln. Im Grunde sind wir doch alle Laien auf Gebieten, in denen wir nicht ausgebildet sind oder mit denen wir uns nicht ausführlicher beschäftigt haben. So wird nun eben das ch’i zu einer elektromagnetischen Energie, die den Gesetzen der Thermodynamik gehorcht. Wer kann schon diesen Trugschluss durchschauen? Der Leser wird im Text dieses Buches noch viele weitere Beispiele dafür finden, wie Wissenschaft für propagandistische Zwecke missbraucht und verfälscht wird. Ein Spezialist dafür scheint u. a. auch der »Facharbeiter für falschen Alarm« zu sein, den der Philosoph Peter Sloterdijk in einer Fernsehdiskussion kürzlich als aussichtsreichen Beruf der Zukunft definierte und der offenbar für viele der eingangs zitierten Schlagzeilen in der Tagespresse zuständig ist.
Wir werden uns im Folgenden immer wieder mit der Diskrepanz zwischen naturwissenschaftlich fundierten Sachverhalten auf der einen und ungeklärten oder auch offenbar unrichtigen Vorstellungen auf der anderen Seite auseinanderzusetzen haben. Am leichtesten ist es mitunter Scharlatane zu entlarven, die es schlicht auf materiellen Gewinn abgesehen haben. In diesem Zusammenhang sei ein Rückgriff auf Arthur Schopenhauer erlaubt, mit dem Zitat: »Niemals hingegen hat es an Leuten gefehlt, welche auf jenes metaphysische Bedürfnis des Menschen ihren Unterhalt zu gründen und dasselbe möglichst auszubeuten bemüht waren … «4
Schwieriger hingegen ist es, gegen tief sitzende Überzeugungen anzugehen, auch wenn diese offensichtlich wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen. Um so mehr, wenn unbestreitbare Naturerscheinungen, wie das Heimfinden der Tauben oder auch die enorme Empfindlichkeit von Fischen auf äußere elektrische Felder bisher biophysikalisch unerklärlich, ja oftmals sogar unmöglich erscheinen. Wenn es nun aber solche Defizite in der Erklärung unbestreitbarer Vorgänge gibt, wie soll man dann einem Wünschelrutengänger begegnen, der behauptet aufgrund von Erdstrahlen eine Wasserader gefunden zu haben? Landet man dann nicht bei der ironischen Feststellung von Mephistopheles über den Skeptizismus des Wissenschaftlers, die wir am Kopf dieses Kapitels zitierten, oder bei Palmströms resignierter Feststellung: »Doch die Wissenschaft, man weiß es, achtet nicht des Laienfleißes!«?5
In solchen Fällen zweifelhafter Erklärung und unklarer Phänomene bleibt uns nur übrig, den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zu erläutern und die offenen Fragen klarzustellen.
Gerade bezüglich der noch ungeklärten Probleme erscheint es interessant und nützlich, hin und wieder einen Blick in die Vergangenheit zu werfen und zu verfolgen, wie die Erkenntnisse über Elektrizität und besonders über den Magnetismus das Geistesleben Europas der letzten Jahrhunderte beeinflusst haben. Nicht nur die Wissenschaft, auch Kunst und Philosophie beschäftigten sich ja ausführlich mit diesem Gegenstand. Wir werden dies im nächsten Abschnitt darstellen und auch auf Arthur Schopenhauers Artikel »Animalischer Magnetismus und Magie« eingehen, der dem Ende seiner Schaffenszeit entsprang. Wenn auch die dort geäußerte Vorstellung über den Bezug von Magnetismus zum Willen selbst im Lichte der damaligen Physik keineswegs akzeptabel war, so stimmt das folgende Zitat daraus doch etwas nachdenklich: »Um über alle geheime Sympathie oder gar magische Wirkung vorweg zu lächeln, muss man die Welt gar sehr, ja ganz und gar begreiflich finden. Das kann man aber nur, wenn man mit überaus flachem Blick in sie hineinschaut, der keine Ahndung davon zulässt, dass wir in ein Meer von Rätseln und Unbegreiflichkeiten versenkt sind und unmittelbar weder die Dinge noch uns selbst von Grund aus kennen und verstehen«.
Wir werden im Folgenden versuchen, diesem Vorwurf entgehend, in dieses »Meer von Rätseln und Unbegreiflichkeiten« einzudringen und eben diesen »flachen Blick« zu vermeiden. Wenn trotzdem noch manches unterm Strich ungelöst bleibt, so überlassen wir dies der Zukunft weiterer Forschung und Erkenntnis.
Die geheimnisvolle Wirkung des Magnetsteins – Vom chinesischen Löffel-Orakel zum Magnetkompass – Der Magnetismus als kosmische Kraft im System der Planeten und gleichzeitig als Lebenskraft, der »vis vitalis« – Paracelsus, Goclenius, Kirchner, Mesmer und die Entwicklung der Lehre vom animalischen Magnetismus – Puységur und der »magnetische Schlaf« – das Geheimnis des Magnetismus in Kunst und Philosophie – von E.T.A. Hoffmann bis Arthur Schopenhauer
In vielen Kulturen spielten Magneteisensteine eine Rolle und faszinierten durch ihre Eigenschaft, Kräfte aufeinander und auf eiserne Gegenstände auszuüben. Der Begriff »Magnet« stammt aus dem griechischen Altertum und bezieht sich auf die thessalische Landschaft Magnesia, die besonders reich an magnetischen Erzen ist. Empedokles (495–435 v. Chr.) verwendete für dieses Mineral die Bezeichnung »Herakleischer Stein« und versuchte eine Erklärung dieser Kräfte durch eine Theorie mechanischer Flüsse. Nicht nur in Europa, sondern auch in China war der Magnetstein bereits in grauer Vorzeit bekannt. Hier erkannte man erstmals, dass auch unser Planet eine magnetische Eigenschaft besitzt und dass man die Magnetnadel zur Orientierung verwenden kann.
Es ist übrigens interessant, dem Ursprung dieser Entdeckung nachzugehen. In China war nämlich seit früher Zeit ein Orakelsystem in Gebrauch, das einem Roulette glich. In einem Hohlgefäß lag ein schwerer Löffel mit einem leichten Stiel – so ausbalanciert, dass er sich, auf seiner Wölbung gelagert, leicht drehen konnte. In Schwung versetzt, drehte sich der Löffel um diese Achse und blieb schließlich in einer Richtung stehen, wobei sein Stiel auf ein magisches Zeichen am Rande dieses Gefäßes zeigte. Diese Löffel waren als Kultgegenstände kunstvoll aus verschiedenen kostbaren Materialien gefertigt, zumeist aus Jade, zuweilen aber auch aus Magnetstein. Dessen Eigenschaft, so stellte man bald fest, ließ sich leicht zur Manipulation des Orakels verwenden, denn der Löffel, nun einer Kompassnadel vergleichbar, zeigte Vorzugspositionen, die man bei richtiger Orientierung des Gefäßes nutzen konnte. Aus diesen Experimenten entstand schließlich der Kompass, der in China in der Landvermessung und in der Seefahrt bereits in der Sung-Dynastie (960–1126) Verwendung fand6.
Von hier aus gelangte dieses Wissen nach Europa, wo die Polarität der Magneten 1180 n. Chr. erstmalig zur geografischen Orientierung eingesetzt wurde. Als europäischer Begründer der Wissenschaft vom Magnetismus wird der Arzt und Ingenieur Pierre de Maricourt genannt, der im Jahre 1269 seinen allerdings erst 1558 gedruckten »Brief über den Magneten« schrieb. Er untersuchte die Orientierung schwimmender Kugelmagneten, die er »terella« nannte, und kam zu dem Schluss, dass es sich dabei um die Wirkung einer kosmischen Kraft handeln müsse: »«. Erst William Gilbert erkannte um das Jahr 1600 letztlich die eigentliche magnetische Polarisation der Erde.
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