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Liebe Leserinnen und Leser! Nach jahrelangen Recherchen und nach unzähligen Videokonferenzen mit Frau Dr. Hilde Brösel-Brahamowitz und dem Polizeipsychologen Dr. Edward Fein sind wir zu der Einsicht gelangt, dass die meisten Morde im Umfeld der Schlagerszene verübt werden. In einer nie dagewesenen Kaltblütigkeit und mit einer unvergleichbaren Raffinesse morden die potenziellen Liebhaber dieser Musikrichtung im festen Glauben daran, richtig gehandelt zu haben. Die Meinung von Professor Diethelm von Bratsche, dass solche Morde oft unter dem Einfluss eines unwiderstehlichen Impulses verübt werden, können und müssen wir so stehen lassen. Kein Fall hatte mich in den letzten Jahren derart beschäftigt, wie die vermeintliche Ermordung des Schlagersängers »Freddy Stark«. Dieses Buch ist Freddy gewidmet mit dem Versprechen, Licht in die mysteriösen Umstände seines Todes zu bringen. Euer Herbert von Willensdorf
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Seitenzahl: 254
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Die Stimmung war ausgelassen und dicht drängten sich die verschwitzten Leiber aneinander, in der Hoffnung, einen der begehrten Plätze in der vordersten Reihe zu ergattern. Erwartungsvoll erwartete die Menge den bevorstehenden Auftritt der »Calmbacher Buebn«, mit angespannter Nervosität. Langsam, aber stetig entwickelte sich eine Schunkelstimmung, welche die schwüle Luft vibrieren liess. Einige nicht mehr ganz junge weibliche Fans standen in der ersten Reihe und schwenkten ihre Damenhöschen, um sie spätestens nach dem dritten Song den Musikern zuwerfen zu können. Während die vier Protagonisten backstage ihre Brusthaartoupets zurechtrückten und ab und zu einen grossen Schluck aus der Strohrumflasche nahmen, betrat Friedhelm Plenske, ehemaliger Fleischermeister aus Bochum, sichtlich abgekämpft die Bühne und griff sich mit seinen wulstigen Händen ein Mikrofon, räusperte sich und sprach zu den wartenden Zuschauern mit leiser, aber bestimmter Stimme:
»Liebe Festivalbesucher, ich möchte Sie nochmals darauf hinweisen, dass die Einnahme von stimulierenden Substanzen auf dem ganzen Gelände verboten ist. Auch ist es mittlerweile erwiesen, dass die Einnahme von ›Snuf‹ im Zusammenhang mit Schlagermusik zum Wahnsinn führen könnte.«
Einige Zuschauer applaudierten und pfiffen, weil es an solchen Anlässen üblich ist, zu applaudieren und zu pfeifen.
»Auch ist es untersagt, die Bühne während des Auftritts der ›Buebn‹ zu stürmen und irgendwelche festen Gegenstände auf die Bühne zu werfen.«
Mit einem Donnerschlag, begleitet von einer ausgeklügelten Pyroshow, sprangen die Sänger auf die Bühne und gaben sogleich ihren grossen Hit »Wir sind die Calmbacher Buebn, la, la, la« zum Besten. Alle Fans sangen den Text lautstark mit, welchen »Toni Brink« eigens für die Calmbacher Buebn komponiert hatte. Die Tanzschritte, welche die Folklore-Boygroup vereinbart hatte, wirkten statisch, doch die Festivalbesucher, welche in dieser Mittagshitze schon einige Bierchen intus hatten, störte es nicht, die hätten genauso geklatscht, wenn Bugs Bunny auf der Bühne gestanden hätte. Bei dem zweiten Song »Ich schenk dir eine schwarze Rose« wurden bereits die ersten weiblichen Fans von der herbeigerufenen Security weggetragen. Das leichte Schwanken der Sänger wurde als gelungene Performance angesehen, und jeder von ihnen hoffte für sich selber, dass er den Text nicht vergessen möge. Die Zuschauer tobten und die Stimmung erreichte ihren Höhepunkt, als einer der Darbietenden, Fredl Mayer, sein Hemd auszog und es zusammen mit seinem Brusttoupet in die kreischende Menge schleuderte.
Schweissgebadet wachte Freddy Stark auf und erinnerte sich daran, wieder diesen, denselben Traum gehabt zu haben. Immer dasselbe Konzert mit den immer wiederkehrenden Calmbacher Buebn. Sein Pyjama-Oberteil klebte an seinem Körper.
Freddys Blick wanderte durch sein kleines Zimmer, welches nur mit dem Nötigsten eingerichtet war, und blieb an einer halben Flasche Bourbon, welche auf dem kleinen Nachttisch stand, hängen. Er streckte seine zittrige Hand aus, griff sich die Flasche und nahm einen kräftigen Schluck. In einer Ecke seines Zimmers stand ein alter Notenständer, was daran erinnerte, dass ein Musiker diese kleine Plattenbauwohnung bewohnte.
Freddy setzte sich auf und zündete sich eine Zigarette an. Die letzten Wochen und Monate waren nicht einfach für ihn, zu viel hatte in dieser Zeit gegen ihn gearbeitet, und trotz seiner Bemühungen und der Mithilfe eines mehr oder weniger angesehenen Anwaltes brachte er es nicht fertig, sein Recht durchzusetzen. Seine naive Gutgläubigkeit zeigte ihm seine Grenzen auf, und immer wieder stellte er sich dieselben Fragen, auf die es keine Antworten gab. Er brauchte sich keine Vorwürfe zu machen, es nicht wenigstens versucht zu haben, auch wenn er einem unverhältnismässig starken Gegner gegenüberstand. Sein Rücken schmerzte, als er sich langsam aus seinem Bett wälzte und sich wie ein Dieb in das daneben liegende kleine Badezimmer schlich.
Die düstere Beleuchtung durchflutete den Raum und vermischte sich mit dem angestandenen Zigarettenrauch, und nur der rotierende Abluft-Ventilator schien diesem Raum etwas Leben einzuhauchen. Zwei leere Augen blickten in den ovalen Spiegel. Seine Haare waren kurz geschnitten, gepflegt, worauf er schon zu Beginn seiner vermeintlichen Schlagersänger-Karriere peinlichst genau achtete. Äusserlich glich er immer noch einem Schlagersänger, vielleicht etwas zu stereotyp, aber die Frauen liebten ihn und seine damalige Plattenfirma sorgte dafür, dass es auch jahrelang so blieb, denn wir wissen, dass die Musikindustrie weniger Geld den Musikern zukommen lässt, nein viel mehr wird in die Beeinflussung des Musikgeschmacks der breiten Masse investiert und so mancher Musikkonsument wurde von der Unwiderstehlichkeit eines Freddy Stark überzeugt. Wir fragen uns anschliessend, was ausser seinen einstudierten Bewegungsabläufen und seiner farblosen Stimme noch dazu beigetragen hatte, dass sich Freddy die ganzen Jahre in einem eher unbefriedigten Mittelmass halten konnte. Mit einer längst eingeübten Bewegung strich sich Freddy über das Gel-verklebte Haar, öffnete den Spiegelschrank, und während er eine weitere seiner Beruhigungspillen einwarf, liess er sich mit der anderen Hand ein Vollbad einlaufen. Trotz seiner 34 Jahre wirkte sein Körper jugendlich, ausser dem unübersehbaren Ansatz von Männerbrüsten, welche aber ausschliesslich auf den Verzehr von hormonell angereichertem Schweinefleisch zurückzuführen waren. Seine Bräune wirkte unecht, und man sah deutlich die Abdrücke der Brille, welche er im Solarium immer getragen hatte. Schon als kleiner Junge wirkte er zierlich und zerbrechlich. Fein waren seine Gesichtszüge gezeichnet, und seine Mutter fand, dass »Rheinhold«, wie Freddy in Wirklichkeit hiess, etwas schwul wirken würde, doch ihre Nachbarin, Frau Schwätzer, prophezeite ihm eine glänzende Karriere als Herrenfrisör oder Schlagersänger.
Seinen Vater sah er selten, denn dieser betrachtete sämtliche Kneipen in seiner Umgebung als zweites Zuhause. Seine langjährige Arbeitslosigkeit hatte ihn zermürbt und ausser seinen Hobbys, Kriegsschiffe aus Streichhölzern zu basteln und alte Zeitungen zu sammeln, hatte er keine Perspektive, ausser der Hoffnung, dass aus seinem Sohn Rheinhold einmal ein erfolgreicher Unternehmer werden und ihm und seiner Mutter die Möglichkeit bieten würde, die stolzen Besitzer eines eigenen Einfamilienhauses zu sein. Seine Mutter war die Gutbürgerlichkeit in Vollendung, sozusagen eines der letzten Auslaufmodelle der Zeit des längst vergangenen Zeitalters des deutschen Wirtschaftswunders. Mit dem Hartz 4 seines Vaters und einigen Putzjobs konnte sich die Familie so schlecht und recht über Wasser halten. Rheinhold mangelte es an nichts, nein, er gestand sich später ein, eine zufriedene Kindheit gehabt zu haben, und über seines Vaters Alkoholproblem wurde mehr oder weniger hinweggesehen, auch deshalb, weil er die ganzen Jahre nie gewalttätig geworden war.
Gedankenversunken rasierte sich Freddy mit seinem Trockenrasierer, welchen er vor über zehn Jahren von seiner damaligen Freundin »Rosel« zum Geburtstag geschenkt gekriegt hatte. Die Wunden dieser Trennung waren bis heute nicht vollständig verheilt, denn sie war nicht nur seine Freizeitmanagerin, nein, er hatte auch wunderbaren Sex mit ihr. Sie lebten damals in Stuttgart in einer grossen Loft-Wohnung zusammen, in der er ein kleines Musikstudio eingerichtet hatte. Die einzige Schwierigkeit bestand darin, ihre Vorliebe für die Sex Pistols und Marylin Manson mit der Welt des Schlagers in Einklang zu bringen. Sämtliche Diskussionen über die Verlogenheit des Schlagerbusiness prallten an ihm ab, denn er wollte sich die heile Friede-Freude-Eierkuchen-Scheinwelt, in die er eintauchen konnte, nicht nehmen lassen. Fast niemand wusste aber Bescheid über die oft tragischen Lebensläufe so mancher Musiker, welche bis kurz vor ihrem Ableben, oft durch eigene Hand, mit einem aufgesetzten Lächeln in die Kameras gegrinst hatten. Er wusste, wie er sich in Szene setzen musste, um den Ansprüchen des Publikums gerecht zu werden. Freddy konnte mit Frauen umgehen und sein Vorzeige-Schwiegersohn-Image sprach auch die über 70-Jährigen an, was ihm auch so einige Heiratsanträge einbrachte. Kein Tag verging, ohne dass sich nicht irgendein weiblicher Schlagerfan ein Kind von ihm wünschte. Abgesehen von seinen peinlichen Auftritten bei Geschäftsanlässen, in Kantinen von irgendwelchen Grosskonzernen, wenn die betrunkenen weiblichen Mitarbeiterinnen in einer schon fast obszönen Art »ausziehen, ausziehen« gerufen hatten. Einmal hatte sich Freddy sogar den Fussknöchel verstaucht, als er versuchte, einige Tanzschritte zum Besten zu geben, welche er bei Elvis Presley abgeguckt hatte. Dass er kein guter Tänzer war, musste er sich anschliessend eingestehen. Freddy war ein bekennender Edith-Piaf-Bewunderer und ebenso versuchte er, ruhig und besonnen auf der Bühne zu stehen, während er seine Lieblingscoverversionen von Roy Black und den Amigos zum Besten gab. Er hatte mal einen Hörsturz und eine Stimmbänderreizung, welche er sich zuzog, als er vergebens versuchte, das hohe C zu singen. Sein selbsternannter Manager »Bruno«, man nannte ihn in Insiderkreisen auch den »geilen Bruno«, wie er aber zu seinem Namen kam, wusste niemand mit Bestimmtheit, womöglich wurde ihm dieser Name zugesprochen, weil bei ihm anlässlich einer Hausdurchsuchung pornographisches Material gefunden wurde, also dieser Bruno genoss diese Bezeichnung sichtlich auch deshalb, weil er in seinem Leben noch nie eine feste Beziehung hatte. Einsam weilte Bruno in seiner Villa am Stadtrand, betreute seine schon fast berühmte Kakteensammlung, doch noch fast berühmter waren seine Wiener Schnitzel, welche er bei jeder Gelegenheit für alle und jeden zubereitete. Seine Paniermehl-Mischung stellte alles in den Schatten, denn man munkelte, dass Bruno ab und zu einige seiner speziellen Kakteen hineinraffelte. Gefühlte zweihundert Schnitzel hatte Freddy vertilgen müssen, immer begleitet von Diskussionen über die Weiterentwicklung von Freddys Karriere. Sein letztes Schnitzel bereitete Bruno am 16.9.1999 morgens um 11 Uhr 30 zu, bevor er in seinem Garten aus seinem Swimmingpool gefischt wurde. Mit seiner Gesundheit stand es so oder so nicht zum Besten und alle wussten, dass dieses Schnitzel, dieses eine Schnitzel, zu viel war. Irgendwie hätte ich gerne einen Mordfall aus seinem Ableben konstruiert, doch er starb zweifelsfrei an einer fortgeschrittenen Herzverfettung. Auf seiner Beerdigung gaben sich einige der bekanntesten Schlagergrössen die Ehre, wobei die meisten auf Grund ihrer zahlreichen Schönheitsoperationen nicht mehr als diese erkannt wurden, die sie einmal waren. Erstarrte Gesichter ohne emotionale Regungen reihten sich aneinander, immer von der Angst getrieben, nicht im richtigen Licht zu erscheinen.
Langsam entledigte sich Freddy seines Tigerslips, welcher ihm bei einem seiner Open-Air-Konzerte von einer Verehrerin zugeworfen wurde, zupfte seine Augenbrauen und wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass dies sein letztes Vollbad sein würde.
Liebe Leserinnen und Leser! Kein Tag verging, ohne dass ich nicht an das tragische Hinscheiden meines Freundes denken musste. Ich hoffe, meine kleine Einführung über das Leben von Freddy hat Euch nicht zu sehr belastet, aber es war unumgänglich, Bruchstücke seines Lebens zu beschreiben, um meine These eines vermeintlichen Mordes zu stützen.
Längere Zeit weilte ich schon in Nicaragua auf einer wunderschönen Insel namens Corn Islands. Der Traum jener Touristen, welche in einer bis zwei Wochen ausspannen, Land und Leute sowie sämtliche exotischen Speisen im Beach Restaurant Pinstake kennenlernen wollten. Wenn ich ehrlich zu mir selber sein wollte, bedeutete meine Reise auch eine Art Flucht, oder eine Suche nach Zerstreuung, um nicht andauernd über meine Unfähigkeit nachdenken zu müssen. Denn es war Mord, obwohl die Kriminalpolizei in Stuttgart von einem Unfall ausging und die Akte Nr. 4729 nach kurzer Zeit geschlossen wurde. Fragen über Fragen drängten sich in den Vordergrund. Zum Beispiel: Warum hatte keine Obduktion stattgefunden, um herauszufinden, ob Freddy ein schwaches Herz oder einen Herzfehler hatte? Die Diagnose des herbeigerufenen Arztes deutete auf ein starkes Herzkammerflimmern mit anschliessendem Herzversagen hin. Seltsamerweise brachte man ihn nicht in die Gerichtsmedizin, nein, er wurde auf direktem Wege ins Krematorium gefahren. Dieses Vorgehen hatte einige Fragen aufgeworfen, welche ich beantwortet haben wollte.
»Was wühlst du in einer Sache rum, die so glasklar ist«, sagte Kommissar Huber zu mir. »Der Mann ist an einem Herzschlag gestorben, das kommt fast täglich vor, einer von vielen, nur du, Herbert, verbeisst dich in Verschwörungstheorien. Lass die Toten ruhen und gewinne Abstand, nur weil der Tote ein Schlagersänger war, muss er nicht zwangsläufig einem Mordanschlag zum Opfer gefallen sein«, witzelte er und machte Anstalten, das Gespräch mit mir zu beenden. Es war das erste Mal, dass ich den Kommissar in dieser abweisenden Art erlebt habe, der sonst freundlich zuvorkommende Polizist wirkte schon fast aggressiv, was mir weitere Nahrung bot, an ein dunkles Geheimnis zu glauben.
»Ich denke, dass ich bezüglich der Aufklärung dieses Todesfalles nicht weiter auf dich zählen kann, aber ich kann dir versichern, der Sache nachzugehen«, sprach ich mit fester, überzeugter Stimme und verliess, ohne mich von ihm zu verabschieden, das Kommissariat.
Der schwache, warme Wind wehte mir den feinen Sand in die Augen, während ich mich dem Restaurant Pinstake näherte. Täglich absolvierte ich meine Strandspaziergänge, immer den Blick auf das Meer gerichtet, obwohl ich nicht wusste, nach was ich Ausschau halten sollte. Hin und wieder kreuzten die riesigen Passagierschiffe an der kleinen Inselgruppe vorbei und verschwanden kurze Zeit später wieder in der Weite des Meeres. Vorbei an Palmenhainen, eingesäumten Wegen und schliesslich am Holzsteg, der bis zum Meer hinunterführte, entlang, erreichte ich das Restaurant Pinstake. Nur wenige Touristen sassen auf der ausladenden Terrasse, welche mit Feuerschalen dekoriert war, die ein Schattenspiel auf die angrenzenden Palmen warfen. Einzig auf meinen Reisen nach Indien habe ich Vergleichbares gesehen, als wir von Mumbai nach Goa per Schiff unterwegs waren, um dort den Polizeioffizier Benjanji bei seinen Ermittlungen zu unterstützen. Ein aus Agra stammender Geschäftsmann wurde erschossen, als er gerade den Conaught Place überqueren wollte, und das Versagen der dortigen Polizei gipfelte in dem, dass behauptet wurde, er habe sich selbst vier Mal in den Rücken geschossen. Keiner ausser Benjanji hegte Zweifel an dieser abstrusen Theorie, und weil ich in einer geheimen Mission Richtung Sri Lanka unterwegs war, blieb mir noch Zeit, mich um den tatsächlichen Mord zu kümmern.
Jeffrey Costa war der einzige Kellner im Pinstake Restaurant und winkte mir zu, als ich mich der Terrasse näherte. Eine angenehme Mischung von traditioneller Latin Musik mit Reggae-Elementen wirkte fast säuselnd und unterstrich die Harmonie dieses schon fast magischen Ortes.
»Hallo Jeffrey«, begrüsste ich ihn und setzte mich auf einen der aus Palmenblättern geflochtenen Stühle.
Jeffrey, den ich in einem Hotel in Peru kennengelernt habe, stand mir schon damals sehr nahe, denn seine angenehme Ausstrahlung wirkte auf mich beruhigend, und das tat mir gut, denn die damalige Zeit war hektisch und eine ruhelose Zeit für mich. Jeffrey hatte einige Semester Psychologie an der Universität in Lima studiert, musste aber aus finanziellen Gründen sein Studium unterbrechen, und seither jobbte er sich so durch sein Leben. Nie hätte ich die Morde an den zwei Museumswächtern in Lima lösen können, wenn Jeffrey mir nicht mit seinem psychologischen Scharfsinn zur Seite gestanden wäre.
Jeffrey setzte sich zu mir an meinen Tisch und wir unterhielten uns über vergangene Zeiten, in denen wir zusammengearbeitet hatten.
»Ich muss dich um deine unabhängige Meinung im Zusammenhang mit einem Mordfall, den ich im Moment zu lösen versuche, bitten«, wendete ich mich etwas ernsthafter an ihn.
»Wenn ich kann«, erwiderte er und nahm augenblicklich eine gerade, konzentrierte Sitzhaltung ein.
Ich fuhr fort in einer versuchten Unvoreingenommenheit.
»Es fällt mir immer noch nicht leicht, darüber zu sprechen, da mir das Ganze sehr nahe ging, vor allem, weil ein guter Freund von mir in diese Angelegenheit involviert war. Stell dir vor, ein Schlagersänger, welcher in einer Einzimmerwohnung zurückgezogen lebte und auch sonst keine Auffälligkeiten aufwies, wurde eines Morgens tot in seiner Badewanne aufgefunden. Nach Aussagen eines herbeigerufenen Arztes war dieser Mann an einem Herzschlag, also eines natürlichen Todes gestorben, was ich einfach nicht so stehen lassen kann. Ohne mich irgendwelchen Verschwörungstheorien hinzugeben, muss ich nüchtern betrachtet feststellen, dass sich auf Grund meiner ersten Recherchen einige Ungereimtheiten ergaben.«
Leider mussten wir unser Gespräch kurz unterbrechen, da Jeffrey von einem Gast schon mehrmals gerufen wurde.
»Meinst du nicht, dass du auf Grund einer möglichen Befangenheit die Wahrheit nicht akzeptieren kannst?«, warf Jeffrey ein, als er wieder zu unserem Tisch zurückkam.
»Ja, ich weiss, ich habe mich irgendwie in diese Sache verrannt, aber wenn ich dir nun erzähle, was ich bisher herausgefunden habe, wirst du die Theorie eines Unfalls auch in Frage stellen. Warum wurde der Tote nicht von einer Nachbarin oder von einem Freund von Freddy gefunden? Ohne dass die Polizei irgendeinen anonymen Anruf oder dergleichen erhalten hatte, waren sie zuerst vor Ort, zogen einen Polizeiarzt hinzu und kurze Zeit später wurde der Leichnam abtransportiert und die Wohnung nicht, wie sonst so üblich, versiegelt. Warum wurden mir die Antworten auf meine Fragen verweigert, obwohl es im Interesse der Polizei sein würde, dass ich versuche, der wirklichen Todesursache auf den Grund zu gehen?«
»Warst du in seiner Wohnung?«, fragte mich Jeffrey.
»Ja, mehrmals.«
»Hast du zum Beispiel überprüft, ob ein Haarfön oder ein elektrischer Rasierapparat ins Wasser geworfen werden konnte, während dein Freund sein Vollbad nahm?«
»Die Kabel waren zu kurz und ausser mittels einer Verlängerung, welche ich aber keine in seiner Wohnung gefunden hatte, wäre es nicht möglich gewesen«, beantwortete ich seine Frage. »Das Einzige, was mir aufgefallen war, irgendjemand hatte an der Steckdose herumgeschraubt, ich sah aber keinen direkten Zusammenhang mit einem eventuellen Stromschlag. Im Sicherungskasten lag eine defekte Sicherung, und ich war überzeugt davon, dass jemand eine neue Sicherung eingeschraubt haben musste, und wenn sich niemand ausser der Polizei und des Arztes in der Wohnung aufgehalten hatte, musste es zwangsläufig zu dieser Zeit geschehen sein.«
»Herbert, entschuldige, dass ich vorerst deine Befürchtungen etwas heruntergespielt habe. Mit all diesen Indizien ist es schon fast deine Pflicht, den Fall weiter zu verfolgen.«
»Die einzige Schwierigkeit besteht darin, dass ich die Polizei, sprich Stefan Huber, nicht einbeziehen kann, weil es für mich keinen Zweifel mehr gibt, dass etwas vertuscht werden sollte, etwas, was nicht in die Öffentlichkeit dringen darf«, entgegnete ich ihm, während ich an meinem Kokosnussdrink nippte und die angenehme Kühle des Abends in vollen Zügen genoss. Jeffrey schwieg, aber man merkte, dass er sich irgendwelche Theorien zurechtlegte, um Erklärungen zu finden, aber ohne weitere Recherchen wirkte alles rein spekulativ.
»Du wirst es nicht glauben«, unterbrach ich die momentane Stille, »ich habe mir, um mich besser in diesen Fall einarbeiten zu können, sämtliche Schlager von diesem Freddy Stark angehört und du kannst es mir glauben, dass ich dabei fast verrückt geworden bin.«
»Ist nicht dieser Song ›Herzilein, du musst nicht traurig sein‹ auch von diesem Interpreten?«, fragte mich Jeffrey und tat irgendwie so, als würde er etwas von dieser Materie verstehen.
»Nein, aber sein Song ›Puste Kuchen‹ wurde sogar einige Male im Radio gespielt.«
»Mein Musikgeschmack ist das nicht«, erwiderte Jeffrey und versuchte damit, einen Themawechsel herbeizuführen, was auch in meinem Interesse lag.
»Mein Problem ist«, sprach ich weiter, »dass ich von hieraus meine Nachforschungen nicht weiterführen kann und gezwungen sein werde, in den nächsten Tagen nach Stuttgart zurückzufliegen. Ich würde es begrüssen, wenn du dich auch freischaufeln könntest, um mich zu unterstützen. Wie du weisst, arbeite ich ansonsten im Alleingang, aber diese Sache ist mir dann doch eine Nummer zu gross.«
»Ich könnte mir zwar ein schöneres Reiseziel vorstellen«, gab er zurück, »doch die Vorstellung, mit dir diesen Fall weiterzuverfolgen, reizt mich und zudem habe ich noch einige Freitage, welche ich bis Ende des Jahres einziehen muss, und ehrlich gesagt habe ich im Moment von den Palmen die Schnauze voll.«
Liebe Leserinnen und Leser, wir wissen bereits, dass dieser angebliche Mordfall, sofern Sie es auch für einen solchen halten, eine Dimension annehmen wird, die selbst für einen »von Willensdorf« eine unglaubliche Herausforderung darstellen könnte, wie er sie bis jetzt noch nie erlebt hat, ausser vielleicht bei der Aufklärung des Mordes an dem Double des Botschafters aus Burundi.
Gedankenversunken sassen Jeffrey und ich in der Touristenklasse, sprachen nur wenig und konzentrierten uns auf die bevorstehende Landung des Flugzeuges, welches bereits den Flughafen von Stuttgart ansteuerte. Stuttgart ist eine dieser Städte, welche keine besondere Ausstrahlung besitzt, und ich denke, dass es kein Ort wäre, meinen Lebensabend zu verbringen, wenn es dann so weit kommen würde. Ohne ein Hotelzimmer reserviert zu haben, fuhren wir mit dem Taxi zum Arnulf-Klett-Platz ins Steigenberger Hotel Graf Zeppelin. Schon einige Male war ich in diesem Hotel abgestiegen. Trotz einer grossen Tagung, welche alljährlich in Stuttgart abgehalten wird, waren glücklicherweise noch einige Zimmer frei und wir zogen uns in unsere Zimmer zurück, um uns von der Strapaze dieser langen Reise erst mal zu erholen. Wir verabredeten uns erst wieder abends im hoteleigenen Restaurant, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
»Muss es denn gerade ein 5-Sterne-Hotel sein?«, war das Erste, was Jeffrey zu mir sagte, als er sich an meinen Tisch setzte.
»Für meinen Freund ist nur das Beste gut genug und du bist selbstverständlich eingeladen. Wie du weisst, verfüge ich über Mittel, die es mir erlauben, in einer der oberen Ligen mitzuspielen. Jetzt möchte ich über solche Nebensächlichkeiten nichts mehr hören, wir wollen uns nun eine Strategie ausarbeiten, wie wir hinter das Motiv dieses feigen Mordes kommen könnten. Ich würde vorschlagen, dass du dich bei der Plattenfirma umsiehst, bei der Freddy zuletzt unter Vertrag stand, denn wir müssen mehr über seine letzten Monate in Erfahrung bringen. Ich mag mich noch gut daran erinnern, wie Freddy mir einmal den Namen ›Phono Records‹ genannt hat, anderseits war auch von einem gewissen Bruno die Rede.«
Das Essen auf dem Teller wirkte sehr übersichtlich, und in diesem Moment wünschte ich, wir sässen in einer Frittenbude, um uns an einer währschaften Currywurst gütlich zu tun. Stattdessen assen wir etwas Undefinierbares, was man auch nach mehrmaligem Üben nicht aussprechen konnte.
Die Zeitumstellung setzte mir derart zu, dass ich mich schon früh wieder zurückzog. Mein Hotelzimmer war im wahrsten Sinne des Wortes prunkvoll, mit einem Rund-um-die-Uhr-Service, das gab mir die Möglichkeit, nachts um halb elf Uhr eine Flasche Margaux 1987 zu bestellen. Erst nach Stunden fand ich den Schlaf, den ich so dringend benötigte.
Schon frühmorgens um sieben Uhr wachte ich auf und im ersten Moment wusste ich nicht, wo ich mich befand. Ich hatte über eine halbe Flasche Margaux getrunken, fühlte mich aber frisch und ausgeruht. Nach einer guten Tasse Kaffee im Restaurant fuhr ich wieder mit dem Fahrstuhl nach oben und klopfte vorsichtig an die Türe von Jeffreys Zimmer. Auch nach mehrmaligem Klopfen bekam ich keine Antwort. Da ich die Türe des elektronischen Schlosses wegen nicht öffnen konnte, meldete ich mich an der Rezeption. Der freundliche junge Mann bestätigte mir, dass Herr Costa schon um 6 Uhr 30 mit zwei Herren in Begleitung das Hotel verlassen hatte.
»Wie sahen die zwei Herren aus?«, wollte ich von dem Portier wissen.
»Ganz durchschnittlich, aber eher etwas unpassend für dieses Hotel. Einer von ihnen trug einen Krempenhut und der andere zog etwas sein Bein nach und hatte einen schleppenden Gang. Da Herr Costa freiwillig mit diesen beiden das Hotel verliess, dachte ich mir, es seien Bekannte von ihm gewesen.«
»Doch, so wird es gewesen sein«, entgegnete ich ihm, obwohl ich wusste, dass einer der beiden Kommissar Stefan Huber war. Jetzt setzen sie den Hebel bei Jeffrey an, um mich von der Sache fernzuhalten.
Gerade als ich das Hotel verlassen wollte, kam mir Jeffrey zu Fuss entgegen und man sah auf den ersten Blick, dass man ihn auf der Polizeiwache in die Mangel genommen hatte, denn er hatte einen vornübergebeugten Gang, als hätte man ihn mit Faustschlägen in die Magengegend malträtiert. Ich stützte ihn, so gut es ging, und wir setzten uns erst mal in ein kleines Café, welches sich direkt neben dem Hotel befand.
»Ich brauche nicht dreimal zu raten, wer dich so zugerichtet hat, denn der Portier des Hotels hat die Männer so gut beschrieben, dass ich wusste, wer für die vermeintliche Entführung verantwortlich war.«
»Sie haben mich ausgequetscht und wollten von mir erfahren, was wir wissen, und drohten mir, uns für immer verschwinden zu lassen, falls wir die Sache nicht endlich auf sich beruhen lassen. Der Kommissar sass nur da und befahl den anderen zwei Polizisten, mich zusammenzuschlagen, sozusagen als Warnung für uns beide. Sie haben aber nichts aus mir herausgekriegt, denn ich kann einiges einstecken, denn solche Prügel habe ich früher von meinen Eltern schon vor dem Frühstück gekriegt.«
»Es tut mir leid, Jeffrey, ich hätte dich nicht überreden sollen, mit mir nach Stuttgart zu kommen.«
»Wir werden das zusammen durchstehen«, antwortete mir Jeffrey mit einem immer noch schmerzverzerrten Gesicht. »Bitte leg dich erst mal etwas hin, wir werden den Hintereingang des Hotels benutzen, um den Hotelmanager nicht zu beunruhigen.«
»Würden wir in einer Absteige übernachten, wie ich es anfangs angenommen habe, so würde es nicht mal auffallen«, witzelte Jeffrey, als wir die Fahrstuhltüre langsam hinter uns schlossen. Bis zu seinem Zimmer waren es nur wenige Schritte und so konnten wir ungesehen in seinem Zimmer verschwinden.
»Ich hätte nie gedacht, dass Kommissar Huber uns überwachen lässt und mit einer solchen Heftigkeit auf unsere Nachforschungen reagieren würde. Eine kleine Luftveränderung drängt sich auf, denn wir wollen dem Kommissar keine Möglichkeit bieten, etwas Derartiges zu wiederholen«, sagte ich zu Jeffrey in einem beruhigenden Ton.
Jeffrey nickte nur und war irgendwie froh, aus diesem Etablissement ausziehen zu können, welches überhaupt nicht seiner Vorstellung von einem ungezwungenen Dasein entsprach.
»Ein guter Freund von mir besitzt einen kleinen Bauernhof, ausserhalb von Stuttgart. Ich werde ihn aus einer öffentlichen Telefonzelle anrufen, denn wir wissen nicht mit Bestimmtheit, wie weit unser Kommissar mit seinen Überwachungen gehen wird, um uns irgendwelche Knüppel zwischen die Beine werfen zu können.«
Als ich das Hotel verliess, fiel mir eine schwarze Limousine auf, welche auf der gegenüberliegenden Strassenseite parkiert war, und man konnte bei genauerem Hinsehen feststellen, dass sich zwei Leute in dem Fahrzeug befanden, obwohl einer der Männer sich eine Zeitung vor den Kopf gehalten hatte. Fast wie in einem richtigen Krimi, befand ich so für mich, und schlug den Weg bis zur nächsten Telefonzelle ein, welche nur etwa 200 Meter von dem Hotel entfernt lag. Keiner dieser Männer folgte mir, was mich etwas verwunderte, denn ich hatte eine andere Vorstellung von einer lückenlosen Überwachung. Nach einem kurzen Gespräch mit meinem Freund »Edwin Pusta« schlenderte ich wieder langsam zum Hotel Steigenberger zurück, ohne die Wartenden in dem Auto nur mit einem Blick zu würdigen. Der Hoteldirektor war von einer gespielten Stattlichkeit und immer jederzeit bestrebt, auch eine solche zu hinterlassen, obwohl ich wusste, dass er sich in Zuhälterkreisen herumtrieb, ausser es handelte sich dabei um seinen Zwillingsbruder, was gerade einer dieser unwahrscheinlichen Zufälle zu viel gewesen wäre. Wochenlang hatte ich mich in diesen Kreisen herumgetrieben, um inkognito bei der Zerschlagung eines Mädchenhändlerrings mitzuhelfen, was mir zusammen mit der Einsatzgruppe »Schwarze Panther« auch gelang. Die schwarzen Panther waren alles pensionierte, ehemalige Polizei-Angestellte, teils von der Verkehrspolizei und auch einigen aus der Administration rekrutiert. Man hätte aber genauso gut, irgendwelche Landschaftsgärtner dafür einspannen können, aber wie wir wissen sind ehemalige Polizisten nach Ablauf ihrer Dienstzeit höchstens noch als Parkplatzwächter oder dergleichen einsetzbar, wenn ich dies in dieser Schärfe so stehen lassen kann.
Jeffrey öffnete mir seine Zimmertüre, nachdem er unser vereinbartes Klopfzeichen hörte, welches aus neunmal kurz und viermal lang bestand. Ich fand es zwar etwas übertrieben, aber Jeffrey bestand darauf, und so fügte ich mich seinen Wünschen.
»Ich habe meinen Freund Edwin erreicht und er bestand sogar darauf, dass wir zu ihm kommen, denn er erinnerte sich noch gut daran, wie ich vor einigen Jahren seine damalige Frau beschatten musste und diese auch prompt mit ihrem Liebhaber in einem abgelegenen Motel bei einem Schäferstündchen erwischte. Edwin war mir so dankbar, dass er mir als Dank seine gesamte Bierdeckelsammlung schenken wollte, was ich aber dankend ablehnen musste, da ich früher auch Bierdeckel gesammelt habe und heute noch eine beachtliche Sammlung im Hause meiner Mutter in Willensdorf besitze.«
Wir verliessen das Hotel, nahmen uns das erstbeste Taxi, und anstelle dem Fahrer eine Adresse mitzuteilen, sagte ich zu ihm: »Fahren Sie einfach mal los.«
Logischerweise folgte uns der Wagen mit unseren Bewachern drin, und erst nach einigen Minuten Fahrzeit richtete ich mich an unseren Chauffeur: »Wir werden von einem Wagen verfolgt, sehen Sie ihn? Er fährt genau hinter uns her. Sehen Sie eine Möglichkeit, ihn abzuschütteln?«
Der Fahrer, welcher bisher ruhig und etwas verträumt auf seinem Fahrersitz gesessen hatte, wachte plötzlich auf, innerhalb eines Sekundenbruchteils sah er sich schon mitten in einen Spionage-Thriller involviert. »Selbstverständlich«, antwortete er, trat das Gaspedal durch und holte alles aus seinem Ford Taunus 20 M Baujahr 1972 heraus.
Wir schlängelten durch den dichten Stadtverkehr hindurch, und man hatte den Eindruck, dass er noch nie etwas von Verkehrssignalen gehört hatte, denn rote Ampeln und Stoppschilder boten ihm kein wirkliches Hindernis. Es dauerte gut eine halbe Stunde, bis wir unsere Verfolger abgeschüttelt hatten.
Das Haus meines Freundes lag in Eslach, und als wir in das Dorf hineinfuhren, kam mir schon alles wieder sehr vertraut vor und wir fanden den Blaustrümpflerweg auf Anhieb. Die Begrüssung war sehr freundlich und das Bauernhaus, welches er zu einem Wohnhaus umgebaut hatte, wirkte sehr einladend. Nach einem Begrüssungstrunk, der aus einem Gläschen selbstgebranntem Kirsch bestand, welcher nicht nur ein Brennen in der Kehle, sondern auch ein Hüsteln verursachte, führte er uns in zwei der vier unbewohnten Zimmer, die er im oberen Stockwerk provisorisch eingerichtet hatte. Er lebte seit seiner Scheidung alleine und hatte keine Kinder, was uns irgendwie entgegenkam, da wir uns versteckt halten mussten wenigstens so lange, bis wir etwas Handfestes in der Hand hatten, um die Mitwirkung dieses korrupten Polizisten beweisen zu können. Jeffrey hatte sich etwas erholt und war wieder ganz der Alte und man merkte, dass er sich in diesem Hause um einiges wohler fühlte als in einem dieser Luxushotels, wie das Steigenberger Graf Zeppelin. Ich fand mich überall sehr schnell zurecht, ob in einer Baumhütte in Papua-Neuguinea oder im New-Katarak-Hotel in Ägypten. Obwohl ich nicht speziell zu den so genannten Anpassungsfähigen gehöre, finde ich mich einigermassen schnell zurecht. Nur an meinen Aufenthalt im australischen Busch möchte ich mich nicht gerne zurückerinnern, denn ich kann Schlangen, ausser wenn sie auf dem Speiseplan stehen, einfach nicht ausstehen. Bereits ein Schuhbändel bringt es fertig, mich in Angst und Schrecken zu versetzen. Ich würde es vorziehen, im Amazonas einen Fluss mit Piranhas zu durchqueren, als im australischen Busch im Zelt von einer Giftschlange überrascht zu werden. Meine Phobie kommt nicht von ungefähr, denn als mir eine Kobra während einer Expedition in Jaipur ihre Giftzähne in meinen linken Fuss bohrte, habe ich stundenlang mit dem Tode gekämpft, bis der Expeditionsarzt mir ein Serum spritzen konnte. Das Abendessen, welches aus Leberkäs und Knödel bestand, schmeckte vorzüglich und Edwin genoss es sichtlich, Jeffrey und mich zu bewirten. Es war schon etwas wie Ferien, wenn ich mir nur nicht zum Ziel gesetzt hätte, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Unsere ganzen Nachforschungen machten Freddy auch nicht mehr lebendig, doch war ich es ihm schuldig, den oder die Täter dingfest zu machen, koste es, was es wolle.
Das Geschäftshaus, in der die Phono Records ihr Domizil hatten, wirkte von aussen etwas bieder, und man sah es diesem alten Gemäuer auch nicht an, dass darin etliche Welthits wie zum Beispiel »Braun, braun ist die Haselnuss« oder »Fiesta, Fiesta« produziert wurden, was auch daran lag, dass keine wirklich berühmten Schlagerstars ein und aus gingen, ausser man würde den »Forellen Toni« und die »Zuger Spitzbuben« als Berühmtheiten bezeichnen, was aber schlussendlich im Ermessen des Zuhörers liegt. Der Eingang wirkte ziemlich verlassen