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Eine Mission, drei Gefährten, ein Schicksal! Als die eher unfreiwillig zusammengeschlossene Abenteurergruppe in einer Höhle die Quelle findet, überschlagen sich die Ereignisse. Nicht nur, dass die drei auch so schon alle Hände voll zu tun hätten mit aufdringlichen Questgebern, launischen Herzögen, verräterischen Königen und mörderischen Mönchen. Nein, zu allem Überfluss können sie nun auch noch die Stimme des Erzählers hören. Und was passiert, wenn man merkt, dass man Teil einer größeren Geschichte ist? Fügt man sich demütig in sein Schicksal oder nimmt man die Sache selbst in die Hand? Das ist eine rhetorische Frage, ihr müsst nicht antworten! Man nimmt die Sache natürlich selbst in die Hand. Und eine unglaubliche Geschichte beginnt …
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Heroic Spring
Die unglaubliche Geschichte
Eine Mission, drei Gefährten, ein Schicksal! Als die eher unfreiwillig zusammengeschlossene Abenteurergruppe in einer Höhle die Quelle findet, überschlagen sich die Ereignisse. Nicht nur, dass die drei auch so schon alle Hände voll zu tun hätten mit aufdringlichen Questgebern, launischen Herzögen, verräterischen Königen und mörderischen Mönchen. Nein, zu allem Überfluss können sie nun auch noch die Stimme des Erzählers hören. Und was passiert, wenn man merkt, dass man Teil einer größeren Geschichte ist? Fügt man sich demütig in sein Schicksal oder nimmt man die Sache selbst in die Hand? Das ist eine rhetorische Frage, ihr müsst nicht antworten! Man nimmt die Sache natürlich selbst in die Hand. Und eine unglaubliche Geschichte beginnt …
Matthias Haak studierte Alte Geschichte in Bonn und promovierte 2022 in diesem Fach. Er schrieb und veröffentlichte bereits diverse Kurzgeschichten und Gedichte. Matthias Haak lebt und arbeitet in Bonn.
Heroic Spring
Die unglaubliche Geschichte
Werter Leser, der du das hier liest,
du fragst dich sicher, was du jetzt zu erwarten hast. Da hat man Geld hingeblättert, fand vielleicht das Cover schön, aber ob das Buch das richtige ist? Nun, zuerst einmal: Ja, das Cover ist schön. Und was du allgemein zu erwarten hast, soll dir auch kundgetan werden: eine fantastische Geschichte voller Abenteuer und absurder Gegebenheiten! Die Art von Geschichte, die entsteht, wenn sich eine Gruppe Freunde an einen Tisch setzt und selbsterstellte Charaktere und deren Handlungen auswürfelt. Eine Geschichte, die du wohl so noch nie gelesen hast.1
„Wir sind gleich da.“
„Ich weiß, du musst das nicht die ganze Zeit wiederholen.“
Da sind sie, die Helden. Gerade schlagen sie sich noch durchs dichte Unterholz, damit sie rechtzeitig zum Prolog ankommen. Es sind Tilerian, der Zauberer, und Lorasa, die Assassinin, die da gerade gesprochen haben, aber du wirst sie bald selbst auseinanderhalten können.
„Kannst du bitte damit aufhören?“
„Was? Ich? Womit?“
„Du atmest wie ein verendender Bison!“
„Hallo? Geht´s noch?! Ich latsche ja auch die ganze Zeit bergauf.“
Grom, der Barbar, ist der dritte im Bunde. Sie bilden eine recht wilde Truppe, aber wenn man sich Zeit nimmt, wird man ihre Vorzüge erkennen.
„Wenn du mich noch einmal Bison nennst, wirst du dein blaues Wunder erleben.“
„Ah, ich mag Wunder, letztens erst habe ich –“
„Zauberer! Ich rede mit dem Gör!“
Ähm, worum ich dich, geschätzten Leser, bitten möchte, ist, dass du nicht vorschnell über das oberflächliche Gebaren der Helden urteilst. Sie können ganz … nett sein, wenn man sie erstmal besser kennt.
„Willst du mir drohen, du Riesenstinktier?“
„Hm, viel besser. Ich mache meine Drohungen sogar wahr.“
„Wir sind gleich da. Ich spüre die Magie.“
„Sicher, dass das nicht die Pilze vom Frühstück sind?“
„Lenk nicht ab! … Äh, ich werde dafür sorgen, dass du gleich ausführlich Gelegenheit bekommst, dein Frühstück genauer zu betrachten!“
„Was? Was willst du, Specki? … Specki MacSterbendesbison?“
O Mann, wie auch immer. Jedenfalls viel Spaß beim Lesen, werter Leser … oder Leserin … oder werte Lesende.
So, los geht´s!
Inhalt
Prolog
Kapitel 1 Die Quelle und ihre Abenteurer
Kapitel 2 Die legendäre Rettung der Prinzessin
Kapitel 3 Quest
Kapitel 4 Der Graf der ewigen Nacht
Kapitel 5 Das Dorf der gepfählten Fische
Kapitel 6 Die Stadt der Glocken
Kapitel 7 Die royale Antiterroreinheit
Kapitel 8 Das Kloster der Mörder
Kapitel 9 Sternfall
Epilog
Seite an Seite betraten die drei Gefährten die Höhle. Hinter ihnen lag der in die Dunkelheit der Nacht getauchte Wald. Zu hören waren nur die Bäume, die im Wind rauschten, und das Atmen der drei Helden. Und ein weiteres Geräusch war zu vernehmen. Ein unheilvolles Gurgeln, das aus der Tiefe der Höhle zu stammen schien. Tilerian zog seine Kapuze vom Kopf und spähte in die Dunkelheit.
„Da unten ist es“, sagte er an seine Gefährten gewandt.
Grom brummte etwas Unbestimmtes und zog seine große zweischneidige Axt vom Rücken.
Lorasa sagte nichts, strich sich einfach die Haare aus der Stirn und trat entschlossen einen Schritt vor, in ihrer linken Hand ein Wurfmesser verborgen.
Tilerian brauchte keine Waffe. Er war der Magier der Gemeinschaft, bewandert auf allen Arten der Magie, Astronomie und Algebra.
Grom dagegen war ein grobschlächtiger Kerl, den zahlreiche Narben zierten, die er sich als Champion der Arenakämpfe in Großkafari zugezogen hatte. Und Lorasa … Lorasa war der Schatten. Die Glocke, die die letzte Stunde schlug, das Ende eines jeden Schwachen, eine gefürchtete Assassinin, die die gefährliche Kunst der vergifteten Messer auf geradezu spielerische Weise beherrschte.
Während Tilerian sich diese Sachen in den Kopf rief, waren die anderen beiden bereits tiefer in die Höhle vorgedrungen und er beeilte sich, ihnen zu folgen.
Als er sie einholte, hatten sie das Ende der Höhle bereits erreicht.
„Eine Sackgasse?“, fragte Lorasa ungläubig.
„Bestimmt nicht“, antwortete ihr Tilerian leicht außer Atem, „lass mich mal sehen.“
Schweigend begutachtete er die Wand. Es schien sich um eine außerordentlich häufig auftretende Gesteinsform zu handeln. Sie bestand allem Anschein nach aus großen Gesteinsbrocken versetzt mit kleineren Kieseln mit einer Spur von …
„Und?“, unterbrach Grom seinen Gedankengang.
„Was?“ Tilerian schreckte hoch.
„Das kann doch wohl nicht wahr sein!“, stöhnte Lorasa. „Wir sind doch den Anweisungen genau gefolgt. Der Brunnen muss in dieser Höhle sein!“
„Zweifellos“, bestätigte Tilerian.
„Was ist mit der Wand?“, hakte Grom ungeduldig nach.
„Was soll damit sein?“, fragte Tilerian zurück.
„Herrgott! Immer diese Amateure!“, fuhr Grom auf. „Weg da!“
Grob stieß er den Zauberer zur Seite und hob seine Axt zum Schlag.
Ein metallisches Sirren folgte, als die Axt am Gestein abglitt.
„Ja, das hilft uns weiter.“ Lorasas Stimme troff vor Sarkasmus.
„Halt du bloß die Klappe“, brummte der Barbar und untersuchte seine Axt auf Schäden.
„Zauberer, kannst du die Wand sprengen?“, fragte Lorasa und fasste den am Boden liegenden Tilerian ins Auge. Grom hatte ihn geradewegs auf einen Stein gestoßen.
„Hm“, überlegte Tilerian, „ich könnte schon. Die Frage ist, ob es dahinter weitergeht. Wenn nicht, stürzt möglicherweise die ganze Höhle zusammen und wir würden eines grausigen Todes sterben.“
Lorasa überlegte kurz.
„Meine Axt ist schartig geworden“, meldete sich Grom und schüttelte bedauernd den Kopf.
„Tu´s einfach, Zauberer. Dahinter muss es weitergehen“, tat Lorasa ihre Entscheidung kund.
„Hm, aber wir könnten dabei rein theoretisch qualvoll sterben.“
„Das sagtest du bereits. Denkst du, ich bin blöd?“, fuhr ihn die Assassinin an.
„Nun, im Vergleich zu mir –“
„Schluss jetzt! Tu´s einfach!“, sagte Grom ebenfalls ungehalten und schubste Tilerian auf die Wand zu. Der Zauberer fiel hin. Möglichst würdevoll stand er auf und klopfte sich den Staub von der Robe. Dann zog er die Kapuze auf und machte sich bereit.
Er tänzelte einige Schritte nach links, ließ die Hände kreisen, murmelte Unverständliches, tänzelte wieder nach rechts, hob die Arme, senkte sie wieder, tänzelte …
„Was soll das?“, fragte Lorasa von hinten. Tilerian hielt inne. „Willst du mich beeindrucken mit diesem Affentheater?“
In der Tat hatte Tilerian diese Absicht gehabt.
„Quatsch!“, sagte er und stellte sich richtig hin. Er hob die Hände, sah die steinerne Wand und sprach die Worte.
Ein kurzer Knall begleitet von einer Staubwolke folgte diesen Worten.
„War‘s das?“, fragte Grom.
Der Staub legte sich und machte ein Loch in der Wand sichtbar. Das unheilvolle Gurgeln war lauter geworden.
„Offensichtlich“, sagte Tilerian zufrieden und klopfte sich mal wieder den Staub von der Robe.
„Auf geht’s!“, rief der Barbar und stürmte durch das Loch. Lorasa folgte ihm auf dem Fuße. Tilerian dagegen schlenderte gemächlich hinterher.
„Achtung!“, kam vor ihm die Warnung, dicht gefolgt von einem Sausen und einem bestialischen Schrei.
Tilerian beschleunigte seine Schritte und kam neben seinen beiden Mitstreitern zum Stehen.
„Was war?“, fragte er ruhig.
„Keine Ahnung“, sagte Lorasa aufgeregt. „Ich hab nichts gesehen, aber auf einmal schlägt der Typ nach etwas.“ Sie deutete auf den Barbaren.
„Das hättet ihr sehen sollen!“ Grom keuchte. „Eine Ratte, aber was für eine! So eine große hab ich noch nicht gesehen!“ Schnaufend betrachtete er das Blut an seiner Axt.
„Eine Ratte?“, fragte Lorasa abschätzig.
Grom richtete sich auf.
„Die Ratte muss hier irgendwie reingekommen sein. Bei der Höhle scheint es sich um eine Passage zu handeln. So, wie es aussieht, sollten wir …“ Tilerian beendete seine Ansprache, als ihm bewusst wurde, dass ihm niemand zuhörte. Eilig lief er den beiden nach. „Warum rennen wir eigentlich immer, zum Teufel“, stieß er zwischen drei Atemstößen hervor.
„Seht mal da!“ Abrupt blieb Grom stehen und Lorasa lief auf. Tilerian schaffte es rechtzeitig abzubremsen.
Vor ihnen erstreckte sich eine gewaltige Höhle. Sie war so hoch, dass man kaum die Decke sehen konnte. Bäume und Gras wuchsen an diesem Ort und inmitten des Ganzen verlief ein steinerner Weg.
„Mein Gott!“, stieß Tilerian hervor.
„Wir haben es gefunden“, sagte Grom ehrfurchtsvoll.
„Die Quelle!“ Lorasa erhob sich. „Los, kommt!“
Zu dritt gingen sie den steinernen Weg entlang. In den Bäumen zwitscherten Vögel.
„Die Magie an diesem Ort ist unbeschreiblich. Wie viele Magier es bräuchte, um so etwas zu erschaffen …“
Tilerian vergaß sich in Spekulationen, während der Barbar und die Assassinin an einen Brunnen traten. Über ihm schimmerte ein bläuliches Licht. Das Wasser schien zu fließen und brandete geradezu an den Rand des Brunnens. Aus seinen Tiefen gurgelte es, aber mittlerweile klang es nicht mehr unheilvoll. Stattdessen wirkte es auf eine gewisse Art beruhigend.
„Wunderschön“, seufzte Lorasa.
„Darüber lässt sich streiten“, erwiderte Grom.
Tilerian kam nun auch den Weg hinauf.
„… Allein die Kraft, die ein Magier aufbieten muss, um einen Baum dauerhaft zu erschaffen, ist gewaltig. Aber wie kann es sein, dass …“
„Zauberer, komm her!“, unterbrach ihn Grom.
„Was? O ja!“ Tilerian stürzte an den Brunnen.
„Die Quelle“, erklärte Lorasa bewundernd.
„Ach was“, entgegnete der Zauberer.
„Nun ist es so weit. Lasst uns einen Schluck trinken.“ Lorasa tauchte ihre Hände ins Wasser. Die anderen taten es ihr nach.
Sie schöpften Wasser und tranken es. Es schmeckte nach … Wasser.
„Spürt ihr was?“, flüsterte Lorasa leise.
Ihre Gefährten gaben keine Antwort und verharrten völlig reglos.
Lorasa folgte ihren Blicken, die stumpf nach oben gerichtet waren.
„Was zum …“, fuhr Grom auf und taumelte zurück, als hätte man ihn geschlagen.
„Heiliger Dreispitz!“, rief auch Tilerian aus und umklammerte die Kante des Brunnens, als befürchte er zu fallen.
„Assassinin, was, verdammt nochmal, machst du da?“, rief der Barbar ungläubig.
„Ich … nun ja … ehrlich gesagt …“ Lorasa rang mit den Händen, während sie einen Fuß vor den nächsten setzte. „Ich weiß es nicht.“
Grom rieb sich die Augen und Tilerian horchte angestrengt. Soeben hatte er eine Stimme vernommen. Er hatte nicht genau zugehört, war sich aber sicher, dass diese Stimme Lorasa einen Befehl erteilt hatte.
„Komm da sofort wieder runter!“, befahl Grom, bemüht, seine Stimme unter Kontrolle zu halten.
Lorasa sagte etwas, aber es war nicht mehr zu verstehen, da sie schon zu weit nach oben in der Luft verschwunden war.
„Zauberer, was ist das für eine Magie?“, fragte er.
„Sie kann fliegen. Das scheint ganz normale Magie zu sein, wenn du mich fragst“, entgegnete der Zauberer.
„Das meine ich nicht!“, entgegnete Grom, sein Gesichtsausdruck wurde hart. „Sie tut das, was eine körperlose Stimme ihr gesagt hat.“
„Interessant.“ Tilerian kratzte sich am Kopf.
„Was soll das heißen? Du hast es doch selbst gehört, oder nicht?“, fragte der Barbar.
„Doch schon …“
Tilerian beobachtete stumm, wie Lorasa immer weiter in der Höhle aufstieg. Gleich würde sie die Decke berühren. „Meinst du, sie stürzt ab?“, fragte er nüchtern den Barbar.
„Wahrscheinlich“, gab dieser zurück.
Etwas höher kam Lorasa den Blicken ihrer Gefährten immer näher. Die steinerne Decke war nur noch wenige Schritte aufwärts entfernt. Sie war leicht verwirrt, dass sie einfach so durch die Luft gehen konnte, aber andererseits hatte sie so etwas vorher auch noch nie ausprobiert. Schließlich war sie an der Decke angekommen.
„So und jetzt?“, fragte sie die Decke.
Ehrlich gesagt, war das etwas anders gedacht, antwortete ihr eine unbekannte Stimme.
Weiter unten fühlten sich der Barbar und der Zauberer zu einer Frage genötigt.
„Was war anders gedacht?“
Hört zu, ich mache das noch nicht besonders lange, okay?
„Offensichtlich“, stimmte Tilerian sofort zu.
„Was bist du?“, fragte Grom, der sich die ganze Zeit umblickte.
Tilerian richtete sich zu seiner vollen Größe auf. „Ich bin der Meister des neunten Ordens, der Magier der goldenen Akademie und Hüter der heiligen Flamme von …“
„Nicht du!“, blaffte Grom.
Ich bin der Geist der Geschichte! Ich erzähle über das Schicksal zahlreicher Abenteurer dieser Welt. Jeder, der aus diesem Brunnen trinkt, vermag es, meine Stimme zu hören.
Weiter oben: „Aha. Und mein Schicksal ist es wohl, hier oben zu sterben, wie?“ Lorasa hatte sich ihren Tod irgendwie anders vorgestellt.
Natürlich nicht.
„Dann hol mich hier RUNTER!“
Weiter unten knirschte Grom mit den Zähnen und fragte wütend: „Und warum nicht?“
Wie bitte?
„Bist du taub, du sollst mich wieder nach UNTEN BRINGEN, VERDAMMT NOCHMAL!“, schrie Lorasa oben so laut, dass es auch die beiden anderen vernahmen.
Grom räusperte sich.
„Du sagtest, dass du über unser Schicksal berichten würdest, und daraufhin sagte ich, dass du dann ja über mich besonders viele Ehrengeschichten …“
„Nein, ich glaube, du sagtest Ruhmesgeschichten“, mischte sich Tilerian ein.
„… oder Ruhmesgeschichten …“
„Du sagtest nur Ruhmesgeschichten.“
„Was? Ist ja auch egal. Jedenfalls …“
Nein, ich sprach mit Lorasa. Hör gefälligst zu.
„WILLST DU MICH VERARSCHEN?“, erklang wieder eine ziemlich ärgerliche Stimme von oben.
„Ich soll zuhören?“, fragte Grom ungläubig. „Ich lasse mir doch nicht von einem Geist den Mund verbieten. Weißt du überhaupt, wer ich bin?“
Ja.
„JA?!“
Irgendwo fielen durch das schrille Geschrei Steintrümmer zu Boden.
„Unglaublich, sie dreht durch“, bemerkte Tilerian.
Ich hol sie besser runter.
„Moment, ich bin noch nicht fertig!“, warf der Barbar ein und fügte dann wütend hinzu: „Ich –“
Lorasa glitt sanft zu Boden nieder ohne die geringste Verletzung. Quasi unversehrt.
„Lass mich ausreden!“, beschwerte sich Grom.
„Warte, ich glaub, ich weiß, was hier vor sich geht“, meldete sich der Zauberer zu Wort. „Diese namenlose Stimme ist der Geist der Geschichte und wir können ihn hören, weil wir aus der Quelle getrunken haben.“
Triumphierend sah er Grom an, der funkelte aber nur wütend zurück. „Das hat er doch selbst gesagt!“
„Exakt! Er sagte, Lorasa solle unseren Blicken folgen und das tat sie, und zwar wörtlich!“
„Wie bist du nur Hochmagier geworden?“ Tilerian setzte zu einer Antwort an. „Ich will‘s gar nicht wissen“, sagte Grom schnell.
Lorasa setzte ihre Füße auf den Boden und landete anmutig wie eine Gazelle.
„Was ist eine Gazelle?“, wunderte sich Tilerian.
„Anscheinend ein Geschöpf, das auch auf Händen läuft“, schnaufte Lorasa und erhob sich von allen Vieren. In ihrem Gesicht stand unbändiger Zorn. Sie sah erst den Zauberer an, der nachdenklich irritiert nirgendwohin sah, und dann den Barbaren, der ebenfalls ungehalten zurückstarrte.
„Was ist, du FETTER Klops!“, schrie sie ihn an.
„Was? Ich?“ Grom betrachtete seinen Bauch.
„IHR ALLE! Ich werde hier umgebracht und ihr guckt zu?“
„Ich …“
„Ihr guckt zu? Was seid ihr?“
„Ich bin der Meister des neunten …“
„HALT DIE KLAPPE, DU VERBLÖDETES …“
„Moment.“
„DÄMLICHES …“
„Das ist etwas hart.“
„WESEN!“
Tilerian atmete aus.
„Ach so, ich dachte, du wolltest mich beleidigen“, unbekümmert warf er der Assassinin einen Blick zu. Was er sah, gefiel ihm aber nicht mal im Ansatz.
„Jetzt pass mal auf, ich bin nicht fett!“, rief Grom und fingerte nach seiner Axt.
Lorasa starrte beide abwechselnd wütend an.
Plötzlich dröhnte ein Geräusch durch die Stille.
„Nicht schon wieder“, stöhnte Lorasa. „Passt auf mich auf!“
Die Wände ringsum begannen zu beben.
Die Gefährten betrachteten irritiert, aufmerksam und interessiert das Geschehen.
Einzelne Steine fielen zu Boden.
„Du stinkst“, stellte Lorasa fest.
Jetzt lösten sich auch größere Steine aus Wänden und Decke und prasselten in die Höhle nieder.
„GEHT‘S NOCH?“, beschwerte sich der Barbar.
Das Dröhnen wurde so unheilvoll, dass selbst die Bäume einige Schritte zurückwichen.
„Ich finde, da hat sie durchaus recht“, bestätigte der Zauberer. Grom wirbelte wütend herum.
Nur um Haaresbreite verfehlte ein ziemlich großer Stein die drei Gefährten.
„Wer hier stinkt, entscheide immer noch ich, du … du –“
Die drei schafften es sehr knapp und nur mit letzter Mühe, aus der einstürzenden Höhle zu entkommen.
Wir schreiben das Jahr 446 000 vor Sternfall. Diese bekannteste Form der Zeitrechnung geht auf die berühmt berüchtigte Prophezeiung von Ahr zurück, der im Jahr …
„Himmel Herrgott von Kaka, kannst du bitte mal für fünf Minuten die Schnauze halten? Nur für fünf Minuten?!“
Der Barbar hatte beide Hände fest auf die Ohren gepresst, aber das half ihm leider herzlich wenig.
„Ah!“, schrie er. „Wenn ich gewusst hätte, worauf ich mich einlasse, wär ich bei meinem Stamm geblieben!“
Tilerian stolzierte fröhlich pfeifend an ihm vorbei. „Also ich mag’s.“
„Wenigstens einer“, murmelte Grom und musterte den Zauberer finster von hinten.
„Außerdem weiß sowieso jeder, was du die ganze Zeit vor dich hinquasselst“, meldete sich die Assassinin zu Wort. „Hör auf, das dazuzusagen, Geist!“
Hey, hey. Darf ich um etwas Respekt bitten. Wir haben uns doch gerade eben erst kennengelernt.
„Ja, leider“, brummte Grom und hielt sich erneut mit den Händen die Ohren zu, damit er wenigstens seinen Gefährten nicht zuhören musste.
Außerdem wissen die Leser gar nicht Bescheid. Die lernen diese Welt gerade erst kennen. Wie unschuldige Neugeborene tapsen sie darin herum, schnuppern an den Blumen, kosten die Früchte der Blumen –
„Neugeborene? Wo?“ Wachsam sah Tilerian sich um, konnte aber nichts entdecken.
Das ist doch nur eine Metapher … ein sprachliches Bild.
Grom stöhnte und verzog das Gesicht.
Aber ich habe eine Idee. Ihr könnt natürlich auch kurz selbst erklären, nach welcher Zeitrechnung ihr lebt. Ist dann aber etwas unglaubwürdig, weil ihr über so etwas Alltägliches nie von selbst sprechen würdet.
„Ha! Also ich rechne nur vom Frühstück bis zur nächsten Bezahlung“, lachte die Assassinin.
„Was?“, fragte Grom laut und nahm die Hände von den Ohren. Er hatte das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben.
„Mach den Kopf zu“, wies Lorasa ihn brüsk an.
„Ich soll was machen?“, fragte er drohend zurück.
Ihr sollt jetzt bitte mal kurz erzählen, was Sternfall ist, wenn’s recht ist.
„Ist nicht recht“, kam es von Grom, der nun auch demonstrativ die Arme vor der Brust verschränkte.
„Schön“, seufzte Tilerian unnatürlich theatralisch. „Das ist doch, wenn im Winter der Bäcker vorbeikommt und sagt –“
Nein. Was auch immer du sagen willst: Nein.
„Hm“, beleidigt hob Tilerian die Nase und marschierte voraus. Dabei sah er jedoch nicht, dass er vom Weg abkam. Er gab trotzdem nicht nach, auch als er bedingt durch die Brombeerhecke nur noch schleppend vorankam.
„Sternfall ist der Untergang der Welt“, erbarmte sich Lorasa endlich.
„Sag ich doch“, kam es patzig vom Zauberer.
Genau, der Weltuntergang, aber nur einer von vielen möglichen. Ist es nicht interessant, dass mehrere Szenarien für das Ende der Zeit vorgesehen sind und es sich scheinbar widerspricht, dass es mehr als eine Apokalypse gibt?
Kurze Stille trat ein.
„Nein. Nein, überhaupt nicht“, bestimmte Lorasa.
Tilerian war währenddessen durch puren Zufall und reichlich Glück wieder zurück auf den rechten Weg gekommen.
„Warum willst du das alles so genau wissen?“, fragte Grom skeptisch den Himmel.
Ich? Ich weiß das schon. Ihr sollt die Leser informieren, weil diese Information wichtig sein könnte.
„Wichtig für was?“, hakte der Barbar nach.
„Wichtig ist vor allem, dass du ein Bad nimmst. Am besten gestern. Du stinkst wie Sau!“
„Hallo?!“, rief Grom erbost und wirbelte herum. „Sag das nochmal und du wirst dir wünschen, nie geboren worden zu sein!“
„Pah!“, spottete die Assassinin. „Was willst du tun, hä? Dich auf mich draufsetzen?“
Dunkel grinste der Barbar sie an. „Vielleicht auch das.“
„Komm, Specki, zisch ab!“, sagte Lorasa und Grom zischte tatsächlich.
„Du sollst das nicht immer dazu sagen!“, beschwerte sich Lorasa. „Argh!“
„Und ich wollte gar nicht zischen, klar?“, schrie Grom, nachdem er sich kurz gesammelt hatte … „KLAR?“
„Klar, wie Grießklößchensuppe!“, versicherte ihm der Zauberer. „Die alte Emma hat immer so herrlich gebacken, da läuft’s mir noch heute schmackhaft den Rücken runter, wenn ich nur daran denke.“
Grom stöhnte auf und marschierte weiter. Diese ganze Unternehmung hatte er sich anders vorgestellt. Nun, eigentlich hatte er sich gar nichts groß vorgestellt, aber enttäuscht war er trotzdem. Wobei enttäuscht hier wohl das falsche Wort ist: Er war vielmehr stocksauer. Hinter ihm trödelte der Zauberer herum. „Komm schon, hau rein, Mann! Ich will nicht bis Sternfall auf dich warten!“
„Ich hab endgültig die Nase voll!“, schimpfte Lorasa einige Stunden später und stampfte wütend durchs hohe Gras.
„Ach ja? Wer hat denn mit dem ganzen Quatsch angefangen, hä?“, rief Grom zornig und beschleunigte seine Schritte, um sie einzuholen.
„Ich jedenfalls nicht!“, schrie die Assassinin.
„Schrei mich nicht an, du hässliche …“
Die Unterhaltung kam im wahrsten Sinne des Wortes schlagartig zum Erliegen.
Tilerian schlenderte in aller Seelenruhe an seinen raufenden Gefährten vorbei und beobachtete den Horizont.
Noch standen nur einige wenige Wolken am Himmel, aber der Wind versprach, dass es schon sehr bald ein schreckliches Unwetter geben würde.
Tilerian suchte nach den beschriebenen Anzeichen, konnte aber keines entdecken.
„Tilerian“, flüsterte eine zarte Stimme neben seinem Ohr.
„Ja, bitte?“
„Bald wird es ein schreckliches Unwetter geben. Das verspreche ich dir!“
Die zarte Stimme verflüchtigte sich und eine leichte Brise zog an seinem Gewand. Nachdenklich kratzte er sich am Kinn.
„Nimm das! Und das! Und das auch! Hahaha!“
Das irre Gelächter des Barbaren riss ihn wieder in die Gegenwart zurück.
Er wandte sich um.
Der Barbar hieb mit brutaler Kraft, einen großen Hammer mit beiden Händen umklammert, auf die wehrlosen Holzpflöcke eines Großraumzeltes ein. Irritiert stellte der Zauberer fest, dass er was anderes erwartet hatte.
„Wo ist die Assassinin?“, fragte er leichthin.
„Hä?“ Grom sah auf. Er schwitzte. „Ach, da drüben.“ Er machte eine ungefähre Geste in Richtung eines Abgrundes.
„Sie ist also …“, ließ der Zauberer die Frage offen.
„Wahrscheinlich“, stimmte der Barbar zu.
„Du bist dir sicher, dass …“
„Ich hoffe es.“
Tilerian ging zur Klippe und spähte hinab.
„O Gott!“, rief er aus.
Der Anblick, der sich ihm bot, war atemberaubend. Zwischen den Steinen lugten kleine, höchst seltene Pflanzen hervor. Diese Tatsache erinnerte ihn daran, dass es ratsam wäre, diese Pflanzen für zukünftige Alchemieexperimente zu sammeln. Also legte er sich flach auf den Boden und versuchte, mit den Armen nach den Pflanzen zu angeln. Schließlich erwischte er ein Gänseblümchen.
„Sensationell!“
„Alles klar?“, rief Grom vom Zelt aus. Es klang nicht so, als würde ihn die Antwort interessieren.
Tilerian unternahm einen erneuten Versuch, an die Pflanzen zu gelangen.
Plötzlich hörte er hinter sich ein wütendes Schnauben und fuhr erschrocken auf.
„Was? Wie? Wer?“, rief er wild mit den Armen fuchtelnd.
Vor ihm stand eine verdatterte Lorasa mit Feuerholz auf dem Arm.
„Feuerholz holen. Zu Fuß. Lorasa Klingenschatten. Sonst noch Fragen?“
„Ich wusste gar nicht, dass du so komische Geräusche von dir gibst.“ Tilerian entspannte sich wieder und strich seine Robe glatt.
Lorasa lief rot an.
„Das war ich nicht!“, beschwerte sie sich. „Das war wieder dieser Geist aus dem Brunnen.“
Eine kurze Stille folgte.
Nein, war ich nicht.
„Soso. Es steht also Aussage gegen Aussage“, stellte Tilerian fest.
Lorasa schnaubte.
„Aha“, rief der Zauberer aus.
„Ich …“
Lorasa schnaubte erneut.
„Also, ich bin überzeugt!“
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ließ der Zauberer die Assassinin stehen. Irritiert und wütend richtete sie ihren Zeigefinger auf das Gras.
Dann schnaubte sie.
„WIR HABEN‘S KAPIERT!“
Erschrocken von dem Schrei flogen zahlreiche Vögel auf und übertönten damit Lorasas Schimpftirade.
„Immer brüllt sie so rum. Immer brüllt sie so rum!“, jammerte Grom und hielt sich den Kopf.
„Wieso baust du eigentlich hier und jetzt ein Zelt auf?“, fragte Tilerian und betrachtete das Werk des Barbaren.
Dieser zuckte mit den Achseln.
„Es soll bald ein schlimmes Gewitter geben.“
Tilerian nickte nachdenklich und schnippte mit dem Finger. Daraufhin brach zu seinen Füßen ein Feuer aus. Schleunigst trat er es aus, errichtete einen kleinen Steinkreis, schnippte erneut und bewunderte sein Lagerfeuer.
Eine wütende Lorasa schnaubte an ihm vorbei.
„Na, du Fettsack!“, grüßte sie angewidert in Zeltrichtung.
„Na, du Furie!“, grüßte Grom zurück.
„Na, Barbar“, grüßte nun auch Tilerian.
Später am Abend saßen die drei Gefährten im Inneren des Zeltes und kauten hartes Brot, während draußen ein schweres Unwetter tobte. Immerhin flog durch die Magie des Zauberers das Zelt nicht weg und sie wurden auch nicht nass. Eine kleine magische Leuchtkugel sorgte zudem dafür, dass die Gemeinschaft auch etwas sah. Die Meinungen waren darüber geteilt, ob das von Vorteil war. Die Stimmung war angespannt. Grom und Lorasa vermieden es hartnäckig, sich anzusehen, und Tilerian zog es vor, sich nicht in den Streit einzumischen. Schweigend lauschten sie dem tobenden Sturm.
An der Zeltwand tanzten die Schatten der Gefährten.
Tilerian beobachtete das Schauspiel. Sein Schatten erhob sich langsam und begann, sich im Takt einer unhörbaren Melodie zu wiegen. Auch der Barbar hatte die Veränderung wahrgenommen, nur Lorasa schaute betont weg.
„Wisst ihr, was ich nicht verstehe?“, durchbrach Grom die Stille.
„Metaphern?“, schlug der Zauberer vor, aber Grom ignorierte ihn und fuhr fort.
„Dieser Geist aus dem Brunnen: Wenn er uns sagt und schon immer gesagt hat, was wir tun, und uns damit unser Leben vorgibt, haben wir dann noch einen freien Willen?“
Überrascht von der Tiefsinnigkeit dieser Frage bewunderte Tilerian das Problem.
Lorasa hob den Kopf.
„Und wenn schon“, erwiderte sie.
„Was und wenn schon?“, fragte der Barbar bissig. „Du brauchst also keinen freien Willen?“
Langsam wandte die Assassinin den Kopf und sah den Barbar direkt an.
„Selbst wenn das nicht mein freier Wille ist, so macht es mir doch Spaß und, hätte ich selbst entscheiden können, hätte ich alles genauso gemacht … mit wenigen Ausnahmen vielleicht.“
„Die Menschen haben in jedem Fall keinen freien Willen“, meldete sich nun auch der Zauberer zu Wort. „Es gibt viele bekannte, aber auch unbekannte Kräfte, die Macht über uns und unsere Schicksale haben. Solltet ihr jemals in den Genuss kommen, die Mysterien der Magie zu ergründen, werdet ihr bestimmt einige dieser Kräfte kennenlernen. Aber da das wohl nicht der Fall sein wird, möchte ich euer Interesse für derlei Dinge nicht unnötig anheizen.“ Ein kurzes Schweigen folgte. „Na ja, vor allem die magische Gratwanderung ist bemerkenswert!“, begann Tilerian dann doch. „Der Magier durchschreitet Raum und Zeit, um zu unzähligen Welten zu reisen und dort dann auf äußerst interessante –“
Ein Donnerschlag übertönte kurzzeitig den Vortrag des Zauberers.
„– darf man natürlich auch nicht vergessen und –“
„Moment kannst du das nochmal –“
Ein erneuter ohrenbetäubender Donnerschlag folgte.
„– noch, wie ich damals durch –“
„– laut, würdest du –“
Abermals ein Donnerschlag.
Das magische Licht im Zelt zitterte. Der Zauberer saß mit verschränkten Beinen da und erzählte mittlerweile niemandem mehr von den Mysterien der Magie, während der Barbar sich erhoben hatte und wie wild auf den Zauberer einbrüllte. Lorasa, ebenfalls stehend, fuchtelte mit den Armen und versuchte auf jede erdenkliche Weise, sich Gehör zu verschaffen.
„– magische Transzendenz, Cobaldnitratlegierung –“
„– DIE SCHAUZE, DU –“
Es folgte nun Donnerschlag auf Donnerschlag und es war beim besten Willen kein Wort mehr zu verstehen.
Der Barbar schüttelte den Zauberer, der ihn irritiert ansah, den Mund aber nicht schloss. Grom brüllte irgendwas und fuhr dann herum, weil ihn die Assassinin angestoßen hatte. Er machte eine eindeutige Geste in ihre Richtung, woraufhin sie ebenfalls etwas schrie und mit voller Kraft gegen den wütenden Barbaren rannte. Beide gingen zu Boden, sprangen jedoch gleich wieder auf. Kurz schrien sich beide an. Grom schubste Lorasa. Der Zauberer erhob sich nun auch. Lorasa schubste Grom. Abermals ein unverständliches Wortgefecht. Der Zauberer ging zum Zelteingang.
Grom versuchte, mit Hilfe von Pantomime Lorasa seine Abneigung gegenüber ihr darzustellen. Der Zauberer verließ das Zelt. Angespanntes Schweigen bei Lorasa, die versuchte, Groms Pantomime zu deuten. Grom fuhr fort und scheute auch vor grotesken Verrenkungen seines Körpers nicht zurück. Ein unsicheres Lächeln bei Lorasa. Der Barbar schnitt eine Grimasse. Lorasa wurde rot und sah verlegen weg.
Grom sah sich um und entdeckte seine große zweischneidige Axt. Hastig holte er sie. Die Assassinin strich sich die Haare aus dem Gesicht und wartete gelassen ab. Grom kam zurück, nun wieder brüllend. Er fuchtelte mit der Axt vor ihrem Gesicht herum. In diesem Moment wurde die Zeltplane zurückgeschlagen und ein klitschnasser Zauberer trat ein.
Der letzte Donnerschlag verklang in der Nacht und langsam begann das Unwetter, sich zu legen.
„WAS HÄLST DU DAVON?“,brüllte Grom. Seine Augen sprühten vor Zorn.
„Ich fühle mich geschmeichelt, aber ich halte eine Beziehung am Arbeitsplatz für nicht professionell“, antwortete Lorasa. Grom stand mit offenem Mund da und sah sie verdutzt an. „Es tut mir leid, wenn ich damit deine Gefühle verletzt habe“, sagte Lorasa.
„Nicht der Rede wert“, entgegnete Tilerian und streifte sich seine durchnässte Robe ab.
„Ich … ich …“, fing der Barbar an, doch dann fiel ihm ein, dass er eigentlich was anderes hatte sagen wollen. „Du … Du … kannst mich mal!“
Lorasa zuckte die Schultern und kehrte zu ihrem Platz zurück. Sie stockte.
„Wo ist mein Brot?“
Kurze Stille. Tilerian suchte noch einen Ort, wo er seine Robe zum Trocken aufhängen konnte.
„Wolltest du das noch essen?“, fragte er vorsichtig.
Die Stille wurde bedrohlicher.
„Kennt einer eine schöne Geschichte?“, fragte Lorasa plötzlich. Tilerian schreckte auf. Beinahe war er eingeschlafen. Er beschloss, nichts zu sagen und Schlafgeräusche zu simulieren.
„Eine“, kam es vom anderen Ende des Zeltes rau.
„Erzähl!“, befahl Lorasa.
„Nein“, folgte die Antwort prompt.
Ein Schnauben erklang.
„Hör auf zu schnarchen, verdammt nochmal!“, meldete sich nochmal der Barbar.
Tilerian stellte die Schlafsimulation ein und setzte sich auf.
„Ich kenn eine gute Geschichte“, sagte er stolz.
„Die will keiner hören“, entgegnete Grom.
„Bist du sicher, es geht um Magie und Mysterien und …“
„Ich bin mir sicher!“
„Hm. Na gut. Dann halt nicht.“
Der Zauberer warf sich zurück auf seine Lagerstatt.
Ich kenne viele gute Geschichten.
„Von mir aus gerne“, sagte Lorasa.
„Um ehrlich zu sein, will ich einfach nur schlafen“, klagte der Barbar.
Aus Tilerians Richtung kamen unecht klingende Schlafgeräusche.
Okay, dann will ich euch eine erzählen. Es ist eine Geschichte über Liebe, Mut und Freundschaft. Und natürlich über Helden.
„Muss das sein?“, stöhnte Grom. „Ich hasse dieses hoffnungslose Heldentum!“
„Was hast du denn jetzt auf einmal gegen Helden?“, wunderte sich die Assassinin.
„Ach, die sind so hoffnungslos!“, führte der Barbar nichts genauer aus.
Ruhe auf den billigen Plätzen! Also, es beginnt …
Es war einmal vor langer Zeit, da lebte ein armer Bauersjunge, der hatte nicht viel vom Leben.
„Die Geschichte kenn ich“, bemerkte Tilerian.
Das kann überhaupt nicht sein, die denke ich mir gerade erst aus.
„Zauberer, halt die Schnauze!“
„Ich mein ja nur …“
Schluss jetzt. Also, der hatte nicht viel vom Leben. Geblieben waren ihm nur ein Kater und ein paar Stiefel, das ihm allerdings viel zu klein war. Und wie er nicht wusste, was er mit sich anfangen sollte, zog er dem Kater die Stiefel an und zog in die Welt.
Es dauerte auch nicht lange, da kam er in eine große Stadt, in der der König gerade residierte. Überall ging es geschäftig zu und es wimmelte nur so von der königlichen Dienerschaft. Denn es verhielt sich so, dass der König gerne aß und die Speisekammer konnte nicht gut genug gefüllt sein. Der Bauersjunge verstand aber nichts von der Jagd und wollte schon weiterziehen, doch da sprach die Katze zu ihm. Sie sagte …
„Quatsch! Katzen können überhaupt nicht sprechen!“, mischte sich der Zauberer abermals ein.
„Zauberer, ich hatte dich gewarnt.“ Lorasa richtete sich auf und warf finstere Blicke in die Richtung, in der sie Tilerian vermutete.
War‘s das? Kann ich jetzt weitererzählen?
„Wieso Katze? Vorhin war es noch ein Kater!“, bemerkte der Barbar.
Und wenn schon.
„Stimmt, es war vorhin ein Kater“, stimmte Lorasa zu.
Passt mal auf, wenn ihr die Geschichte erzählen wollt …
„So schwierig kann das ja nicht sein.“ Grom setzte sich auf seinem Lager auf. „Immerhin mache ich keine Logikfehler.“
Als Antwort bekam er ein unterdrücktes Lachen und ein Räuspern.
„Schnauze! Also, ich erzähle weiter.“
Mach doch.
„Mach ich auch.“
Viel Spaß.
„Sicher doch.“
Eine kurze Stille trat ein, in der der Barbar seine Gedanken sammelte. Dann begann er: „Nach reiflicher Überlegung begab sich der Bauersjunge doch zurück in die Stadt. Dort verkaufte er als Erstes den bescheuerten Kater und kaufte sich mit dem Geld ein schönes Schwert. Es war so scharf, dass nur ein bloßer Blick darauf jemanden zum Bluten bringen konnte. Selbstverständlich hatten es Zwerge geschmiedet und die Magier hatten es veredelt und mit allerlei magischen Sprüchen bedacht, sodass es zu einer schrecklichen Waffe –“
„Blödsinn!“, begehrte Lorasa auf. „Wie viel war der olle Kater denn wert, dass man sich davon so ein Schwert kaufen konnte?“
„Jaja.“ Grom winkte ab, was im Dunkeln allerdings niemand sah. „Also, er kaufte sich ein Schwert, dass immerhin scharf war, sonst aber nichts, einverstanden? So, und mit seiner neuerworbenen Waffe besuchte er als Erstes sofort die Arena, wo er sein Können unter Beweis stellte. Mühelos … nein, nicht mühelos, denn er war ja eigentlich ein Bauersjunge, streckte er nach und nach mehrere Gegner nieder. Mit einem eleganten Seitwärtsfeger räumte er seinen letzten Gegner aus dem Weg, bearbeitete ihn dann mit seinen Fäusten, um ihm schließlich und letztendlich mit seinem Schwert aufzuspießen, sein Herz rauszuschneiden und zu essen.“
„Verdammt nochmal!“, rief Lorasa. „Was für einen Irrsinn erzählst du da?“
„Was ist denn jetzt schon wieder?“, fragte Grom ungehalten.
„Als ob ein Bauersjunge so etwas tun würde. Niemals! Deine Geschichte stimmt hinten und vorne nicht.“
„Offensichtlich“, kam es sofort vom Zauberer.
Meine Rede.
Ein wütendes Grummeln folgte.
„Dann erzähl du doch weiter. Du weißt ja sowieso alles BESSER!“
Den letzten Teil hatte er geschrien. Wütend warf er sich zurück auf sein Lager.
Lorasa lächelte stumm. „Von mir aus. Also …“
„Moment, kannst du kurz Pause machen?“, fragte Tilerian.
„Was? Warum?“
„Nun ja, ich muss mal.“
Lorasa stutzte.
„Nein, ich kann nicht Pause machen und es ist mir egal, ob du musst oder nicht.“
Tilerian überlegte kurz.
„Gut, dann warte ich halt noch.“
„Nachdem der Bauersjunge mit viel Glück und mehr durch Zufall als durch effiziente Planung die unsinnigen Arenakämpfe …“, ein wütendes Schnauben, „… gewonnen hatte, begab er sich in des Königs Schloss, um seine Dienste anzubieten. Kaum war er aber angekommen und stand vor dem König, bekam er aber kein Wort mehr heraus. Und wisst ihr auch warum?“
„Nein“, erklang es zweistimmig.
„Es war nicht der König, der ihn sprachlos machte – nein! –, sondern seine Tochter, die Prinzessin. Anmutig wie … wie eine Gazelle, saß sie auf ihrem Thron und lächelte milde auf den Jüngling herab. Ihr rotes Haar trug sie offen und durch ihre grünen Augen sprach ein uralter Zauber. Es war Liebe. Liebe auf den ersten Blick. Jedenfalls für den Jüngling, denn, wie alle Welt weiß, braucht es mehr als nur einen jungen Mann, um eine Frau verliebt zu machen. Also stahl er sich des Nachts heimlich in ihr Schlafgemach und gestand ihr seine Gefühle. Doch das war ihr nicht genug. Sie schickte ihn aus, eine seltene Blume zu holen, erst dann würde sie ihn heiraten. Zum Abschied gab sie ihm einen Kuss, sodass er beflügelt aufbrach.“
„Was für ein Kitsch“, beschwerte sich der Barbar.
„Schweig! Ähm … jedenfalls erfüllte er den Auftrag, die beiden heirateten und lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende aller Zeiten. Ende.“
Eine kurze Stille trat ein.
„Wie, ich darf nicht mehr erzählen?“, meldete sich Tilerian plötzlich.
„Nein, die Geschichte ist jetzt vorbei“, sagte Lorasa. „Schlaf jetzt.“
Enttäuscht schloss Tilerian die Augen und dachte über die Geschichte nach. Dann fiel ihm etwas ein.
„Die Pflanze aber, die der Jüngling gebracht hatte, war eine solche, die des Nachts Gift verströmte. Und so geschah es, dass das Liebespaar kurz nach seiner Heirat starb, denn nichts im Leben ist perfekt für alle Zeiten.“
Von seinen Gefährten bekam er keine Antwort. Vielleicht akzeptierten sie sein Ende der Geschichte, vielleicht schliefen sie auch schon.
Unnötige Schwarzmalerei, lass der Welt doch die Illusion des unendlichen Glücks, sprach die Stimme aus dem Chaos. Dann verließ Tilerian das Zelt, um sich zu erleichtern.
Halt! Ich merke gerade, so kann das Kapitel doch nicht heißen. Das verrät viel zu viel.
„Welches Kapitel?“
„Welche Prinzessin?“
Eben. Der Leser wird dadurch doch schon in eine bestimmte Richtung gelenkt. Das ist nicht gut … glaub ich.
„Ich lenk dich gleich in eine Richtung, wenn es nicht endlich weitergeht!“
Jaja, beruhig dich mal. Ich überlege ja schon die ganze Zeit … Hm … Hm, man könnte das Kapitel alternativ ‚Residenzstadt‘ nennen, nach dem Ort der Handlung.
„Endlich, ich dachte, wir kommen da nie an …“
„Was für eine Handlung?“
Richtig, das klingt irgendwie langweilig. Ach, wisst ihr was?
„Nein.“
Ich lass es jetzt einfach so.
„Prima. Was für eine Zeitverschwendung …“
„Sag mal … hast du da gerade meinen Krug eingepackt?“
„Was?“
„Das ist mein Krug, du dumme Kuh! Das sieht man doch! Der ist von einem Barbaren!“
„Wer ist hier die Kuh, du Ochse?!“
„Ah, ich liebe das gemeinsame Frühstück!“
Schluss jetzt. Das Kapitel kann beginnen …
Der nächste Morgen nach dem Gewitter war mild und sonnig. Nachdem die Gefährten ihr Lager abgebrochen hatten, machten sie sich unverzüglich auf den Weg.
Zu dritt stapften sie eine Straße entlang, die sie durch ein Kornfeld führte. Tilerian knabberte an einem Stück harten Brot, während Lorasa und Grom damit beschäftigt waren, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
„Wo laufen wir überhaupt hin?“, erkundigte sich Tilerian nach einer Zeit des Schweigens.
Das Schweigen dauerte an.
„Wo laufen wir überhaupt hin?“, wiederholte er seine Frage, dieses Mal etwas lauter.
Lorasa seufzte. „Keine Ahnung. Ich weiß generell nicht, warum ich noch mit euch unterwegs bin.“
„Das weiß ich auch nicht“, pflichtete ihr der Barbar bei.
„Ich meine, warum sind wir hier? Hat das Ganze einen Sinn?“, fuhr Lorasa fort.
„Nein“, antwortete der Zauberer sofort.
„Erst steigen wir zu einer magischen Quelle herab und dann latschen wir irgendwohin und keiner kennt wirklich das Ziel. Da stimmt doch was nicht.“
Ich kenne euer Ziel.
„Wer hätte das gedacht. Wahrscheinlich diese Residenzstadt, stimmt’s?“ Grom versuchte, halbherzig zu lachen, dabei kam aber nur ein schräges Röhren heraus.
Tilerian sah ihn irritiert an.
„Also, wo laufen wir überhaupt hin?“, fragte er nochmal.
Grom blieb abrupt stehen. Dann griff er sich in die linke Hosentasche und holte einen schlecht zusammengefalteten Zettel heraus.
„Was ist denn das?“, entfuhr es dem Barbar.
„Zeig mal!“
Tilerian und Lorasa scharten sich um ihn, um einen Blick auf das Papier zu erhaschen.
„Da steht … Iiiiiiiiiiii … mmmmmm … Aaaaaaaaauu …“, begann Grom.
„Herrgott! Gib das her, du kannst ja gar nicht lesen!“, wütend riss die Assassinin ihm den Zettel aus der Hand.
„Hallo? Natürlich kann ich lesen!“, schrie der Barbar und riss nun seinerseits den Zettel zurück.