Herr Rosenberg und die Kaffeetasse - Gundi Gaschler - E-Book

Herr Rosenberg und die Kaffeetasse E-Book

Gundi Gaschler

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Beschreibung

Herzspitzenberührungen

Die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg ist wunderbar dafür geeignet, um die Beziehung zu Kindern, Partnern oder Menschen, die es uns wert sind, zu stärken. Sie ermöglichen es, empathische und ehrliche Gespräche zu führen sowie Konflikte nachhaltig zu lösen. In diesem Buch zeigt die bekannte GfK-Trainerin Gundi Gaschler anhand von berührenden Erlebnissen aus ihren Seminaren und ihrer Familie, wie erstaunlich wirkungsvoll diese Methode sein kann.

Geschichten, die die Welt schon beim Lesen etwas schöner werden lassen.

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Herzspitzenberührungen

Die Gewaltfreie Kommunikation nach ­Marshall B. Rosenberg ist wunderbar dafür ­geeignet, um die Beziehung zu Kindern, Partnern oder Menschen, die es uns wert sind, zu stärken. Sie ermöglicht es, ­empathische und ehrliche Gespräche zu führen sowie ­Konflikte nachhaltig zu lösen. In diesem Buch zeigt die ­bekannte GfK-Trainerin Gundi Gaschler ­anhand von ­berührenden Erlebnissen aus ihren ­Seminaren und ihrer ­Familie, wie erstaunlich ­wirkungsvoll diese ­Methode sein kann.

Geschichten, die die Welt schon beim Lesen etwas ­schöner werden lassen.

Gundi Gaschler

Herr Rosenberg

und die

Kaffeetasse

Berührende Erfahrungen mit der Gewaltfreien Kommunikation

Kösel

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Copyright © 2018 Kösel-Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: Weiss Werkstatt, München

Umschlagmotiv: © nata_nilenko/shutterstock.com/Bild Nr.423094999

Lektorat: Kattrin Stier, Aying

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-23365-5V001

www.koesel.de

Für mich. Weil ich es mir wert bin.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Frank Gaschler

Einleitung

Erlebnisse in Seminaren und im Coaching

Gitarre spielen

Darf ich es leicht haben wollen?

Respekt – das kenne ich!

Blaue Flecken

Regeln

Was ist nur los mit der Ameise?

Wie war es in der Schule?

Ihr seid so verlogen

Leidest du?

Ich bin zum Zusehen verdammt

Interessierst du dich wirklich für mich?

Ritzen

Die Akzeptanz-Pille

Die magische Mandel

Ich habe das Richtige getan

Schämen

Streit um den roten Ball

Erlebnisse aus dem »wirklichen Leben«

Aber ich will doch zum Yoga

Eine Begegnung im Supermarkt

Tabea malt

Bedingungslose Liebe in der Tee-Tasse

Erlebnisse in unserer Familie

Die Kaffeetasse

Warum eigentlich Zimmer aufräumen

Das Ärger-Verstecken-Diplom

Der Wäschekorb

»Baden gehen« hat doch immer funktioniert

Die Nikon

Meine besondere Entdeckungsreise

Fishbowl-Fragen der Kinder

Fishbowl-Fragen der Eltern

Resumee: Wie war es für die Töchter?

Nachwort – ein paar Highlights aus meinem GFK-Leben

Danke

Vorwort von Frank Gaschler

Sie sollten dieses Buch nicht lesen! Sie sollten es hören. Von Gundi. Ich habe es gehört. Jede einzelne berührende Geschichte. Wenn sie vorliest, bleibt die Welt stehen. Es öffnet sich eine Tür, und ich bin eingeladen, einzutreten. Und dann sehe ich sie: den osteuropäischen Busfahrer, die Mutter, die Tochter, … mich. Und in ihrer Stimme schwingt Liebe mit. Liebe zu all diesen Menschen, die sie war. All die Rollen, in die sie geschlüpft ist und denen sie einen Platz in ihrem Herzen gemacht hat. Und es wird mir warm. Und ich spüre etwas. Und ich kann jeden Menschen verstehen, weil sie jeden Menschen versteht. Und für jeden ist Platz. Auch für mich. Und dann endet die Geschichte, und ich sehe ihre Augen. Sie strahlen. Es ist wie ein Licht, wie spätnachmittags am Meer. Gelblich, golden, warm. Vertraut. In ihren Augen stehen Tränen ebenso wie in meinen. Ich bin berührt. Berührt, weil ich Menschen gesehen habe, so wie sie sind. Manchmal kompliziert in dem, was sie sagen und tun. Aber dann doch ganz einfach in dem, wie sie sind. Ganz einfach Menschen, so wie du und ich.

Falls Sie keine Gelegenheit haben, Gundi zu hören, sollten Sie das Buch doch lesen. Vielleicht stellen Sie sich etwas vor. Etwas, das für Geborgenheit steht. Für bedingungslose Liebe. Für Leidenschaft und für Wehmut. Machen Sie Ihr Herz auf dafür und vielleicht spüren Sie dann auch diese Wärme und vielleicht stehen dann auch in Ihren Augen die Tränen.

Ich glaube, es geht ihr in dem Buch gar nicht um die Geschichten selbst. Nicht darum, etwas zu erklären oder zu beschreiben. Ich glaube, es geht darum, den Mut zu finden, Menschen um uns herum mit anderen Augen zu sehen. Den drängelnden Autofahrer, die genervte Mutter, den nörgelnden Chef, die faulen Kinder. Mit ihren Augen sind dies alles Menschen, die tief in sich Schätze vergraben haben. Und Gundi entdeckt sie und heißt sie willkommen.

Für diese Augen liebe ich dich!

Frank

Einleitung

Etwa fünfzehn Jahre ist es her, dass mir eine Freundin Marshall B. Rosenbergs Buch über Gewaltfreie Kommunikation (GFK) empfahl. Ich hatte schon zahlreiche Elternratgeber gelesen, und dennoch blieben viele Fragen. Ich habe das Buch in einem Rutsch verschlungen. Für mich war es damals, als würde ich »zu Hause ankommen«. Alles, was darin stand, war so stimmig, hat sich so wahr für mich angefühlt. Genau so wollte ich sein. Hinten im Buch befand sich eine Liste mit Trainern, und ich meldete mich zu einem Einführungsseminar bei Klaus Karstädt an. Dort erlebte ich Magie in einem Rollenspiel. Das Handwerkszeug der GFK sollte angewendet werden in einer Konfliktsituation zwischen getrennt lebenden Eltern. Wir starteten auf einem Pulverfass und endeten in einem Miteinander, das ich so niemals zuvor erlebt hatte. Ich war berührt, erfüllt, meine Sehnsucht war geweckt, mein Feuer war entflammt. Genau das wollte ich und zwar so oft wie möglich. Ich fuhr nach Hause und sagte zu meinem Mann Frank, dass ich mich zukünftig nie wieder entschuldigen würde (eine weitere Erkenntnis aus dem Seminar). Danach haben wir geredet und das tun wir bis heute. Ich weiß nicht, ob wir noch immer zusammen wären, wenn ich die GFK nicht mitgebracht hätte. Ich habe ihn überzeugt mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung standen, und er ist mit eingestiegen in das Boot. Wir haben gemeinsam zahlreiche Seminare besucht und parallel dazu das, was uns beide so sehr begeistert hat, in Seminaren weitergegeben. Immer wieder begegneten mir dabei Menschen, die offen waren, hinzuspüren, etwas Neues auszuprobieren, um etwas zu verändern. Menschen, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben und mich teilhaben ließen an ihrem Wachsen, die ich begleiten durfte. Besondere Highlights waren für mich stets die Rollenspiele. In die Schuhe eines anderen zu schlüpfen, ist für mich aufregend, erhellend und hat mich so viel über das Menschsein gelehrt. Ich habe keine Ahnung, wie das geht, und natürlich auch keinen Anspruch darauf, dass es die Wahrheit ist. Ich weiß nur, dass es mir leicht fällt. In all den Jahren bin ich gewachsen, habe zahlreiche Erkenntnisse gewonnen und wunderschöne Momente der Begegnung erlebt, auch mit den Menschen, die mir am nächsten sind. Manche Erlebnisse haben mich besonders berührt, sind mir unter die Haut gegangen, haben mein Weltbild verändert, waren kostbar für mich. Die Ära meiner Trainertätigkeit geht nun zu Ende. Es ist Zeit für etwas Neues, Anderes. Ich bin gespannt, was kommt. Gleichzeitig endet damit aber auch eine Möglichkeit, meine Geschichten zu erzählen. Ich fände es schade, wenn sie einfach so verschwinden würden. Also habe ich sie aufgeschrieben. Wohl auch ein wenig, um mir den Abschied leichter zu machen. Gemeint sind sie als ein Geschenk an die Welt. »Das hört sich jetzt aber großkotzig an! So was darf man doch nicht sagen!«, höre ich meinen inneren Kritiker rufen. Er macht seinen Job richtig gut. Er will mich beschützen, und dafür bin ich ihm dankbar. Ich hatte viel Kontakt mit ihm, während ich diese Geschichten aufgeschrieben habe, da viele davon sehr persönlich sind. Und es ist mir gelungen, ihn zu beruhigen, weil ich fest daran glaube, dass meine Erlebnisse auch Sie als Leser berühren können. Das ist mein Geschenk. Beginnen möchte ich mit Erlebnissen in Seminaren. Dabei ist die erste Geschichte gespickt mit theoretischen Aspekten, deren Verbreitung mir ein starkes Anliegen ist – die müssen einfach raus, weil sie so einen großen Unterschied machen. Danach folgen Erlebnisse aus dem »richtigen Leben«. Dann plaudere ich noch »aus dem Nähkästchen« und verrate, wie es bei uns zu Hause so läuft mit der GFK. Schließlich begebe ich mich auf eine besondere Entdeckungsreise. Den Abschluss findet dieses Buch in einem Interview mit meinen Töchtern, in dem die beiden berichten, wie es für sie war, mit »GFK-Eltern« aufzuwachsen.

Ich wünsche Ihnen als Leser viele Momente der Herzspitzen–Berührungen (diesen Begriff hat mir meine Freundin Lorna Ritchie geschenkt).

Noch ein Wort zu der Verwendung der weiblichen oder männlichen Schreibweise. Ich bin auch Gleichstellungsbeauftragte, weil mir am Herzen liegt, dass Frauen und Männer und Kinder und alle Menschen – unabhängig von Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft oder Religion – mit der gleichen Würde behandelt werden. Mir ist auch klar, dass Sprache eine starke Wirksamkeit hat. Ich habe jedoch Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit einer sperrigen Schreibweise, die einen aus dem Lesefluss reißt. Deshalb habe ich zugunsten der Lesbarkeit entschieden, damit Sie als Leser einfacher eintauchen können in die Welt meiner Geschichten.

Erlebnisse in Seminaren und im Coaching

Gitarre spielen

Während eines zweitägigen Einführungsseminars in die Gewaltfreie Kommunikation für Eltern boten wir den Teilnehmern am zweiten Tag die Möglichkeit, die vier Schritte der GFK, die am ersten Tag mit theoretischen Inputs und diversen Vertiefungsübungen eingeführt wurden, an eigenen praktischen Beispielen zu üben. Unser Hauptaugenmerk galt dabei dem aufrichtigen Selbstausdruck anhand von Rollenspielen. Ein Vater wollte eine Situation mit seinem siebenjährigen Sohn ausprobieren. Er bat mich, die Rolle seines Sohnes zu übernehmen. Das tat ich sehr gerne, weil ich so durch das eigene Erleben die Möglichkeit hatte, ein vertieftes Verständnis für alles, was in dem Jungen vorging, zu bekommen. Möglich war mir dies, weil wir das Training zu zweit gaben und meine Trainer-Kollegin Farina Simbeck dem Teilnehmer die nötige Unterstützung bieten konnte. Wir legten die laminierten Karten Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte hintereinander auf den Boden, so dass der Teilnehmer den Weg der vier Schritte gehen konnte. Der Sohn saß dem Vater gegenüber. Die anderen Seminarteilnehmer beobachteten den Prozess.

Die Situation war folgende: Vater und Sohn nahmen seit einigen Wochen gemeinsam Gitarrenstunden. Bei der letzten Stunde wollte der Sohn nicht mitspielen. Der Vater wollte wissen, warum nicht. Darauf antwortete der Junge nicht. Er wich aus, wendete sich ab. Nach erneutem Nachfragen des Vaters verschwindet er schließlich in seinem Zimmer.

Zunächst spielen wir die Situation so nach, wie sie sich ereignet hat, um mir die Möglichkeit zu geben, mich authentischer einfühlen zu können. Ich schlüpfe in die Rolle des Sohnes und nehme seine Körperhaltung ein: Ich sitze auf dem Boden, die Beine angewinkelt, die Arme um die Beine gelegt, der Rücken rund, den Kopf gesenkt. Vater steht vor mir, beugt sich hinab, spricht mit leiser, unsicherer Stimme: »Was ist mit dir? Warum willst du denn jetzt nicht mitspielen?«

Bei mir kommt an: Mit mir stimmt etwas nicht, ich weiß aber nicht, was. Meine Muskeln spannen sich an. Ich bin unsicher, verwirrt und überfordert. Ich will mich schützen, verkrieche mich und schweige. Vater beugt sich weiter runter. Seine Stimme wird noch weicher: »Ist es, weil ich schon etwas besser spiele? Hätte ich mehr mit dir üben sollen?«

Bei mir kommt an: Papa geht es schlecht – vielleicht wegen mir? Das will ich nicht, weiß aber nicht, was ich dagegen tun kann. Ich fühle mich hilflos, überfordert, erstarrt, möchte nur fort, am besten in mein Zimmer, da bin ich sicher. Der Drang wird stärker – ich springe auf und renne weg.

Hier unterbricht Farina. Wir haben genügend Informationen, um nun den GFK-Weg auszuprobieren: Selbstausdruck in vier Schritten (Aufrichtigkeit).

Sie lädt den Vater ein, sich neben den ersten Bodenanker Beobachtung zu stellen und zu benennen, welches objektiv beobachtbare Verhalten etwas in ihm auslöst.

Vater: »Wenn du so dasitzt…«, – er nimmt die Körperhaltung des Kindes ein.

Farina bittet ihn auf den zweiten Bodenanker Gefühl und lädt ihn ein, in sich nachzuspüren: Wie fühlt sich das an? Was tut sich in deinem Körper?

Er schließt die Augen und versucht zu spüren.

Sie bietet ihm verschiedene Gefühle an. »Bist du sauer?«, »Bist du verwundert?«, »Bist du traurig?«, – Volltreffer! Sein Körper reagiert spontan. Sein Gesichtsausdruck ändert sich, wird weicher. Seine Körperspannung lässt nach und signalisiert glaubwürdig Traurigkeit. Seine Stimme ist tiefer, kraftvoll und sicher. »Wenn du so dasitzt, bin ich traurig…«

Als Sohn merke ich sofort, dass sich etwas geändert hat. Bei mir kommt an: Papa ist traurig. Echt? Das wusste ich gar nicht – ich bin total überrascht. Ich bin auch manchmal traurig – es erleichtert mich, wenn Papa das auch ist, dann bin ich ja okay. Ich bin auch neugierig, richte mich auf und schaue ihn gespannt an.

Farina führt den Vater auf den Bedürfnis-Bodenanker mit dem Hinweis: »weil ich …«.

Vater sagt: »Wenn du so dasitzt, bin ich traurig, weil ich mich so darauf gefreut hatte, mit dir Gitarre zu spielen.«

Bei mir kommt an: Wenn ich nicht mit Papa zusammen Gitarre spiele, macht ihn das traurig. Wenn ich will, dass er glücklich ist, muss ich mit ihm Gitarre spielen. Es wird eng im Hals. Meine Muskeln spannen sich an.

Farina kommentiert: Gemeinsam Gitarre zu spielen, ist nur eine Strategie von vielen, um sich ein Bedürfnis zu erfüllen. Die Frage, die uns zum Bedürfnis führt, lautet: »Was erfüllt sich für dich, wenn ihr gemeinsam Gitarre spielt?«

Vater schließt die Augen, spürt nach. Schließlich beginnt er zu lächeln und sagt freudestrahlend und kraftvoll: »… es geht um Gemeinschaft und ein Miteinander, Zusammensein.«

Zu mir als Sohn sagt er: »Wenn du so dasitzt, bin ich traurig, weil ich so gerne was mit dir zusammen erlebe.«

Die Stärke in seiner Stimme gibt mir Kraft und Halt. Ich hebe den Kopf und schaue ihn an, um kurz zu prüfen, ob es wahr ist. Jetzt hat er etwas anderes gesagt. Er hat gesagt: Ich bin wertvoll für ihn. Er will von Herzen gerne mit mir zusammen sein. Er strahlt so – es freut ihn, wenn er mit mir zusammen sein kann. Ich muss etwas ganz Besonderes für ihn sein.

Farina lädt den Vater auf den vierten Bodenanker ein, die Bitte.

Er sagt: »Wenn du so dasitzt, bin ich traurig, weil ich so gerne mit dir zusammen sein möchte und etwas mit dir erleben will. Sag mir bitte, was du gerade von mir gehört hast.«

Ich sage: »Sehr gerne – du willst mit mir zusammen sein, weil ich dir wichtig bin. Das will ich auch und ich hab auch schon eine Idee – wir könnten eine Fahrradtour machen, nur du und ich.«

Nach dieser Begegnung geht die Klärung der weiteren Vorgehensweise bezüglich der Gitarrenstunden und der Fahrradtour zügig und leicht. Und doch ist da noch eine Kleinigkeit, die ich als Sohn wissen will: »Nimmst du nur meinetwegen Gitarrenstunden?«

Vater schaut mich erstaunt an, dann geht sein Blick nach oben in die Ferne, seine Augen glänzen und strahlen. Es ist, als ob er auf eine Reise geht. Er erzählt von seinem Traum – dass wir an einem lauen Sommerabend am Lagerfeuer sitzen, gemeinsam singen und Gitarre spielen. Er ist bei sich – und ich bin bei ihm.

In der GFK versuchen wir im ersten Schritt, den Auslöser neutral und objektiv zu beschreiben und auf Interpretationen und Bewertungen zu verzichten. Ziel ist, dass der Empfänger sagen kann: »Stimmt«, und wir dadurch die Möglichkeit bekommen, weiter gehört zu werden, anstatt in einem wenig weiterführenden »Nein!-Doch!«-Spiel zu landen. Wenn der Auslöser eine bestimmte Haltung oder der Tonfall ist, empfehle ich aus Gründen der Effizienz, diese vorzumachen anstatt sie mit Worten zu beschreiben. Als Sohn hat die Demonstration des Vaters mich zwar nicht wirklich erreicht, ich spürte jedoch auch keinen zusätzlich dadurch hervorgerufenen Widerstand.

»Gefühle sind dazu da, um gefühlt zu werden«, sagt Robert Betz in seinem Buch »Willst du normal sein oder glücklich?«. Dem stimme ich voll zu. Nachdem der Vater das Gefühl erkannt, ihm Raum gegeben und gespürt hatte, wirkte er deutlich entspannter und viel mehr bei sich angekommen. Als Sohn war das für mich ein richtiger Wachrüttler. Vorher war da nur nebulöses Gebrabbel. Ich glaube nicht, dass das Wort allein das bei mir hätte auslösen können – wichtig war, dass der Vater die Traurigkeit zugelassen hat. Nur dadurch war er für mich als Sohn glaubwürdig spürbar. Die Kraft lag in der Kongruenz von Mimik, Tonfall, seinem gesamten Erscheinungsbild, gepaart mit dem dazu passenden Wort.

Erstaunlicherweise empfand ich als Kind, nachdem ich nur etwas über das Gefühl meines Vaters gehört hatte, keine Schuldgefühle. Ich erkläre mir das ebenfalls durch die Kongruenz. Aus rein kognitiver Sicht würde ich Schuldgefühle an dieser Stelle befürchten. Menschen sind lernfähig, und wenn sie mehrmals mit Vorwürfen konfrontiert werden, die die Idee verfolgen: Mir geht es schlecht und du bist schuld daran, lernen sie vernünftigerweise, sich zu schützen. In der GFK übernehmen wir Verantwortung für unsere Gefühle – wir sehen sie als Messstandanzeiger unserer Bedürfnisse. Wir fühlen uns nicht »weil du…« etwas getan hast, sondern »weil ich« ein Bedürfnis habe, das gerade erfüllt ist oder eben auch nicht. Der Kern der Gefühle liegt also in uns selbst. Eine andere Person kann allenfalls ein Auslöser dafür sein.

Tipp: Zur Veranschaulichung dieses Aspektes verwende ich gerne ein kleines laminiertes Kärtchen. Auf der einen Seite steht »weil du« auf der anderen »weil ich«. Wenn man die Seite »weil du« zwischen die Bodenanker Beobachtung und Gefühl legt, sind wir in der alten Denkweise. Wenn man die Seite »weil ich« zwischen die Bodenanker »Gefühl« und »Bedürfnis« legt, sind wir in der GFK-Denkweise und übernehmen die Verantwortung für unsere Gefühle.

Zurück zu unserem Fallbeispiel: »Mit dir gemeinsam Gitarre spielen« ist nach GFK-Definition eine Strategie. Wenn wir auf dieser Ebene stehenbleiben, sind wir abhängig von eben nur dieser einen Strategie. Wenn ich das bekomme, bin ich glücklich, wenn nicht, bin ich traurig. Genau dies kam bei mir als Sohn an. Die Welt zeigte mir nur zwei Wege: Gitarrenstunde mitmachen – gut; nicht mitmachen – schlecht. Es kann manchmal wirklich erleichternd sein, nur zwei Alternativen zu haben und zu wissen, welche Folgen diese haben. Es gibt Orientierung und Klarheit. In der Rolle des Sohnes hat es sich aber eng angefühlt, ohne Wahlfreiheit und damit auch ohne die Möglichkeit, meinem Papa etwas schenken zu können. Frei und in meiner Kraft zu sein, ist anders. Wenn wir uns die Mühe machen, den Weg über die Bedürfnisse zu gehen, zeigen sich deutlich mehr Möglichkeiten. In der GFK sind Bedürfnisse definiert als abstrakte Begriffe, frei von Personen, Handlungen, Zeiten, die jeder Mensch auf dieser Welt hat. Um sie aufzuspüren, hilft die Frage: »Was erfüllt sich für dich, wenn … (Strategie)?«. In unserem Beispiel »Was erfüllt sich für dich, wenn ihr gemeinsam Gitarre übt?«. Auch hier war besonders wertvoll, dieser Suche Raum zu geben, um den Kern zu entdecken. Ein Bedürfnis kann im Mangel oder in der Fülle erlebt werden. Wenn mein Gefühl darauf deutet, dass ein Bedürfnis im Mangel ist, spüre ich zunächst zum Beispiel die Traurigkeit, weil mir ja etwas fehlt. In unserem Beispiel das Miteinander, diese Qualitätszeit, diese kostbaren Momente, die sich einprägen in meinem Herzen. Wenn wir nun die Formulierung »Mir fehlt …« oder »Ich habe kein …« ersetzen durch »Ich sehne mich nach …(Bedürfnis)«, richtet sich der Fokus der Aufmerksamkeit auf die Fülle, die in dem Bedürfnis steckt. Um noch tiefer in die Kraft und Lebensenergie des Bedürfnisses einzutauchen, hilft es, sich eine Situation vorzustellen, in der das Bedürfnis erfüllt war, und die Aufmerksamkeit auf das Spüren und das Körperempfinden zu richten. Wir nennen das »Bedürfnisbad«. In unserem Beispiel war die Antwort des Vaters kraftvoll und kam aus der Fülle: »Gemeinschaft und Miteinander«. Ich habe sogar ein wenig Liebe mitschwingen gehört. Dort angekommen, passierte für mich in der Rolle des Sohnes Magie: Mein Vater hat sich so verändert, war so spürbar, so kraftvoll und transparent, so glaubhaft – das gab mir Halt, Sicherheit, Orientierung, Vertrauen, ich fühlte mich getragen.

Im nächsten Schritt folgte die Bitte, die vierte Komponente der GFK. Sie beinhaltet ein konkret durchführbares Verhalten und steht im Dienste der Erfüllung des Bedürfnisses. Was genau kann der andere jetzt tun, damit mein Bedürfnis erfüllt wird? Der Vater fragte: »Was hast du gerade von mir gehört?« Diese Form der Bitte soll dem Verständnis dienen. Ich bin ein großer Fan davon. Je öfter ich sie verwende, desto wertvoller finde ich sie. Gerade habe ich mich gezeigt, habe mich verletzlich gemacht, mein Innerstes geteilt. Da möchte ich wirklich wissen, ob das Wesentliche, der Kern meiner Aussage angekommen ist – ob ich so, wie ich es meine, verstanden worden bin. Falls nicht, versuche ich es noch einmal mit anderen Worten. Erst wenn ich gehört habe, dass alles so angekommen ist, wie ich es gerne sagen möchte, verwende ich die nächste Bitten-Form – die Beziehungsbitte. »Wie geht es dir mit dem Gehörten? Was löst es bei dir aus? Wie fühlst du dich jetzt und was brauchst du?« Diese Bitte öffnet den Raum für die Welt des anderen. Erst wenn schließlich beide Seiten gehört und verstanden wurden, macht es Sinn, auf der Handlungsebene nach konkreten, durchführbaren Lösungen zu suchen und eine Lösungsbitte zu benennen.

Zurück zum Rollenspiel. Bei mir als Sohn kam an: Papa will sehr gerne mit mir was machen und zwar nur mit mir, ich bin ihm echt wichtig. Das war toll, das wusste ich bisher noch gar nicht so ganz genau. Es fühlte sich warm an und so lebendig und kraftvoll. Ich hatte sofort ganz viele Ideen, weil ich nämlich auch schlau bin und einfallsreich, jawohl! Zum Beispiel eine Fahrradtour machen, nur der Papa und ich, wie cool wär das? Er wollte die Mama fragen.

Eine kleine Unsicherheit war da zum Schluss noch in mir: Ich wollte wissen, ob er denn nur meinetwegen Gitarrenstunden nahm. Er überlegte, und es war, als ob er auf die Reise ginge, und ich war so verzaubert, dass ich gerne mitreiste. Er erzählte von seinem Traum – wie wir am Lagerfeuer sitzen, gemeinsam singen und Gitarre spielen an einem lauen Sommerabend. Ich hab so einen tollen Papa! Es hat mir unendlich gutgetan, ihn so zu sehen, zu spüren – kraftvoll, lebendig und mit seinen Träumen verbunden. Ach ja – das mit dem Gitarrenunterricht war schnell geklärt und die Fahrradtour ist abgemacht, Mama hat Ja gesagt.

Meine persönliche Erkenntnis als Gundi: Nur wenn ich mich zeige, kann ich gesehen werden. In Elterntrainings erlebe ich immer wieder, dass Eltern aus Sorge davor, ihr Kind zu sehr einzuschränken, ihre eigenen Grenzen dem Kind gegenüber nicht zeigen. Meine Erfahrung damit: Das geht bestimmt eine Weile gut, bis dann der berühmte kleine Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt und beim Kind einfach nur Verwirrung ankommen kann.

Dieses Erlebnis ist schon ein paar Jahre her. Ich hatte es damals aufgeschrieben und als ich jetzt den Vater kontaktierte, um sein Einverständnis für die Veröffentlichung zu erbitten, habe ich auch nachgefragt, was denn eigentlich aus den Gitarrenstunden geworden ist. Vater und Sohn nehmen beide noch Gitarrenstunden und manchmal spielen sie gemeinsam für die Familie.

Darf ich es leicht haben wollen?

Im Seminar. Wir üben in Kleingruppen die vier Schritte in der Aufrichtigkeit. Ich stoße als Trainerin dazu. Die Bodenanker sind ausgelegt. Ein Teilnehmer steht auf dem Gefühl und sagt »traurig«. Ich frage nach der Beobachtung. »Wenn du deine Matschhose nicht anziehen willst.« Aha. Ich versuche, mich nützlich zu machen, und lade ihn ein, auf die Bedürfniskarte zu gehen und frage: »… weil du was brauchst?«

Er sagt: »Na ja, ich hätte es gern nicht so schwer.«

Ich kommentiere: »Wenn uns nur eine negative Formulierung einfällt und wir nach dem Gegenteil suchen, landen wir meist beim Bedürfnis. Was ist denn für dich das Gegenteil von nicht so schwer?«

Er überlegt und sagt schließlich »Na: leicht!«

Daraufhin bitte ich ihn, nochmal die Schritte von vorne zu gehen. »Wenn du die Matschhose nicht anziehen willst, bin ich traurig, und ich hätte es gerne nicht so schwer, also …«

Er macht eine Pause und schließlich sagt er ganz leise: »… leichter«. Er sagt es so leise, dass sein Rollenspielkind es nicht hört.

Ich frage: »Fällt es dir schwer, das zu sagen?« »Ja.« »Ist es so, dass du glaubst, dir stünde das nicht zu? So als dürftest du es gar nicht leicht haben wollen?« »Ja.«