Herzroman Doppelband 1004 - Anna Martach - E-Book

Herzroman Doppelband 1004 E-Book

Anna Martach

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Romane: (349XE) Urlaub auf Hohensteinburg (Anna Martach) Mein Herz gehört nur mir (Anna Martach) „Ach, Franzi, was ist das nur wieder für ein Tag“, seufzte die alte Liesel Korbmacher, als sie die kleine Poststation betrat. Liesel war bekannt dafür, den ganzen Tag zu jammern, obwohl sie keinen rechten Grund dafür besaß. Die alte Dame war aber nun schon im gesegneten Alter von fast 75 Jahren, und so nahm es ihr niemand übel, wenn sie über die Schlechtigkeit der Welt, ihre eigenen Gebrechen und das Leben allgemein lamentierte. Sie besaß auf jeden Fall auch ein gutes Herz und half noch immer mit Rat und Tat, wenn es gebraucht wurde. „Was für ein Tag soll’s denn schon sein, Frau Korbmacher? Die Sonne scheint, wir haben wahrhaft einen goldenen Herbst, und die Pilze sprießen auch schon“, gab das bildhübsche Madl zurück und verbarg ein Lächeln. „Ach, was weiß denn das Jungvolk schon? Ich spüre alles in den Knochen. Einen frühen Winter wird’s geben, und einen harten dazu. Aber ein bisserl hat’s noch Zeit. Jetzt schickst erst mal dieses Packerl hier an meine Tochter nach Australien.“ Franziska Öttinger, Franzi genannt, kannte den Vorgang schon, etwa alle 3 Monate schickte Liesel ein Paket an ihre Tochter Magdalena, die in Australien verheiratet war und nur selten noch nach Niederburgbach kam.

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Seitenzahl: 222

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Anna Martach

Herzroman Doppelband 1004

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Inhaltsverzeichnis

Herzroman Doppelband 1004

Copyright

Urlaub auf Hohensteinburg: Geliebter Fürst Roman

1

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​Mein Herz gehört nur mir

Herzroman Doppelband 1004

Anna Martach

Dieser Band enthält folgende Romane:

Urlaub auf Hohensteinburg (Anna Martach)

Mein Herz gehört nur mir (Anna Martach)

„Ach, Franzi, was ist das nur wieder für ein Tag“, seufzte die alte Liesel Korbmacher, als sie die kleine Poststation betrat. Liesel war bekannt dafür, den ganzen Tag zu jammern, obwohl sie keinen rechten Grund dafür besaß. Die alte Dame war aber nun schon im gesegneten Alter von fast 75 Jahren, und so nahm es ihr niemand übel, wenn sie über die Schlechtigkeit der Welt, ihre eigenen Gebrechen und das Leben allgemein lamentierte. Sie besaß auf jeden Fall auch ein gutes Herz und half noch immer mit Rat und Tat, wenn es gebraucht wurde.

„Was für ein Tag soll’s denn schon sein, Frau Korbmacher? Die Sonne scheint, wir haben wahrhaft einen goldenen Herbst, und die Pilze sprießen auch schon“, gab das bildhübsche Madl zurück und verbarg ein Lächeln.

„Ach, was weiß denn das Jungvolk schon? Ich spüre alles in den Knochen. Einen frühen Winter wird’s geben, und einen harten dazu. Aber ein bisserl hat’s noch Zeit. Jetzt schickst erst mal dieses Packerl hier an meine Tochter nach Australien.“

Franziska Öttinger, Franzi genannt, kannte den Vorgang schon, etwa alle 3 Monate schickte Liesel ein Paket an ihre Tochter Magdalena, die in Australien verheiratet war und nur selten noch nach Niederburgbach kam.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

COVER A.PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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Alles rund um Belletristik!

Urlaub auf Hohensteinburg: Geliebter Fürst Roman

von Anna Martach

Nach dem Unfalltod ihrer Eltern zieht die junge Johanna Gassner zu ihrer strengen alten Großtante Agatha von Sieburg auf deren großherrschaftliches Gut Hohensteinburg. Differenzen zwischen den beiden Frauen lassen sich nicht vermeiden. Aber irgendwie arrangieren sie sich, so dass doch schließlich ein gutes Miteinander da ist. Johanna trifft auf dem Gut zwei Männer, und zwar den bodenständigen Verwalter Bernhard und den lebenslustigen Martin, ein Neffe ihrer Großtante aus einer anderen Verwandtschaftslinie. Beide Männer interessieren sich sehr für Johanna. Für wen wird sie sich entscheiden?

1

Ein schriller Pfiff hallte durch das malerische Tal, die alte Bergbahn schnaufte und setzte sich mit einem ansteigenden Stöhnen wieder in Bewegung. Die einzige Person, die ausgestiegen war, stand etwas verloren da und schaute suchend um sich. Die Sonne tauchte das Filzachtal in eine goldene Harmonie, durchbrochen von langgezogenen Hügeln mit dunklen Tannen und leuchtend grünen Weiden.

Die romantische Schönheit war im Augenblick jedoch verschenkt für Johanna Gassner. Die junge Frau stand, nach dem plötzlichen Unfalltod der Eltern, buchstäblich vor dem Nichts, denn auch die geplante neue Stelle als Erzieherin war ein Reinfall gewesen. Johanna hatte tatsächlich vor einem großen schwarzen Loch gestanden, als der Anruf eines Rechtsanwalts ihr ganzes Leben umgewandelt hatte.

»Ihre verehrte Großtante, Frau Agatha von Sieburg, hat Kenntnis davon erlangt, welch schweres Schicksal Sie getroffen hat. Die gnädige Frau bietet Ihnen an, auf Gut Hohensteinburg ein neues Zuhause zu finden.«

Im ersten Moment hatte Hannerl an einen schlechten Scherz geglaubt, als die sonore Stimme des Anwalts mit dieser geschraubten Redeweise das unglaubliche Angebot machte. Aber mit solchen Themen scherzte man nicht! Außerdem konnte sich Johanna an einige Erzählungen des Vaters erinnern, in denen von einer Tante Agatha die Rede gewesen war. Eigentlich hatte Johanna geglaubt, dass die alte Dame schon längst nicht mehr lebte, sie musste an die achtzig Jahre zählen. Und was man sich über sie erzählte, war nicht unbedingt dazu angetan, sich ein rosiges Bild der Zukunft auszumalen. Streng und herrisch sollte sie sein, schwierig im Umgang und steinreich.

Zwei Ehemänner hatte sie überlebt und auf dem Gut hörte alles auf ihr Kommando. Offenbar war das in Ordnung so, denn es hieß auch, dass das Geld sich unter ihrer Herrschaft vermehrte. Doch was für eine Frau mochte das sein, die alles und jeden fest in der Hand hielt und keinen Widerspruch duldete? Das war es jedenfalls, was Hannerl sich nach und nach ins Gedächtnis zurückrief.

Wollte sie zu dieser Frau? Nein, eigentlich nicht. Und doch war es augenscheinlich die einzige Verwandte, die ein Interesse an ihr zeigte und der ihr Schicksal nicht egal war. Auf der stillen Beerdigung der Eltern hatten einige wenige Verwandte ihr stumm die Hand gedrückt, etwas von einer Tragödie gemurmelt und sich ganz schnell wieder verzogen. So stand die gerade mal 19 Jahre alte Johanna allein da, bis der seltsame Anruf kam. Sie war nicht völlig überzeugt von dieser Lösung, doch etwas von der Unbeugsamkeit der Familie ihres Vaters steckte auch in ihr. Sie musste jeden rettenden Strohhalm ergreifen! Er hätte sicher gewollt, dass sie sich dem Leben stellte und kämpfte. Also würde sie einen Versuch machen und erst einmal feststellen, ob alles der Wahrheit entsprach, was man sich über Tante Agatha erzählte.

Da Johanna im Augenblick eine ausgeprägte Abneigung gegen das Autofahren hatte, war sie mit dem Zug angereist.

Der Bahnhofvorsteher schaute sie neugierig an, wurde dann aber abgelenkt. Es kam ein livrierter Mann auf sie zu.

»Fräulein Gassner?«

»Na, wird schon so sein. Oder sehen S’ sonst noch jemanden hier warten?«, versuchte sie ihre Überraschung zu überspielen.

Der Mann in der Livree lächelte nicht, doch seine Augen blickten mitleidig auf ihre preiswerte Kleidung und ihren bescheidenen Koffer.

»Die gnädige Frau schickt mich, um Sie abzuholen. Ist das Ihr ganzes Gepäck?« Er deutete auf den Koffer, der neben Johanna stand, und bückte sich. Das war ihr peinlich. Sie wollte sich doch nicht von einem älteren Mann das Gepäck tragen lassen. Doch er war schneller.

»Mein Name ist Karl«, sagte er und ging einfach voran.

Hanna blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen, doch direkt vor dem Bahnhof verschlug es ihr die Sprache. Das konnte doch nicht sein!

Dort wartete ein pechschwarzes blitzblankes Auto, ein Rolls Royce. Karl stand schon da und hielt ihr die Tür zum Rücksitz auf. Johanna fühlte sich wie in einem Traum und bekam von der Fahrt nicht viel mit. Erst als der Wagen anhielt und das Madl feststellte, dass es sich auf einem großen Hof befand, kam es wieder zu sich. In der Mitte gab es ein riesiges Beet mit gepflegtem Rasen und Blumen und einem Springbrunnen, der munter plätscherte. Die dazugehörigen Gebäude umschlossen den Hof in einem Geviert.

Der Wagen hielt direkt vor der breiten Freitreppe des Haupthauses. Das war Hohensteinburg?

Bevor Johanna noch weiter nachdenken konnte, wurde die Tür mit Schwung aufgerissen. Ein Mann lachte sie an und streckte ihr die Hände entgegen.

»Willkommen auf Hohensteinburg! Du lieber Himmel, es hat mir ja keiner gesagt, dass wir eine Prinzessin zu Besuch bekommen. Ich bin Bernhard Schönegger, der Verwalter.«

Seine blauen Augen ruhten mit sichtlichem Wohlgefallen auf der jungen Frau. Hanna errötete. Sie betrachtete die starke Hand, die sich ihr entgegenstreckte und fragte sich unwillkürlich, ob der ganze Mann so vertrauenswürdig war wie diese Hand. Sie griff zu und stand gleich darauf dem Verwalter gegenüber.

Für diese verantwortungsvolle Aufgabe schien er noch relativ jung zu sein. Ende zwanzig oder Anfang dreißig höchstens. Doch er strahlte tatsächlich Ruhe und Vertrauenswürdigkeit aus. Nun, vielleicht würde sich dieser Aufenthalt ja doch noch als segensreich erweisen. Wenn es hier einen so fröhlichen und aufgeschlossenen Menschen gab, konnte Tante Agatha doch gar nicht so schlimm sein, oder?

Bernhard betrachtete Johanna voller Vergnügen. Goldblondes Haar fiel in lockeren Wellen bis auf die Schultern, rehbraune Augen blickten ein wenig ängstlich und neugierig in die Welt und die schlanke sportliche Gestalt deutete an, dass Johanna nicht zu denen gehörte, die sich oft auf der faulen Haut ausruhen wollten.

»Ich freue mich, dass ich Sie als erster begrüßen darf«, fuhr der Mann fort. »Ihre Großtante ist schon neugierig, was für ein Mensch Sie sind.« Er strahlte sie mit seinen blauen Augen an, Johanna war fasziniert.

Karl stand plötzlich neben ihr. »Ich werde das Gepäck in Ihre Räume bringen lassen«, erklärte er und schritt einige Stufen die Treppe hoch, wo ein Dienstmädchen ihm den Koffer abnahm. Hannerl fühlte sich immer mehr wie in einem seltsamen Traum gefangen.

»Nun gehen S’ schon, Ihre Großtante ist eine bemerkenswerte Dame, wenn man sie erst einmal kennt. Wir sehen uns hoffentlich bald wieder.«

Bernhard ging mit raschen Schritten davon und Johanna fühlte sich plötzlich alleingelassen. Sie fühlte die forschenden Augen des Dienstmädchens, dann gab sie sich einen Ruck und ging die Treppe hinauf.

»Die gnädige Frau erwartet Sie im Kleinen Salon. Folgen S’ mir bitte?« Johanna ging hinterher und bemühte sich das Staunen zu unterdrücken.

Der Kleine Salon war so groß wie die ganze Wohnung, in der Johanna bisher mit den Eltern gewohnt hatte. Und trotzdem wirkte die kleine, zarte, uralte Dame, als könnte sie diesen Raum mühelos allein ausfüllen.

Schneeweiße Haare, ein energisches Kinn, scharfe graue Augen und ein verkniffener Mund das war Tante Agatha?

»Willkommen auf Hohenstein, mein Kind. Du hast eine kluge Entscheidung getroffen. Für eine Frau allein ist dieses Leben da draußen nichts. Schon gar nicht für eine junge Frau. Du darfst Tante zu mir sagen und ich erwarte selbstverständlich, dass dein Benehmen tadellos ist.«

Hanna war wie erschlagen von dieser Begrüßung. Sie ließ sich ungefragt in einen Stuhl fallen und begann hemmungslos zu weinen.

2

»Das war der Irrtum des Jahrhunderts«, schimpfte Johanna leise vor sich hin, während sie unruhig auf und ab lief. Sie befand sich in dem Wohnzimmer, das zu ihren Räumen gehörte und konnte noch immer nicht glauben, was sie an diesem Tag alles erlebt hatte.

Was sie nun wirklich von ihrer Großtante erwartet hatte, konnte sie nicht einmal sagen. Doch ganz bestimmt entsprach das Verhalten von Agatha von Sieburg nicht dem, was Johanna gehofft hatte.

Die alte Dame war etwas mühselig aufgestanden, gestützt auf einen Gehstock mit einem silbernen Knauf.

»Also, was gibt es denn da zu weinen? Johanna, ich muss doch wirklich bitten! Die Frauen in unserer Familie sind immer erstaunlich zäh gewesen. Auch wenn sie sich natürlich nicht so stark geben konnten wie unsere Männer. Das ist schließlich die Aufgabe eines Mannes, die Frauen zu beschützen und vor der grausamen Wirklichkeit da draußen zu bewahren.«

Schlagartig versiegten die Tränen bei Hanna und ein schüchternes Lächeln bahnte sich einen Weg.

»Tante Agatha, ich bitt’ dich, Frauen sind heutzutage stark genug, um selbst mit dem Leben fertig zu werden«, widersprach sie leise. »Schau, ich hab’ noch eine große Trauer im Herzen, aber mit der Zeit...«

»Papperlapapp«, unterbrach die alte Dame energisch. »Es gibt Dinge, an denen sich in diesem Leben nichts mehr ändern wird. Ich erwarte von dir, dass du Stil und Haltung zeigst. Die öffentliche Zurschaustellung von Gefühlen gehört nicht dazu. Nun gut, ich sehe ein, dass du vermutlich noch unter Schock stehst. Kein Wunder nach dieser Tragödie. Ich habe deinen Vater nicht sehr gut gekannt, aber alle Männer in dieser Familie waren kräftig und standhaft. Eine Schande ist es, dass er dich nicht früher zu mir gebracht hat. Ich hätte viel für dich tun können. Vor allem eine anständige Erziehung hätte ich dir angedeihen lassen können. Wir werden sehen, was noch zu machen ist. Du wirst jetzt in deine Zimmer gehen, um dich auszuruhen. Morgen müssen wir einkaufen. Du brauchst anständige Kleider. Meine Nichte kann nicht derart billig herumlaufen.«

Das war denn doch zu viel für Hanna. »Tante Agatha, ich bin dir sehr dankbar, dass du mich eingeladen hast, aber ich bin durchaus in der Lage...«

»Mehr erwarte ich im Moment auch nicht, Johanna. Dankbarkeit. Du darfst dich entfernen.«

Völlig verwirrt hatte Hanna den Salon verlassen. Draußen wartete das Dienstmädchen.

»Kommen S’, Fräulein Johanna, ich zeig Ihnen Ihre Zimmer. Ich bin übrigens die Vreni oder vielmehr Veronika. Die gnädige Frau mag Abkürzungen net.«

»Das glaub’ ich gern«, stöhnte Hanna. »Ich will hoffen, sie mag überhaupt was.«

Ein leises Kichern erklang. »Net viel«, kam es flüsternd. »Die gnädige Frau ist manchmal ein bisserl schwierig, aber dafür hat hier alles seine Ordnung. Und die Bezahlung lässt auch nix zu wünschen übrig.«

Es gab eigentlich keinen Grund dafür, doch zwischen den beiden jungen Frauen herrschte augenblicklich ein Einverständnis. Veronika und Johanna fühlten sich verbunden, weil sie beide nicht in diese steife Umgebung gehörten. Jedenfalls nicht gleichberechtigt mit Agatha von Sieburg. Es war für Hanna tröstlich, dass sie sich nicht mehr allein fühlte. Natürlich, auch ihre Eltern hatten Stil und Stolz besessen, doch zur Erziehung hatten ebenso Höflichkeit, Bescheidenheit, Bildung und Rücksichtnahme gehört. Die doch sehr antiquierte Art der Großtante wirkte auf Johanna fremd und kalt.

Es passte jedoch nicht zu ihr, die Flinte gleich ins Korn zu werfen. Sie würde ein paar Tage abwarten und sehen, ob in der folgenden Zeit der erste Eindruck bestätigt wurde. Bis dahin war es sicher klug, die ganze Angelegenheit mit etwas Humor zu betrachten. Vielleicht war es auch noch viel zu früh, ein Urteil zu fällen, schließlich kannten Tante Agatha und sie sich gar nicht.

Nachdem Hanna zu dieser Erkenntnis gekommen war, beendete sie ihren unruhigen Rundgang und sah sich unvermittelt Vreni gegenüber.

»Ich hab’ Ihre Sachen in den Schrank gepackt, Fräulein Johanna. Aber, ich fürchte, die gnädige Frau wird die Sachen net so gut finden.«

»Was, bitte, könnte ihr daran denn net Recht sein? Und bitte, Vreni, sagen S’ um Gottes willen net Fräulein Johanna zu mir. Da tät’ ich mir ja vorkommen wie na ja, wie eine überdrehte Dame.«

Vreni hielt inne und lachte dann plötzlich auf. »Das hab’ ich jetzt besser net gehört. Und ich denk’ ja auch nur. Aber die gnädige Frau wird Ihnen schon sagen, was ihr wichtig ist. Kann ich sonst noch was für Sie tun?«

»Nein, danke, ich bin’s eh net gewöhnt, dass mir jemand die Arbeit abnimmt. Vielen Dank, Vreni.«

Das Mädchen entfernte sich und Hanna wappnete sich mit Geduld, um das anstehende Abendessen in Ruhe zu überstehen.

3

Die erste Nacht in einem fremden Bett ließ Hanna kaum Schlaf finden. Und sie war auch am frühen Morgen schon wach. Die Sonne war gerade aufgegangen, jetzt im Spätsommer ein wundervoller Anblick, musste Hanna zugeben, die am Fenster nach Osten stand und das atemberaubende Panorama betrachtete.

Auf dem Hof ging der junge Verwalter mit flotten Schritten auf ein niedriges Gebäude zu und Hanna spürte plötzlich eine unbestimmte Sehnsucht. Er war eigentlich ein ganz normaler Mensch, der ihr freundlich entgegengekommen war und mit seiner Fröhlichkeit viel dazu beigetragen hatte, dass ihr der gestrige Tag nicht völlig als Katastrophe im Gedächtnis geblieben war. Bernhard Schönegger schien irgendwie auch nicht hierher zu gehören. Sie spürte, dass sie gern mehr über ihn wissen würde. Es müsste schön sein, ihn besser kennenzulernen.

Hanna rief sich energisch zur Ordnung. Wie kam sie denn auf solche Gedanken? Sie kannte diesen Mann doch gar nicht. Und doch Bernhard verhielt mitten im Schritt und schaute am Gebäude hoch, bis er Hanna in die Augen schauen konnte, so, als hätte er ihre Anwesenheit gespürt.

Selbst auf die Entfernung hin konnte sie das Lachen in seinem sympathischen Gesicht sehen. Johanna fühlte, dass sie errötete. Bernhard winkte und sie öffnete das Fenster, verlegen und beschämt, so als hätte man sie beim lauschen erwischt.

»Guten Morgen, Fräulein Johanna«, grüßte Bernhard. »Wie schön, noch ein Frühaufsteher. Hätten S’ Lust, eine Runde mit mir zu reiten?« Seine klare Stimme klang tragend über den ganzen Innenhof von Hohensteinburg. Du lieber Himmel, jeder konnte zuhören. Aus irgendeinem Grund wollte Hanna nicht, dass jedermann die fröhliche Stimme hörte.

»Ich komm runter, warten S’ einen Augenblick«, sagte sie und erhaschte ein Aufblitzen der blauen Augen. Rasch schlüpfte sie in eine Hose und einen Pulli. Reiten konnte sie ohnehin nicht, aber Pferde waren eine angenehme Überraschung für sie, denn Johanna liebte Pferde.

Auf dem Weg nach unten begegnete sie Vreni, die sie erstaunt anblickte.

»Guten Morgen«, rief Hannerl und war schon weiter, noch bevor das Dienstmädchen etwas über das Frühstück sagen konnte.

Die Luft war noch recht frisch, duftete würzig und deutete schon jetzt auf einen warmen, sonnigen Tag. Bernhard hatte gewartet und musterte jetzt etwas irritiert ihren Aufzug. Er selbst trug eng anliegende Hosen, ein weißes Hemd und ein Reitsakko, dazu hohe Stiefel und eine Gerte in der Hand.

»Ja, in den Sachen wollen S’ doch bestimmt net aufs Pferd steigen?« wunderte er sich und streckte die Hand zur Begrüßung aus.

Hanna wurde schon zum zweiten Mal an diesem Tag rot.

»Ich kann doch gar net reiten«, gestand sie. »Aber ich hab’ mir gedacht, weil S’ gestern schon so freundlich zu mir gewesen sind, wär’s ganz nett, wenn ich Ihnen vielleicht zuschauen könnt.«

Er hielt verblüfft inne und lachte dann herzhaft auf. »Ich glaub’, so was Nettes hab’ ich schon lang nimmer gehört. Net reiten können, aber zuschauen wollen?« Er schüttelte den Kopf, begann dann aber zu überlegen. »Da sollt’ man doch was dran ändern. Hätten S’ denn net Lust, mal einen Versuch zu wagen? Ich bin sicher, die gnädige Frau wird früher oder später sowieso darauf bestehen, dass Sie das lernen.«

»Reitet Tante Agatha etwa noch?«, fragte Hannerl verblüfft.

Bernhard lachte wieder. »Ich sagte schon, Ihre Tante ist eine bemerkenswerte Frau und sie reitet tatsächlich noch im Damensitz.«

Das konnte sich Hanna nun gar nicht vorstellen. Bernhard griff nach ihrem Arm und zog sie mit sich, ein Prickeln durchfuhr ihren Körper und wieder einmal rief sie sich zur Ordnung. Hanna wusste nicht, weshalb sie so reagierte. Die Nähe dieses Mannes beruhigte und beunruhigte sie gleichermaßen. Doch dann verwandelte sich ihre Verwirrung in Entzücken, als sie mit Bernhard zusammen den Stall betrat.

»Normalerweise reite ich morgens eine Stunde in die Landschaft. Heut’ werden wir das Programm ein bisserl ändern. Ich bin dafür, dass Sie gleich mal einen Versuch machen, auch wenn S’ net die passende Kleidung haben.«

»Das ist net Ihr Ernst«, protestierte Hanna, doch der Verwalter machte einem der Stallburschen ein Zeichen.

»Sattel mal die Viola. Fräulein Johanna sollte damit zurechtkommen.«

Protest war jetzt unmöglich, außerdem war Johanna viel zu aufgeregt und neugierig, um sich zu drücken. Es dauerte nur kurze Zeit, bis das Pferd fertig gesattelt vor ihr stand. Bernhard lächelte aufmunternd.

»Na, kommen S’, ich helf’ Ihnen.«

Das Tier erschien Johanna auf einmal viel zu groß, die Steigbügel unendlich weit entfernt. Niemals würde sie auf diesen hohen Rücken hinaufkommen! Jemand drückte ihr die Zügel in die Hand und Bernhard beugte sich nieder.

»So, den linken Fuß in den Bügel, mit den Händen am Sattel vorn festhalten und dann das andere Bein mit Schwung über den Rücken.« Er hätte ebenso gut chinesisch reden können, Johanna verstand plötzlich kein Wort mehr. Doch ihr Körper bewegte sich auf einmal ohne ihr Zutun. Ehe sie sich versah, saß sie hoch oben im Sattel und klammerte sich fest.

»Schön gerade sitzen bleiben«, mahnte Bernhard, der sich köstlich zu amüsieren schien. »Ich bin gleich bei Ihnen.«

Mühelos stieg er selbst auf, bei ihm sah das alles so einfach aus. Der Mann griff hinüber und nahm einen der Zügel von Johannes Pferd an sich.

»Halten S’ sich bitte net so krampfhaft fest, es reicht wenn S’ sich mit den Schenkeln im Sattel halten. Die Viola ist lammfromm und weiß schon selbst, worauf es ankommt.«

Mit langsamen Schritten setzte sich das Tier in Bewegung und Hannerl spürte augenblicklich den Rhythmus, an den sie sich instinktiv anpasste.

»Sie halten sich gut«, lobte Bernhard. Genau in diesem Augenblick passte Johanna nicht auf und rutschte fast aus dem Sattel. Krampfhaft klammerte sie sich an der Mähne des Tieres fest.

»Was hat dieser komödiantische Aufzug zu bedeuten?«, erscholl unvermittelt die Stimme von Tante Agatha. Johanna bekam erst recht einen Schrecken und ließ abrupt los, was zur Folge hatte, dass sie aus dem Sattel rutschte. Das Pferd scheute, mühte sich, nicht auf das so plötzlich aufgetauchte Hindernis zu treten und brachte damit auch Bernhard und sein Tier aus dem Tritt.

Aber dann sprang der Mann schon aus dem Sattel und beugte sich besorgt über Hanna.

»Sind S’ verletzt? Können S’ aufstehen? Ich hätte vielleicht besser aufpassen sollen, tut mir sehr leid, Fräulein Johanna. Kommen S’, ich helf’ Ihnen.«

»In zwei Minuten in meinem Arbeitszimmer«, bestimmte Tante Agatha mit kalter Stimme und verschwand wieder im Haus.

»Ach, herrjeh, ich fürcht’, jetzt kriegen wir zwei ganz furchtbar den Kopf gewaschen«, erklärte Bernhard mit Trauermiene, obwohl er glücklich war, dass Hanna sich nicht verletzt hatte.

Sie zuckte die Achseln. »Ich werd’s wohl überstehen. Aber wie schaut das mit Ihnen aus?«

4

»Das eben war eine unmögliche Situation, ausgesprochen peinlich und weder meiner Großnichte noch einem Mann in Ihrer Stellung würdig. Solche Würdelosigkeiten schätze ich ganz und gar nicht.« Tante Agatha saß hinter ihrem penibel aufgeräumten Schreibtisch und blickte den beiden mit eisigem Gesicht entgegen.

Bernhard senkte den Kopf, doch er wirkte nicht gerade verlegen. Johanna stellte sich schützend vor den Mann, sie wollte nicht Schuld daran sein, dass er, auf Grund dieses kleinen Vorfalls, seine Stellung verlor.

»Tante Agatha, bitte, es lag an mir«, erklärte sie tapfer. »Als ich Herrn Schönegger sagte, dass ich nicht reiten könnte, bot er mir an, einen Versuch zu machen, wies aber darauf hin, dass meine na ja Ausrüstung nicht entsprechend wäre. Ich habe mich trotzdem dafür entschieden. Mach’ ihm also bitte keine Vorwürfe.«

Die Augen der alten Dame richteten sich wie die eines Raubvogels auf Hanna, die am liebsten einfach gegangen wäre.

»Ich zweifle nicht daran, dass diese absurde Idee deine volle Zustimmung gefunden hat, mein Kind. Schließlich kommst du aus Kreisen, in denen offenbar spontanes und unüberlegtes Verhalten an der Tagesordnung war. Dein Vater hat leider versäumt, dir eine angemessene Erziehung angedeihen zu lassen.«

Johanna wollte auffahren, aber noch bevor sie ein Wort zur Verteidigung ihres Vaters ausstoßen konnte, ließ eine herrische Handbewegung sie innehalten.

»Es ist verständlich, dass du deine Familie verteidigen willst, aber das ist nicht nötig. Ich weiß, was ich davon zu halten habe. Herr Schönegger, Sie kennen meine Grundsätze, ich bin erstaunt, dass Sie es für nötig gehalten haben, diese absurde Komödie noch zu unterstützen. Ich wünsche nicht, dass ein solcher Vorfall sich wiederholt. Noch heute werde ich für eine angemessene Ausstattung meiner Großnichte sorgen. Sie hingegen engagieren einen kompetenten Reitlehrer.« Sie schüttelte fassungslos den Kopf. »Nicht reiten zu können unglaublich«, murmelte sie dann. »Das war alles, Herr Schönegger.«

Bernhard gestattete sich ein kleines Lächeln und verließ mit einer angedeuteten Verbeugung den Raum.

»Tante Agatha, ich bin dir wirklich sehr dankbar, dass du mich hier aufnehmen willst, aber ich bin eine moderne junge Frau, die notfalls auch allein durchs Leben kommen kann. Ich finde deine Ansichten, nun ja, etwas altmodisch und stark übertrieben.«

Agatha zeigte keinerlei Reaktion auf ihre Worte. »Wir werden gleich gemeinsam frühstücken, nachdem du diese Kleidung abgelegt hast. Anschließend kann Karl uns in die Stadt fahren. Es ist tatsächlich an der Zeit, dich angemessen auszustatten. Ich habe mich bei Veronika nach deiner Garderobe erkundigt. Sie lässt in jeder Beziehung zu wünschen übrig. Vergiss nicht, Johanna, wer und was du bist. Meine Nichte hat entsprechend ihrer Herkunft gekleidet zu sein.«

»Aber Tante, bisher hat meine Kleidung immer ausgereicht. Kommt es denn wirklich so sehr auf Äußerlichkeiten an?«

»Auf Hohensteinburg in jedem Fall. Ich will nicht daran denken, was die Nachbarn und die Verwandten sagen, wenn du nicht in einer entsprechenden Garderobe erscheinst. Ich halte dieses Thema jetzt für beendet. Geh nun und zieh dich um. Und merke dir, dass in diesem Hause das Frühstück gemeinsam um acht Uhr eingenommen wird.«

Hanna hatte das Gefühl, vor einer Wand zu stehen, an der alles abprallte, was sie sagte. Wollte oder konnte Tante Agatha nicht verstehen? Was sollte sie tun? Zu einer flammenden Rede ansetzen, zur Verteidigung ihres Vaters und ihrer selbst? Nein, sie konnte sich jedes Wort sparen. Abwarten, mahnte sie sich selbst zur Ruhe.

5

Ihr Entschluss, erst Mal die Ruhe zu bewahren, wankte bald.

Sie war mit Tante Agatha in die Stadt gefahren, nachdem die alte Dame beim Frühstück mit einem missbilligenden Blick darauf reagiert hatte, wie sich das Madl umgezogen hatte. Johanna empfand den praktischen Pullover und die gutsitzende Hose als durchaus angemessen, doch offenbar sah ihre Tante das vollkommen anders.

Das Frühstück verlief schweigsam, bis Tante Agatha aufstand. »Bist du fertig? Dann wollen wir fahren.«

Karl schien schon vorher seine Befehle bekommen zu haben, denn er wartete bereits vor der Treppe mit dem Wagen. In die Stadt, hatte die Tante gesagt, allerdings hatte sie nicht ausgesprochen, welche Stadt gemeint war. So wurde Hannerl plötzlich überrascht, als es bis in die nächste Großstadt ging. Vor einem teuer und vornehm aussehenden Geschäft hielt der Wagen und die Eingangstür wurde von zwei Frauen mittleren Alters geöffnet. Was dann folgte, war für Hanna jedoch ein Alptraum.

Tante Agatha gab in rascher Folge Anweisungen, einige junge Frauen begannen, auf einem Laufsteg Modelle zu zeigen und Hanna war entsetzt. Das sollte sie wirklich anziehen? Es mochte ja gut und teuer sein, doch auf sie wirkte es wie Mode aus dem vorvorletzten Jahrhundert. Nur Tante Agatha schien ausgesprochen zufrieden. Sie deutete auf mehrere Modelle.

»Diese Garderobe wird meine Nichte anprobieren. Dazu einen einfachen Reitanzug und etwas für die Cocktailstunde.«

Das war der Auftakt. Johanna musste jedes Teil anziehen und zwei Schneiderinnen standen mit Maßband und Stecknadeln daneben, um jede kleine Falte zu entdecken. Doch mittlerweile hatte Johanna mehr als genug von diesem Theater. Sie war soweit, dass sie Sackleinen mit Brokatbesatz akzeptieren würde, wenn nur diese Anprobe endlich ein Ende fand.

Irgendwann war Tante Agatha endlich zufrieden und die Besitzerin des Geschäfts ausgesprochen glücklich.

»Ach ja, genau, den Reitanzug braucht meine Nichte heute noch.«

»In dieser Größe kann ich leider nicht dienen.«

»Bis heute Nachmittag«, beendete die alte Dame ihren Satz und die andere Frau nickte schnell. Wie das funktionieren sollte, blieb Hanna ein Rätsel.

»Du solltest dieses Modell gleich anbehalten. Ich bin sicher, man wird hier eine passende Verwendung für deine bisherige Kleidung haben.«

Johanna schaute an sich herunter. Sie trug ein Kostüm, der Stoff war mit Sicherheit sündhaft teuer. Aber der Schnitt wirkte altmodisch in den Augen der jungen Frau. Sie kam sich jetzt unpassend angezogen vor, irgendwie verkleidet. Allerdings wagte sie keinen Widerspruch, Tante Agatha würde ohnehin kein Widerwort zulassen, schon gar nicht vor Angestellten.

Zum Essen ging es in ein vornehmes Restaurant, doch Johanna bekam kaum einen Bissen herunter. Immer wieder fragte sie sich, ob das wirklich das Leben war, welches sie in Zukunft führen wollte. Offenbar würde sie keine finanziellen Sorgen mehr kennen, aber dafür musste sie sich dem tyrannischen Wesen ihrer Tante unterordnen. Aber, und da begann in der jungen Frau der gesunde Menschenverstand einzusetzen, war Tante Agatha wirklich nur eine alte tyrannische Person, die jeden in ihrer Umgebung unter Kontrolle haben wollte? Oder war sie nicht vielmehr seit vielen Jahren eine einsame alte Frau, daran gewöhnt, den Anschein von Stärke aufrechtzuerhalten, den ihr das Schicksal auferlegt hatte? Als Hanna bis zu diesem Punkt ihrer Überlegungen gekommen war, fasste sie spontan einen Entschluss. Sie würde vorerst einen Urlaub auf Hohensteinburg verbringen.

Erst einmal wollte sie feststellen, ob Tante Agatha unter dem harten preußischen Panzer nicht doch ein Wesen mit Gefühlen war. Vielleicht konnte sie die alte Dame ein wenig aus der Reserve locken. Wäre es denn nicht schön, ein Lächeln auf dem gestrengen Gesicht zu sehen? Einen Versuch war es allemal wert, mochte es in der ersten Zeit auch sicher Zusammenstöße geben. Denn Hanna wollte ganz bestimmt nicht in jeder Beziehung über sich bestimmen lassen. Sie war mehr als nur eine Anziehpuppe oder ein Spielzeug.

Nach dem Essen fuhr Karl noch einmal bei dem Geschäft vorbei und packte anschließend etliche Pakete in den Kofferraum.

»Du brauchst natürlich auch noch anständiges Schuhwerk und Reitstiefel. Doch dazu müssen wir nicht in noch ein Geschäft gehen. Der Herr Obermayr kommt heute noch und bringt eine ausgesuchte Kollektion mit.«

Johanna grübelte darüber, was sie sich unter einer ausgesuchten Kollektion vorzustellen hatte.

Vreni holte denn mit einem wissenden Lächeln die Pakete aus dem Wagen und verschwand damit nach oben. Johanna war sicher, dass Tante Agatha bereits entsprechende Anweisungen gegeben hatte und ihre bisherige Garderobe auf Nimmerwiedersehen verschwinden würde, falls sie nicht schnell etwas dagegen unternahm.

»Entschuldige bitte einen Augenblick«, rief Hanna und rannte förmlich hinter dem Dienstmädchen her. Der missbilligende Blick der alten Dame wurde ignoriert.

»Vreni, halt«, rief Hannerl und stürmte in ihr Zimmer.

»Stimmt was net? Kann ich helfen?«, erkundigte die sich freundlich.

»Vreni, meine Sachen, die, die ich mitgebracht habe, mein ich. Wo sind die?«

Das Dienstmädchen lächelte verschmitzt. »Nach Ansicht der gnädigen Frau sind die in der Mülltonne. Aber ich hab’ mir gedacht, dass Ihnen das net so gefallen tät’.«

Sie öffnete eine Kommode und deutete auf einen Stapel Kleidung in der hintersten Ecke versteckt.

»Ich danke Ihnen,Vreni.« Hannerl war erleichtert. Das Verschwinden ihrer alten Garderobe hätte einen endgültigen Schlussstrich gezogen und soweit war sie noch nicht.

»Nix zu danken. Aber was nutzt Ihnen das? Wenn S’ das noch mal anziehen, geht die gnädige Frau hoch wie eine Rakete.«

Unwillkürlich stellten die beiden jungen Frauen sich vor, wie die stets korrekte Agatha explodierte. Vreni kicherte und errötete.

»Entschuldigung, ich will ja net despektierlich sein«, murmelte sie und schlug die Augen nieder.

»O Himmel, Vreni, lassen S’ mich noch eines klarstellen, ich bin net hier, weil ich meine Großtante in irgendeiner Form besonders kenn’, gern hab oder gar ausnutzen will. Sie hat mich hergebeten und ich bin mir noch längst net sicher, ob ich auch bleiben werd’. Ich find’s net grad despektierlich, wenn wir hier unter uns sind und offen reden, solang das unter uns bleibt. Und nun decken S’ meine Sachen bloß wieder zu, bevor noch jemand was sieht.«