Himmel, Herrgott, Fatima - Herbert Hirschler - E-Book

Himmel, Herrgott, Fatima E-Book

Herbert Hirschler

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Beschreibung

Verträumte kleine Buchten, grandiose Steilküsten, beschau­liche Fischerdörfer, aber auch endlos weites Land, Schaf­herden und Eukalyptuswälder – wer von der Algarve aus über die Rota Vicentina und den Pilgerpfad am Tejo ent­lang nach Fatima, einen der bekanntesten Marien-Wall­fahrtsorte Europas, wandert, erlebt Portugal von seiner allerschönsten Seite. Egal, ob man am südwestlichsten Zipfel Europas die »letz­te Bratwurst vor Amerika« verdrückt, im Schlafsaal einen internationalen Mädelsabend crasht oder während eines Mittagsschläfchens unter uralten Korkeichen von der feuchten Schnauze eines Jagdhundes wiederbelebt wird – jeder Tag ist ein Erlebnis. Herbert Hirschler beschreibt humorvoll und sehr persön­lich einen der schönsten Weitwanderwege der Welt und gibt Einblicke in den Pilgeralltag, zu dem nicht nur Blasen, Knieschmerzen und Sonnenbrand gehören, sondern auch eine Menge irrwitzige Erlebnisse und skurrile Begegnungen. Drei außergewöhnliche Wege in einem Buch: • der historische Rota Vicentina • der Fischerpfad (oder Fisherman's Trail) • der Tejo-Weg nach Fatima Aus dem Buch »Santiago? No! Fatima! FATIMA!« Der alte Fischer sah mich mit traurigen Augen an. Er konnte nicht verstehen, dass ich unbedingt nach Santiago de Compostela pilgern wollte, anstatt nach Fatima. Es war der 19. April 2016, als mich auf dem Trilho das Areias, dem Küstenweg von Lissabon nach Porto, ein ordentlicher Regenguss in die Markthalle von Praia das Maçãs geschwemmt hatte. Hier gab es alles zu kaufen, von Gemüse, Obst und Fischen über Blasenpflaster bis zu Marienstatuen, und es hatte sich schon in aller Herrgottsfrühe die einheimische Dorfelite versammelt, um bei ein paar Vinhos Tintos die Probleme der Welt zu besprechen. Sie waren allesamt Fischer, die schon seit Mitternacht am Meer ihre Netze ausgeworfen hatten. Nachdem sie ihren Fang in die Markthalle gebracht hatten, genossen sie ihren frühen Feierabend. Als sie mich sahen, wurde es auf einmal still im Stall und geschätzte neuneinhalb Augenpaare (einer hatte eine schwarze Augenklappe) blickten mich verwundert an. Bis ich die Zauberworte »Peregrino de Santiago« sagte. Plötzlich war ich mittendrin, statt nur dabei. Weil man einem tropfnassen Pilger einfach helfen muss, wurde ich kurzfristig in den Ältestenrat aufgenommen und hatte auch schon ein Glas Vinho Tinto in der Hand. Zehn Uhr vormittags, erster Kontakt mit Alkohol. Nach der dritten Runde verstand ich zwar weiterhin nur Bahnhof bei den unzähligen Wortfetzen, die mittlerweile von allen Seiten auf mich einprasselten, doch so viel war mir klar: Meine neuen portugiesischen Freunde waren allesamt enttäuscht, dass ich nicht nach Fatima pilgern wollte. Weil sie gar so verzweifelt schienen und sie mir langsam leidtaten, wollte ich die Lage etwas beruhigen und versprach einfach so ins Blaue hinein, dass ich irgendwann zurückkommen werde, um in den wichtigsten Marienwallfahrtsort Portugals zu pilgern.

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Inhalt:

Verträumte kleine Buchten, grandiose Steilküsten, beschauliche Fischerdörfer, aber auch endlos weites Land, Schafherden und Eukalyptuswälder – wer von der Algarve aus über die Rota Vicentina und den Pilgerpfad am Tejo entlang nach Fatima, einen der bekanntesten Marien-Wallfahrtsorte Europas, wandert, erlebt Portugal von seiner allerschönsten Seite.

Egal, ob man am südwestlichsten Zipfel Europas die »letzte Bratwurst vor Amerika« verdrückt, im Schlafsaal einen internationalen Mädelsabend crasht oder während eines Mittagsschläfchens unter uralten Korkeichen von der feuchten Schnauze eines Jagdhundes wiederbelebt wird – jeder Tag ist ein Erlebnis.

Herbert Hirschler beschreibt humorvoll und sehr persönlich einen der schönsten Weitwanderwege der Welt und gibt Einblicke in den Pilgeralltag, zu dem nicht nur Blasen, Knieschmerzen und Sonnenbrand gehören, sondern auch eine Menge irrwitzige Erlebnisse und skurrile Begegnungen.

Drei außergewöhnliche Wege in einem Buch:

der historische Rota Vicentina

der Fischerpfad (oder Fisherman’s Trail)

der Tejo-Weg nach Fatima

Aus dem Buch:

»Santiago? No! Fatima! FATIMA!« Der alte Fischer sah mich mit traurigen Augen an. Er konnte nicht verstehen, dass ich unbedingt nach Santiago de Compostela pilgern wollte, anstatt nach Fatima. Es war der 19. April 2016, als mich auf dem Trilho das Areias, dem Küstenweg von Lissabon nach Porto, ein ordentlicher Regenguss in die Markthalle von Praia das Maçãs geschwemmt hatte.

Hier gab es alles zu kaufen, von Gemüse, Obst und Fischen über Blasenpflaster bis zu Marienstatuen, und es hatte sich schon in aller Herrgottsfrühe die einheimische Dorfelite versammelt, um bei ein paar Vinhos Tintos die Probleme der Welt zu besprechen. Sie waren allesamt Fischer, die schon seit Mitternacht am Meer ihre Netze ausgeworfen hatten. Nachdem sie ihren Fang in die Markthalle gebracht hatten, genossen sie ihren frühen Feierabend.

Als sie mich sahen, wurde es auf einmal still im Stall und geschätzte neuneinhalb Augenpaare (einer hatte eine schwarze Augenklappe) blickten mich verwundert an.

Bis ich die Zauberworte »Peregrino de Santiago« sagte. Plötzlich war ich mittendrin, statt nur dabei. Weil man einem tropfnassen Pilger einfach helfen muss, wurde ich kurzfristig in den Ältestenrat aufgenommen und hatte auch schon ein Glas Vinho Tinto in der Hand. Zehn Uhr vormittags, erster Kontakt mit Alkohol. Nach der dritten Runde verstand ich zwar weiterhin nur Bahnhof bei den unzähligen Wortfetzen, die mittlerweile von allen Seiten auf mich einprasselten, doch so viel war mir klar: Meine neuen portugiesischen Freunde waren allesamt enttäuscht, dass ich nicht nach Fatima pilgern wollte. Weil sie gar so verzweifelt schienen und sie mir langsam leidtaten, wollte ich die Lage etwas beruhigen und versprach einfach so ins Blaue hinein, dass ich irgendwann zurückkommen werde, um in den wichtigsten Marienwallfahrtsort Portugals zu pilgern.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Anne Chantal

Auftakt

Praia das Maçãs, 2016

Elefantenknie

Ich komme …, 26. April 2023

Flug Wien–Hamburg–Faro

Rota Vicentina: Lagos–Sines

1. Tag: Trekkingstöckefiasko, 27. April 2023

Bus nach Lagos, Wanderung, Bus nach Salema, 15 km

2. Tag: Familientreffen bei Carlos, 28. April 2023

Salema–Sagres, 26 km

3. Tag: Letzte Bratwurst vor Amerika, 29. April 2023

Sagres–Vila do Bispo, 23 km

4. Tag: Mädelsabend, 30. April 2023

Carrapateira–Vila do Bispo, 23 km

5. Tag: Kitschklasse 1A, 1. Mai 2023

Carrapateira–Arrifana, 25 km

6. Tag: La-Ola-Welle, 2. Mai 2023

Arrifana–Aljezur–Odeceixe, 35 km

7. Tag: Highway to Hell, 3. Mai 2023

Odeceixe–São Teotónio, 19 km

8. Tag: Das Leben ist ein Hit, 4. Mai 2023

Almograve–Zambujeira do Mar, 21 km

9. Tag: Unterm Tisch …, 5. Mai 2023

Almograve–Vila Nova de Milfontes, 16,5 km

10. Tag: Bauchfleck de luxe, 6. Mai 2023

Vila Nova de Milfontes–Porto Covo, 23 km

11. Tag: Tränen lügen nicht, 7. Mai 2023

Porto Covo–São Torpes–Sines, 17 km

Tejo-Weg: Lissabon–Fatima

12. Tag: Auf geht’s nach Fatima, 8. Mai 2023

Bus nach Lissabon, Busbahnhof–Sacavém, 20,5 km

13. Tag: Marathon, 9. Mai 2023

Sacavém–Vila Franca de Xira–Castanheira do Ribatejo, 42 km

14. Tag: Bergpredigt, 10. Mai 2023

Castanheira do Ribatejo–Azambuja–Reguengo, 26 km

15. Tag: Austria 12 Points, 11. Mai 2023

Reguengo–Santarém, 22 km

16. Tag: Herbergssuche, 12. Mai 2023

Santarém–Monsanto, 34 km

17. Tag: Angekommen, 13. Mai 2023

Monsanto–Fatima, 26,2 km

Das war‘s …

»Obrigado« – wie wir Portugiesen sagen …

Rota Vicentina: Lagos–Sines

Tejo-Weg: Lissabon–Fatima

Links

Für meine Familie

Ihr seid das Beste in meinem Leben!

Vorwort von Anne Chantal

Lieber Herbert,

jetzt warst du also erneut unterwegs – wie so viele andere, die vom Pilgervirus befallen sind. Bereits 2016 bist du als erster deutschsprachiger Pilger den gesamten Trilho das Areias von Lissabon nach Porto gelaufen, um dann anschließend auf dem Caminho da Costa weiter nach Santiago de Compostela zu pilgern.

Diesmal warst du auf der Rota Vicentina und auf dem Tejo-Weg nach Fatima unterwegs. Du hast auch hier meines Wissens Pionierarbeit geleistet, denn noch kein mir bekannter Pilger ist bisher über die von dir beschriebene Route nach Fatima gewandert.

Vielen Dank, dass du uns in der Facebook-Gruppe »Jakobsweg – Caminho Português (Das Original(!) seit 2012)« jeden Tag auf diesen wunderschönen Weg von Südportugal bis Fatima mitgenommen hast! Du hast wohl oft sehr gelitten und viele von uns hatten ihre Zweifel, ob du diese Reise mit deinem verletzten Knie überhaupt beenden würdest. Wir haben täglich gezittert. Von Nossa Senhora de Fatima bist du geführt, beschützt und sicher auch getragen worden, wenn du nicht mehr weiterkonntest.

Sehr oft hast du uns auch zum Lachen gebracht mit deinen Geschichten und Begegnungen und so ist ein ganz besonderes Buch entstanden, das die Leser bestimmt begeistern wird!

Weiterhin Bom Caminho!

Und immer mit Sonne im Herzen!

Anne Chantal

Anne Chantal ist die Gründerin der Facebook-Gruppe »Jakobsweg – Caminho Português (Das Original(!) seit 2012)« und gilt als »Engel der portugiesischen Jakobswege«. Anne sitzt im Rollstuhl und hat den Großteil ihrer Sehfähigkeit verloren, trotzdem gibt sie niemals auf und war auf allen bekannten Jakobswegen dieser Welt unterwegs. Tag und Nacht ist sie unermüdlich im Einsatz, um den Tausenden Mitgliedern ihrer Gruppe zu helfen und sie sicher an ihr Ziel zu bringen. Anne hat mich 2016 auf den Trilho das Areias aufmerksam gemacht und war auch ausschlaggebend dafür, dass ich diesmal auf der Rota Vicentina und weiter nach Fatima wandern konnte. Vielen Dank dafür, meine liebste Pilgerfreundin!

Auftakt

3.967 Schritte täglich verringern laut einer aktuellen Studie der Universität Lodz das Risiko, früh zu sterben. Wie die Wissenschaft genau auf diese Zahl gekommen ist, fällt bestimmt unter das Mysterium der höheren Mathematik. Aber egal, man braucht keine 10.000 Schritte, wie bisher immer kolportiert wurde, die waren nur ein Werbeschmäh eines Schrittzähler-Herstellers.

Egal, wie man es nennt, Spazieren, Nordic-Walken, Wandern, Pilgern – sich zu Fuß fortzubewegen wird mittlerweile als Allheilmittel für viele körperliche und geistige Probleme gesehen. Getreu dem Motto »Sitzt du noch oder gehst du schon?«.

Ich weiß nicht, ob Wandern mein Leben verlängert. Ich hoffe, dass mein Hang zu gutem Essen da nicht dazwischenfunkt. Mit meinen 125 Kilos müsste ich gut und gern einen halben Meter größer sein als meine 1,95. Aber egal, mir schmeckt’s halt zu oft zu gut. Noch dazu verbringe ich den Großteil meiner Zeit sitzend am Schreibtisch, was nicht gerade dazu beiträgt, allzu viele Kalorien zu verbrennen. Wenn ich nach einem langen Tag in meinem IT-Hauptjob genug von Computer-Apps, Statistiken und Projektbesprechungen habe, geht es für mich zu Hause in meinem Büro oft nahtlos weiter.

Meine Frau Monika ist zum Glück mehr als verständnisvoll, meine Kinder Christoph und Sandra sind schon aus dem Haus und so verbringe ich so manche Nacht wieder am Schreibtisch. Als Musiktexter mache ich seit 25 Jahren die Schlager- und Volksmusikbranche unsicher und darf mich über ein Stiegenhaus voll Gold- und Platinauszeichnungen freuen, die in Ausnahmefällen nicht nur den Interpreten, sondern auch den Komponisten und Textautoren verliehen werden. Und wenn ich wieder mal an einem neuen Reisebuch oder Roman arbeite, verlasse ich mein Büro im Obergeschoß unseres Hauses sowieso nur ganz selten.

Neben dem Schreibtisch-Gen und dem Essens-Gen habe ich auch das Geh’n-Gen in mir. Nicht immer, nicht täglich, aber so oft wie möglich. Und alle paar Jahre erlaube ich (und meine Moni) mir eine Auszeit von ein paar Wochen, um auf einem Pilger- oder Fernwanderweg »meine Sünden abzubüßen«. So richtig schmerzfrei läuft das nie ab, weil monatelanges Training nicht so meines ist.

Aber das Gefühl unterwegs zu sein, das normale Leben hinter sich zu lassen, vom Alltag auszubrechen und seinen Träumen nachzuhängen, all das und noch vieles mehr zieht mich immer wieder auf einen Pilgerweg und lässt mich Schmerzen und Anstrengungen vergessen. Nach kurzer Zeit auf Wanderschaft stellt sich ein Gefühl von Freiheit ein, alles läuft von selbst und Körper und Seele erleben einen völligen Neustart. Es ist, als ob die Zeit während des Pilgerns langsamer läuft, man findet eine spezielle innere Ruhe und Gelassenheit und wird dankbar und demütig für die schönen Momente, die man erleben darf.

Nach diesen Wanderungen komme ich meist richtig fit zurück, körperlich genauso wie seelisch. Und ich schwöre mir jedes Mal, dass ich es nie mehr zulasse, dieses gute Gefühl von Kraft, Energie und Kondition zu verlieren. Bis dann … – aber das ist eine andere Geschichte.

Zwei Mal war ich bisher auf einem Pilgerweg unterwegs. 2010 wanderte ich vom französischen Hendaye am nordspanischen Küstenweg nach Santiago de Compostela und dann weiter nach Finisterre und Muxia.

Weil es wenig Literatur über den Camino del Norte gab, schrieb ich darüber mein erstes Reisebuch »Himmel, Herrgott, Meer, Musik«. 2016 zog es mich dann auf den Trilho das Areias von Lissabon nach Porto und weiter am Caminho da Costa nach Santiago.

Laut den Aufzeichnungen des portugiesischen Jakobswegforums war ich der erste deutschsprachige Pilger, der auf diesem Küstenweg von Lissabon bis nach Santiago de Compostela gewandert ist. Dieser Weg wird immer beliebter, ich bekomme viele Fragen per Mail und freue mich sehr, dass viele Pilger mein zweites Reisebuch »Himmel, Herrgott, Portugal« zur Planung und Vorbereitung für diesen außergewöhnlichen Caminho verwenden.

In den Jakobswegforen im Internet werden sehr oft Alternativen zu den herkömmlichen Wegen gesucht. Teils, weil manche Pilger als »Wiederholungstäter« bereits auf den meisten der bestehenden Caminos nach Santiago de Compostela unterwegs waren, teils auch, weil es auf den offiziellen Jakobswegen oft gerammelt voll ist und manchen die Menschenmassen einfach zu viel werden. Daher suche ich mir immer etwas »ruhigere« Wege, um mir meine Träume zu erfüllen.

Ich finde es schön, wenn mir Leser schreiben, dass sie durch meine Reiseberichte auf den Gedanken gekommen sind, selbst Wanderschuhe anzuziehen und aufzubrechen. Einige denken bestimmt, wenn es ein schwergewichtiger Schlagertexter schafft, Hunderte Kilometer zu wandern, dann können sie das auch. Und sie haben recht. Das Wichtigste ist der erste Schritt. Egal, ob für ein paar Tage oder ein paar Monate, es lohnt sich in jedem Fall.

Aber auch jene, die sich so einen Weg nicht zutrauen, nehme ich in diesem Buch gern auf die traumhafte Strecke an der portugiesischen Algarve von Lagos bis Sines mit und anschließend auf eine großartige Alternative zu den vielen Jakobswegen, am Tejo entlang von Lissabon bis zu einem der bekanntesten Maria-Wallfahrtsorte Europas, nach Fatima.

Dieses Buch ist kein Reiseführer im herkömmlichen Sinn, sondern beschreibt meine persönlichen Erfahrungen auf einem der schönsten Küstenwanderwege der Welt. Ich hoffe, Sie nehmen mir manch schräge Story nicht übel, aber da ich wie ein Magnet die absurdesten Situationen anziehe, lässt sich das nicht vermeiden.

Meine Beschreibungen des Weges, der Hotels, aller meiner Erlebnisse geben meine persönlichen Eindrücke wieder. Andere Wanderer haben vielleicht andere Erfahrungen gemacht, weil jeder den Weg auf seine eigene Art erlebt. Und das ist gut so.

Als Pilger wünscht man sich »Bom Caminho!«, also einen »guten Weg«. Und den wünsche ich Ihnen auch, ob selbst zu Fuß oder mit mir in diesem Buch!

Praia das Maçãs, 2016

»Santiago? No! Fatima! FATIMA!« Der alte Fischer sah mich mit traurigen Augen an. Er konnte nicht verstehen, dass ich unbedingt nach Santiago de Compostela pilgern wollte, anstatt nach Fatima. Es war der 19. April 2016, als mich auf dem Trilho das Areias, dem Küstenweg von Lissabon nach Porto, ein ordentlicher Regenguss in die Markthalle von Praia das Maçãs geschwemmt hatte.

Hier gab es alles zu kaufen, von Gemüse, Obst und Fischen über Blasenpflaster bis zu Marienstatuen, und es hatte sich schon in aller Herrgottsfrühe die einheimische Dorfelite versammelt, um bei ein paar Vinhos Tintos die Probleme der Welt zu besprechen. Sie waren allesamt Fischer, die schon seit Mitternacht am Meer ihre Netze ausgeworfen hatten. Nachdem sie ihren Fang in die Markthalle gebracht hatten, genossen sie ihren frühen Feierabend.

Als sie mich sahen, wurde es auf einmal still im Stall und geschätzte neuneinhalb Augenpaare (einer hatte eine schwarze Augenklappe) blickten mich verwundert an.

Bis ich die Zauberworte »Peregrino de Santiago« sagte. Plötzlich war ich mittendrin, statt nur dabei. Weil man einem tropfnassen Pilger einfach helfen muss, wurde ich kurzfristig in den Ältestenrat aufgenommen und hatte auch schon ein Glas Vinho Tinto in der Hand. Zehn Uhr vormittags, erster Kontakt mit Alkohol. Nach der dritten Runde verstand ich zwar weiterhin nur Bahnhof bei den unzähligen Wortfetzen, die mittlerweile von allen Seiten auf mich einprasselten, doch so viel war mir klar: Meine neuen portugiesischen Freunde waren allesamt enttäuscht, dass ich nicht nach Fatima pilgern wollte. Weil sie gar so verzweifelt schienen und sie mir langsam leidtaten, wollte ich die Lage etwas beruhigen und versprach einfach so ins Blaue hinein, dass ich irgendwann zurückkommen werde, um in den wichtigsten Marienwallfahrtsort Portugals zu pilgern.

Das heißt, ich schwafelte irgendetwas in Englisch, Portugiesisch und ganz viel Körpersprache von: »Promesso, comeback, peregrino, caminho, Fatima«, faltete die Hände zu einem Gebet und sagte nochmals laut und deutlich: »Fatima!« Augenblicklich hellten sich die Gesichter um mich herum auf, man klopfte mir auf die Schulter und von allen Seiten hörte ich ein befreites »Fatima!«

So recht habe ich damals nicht daran gedacht, dieses Versprechen auch einzulösen. Aber dieser Gedanke hat mich seither nie verlassen. Und jetzt wäre es doch fast so weit gewesen. Ich hatte alles so schön geplant und wollte an der Atlantikküste vom Süden Portugals, genauer gesagt von Faro aus, über die Rota Vicentina an der Algarve nach Sines und anschließend über Setubal bis zur weltbekannten Christusstatue Cristo Rei am südlichen Tejo-Ufer nahe Lissabon wandern. Mit der Fähre wäre ich in Portugals Hauptstadt gegondelt, um dann von Lissabon aus am Tejo-Weg nach Fatima zu pilgern.

Ich hatte alles perfekt vorbereitet, mit der Firma fünf Wochen Urlaub ausverhandelt, mit meiner Familie alles geklärt, etwas trainiert, den Flug gebucht und über die offizielle Website der Caminhos de Fatima (Link im Anhang) den Pilgerpass bestellt – und dann passiert mir das mit dem blöden Knie.

Elefantenknie

Mittwoch, der 19. April 2023, zwei Tage vor meinem Abflug nach Faro. Als ich in der Früh wach wurde, war mein rechtes Knie doppelt so groß wie noch am Vortag. Es war prall gefüllt mit irgendeiner Flüssigkeit und jede Bewegung tat höllisch weh. Mit viel Überredungskunst bekam ich kurzfristig einen Termin beim Orthopäden. Der nahm eine riesengroße Spritze, setzte am Knie an und zog auf. Und zog weiter auf und weiter … Irgendwann hörte ich ein »Da ist ganz schön viel drinnen. Und leider alles gelb …«

»Was heißt das – gelb?«

»Gelb heißt, dass alles entzündet ist. Sie müssen Ihr Knie schonen, ich werde Ihnen jetzt Cortison spritzen und für zu Hause Antibiotika geben – und am Montag sehen wir uns wieder!«

»Aber – ich wollte doch übermorgen für ein paar Wochen durch Portugal pilgern?«

»Das können Sie vergessen!«

Na bravo!

»Sicher musst du deinen Flug stornieren, wir haben ja eine Reisestornoversicherung. Und wenn die nicht zahlt, ist es auch egal …« Ich habe genau gewusst, wie meine Moni reagieren würde, als ich wieder zu Hause war. Und natürlich hatte sie recht. Aber bei meinen bisherigen Wanderungen hatte ich am Beginn auch immer Schmerzen in den Beinen und Hüften, aber durch das lange Marschieren wurden die Gelenke und Bänder geschmiert, alles gelockert und irgendwann bin ich dann fast schmerzfrei dahingeschwebt. Außerdem hat mein Knie seit der Punktierung durch den Arzt wieder eine fast normale Dimension angenommen.

»Moni, und wenn ich es trotzdem …«

»Herbert??!!??«

»Ja – ok …«

Dass mir meine Moni in der Nacht gegen das Knie trat, damit ich zu Hause bleibe, konnte ich ausschließen. Meine Frau lässt mich schon seit mehr als dreißig Jahren die meisten meiner Träume leben. Egal, welche irren Ideen ich habe, sie unterstützt mich immer voll und ganz. Ok, vielleicht ist manchmal doch auch etwas Wahnsinn in meinen Vorhaben, dann sagt sie mir das auch. Aber meist steht sie bedingungslos hinter mir.

Als ich Tag und Nacht neben meinem Hauptjob in der IT-Branche meine eigene EDV-Beratung aufbaute und sie großteils mit unseren beiden Kindern allein war oder als ich mir eingebildet hatte, Musiktexter zu werden, und bei jedem Gedanken an einen neuen Song schnurstracks in mein Büro verschwunden bin und natürlich auch, als ich auf dem Jakobsweg marschieren wollte und sie vierzig Tage allein ließ – sie hielt und hält immer zu mir und hilft mir, alle Steine aus dem Weg zu räumen, wenn ich es allein nicht mehr schaffe.

»Solange ich nicht mitmuss, kannst du das machen! Wenn du wiederkommst!«, lachte sie mich an, als ich ihr vor ein paar Monaten gebeichtet hatte, dass es da einen Küstenweg in Portugal geben würde, der mich sooooooo interessieren würde. Und spätestens bei diesem lang gezogenen »sooooooo« war ihr klar, was das bedeuten sollte.

Seit meinem nordspanischen Küstenweg 2010 bin ich vom Pilgervirus infiziert, der Trilho das Areias 2016 hat das Ganze noch verstärkt und jetzt war es wieder so weit – das Wanderfieber wurde von Tag zu Tag stärker. Und meine Sehnsucht, für ein paar Wochen alles hinter mir zu lassen, meine eigenen Wege zu gehen, Körper und Seele vom Alltagsballast zu befreien – und einfach nur zu marschieren.

Und jetzt das! Herrgott! Was soll das? Warum jetzt? Warum überhaupt? Ich habe es doch den Fischern versprochen …

Anstatt am Freitag wegzufliegen, lag ich am Sofa und unterhielt mich mit meinem Knie, das bei bestimmten Bewegungen immer noch ganz schön wehtat. Am frühen Montagmorgen war dann wieder eine Untersuchung beim Orthopäden angesagt.

»Kann die Schwellung wiederkommen?«, fragte ich ihn, als er sich die MRT-Bilder anschaute.

»Ja, jederzeit!«

Na, geh …

»Komisch, der Meniskus ist zwar ausgefranst, aber wo diese Gelenksflüssigkeit herkommt, das kann ich mir nicht erklären.«

»Kann es auch sein, dass die Schwellung nicht mehr wiederkommt?«, fragte ich leise.

»Ja, sie kann auch nicht mehr kommen! Aber das weiß man halt nicht …«

Yes! Sie kann auch nicht mehr kommen! Hatte er gerade gesagt! NICHT MEHR KOMMEN!

Augenblicklich fing mein Hirn an zu rattern. Ich ließ die letzten Tage Revue passieren. Für die Firma hatte ich im Homeoffice alle offenen Sachen erledigt. Das wäre bis zu meinem »normalen« Abflugtermin niemals möglich gewesen. Moni wusste jetzt auch, wie man die Poolpumpe einschaltet, die neue Wärmepumpe regelt und die Photovoltaikanlage überwacht. Diese technischen Spielereien sind meine Aufgabe, alles andere hat sie sowieso im Griff. Und selbst das hätte sie bestimmt auch ohne meine Erklärungen hinbekommen.

Vielleicht hatte mein Elefantenknie doch einen tieferen Sinn? Vielleicht war mein Körper einfach gescheiter als ich? Nie und nimmer hätte ich entspannt und mit gutem Gewissen losmarschieren können, wenn wichtige Sachen noch offen gewesen wären. Was ich niemandem sagte: Weil ich am Samstag fast keine Schmerzen mehr im Knie verspürte, hatte ich für Mittwoch einen neuen Flug nach Faro gebucht. Einfach so, auf Verdacht.

»Lieber Herr Doktor!« Ich versuchte es auf die nette und einschleimende Art. »Wenn die Entzündung nicht mehr kommt – kann ich dann fliegen?«

»Herr Hirschler, Sie sind eine harte Nuss!«

»Sturer Hund« würde wahrscheinlich besser passen.

»Wie wichtig ist Ihnen denn dieser Weg? Dass Sie dafür Ihre Gesundheit aufs Spiel setzen wollen?«

»Sehr wichtig!« Dass ich es versprochen habe, irgendwann nach Fatima zu pilgern, sagte ich ihm nicht. Irgendwann könnte auch irgendwann später sein …

»Ich war schon zwei Mal auf langen Wanderungen«, legte ich nach. »Das Gehen ist für mich so etwas wie ein Geheimrezept, da wird alles gut – auch diesmal! Ganz bestimmt!«, versuchte ich, ihn zu überzeugen.

»Sie sind ein erwachsener Mann! Ich kann Ihnen nichts vorschreiben!«

Na, siehst du – geht doch!

»Dann werde ich für Mittwoch einen Flug buchen, wenn Sie das sagen«, lachte ich ihn an. Dass ich das schon längst getan hatte, verschwieg ich.

Jetzt kam auch ihm ein Schmunzeln aus. »Schauen Sie, dass Sie wissen, was punktieren und Cortison auf Portugiesisch heißt. Für den Fall, dass Sie es wirklich brauchen.«

»Mach ich! Vielen Dank!«

»Was hat der Doktor gesagt?«, fragte mich meine Moni, als ich wieder zu Hause war.

»Wenn es für mich wichtig ist, dann soll ich es versuchen!«

So richtig gelogen ist das nicht – oder? Hat er doch gesagt?!

»Wirklich?«

»Ja – und das Beste ist, dass wir morgen gemeinsam in Wien deinen Geburtstag feiern können. Ich fliege erst am Mittwoch.« Während der Planung zu meiner Wanderung hatte mich der Ehrgeiz überrollt, immer wieder fand ich weitere Wege, die ich auch noch marschieren wollte. Schließlich hatte ich geplant, vom portugiesisch-spanischen Grenzort Vila Real de Santo Antonio über die gesamte Atlantikküste bis Lissabon zu marschieren, auf Wegen an der Algarve entlang, von denen manche nicht unbedingt zu den Hauptwanderrouten zählten. In fünf Wochen war das kaum zu schaffen, daher habe ich den Starttermin immer weiter vorverlegt – und hätte dafür sogar die Geburtstagsfeier meiner Moni geopfert. Natürlich mit ihrem Einverständnis, aber sie wollte mir bei der Erfüllung meines größenwahnsinnigen Traumes nicht im Wege stehen. Dank meines Knies konnte ich jetzt aber auch da dabei sein.

Wetter: Hochsommer in Portugal.

Sonstiges: Kaum zu glauben – nach all den Schwierigkeiten in der Letzten Woche bin ich jetzt wirklich in Portugal.

Quartier: Hotel Algarve – zweckmäßiges Businesshotel, 80 Euro. Es ist sehr schwierig, eine Unterkunft zu finden. Zum Glück hilft mir eine nette Rezeptionistin in einem anderen Hotel, sonst hätte ich meine erste Nacht im Freien verbringen müssen.

Ich sitze jetzt also im Flugzeug und bin am Weg nach Faro. Nach der gestrigen Geburtstagsfeier bei meinem Sohn Christoph und seiner Melly haben Moni und ich die Nacht bei unserer Tochter Sandra verbracht. Nach einem perfekten Frühstück hieß es am Flughafen Abschied nehmen. Als Moni ein paar kleine Tränchen bei mir entdeckte, bekam auch sie feuchte Augen, entschärfte aber die Situation mit »He, fang jetzt nicht an zu weinen. Du hast es so gewollt!« Ich bin so eine Heulsuse, aber da ist meine Frau mit schuld dran, weil ich mir so oft mit ihr diese herzzerreißenden Liebesschnulzen im Fernsehen anschauen mu… darf.

Im Flieger lese ich die Karte mit Monis Wünschen und Gebeten, die sie mir für meinen Weg mitgegeben hat. Und wieder werden meine Augen feucht. Wenn das so weitergeht, wird es eine nasse Angelegenheit in Portugal. Aber das dürfte die einzige Feuchtigkeit auf meinem Weg sein, denn laut Wetterbericht wird es in den nächsten Wochen ziemlich heiß werden. Temperaturen von mehr als 30 Grad im Frühjahr sind doch etwas außergewöhnlich.

Apropos Rota Vicentina – aufgrund des Elefantenknies und des späteren Einstieges in meine Wanderung habe ich beschlossen, nicht von der spanischen Grenze aus zu starten, sondern werde versuchen, noch heute mit dem Bus nach Lagos zu fahren, um morgen von dort loszumarschieren. Die Rota Vicentina besteht aus zwei parallel verlaufenden Hauptwegen. Der Historische Weg führt großteils durch das Hinterland der Algarve und der Alentejo-Region, nur wenige Kilometer verlaufen direkt an der Küste entlang. Man wandert durch ein Hügelland, es geht durch Oliven- und Korkeichenhaine, an Flüssen und Bächen entlang, durch Dörfer und kleinere Städte und man kann hier das ursprüngliche Portugal kennenlernen.

Am Fishermen’s Trail ist man fast immer direkt am Atlantik unterwegs – meist auf schmalen Sandpfaden hoch über den eindrucksvollen Steilküsten Portugals. Immer wieder führen enge Steige durch die Klippen der oftmals bizarren Felsenlandschaft hinunter zu traumhaften Buchten, wo man die schönsten Strände meist für sich allein hat, weil es keine Zufahrtsmöglichkeiten gibt. Die Wege werden seit Jahrhunderten von den Einheimischen genutzt, um ans Meer zu kommen.

Wenn man im Süden startet, ist man von Lagos bis zum südwestlichsten Zipfel Europas, dem Cabo de São Vicente, am Fishermen’s Trail unterwegs. Danach führen beide Wege parallel in den Norden, treffen und überlappen sich hin und wieder, bis dann der Fishermen’s Trail in São Torpes und der Historische Weg in Santiago do Cacém enden.

Als leidenschaftlicher Küstenentlangmarschierer war natürlich der Fishermen’s Trail meine erste Wahl. Aber in der jetzigen Situation muss ich mir überlegen, ob ich meinem Knie die langen Etappen im knöcheltiefen Sand antun kann.

Da ich über Hamburg fliegen muss, ist es bereits knapp vor 18 Uhr, als meine Maschine in Faro landet. Der Rucksack kommt rasch über das Rollband, aber ich brauche geschätzte zehn Minuten, bis ich ihn von dem Plastikschutz befreien kann, in den ich ihn in Wien wickeln ließ. Ohne Messer ist das schon eine Herausforderung.

Um halb sieben trete ich in die heiße Sonne vor dem Flughafengebäude und stehe direkt vor einer Bushaltestelle. Ich quatsche einen Anzugträger an, ob ich von hier aus ins Zentrum von Faro komme. Da gerade ein Bus kommt, sagt er mir: »No – next« und macht eine ausladende Handbewegung. Während wir auf den nächsten Bus warten, versuche ich, über das Internet ein Hotel in Lagos zu buchen. Aber als ich die Buchung abschließen möchte, kommt die Meldung: »Die Finanztransaktion ist nicht möglich!« Auch ein zweiter Versuch geht schief, also muss ich telefonisch versuchen, ein Zimmer zu reservieren. Ich rufe ein Hotel in Lagos an und versuche, der Dame am Hörer zu erklären, dass ich heute noch gern einchecken möchte, aber etwas später komme. Und dass ich in bar zahlen muss, weil meine Kreditkarte nicht funktioniert. Als sie mein Minimalportugiesisch, gemixt mit Broken English, endlich versteht, sagt sie mir lapidar: »Sorry, Reception – only 9 clock – later no chance!«

Etwas mulmig ist mir doch …

Jetzt kommt ein Bus, mein Anzugträger deutet mir, dass es der richtige ist. Ich stelle mich in die Schlange vor der Fahrertür – mit dem Telefon am Ohr. Aber es nützt alles nichts, die Dame lässt nicht mit sich reden. Also rufe ich ein zweites Hotel an und bekomme dieselbe Auskunft. Nach 21 Uhr werden in Lagos anscheinend die Straßen hochgeklappt, die Türen verriegelt und die Fenster zugenagelt. Während ich mit dem Rezeptionisten verhandeln möchte, komme ich immer näher zum Busfahrer, der am Kassieren ist und einen leicht entnervten Eindruck macht. Ich bekomme mit, dass er fast kein Wechselgeld hat – und dass mein Anzugträger vor mir mit einem Fünfzigeuroschein bezahlt. Der Lenker sammelt die letzten Münzen zusammen und kann gerade noch herausgeben. Dann bin ich dran.

Mit der linken Hand halte ich mein Telefon und versuche, den Mann am anderen Ende der Leitung davon zu überzeugen, dass ich ein armer Peregrino de Fatima bin, mit der rechten Hand suche ich in meiner Brieftasche nach 2,50 Euro Kleingeld. Ich finde aber nichts und gebe dem jetzt wirklich sauer dreinblickenden Buschauffeur einen Zwanziger. Auf einmal breiten sich von mehreren Seiten gleichzeitig gefährlich böse Schwingungen aus. Aus dem Hörer ist nur mehr ein aufgebrachtes Atmen zu vernehmen, weil ich es partout nicht wahrhaben möchte, warum man da keine Ausnahme machen kann. Und vom Lenkerplatz des Busses trifft mich ein Blick, der mich schaudern lässt. Na, das fängt ja gut an!