Himmlisches Geflügel - Ele Otto - E-Book

Himmlisches Geflügel E-Book

Ele Otto

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Beschreibung

Kann man einem Kind glauben, wenn es behauptet, einen Engel gesehen zu haben? Ausgerechnet im Einkaufszentrum? Und was ist, wenn man beim Weihnachtseinkauf das Portmonee verliert? Oder der gebuchte Weihnachtsmann absagt? Ist dann das Fest gelaufen oder kann vielleicht ... Ele Otto unterhält uns mit drei nicht-ganz-alltäglichen Weihnachtsgeschichten.

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Seitenzahl: 55

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Himmlisches Geflügel

Weihnachtliche Kurzgeschichten

Impressum

 

 

Cover: Karsten Sturm, Chichili Agency

© 110th / Chichili Agency 2014

EPUB ISBN 978-3-95865-207-1

MOBI ISBN 978-3-95865-208-8

 

 

 

 

Urheberrechtshinweis:

 

 

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency” reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 

 

VORWORT

Kann man einem Kind glauben, wenn es behauptet, einen Engel gesehen zu haben? Ausgerechnet im Einkaufszentrum? Und was ist, wenn man beim Weihnachtseinkauf das Portmonee verliert? Oder der gebuchte Weihnachtsmann absagt? Ist dann das Fest gelaufen oder kann vielleicht …

Ele Otto unterhält uns mit drei nicht-ganz-alltäglichen Weihnachtsgeschichten.

Inhalt

Himmlisches Geflügel

Himmlisches Geflügel

»Mama, Mama – ich hab grad einen Engel gesehen!«

Claudia warf ihrer fünfjährigen Tochter einen ebenso erschöpften wie genervten Blick zu. Natürlich hatte sie einen Engel gesehen – sie, Claudia, sah sogar Hunderte. Ganze Heerscharen von Engeln, die in allen Größen und Formen um ihre Aufmerksamkeit buhlten.

»Komm endlich, Lara, sonst werden wir nie fertig mit dem Einkaufen.« Sie zog ihr widerstrebendes Kind durch die überfüllten Gänge des neuen Einkaufscenters und schob es vor sich auf die Rolltreppe nach oben. Dabei hievte sie schwere Tüten von einer Hand in die andere.

Lara drängelte und wand sich, schaffte es, sich umzudrehen, spähte an ihrer Mutter vorbei nach unten und winkte dann jemandem heftig zu. Claudia wandte den Kopf und suchte ein bekanntes Gesicht in der Menge. War Georg schon da?! Sie wollten sich doch erst um Fünf treffen, im Café in der obersten Etage.

»Wem winkst du denn?!«

»Dem Engel!«

»Oh Gott!«, stöhnte Claudia und fing gerade noch eine wegrutschende Plastiktasche auf. Dieser erz-christliche Kindergarten ..., aber woanders hatten sie keinen Platz mehr bekommen. Sie und Georg wollten für ihre Kinder eigentlich keine religiöse Prägung. Doch ohne Kindergartenplatz kein Job für Claudia und ohne Job kein Geld fürs neue Auto. Also ... Und jetzt – jetzt hatte wieder pünktlich zur Vorweihnachtszeit die zu erwartende Engelschwemme eingesetzt. Mittlerweile flogen sie durchs ganze Haus – als ewig schief hängendes Mobile, zerrupfte Watteengelchen, zerknitterte Glanzpapierflattermänner und in unzähligen bunten Varianten auf allem Bemalbaren.

Der Einzige, den sie und Georg wirklich hätten brauchen können – einen Engel der Liebe, des Ehefriedens –, der war nirgends aufgetaucht, ging es Claudia bitter durch den Sinn, während die Rolltreppe sie langsam zwei Stockwerke nach oben trug. Vorbei an Rauschgoldengeln mit gebauschten Brokatröcken, die huldvoll lächelnd im Luftzug der Klimaanlage schaukelten; vorüber an Schaufensterpuppen in goldenen Gewändern, deren riesige Flügel aus schneeweißen Federn in mechanischer Lebendigkeit vor- und zurückschwangen; hinweg über dicke unförmige Kunststoffengel, welche von innen heraus hektisch rot blinkten wie Warnlichter.

Warnlichter – die hatten bei ihr und Georg zu spät aufgeleuchtet. Erst, als ihre Beziehung schon im Eimer war, hatten sie es so richtig gemerkt. Irgendwie war ihnen ihre Liebe abhanden gekommen im Laufe der Jahre, hatte den Platz geräumt für den alltäglichen emotionalen Kleinkrieg, so ganz nebenbei zwischen Windelwechseln, Büroalltag, Hausaufgabenkontrolle und Häuslebauen. Jetzt würde es verkauft werden, das Häusle, und sie würden sich trennen. Im Guten, hatten sie sich vorgenommen, der Kinder wegen – weshalb sie das Ganze auch erst nach Weihnachten anleiern wollten, im neuen Jahr. Wie das vor sich gehen sollte mit dem Guten, wussten sie allerdings selbst nicht.

Lara riss heftig an ihrem Arm und deutete aufgeregt nach unten: »Mama, guck doch, da ist er wieder!«

Claudia geriet ins Schwanken, schubste dabei den eine Stufe über ihr stehenden Mann, der sie erbost anfunkelte. »Entschuldigung ...! Was, Lara?! Wer ist da?!«

»Der Engel!!!«

Claudia platzte der Kragen. »Lara, hier sind überall Engel, ich sehe hunderttausend Engel.«

»Nein, die mein‘ ich nicht, ich mein‘ den echten!«

»Es gibt keine echten.«

»Doch, Mama, der hat sich richtig bewegt und gelacht und mir gewinkt!«

»Ach, Lara – das war jemand vom Einkaufszentrum hier, da hat sich jemand als Engel verkleidet! So wie deine Freundin Bine beim Krippenspiel im Kindergarten.«

Lara schmollte. »Neee – nicht so. Der war echt. Der hat geleuchtet.«

Claudia seufzte und ersparte sich eine Erwiderung. Wenn Lara sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, blieb es dort, da halfen keine Argumente. Wie sollte auch eine Fünfjährige für so etwas wie Argumente zugänglich sein, wenn nicht mal ihre Eltern das hinbekamen ...

Bevor Claudia tiefer in philosophische Gedanken eintauchen konnte, hatten sie die zweite Etage erreicht. Lara hopste erleichtert von der Rolltreppe, Claudia packte ebenso erleichtert ihre schweren Einkäufe auf den freien Platz in der Sitzecke gegenüber vom Spielzeugladen. Sie sah auf die Uhr – schon zehn nach – wo war Nico, dieser Bengel, denn jetzt?! Er konnte doch wahrhaftig die Uhr lesen und sollte um Punkt vier Uhr genau hier wieder auftauchen. Sie hatte ihrem achtjährigen Sohn erlaubt, im Spielzeugladen zu stöbern, während sie mit seiner kleinen Schwester schnell beim Schuster im Erdgeschoss ein paar neubesohlte Winterschuhe abholte.

Jetzt sah sie sich suchend um, behielt dabei aber Lara gut im Auge. Wenn Nico nicht gleich auftauchte, würde sie wohl oder übel samt Tochter und Päckchen und Tüten im Gewühl des Ladens nach dem Sohnemann suchen müssen.

Gerade stellte Lara die Stiefelchen auf das untere stählerne Umrandungsrohr des Geländers, welches die ganze Balustrade auf jedem Stockwerk umrundete.

»Lara – geh da runter! Sofort!!«

Lara zog einen Flunsch, gehorchte widerwillig und kauerte sich auf die Knie, die Nase an der gläsernen Front plattdrückend, die sie und alle anderen vor einem Sturz in die Tiefe bewahren sollte. Claudia schüttelte sich unwillkürlich – sie war im Gegensatz zu ihrer Tochter nicht schwindelfrei und der freie Blick ins Erdgeschoss behagte ihr überhaupt nicht.

Die hypermoderne Architektur dieses neuen Konsumtempels war sowieso nicht nach ihrem Geschmack. Das Innere des Gebäudes glich einer riesigen senkrecht stehenden Röhre, überdacht mit einer verglasten Rundkuppel. Von dort oben herabhängend, trafen sich überdimensionale Weihnachtskugeln mit der Spitze eines ebenso überdimensionalen Weihnachtsbaumes, der vom Erdgeschoss aus in die Höhe ragte.

Er erinnerte Claudia allerdings eher an eine futuristische Weltraumrakete – der Baum bestand aus silbernen Stahlblechplatten, durchlöchert mit herausgestanzten Sternen, Kerzen, Kugeln und – natürlich – Engeln. Die Platten waren versetzt und etagenförmig um eine Achse aus Stahlrohr angebracht; Schnittstellen und Kanten funkelten golden, das ganze Ding gleißte und spiegelte im Kunstlicht, dass einem die Augen tränten.

Potthässlich!, dachte Claudia.

»... echt geil, Mama, oder?!«, drang die Stimme ihres Juniors an ihr Ohr.

»Was?!«

»Der Blechbaum – echt geil!«

»Du sollst nicht immer geil sagen, Nico! Wo warst du überhaupt so lange?!«

»Na, gut, also eben echt cooool. Da!«