Hip-Hop. 100 Seiten - Daniel Haas - E-Book

Hip-Hop. 100 Seiten E-Book

Daniel Haas

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Beschreibung

»Der Beat eines Hip-Hop-Tracks klopft dich weich, weicht dich auf, macht dich durchlässig. Für was? Für die ästhetische Erfahrung, hätte man früher gesagt. Für einen glücklichen Moment, sage ich.« Das erfolgreichste Musikgenre der Welt. Große Skandale, schillernde Persönlichkeiten, eine Revolution des Sounds. Und Texte, die auch an Universitäten interpretiert werden. All das ist Hip-Hop. Doch warum hören Menschen aller Nationen, Milieus und Altersgruppen diese Musik? Wer sind die prägenden Künstlerinnen und Künstler, die das Genre so lukrativ, innovativ und kulturell wirkmächtig gemacht haben? Daniel Haas präsentiert ein Hip-Hop-Porträt, das Spaß macht und zugleich analytisch ist.

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Seitenzahl: 115

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Daniel Haas

Hip-Hop. 100 Seiten

Reclam

»Chabos wissen, wer der Babo ist.«

Haftbefehl

 

Für Daniel Schüssler

 

 

Für mehr Informationen zur 100-Seiten-Reihe:

www.reclam.de/100Seiten

 

2023 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH nach einem Konzept von zero-media.net

Infografik: annodare GmbH, Agentur für Marketing

Bildnachweis siehe Anhang; Autorenfoto: © Maximilian Probst

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2023

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962114-2

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-20535-8

www.reclam.de

Inhalt

Playlist zum Buch

Intro: Das Wichtigste angespielt oder Warum Hip-Hop?

Rapper’s Delight:Die Geschichte des Hip-Hop auf fast einen Blick

Liebe, Tod und Money: Wichtige Themen und Ideen des Hip-Hop

US-Amerika:Bedeutende Rapperinnen und Rapper

»I love my Adidas«:Hip-Hop und Mode

Deutschland:Stilprägende Rapperinnen und Rapper

Outro: Hip-Hop zwischen No! und Go!

Abgenickt: Zwanzig Tracks zum Rein- und Weiterhören

Lektüretipps

Bildnachweis

Zum Autor

Über dieses Buch

Leseprobe aus Metallica. 100 Seiten

Playlist zum Buch

Die Playlist zum Mithören (siehe Anhang »Abgenickt: Zwanzig Tracks zum Rein- und Weiterhören«) finden Sie online unter https://www.reclam.de/hip-hop

Intro: Das Wichtigste angespielt oder Warum Hip-Hop?

»If we don’t turn it around and give it back we can’t move forward.«

DJ Quik

Eine Geschichte des Hip-Hop auf 100 Seiten ist ein Witz. Aber Witze haben die Eigenart, das Wichtigste maximal zu reduzieren und verständlich zu machen. Dies soll also ein im weiteren Sinne humorvolles Buch sein. Humor verstanden als Gespür für die Pointen und Volten, die die Kulturgeschichte für ihre Akteure und ihr Publikum bereithält.

Was ist die zentrale Pointe der Geschichte des Hip-Hop? Dass eine Kunstform, die in Ghettos entstand, die von prekär lebenden Künstler:innen und Außenseiter:innen geschaffen und erst einmal nur von Afroamerikaner:innen und Hispanics wahrgenommen wurde, dass diese Kunstform heute das einflussreichste Musikgenre der Welt darstellt. Darüber hinaus hat Hip-Hop einen Markt geschaffen, der die lukrativsten Bereiche der Popkultur bewirtschaftet: Mode, Design, Sprache.

Für alle, die mit Bob Dylan, den Rolling Stones oder Joan Baez aufgewachsen sind, eine womöglich schockierende Tatsache: Rock ist durch Hip-Hop marginalisiert worden. Singer/Songwriter-Pop auch. Folk sowieso. Marktlogisch gesprochen. Und ästhetisch im Vergleich zu Hip-Hop, dieser gnadenlosen Innovationsmaschine, vermutlich auch.

Kids und Designer, Jugendliche und Werbefachleute, Young Adults und CEOs, sie alle reden von den neuen Songs von Drake. Von den aktuellen Tracks der deutschen Rapperin Badmómzjay. Von Kanye West, seinen Turnschuhkollektionen, seinen Skandalen.

Kanye West ist ein gutes Beispiel, um zu illustrieren, was Hip-Hop heute für ein globales Publikum bedeutet. Er ist der vielleicht eigensinnigste Popstar der Welt, eine aus dem Geist des Hip-Hop entstandene One-Man-Hit-Factory. Ein Unternehmen, das Mode, Film, Internetformate und Musik vermarktet. Dass West auch noch Präsident der USA werden wollte, ist nur auf den ersten Blick verstiegen. Wurde mit Reagan nicht ein Schauspieler Regierungschef? Und verkörperte umgekehrt nicht Barack Obama den Sexappeal der großen Soul-Crooner von Marvin Gaye bis John Legend? West steht zudem für die Schattenseiten von Hip-Hop wie kaum ein anderer Rapper. Er hofierte Donald Trump und verstieg sich öffentlich zu der Bemerkung, Sklaverei sei »a choice«, People of Color hätten sich für die Sklaverei »entschieden«. Im Oktober 2022 beendete Adidas die Zusammenarbeit mit West aufgrund seiner antisemitischen Kommentare. Das Popgenie hatte sich in brutaler Weise disqualifiziert und gleichzeitig bewiesen, dass die globalen Aufmerksamkeitsmärkte von Hip-Hop dominiert werden.

Schwarzer Pop, und darunter muss man Hip-Hop fassen, ist also viel mehr als ein Musikgenre. Er ist eine Kulturform, sie wird in ihren verschiedenen Spielarten überall wahrgenommen, verwertet, gefeiert. Eine umfassende, präzise Geschichte des Hip-Hop müsste nicht 100, sondern 1000 Seiten umfassen. Sie müsste zugleich globale Kulturhistorie und regional orientierte Musikanalyse sein, eine Enzyklopädie der Gegenwart in musikalischer und designgeschichtlicher Perspektive.

»Hip-Hop ist alles.«

Marie, 21 Jahre

Was sollen also diese 100 Seiten? Sie sollen vor allem Lust machen auf die Musik und auf die sich an Hip-Hop anschließenden Innovationen. Sie sollen das Bewusstsein schärfen für die sozialen Ungerechtigkeiten und politischen Katastrophen, deren Spiegel Hip-Hop von Anfang an war und bis heute ist.

Die Geschichte des Hip-Hop ist auch eine von Afroamerika. Die Auseinandersetzung mit der Hip-Hop-Kultur hilft, die gesellschaftspolitischen Zusammenhänge innerhalb der USA zu begreifen. Aus Platzgründen kommt neben US-amerikanischem Hip-Hop nur der deutsche zu Wort. Frankreich ist eine große Rap-Nation, England auch. Der arabische Raum, die afrikanischen Länder, Russland, Osteuropa: alles faszinierende Hip-Hop-Regionen. Die Bücher über sie werden womöglich gerade geschrieben.

Am Ende entscheiden immer das Gehör, das Herz, die Laune. Das ist gut so. Es gibt genialische Rapper, die mich nerven. Eminem gehörte lange dazu. Heute brauche ich mindestens einmal pro Woche eine fette Dosis »Em«.

Es gibt Rapper, die rhetorisch und reimtechnisch ziemlich untere Schublade sind, aber ein Vers von ihnen, hingenuschelt zu einem guten Beat, und ich bin hin und weg. Die Rapperin Young M.A ist so ein Fall. Sie kommt aus New York und ist lesbisch. Das muss man deshalb erwähnen, weil sie unverblümt von ihren »Bitches« spricht, wie sie Frauen abschleppt und Konkurrenten aussticht. Dank Young M.A habe ich begriffen, dass Identifikation nicht über sozialen Status oder die gemeinsame Zugehörigkeit zu einer Klasse beziehungsweise Ethnie funktioniert. Sondern darüber, welche Position jemand in einem sozialen Gefüge einnimmt. Deshalb kann ich, der intellektuelle Eierkopf, der auf dem Schulhof oft das Nachsehen hatte, mich identifizieren mit einer afroamerikanischen Lesbe, die von ihrem Stress im New Yorker Ghetto rappt.

Das ist überhaupt das Beste an Hip-Hop: Er ist für alle da.

Es empfiehlt sich, ein Amerikanistik-Seminar zu besuchen, um Bob Dylan in allen Facetten zu verstehen. Oder Kunstgeschichte zu studieren, um bei David Bowie mitzukommen. Aber Jay-Z, Kanye West, Missy Elliott oder Queen Latifah hauen einfach rein, wenn ich es zulasse. Natürlich sind ihre Texte anspielungsreich, voller Verweise auf Geschichte und Politik. Aber der Beat wirkt auf einer anderen Ebene. Der Beat klopft dich weich, weicht dich auf, macht dich durchlässig. Für was? Für die ästhetische Erfahrung, hätte man früher gesagt. Für einen glücklichen Moment, sage ich.

Rapper’s Delight:Die Geschichte des Hip-Hop auf fast einen Blick

US-Amerika und Deutschland: Auf diese beiden Spielorte des Hip-Hop konzentriere ich mich. Amerika, weil dort Hip-Hop in den 70er Jahren entstanden ist. Und Deutschland, weil ich anhand des deutschsprachigen Rap einige ästhetische Eigenheiten des Genres gut erklären kann. Hier schnell ein paar Worte zur Begrifflichkeit: Genau genommen ist Hip-Hop immer ein Ensemble. Es besteht erstens aus der Kunst des Graffiti. Zweitens aus dem mündlichen Vortrag, also dem Rap. Hinzu kommt drittens das Tanzen in verschiedenen Varianten, am bekanntesten ist wohl der so genannte Break Dance, das Breaking. Und schließlich viertens die Kunst des Plattenauflegens, die Arbeit des DJs, kurz: DJing. Im Lauf der Zeit hat sich Hip-Hop als Synonym für die Kunst des Rappens etabliert. In diesem Sinn verwende ich Hip-Hop als Begriff für den musikalischen Vortrag bzw. die musikalische Produktion.

Aber was ist nun mit dem B-Boying und B-Girling? Also der Akrobatik, die Jugendlichen weltweit eine neue Art, athletisch, verwegen und artistisch zu sein, erschlossen hat? Wo bleibt das Scratching, das hektisch-präzise Hin-und-her-Reißen der Schallplatte mit dem Effekt, dass aus einer Störung eine akustische Kunsterfahrung wird? Was ist denn mit all diesen tollen Ausdrucksformen von Hip-Hop, verdammt nochmal? Sie müssen in ein anderes Buch.

Als Auftakt des weltweiten Siegeszugs des Hip-Hop gilt nach wie vor der Song »Rapper’s Delight« aus dem Jahr 1979: Ein Party-Song, produziert von einer weißen US-Amerikanerin namens Sylvia Robinson, aufgenommen von der Sugarhill Gang. Bis dahin war Hip-Hop wie gesagt eine Kombination aus Spraying, Breakdancing, DJing und MCing (von Master of Ceremonies, der ›Sprechgesangkünstler‹, also Rapper) gewesen. Bildende Kunst (Spraying), Tanz, mündlich-künstlerischer Vortrag und die Kunst des Plattenauflegens schlossen sich zu einer aufregenden neuen Ästhetik zusammen.

Mit »Rapper’s Delight« wird dieser vor Ort und live gespielte Sound mehrheitsfähig und vermarktbar. Es war eine ziemliche Überraschung für die Rapper und Produzenten, dass ihr Song so erfolgreich war. Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist, heißt es. In den 80er Jahren, einer Ära des sich verschärfenden Wettbewerbs und der Zuspitzung des Freund-Feind-Denkens (Ost gegen West), war die Zeit reif für Hip-Hop. Im Folgenden die wichtigsten Stationen.

»Rapper’s Delight«: Die Sugarhill Gang, v. l. n. r.: Wonder Mike, Master Gee and Big Bank

The United States of Hip-Hop:Wie es anfängt

80er Jahre

Hip-Hop entsteht in den urbanen Zentren Afroamerikas. Erst in New York, dann in Los Angeles. Eine junge afroamerikanische Unterschicht bringt ihren Ärger über die Unrechtsverhältnisse in Nordamerika zum Ausdruck. Weil passendes technisches Gerät teuer oder noch nicht erfunden worden ist, wird der Beat a cappella hergestellt. Beim so genannten Beatboxing produziert ein Künstler – ein Schlagzeug nachahmend – mit Knall- und Prustgeräuschen den Beat. Ein MC rappt dazu.

Vor allem in der New Yorker Bronx gibt es die ersten Hip-Hop-Partys. Der Musiker Afrika Bambaataa spielt an zwei Turntables zwei Platten parallel ab und blendet von einer zur anderen. Auf diese Weise kann er die gesangsfreien Teile neu zusammensetzen bzw. aneinanderfügen. Ein so genannter Loop entsteht, eine Schleife des sich fortsetzenden Beats. Dazu rappt ein MC. Die musikalische Revolution namens Hip-Hop ist aus der Taufe gehoben.

Nach dem Erfolg von »Rapper’s Delight« erobert das Genre die Charts, die Kopfhörer, die Autoradios und die Clubs erst der US-Amerikaner, dann der Welt. Erste namhafte Hip-Hop-Stars sind LL Cool J, Run DMC und die Rapperin Queen Latifah (alle 80er und 90er Jahre), deren Texte heute in Seminaren zur US-amerikanischen Literatur gelesen werden.

Der New Yorker Rapper Rakim revolutioniert gemeinsam mit DJ Eric B das Genre. Wichtige Tracks: »Paid in Full«, »Follow the Leader«, »Let the Rhythm Hit ’em«. Rakim verwendet als erster Rapper für seinen Vortrag Enjambements. Das heißt, die Strophe endet nicht mehr am Ende des Takts, sondern wird quasi durchgesprochen. Bei den ersten Aufnahmesessions dachten die Produzenten im Studio, Rakim habe das Rappen verlernt. Bis sie begriffen: Rap ist elegant, flüssig und virtuos geworden.

90er Jahre

Die 90er Jahre gelten als Goldenes Zeitalter des Hip-Hop. Zwischen 1994 und 1999 entstehen zahlreiche für das Genre stilprägende Alben. Diese Zeit wird oft fälschlicherweise als Old-School-Ära bezeichnet. Der Paradigmenwechsel zwischen Old und New School fand aber schon vorher statt. Rakim ist der erste erfolgreiche Rapper neuer Schule, der die alte, heute abgehackt wirkende Art des Vortrags durch seine fließenden Reime – seinen Flow – ersetzt. Die folgenden Künstlerinnen und Künstler zählen zu den bedeutendsten der 90er Jahre. Auf viele von ihnen gehe ich später noch ein.

Tupac und The Notorious B.I.G., zwei der einflussreichsten Rapper aller Zeiten, werden erst zu Freunden, dann zu Konkurrenten, schließlich zu Feinden. Dazu später mehr. Zeitgleich tritt das stark am Jazz und den schwarzen Befreiungsbewegungen orientierte Hip-Hop-Kollektiv De La Soul auf den Plan. Ein Track von De La Soul auf die Kopfhörer, und der Tag beginnt energisch, mit Zuversicht und geschärftem Bewusstsein.

1993 ist ein Hundejahr: Der Westküsten-Rapper Snoop Dogg, der stolz seine Gangmitgliedschaft ausstellt, präsentiert sein Debütalbum Doggystyle. Federnde, mit Funk gesättigte Beats, versaute, teils humorige, teils gesellschaftskritische Texte – ein sehr gut gealtertes Album und der Beweis, dass Hip-Hop ein wichtiges Stilreservoir für andere Genres ist (insbesondere Funk, Soul, R&B).

P. Diddy aus New York entscheidet sich gegen eine Modekarriere und für die Rolle des Produzenten mit genialischem Gespür für die popkulturellen Bedürfnisse urban geprägter Hörer und Hörerinnen. Seine Entdeckung: The Notorious B.I.G. An der Westküste ebenfalls ein Produzenten- und Popgenie: Dr. Dre wird mit seiner gesellschaftskritischen Hip-Hop-Formation N.W.A (»N-Word Wit Attitudes«) zum musikalischen Sprachrohr der prekär und marginalisiert lebenden People of Color in Los Angeles.

In den 90ern politisiert sich Hip-Hop immer mehr. Es treten auf: der Aktivist KRS-One, der selbst ernannte »Preacher & Teacher« und erste Bildungsbürger des Hip-Hop. Die ultrafunky, die Bürgerrechtsbewegung aggressiv aufgreifende Gruppe Public Enemy mit den Rappern Chuck D und Flavor Flav. Das New Yorker Rap-Kollektiv Wu-Tang Clan, das per Sampling Dialoge und Musik aus asiatischen Martial-Arts-Filmen in Rap-Tracks einspeist und eine wilde, multikulturelle Stilinklusion betreibt. Der auch von Konkurrenten als einer der besten Rapper der Welt gefeierte Nas aus New York, dessen Texte immer auch Vorlesungen über die bestehenden Unrechtsverhältnisse in Afroamerika sind.

Mit dem New Yorker Jay-Z wird Hip-Hop zum Big Business. Nicht umsonst heißt einer seiner legendären Verse: »I’m not a business man. I’m a business, man!« Die kapitalistischen Verhältnisse richten das künstlerische Subjekt zu, klar. Es richtet sich aber auch diese Verhältnisse entsprechend lukrativ her. Auch hierzu später mehr.

Und schließlich: Eminem. Weiß, aus ärmsten Trailer-Park-Verhältnissen, steigt er zum Rap-Megastar und Zungenbrecher-Poeten auf. Eine alle ethnischen Klischees und Vorurteile durchkreuzende Karriere, die zeigt: Die Hautfarbe ist vielleicht Stigma oder Privileg (je nach Blickwinkel), aber keine unhintergehbare Kategorie, wenn es um künstlerische Teilhabe geht. Das macht Hoffnung. Und was ist Hip-Hop, wenn nicht auch ein großer popkultureller Ausdruck von Hoffnungen und utopischen Selbstentwürfen?

Die Frauen ziehen mit und nach: Wichtige Rapperinnen machen den Männern Konkurrenz: Erst MC Lyte, Roxanne Shanté und Queen Latifah, dann Lauryn Hill (von The Fugees), Lil’ Kim (die zeitweilige Lebensgefährtin von The Notorious B.I.G.) und Foxy Brown. Später treten auf: Eve und das Multitalent Missy Elliott, die gleichermaßen erfolgreich produziert und rappt. Außerdem: Nicki Minaj, Cardi B und Megan Thee Stallion. Jede wäre eine eigene Monographie wert.

Hip-Hopper und R&B-Künstlerinnen arbeiten außerdem seit den 90er Jahren eng zusammen. Die Soul-Sängerinnen Aaliyah (R. I. P.), Mary J. Blige (»The Queen of Hip-Hop Soul«), Erykah Badu (die Mitbegründerin des sogenannten Neo Soul) und Keyshia Cole treten als Gastsängerinnen von Hip-Hop-Tracks auf. Umgekehrt wird der R&B clubtauglicher, das heißt tanzbarer durch schwere, am Hip-Hop orientierte Beats.

Nuller Jahre bis heute

Eminem entwickelt sich im Lauf der Nuller Jahre zum Großkünstler des Rap. Seine Reime werden immer raffinierter. Seine Themen erschließen für den Hip-Hop neues Terrain. Er rappt über seinen Hass auf die Mutter, die Armut des weißen, im Trailer Park aufwachsenden Jugendlichen, über Suizid – lange ein Tabuthema im Hip-Hop.