Historische und strukturelle Entwicklung des Rosenkreuzerordens - Joana Peters - E-Book

Historische und strukturelle Entwicklung des Rosenkreuzerordens E-Book

Joana Peters

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Beschreibung

Examensarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Theologie - Praktische Theologie, Note: 1,0, Christian-Albrechts-Universität Kiel (Institut für Praktische Theologie), Sprache: Deutsch, Abstract: [...] Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht folglich eine Gruppierung, die vorgibt, in einer christlichen Tradition zu stehen - die Rosenkreuzer. Inwiefern dies zutrifft, wer die Rosenkreuzer sind, wie sie sich historisch und strukturell entwickelt haben und welche Interessen und Ziele sie verfolgen, soll Gegenstand dieser Arbeit sein. Während der erste Teil der Themenstellung eine chronologische Aufbereitung der Ordenshistorie fordert, in der sowohl relevanten entstehungsgeschichtlichen Zusammenhängen, aber auch organisatorischen Strukturveränderungen bis zur Gegenwart Rechnung getragen wird, verlangt der zweite Teil eine ideologische Auseinandersetzung mit dem rosenkreuzerischen Mysterienbund. Um diesen Anforderungen in einer systematischen Themenaufbereitung zu entsprechen, liegt der Arbeit eine epochale Grobgliederung zugrunde. Beginnend mit dem 17. Jahrhundert, in dem die „Jungen Rosenkreuzer“ ihre Anfänge zu verzeichnen haben, widmet sich die Arbeit sodann im nächstfolgenden Teil den „Gold- und Rosenkreuzern“ des 18. Jahr-hunderts, um abschließend einen Ausblick auf die „Modernen Rosenkreuzer“ des vergangenen 20. und derzeitigen 21. Jahrhunderts geben zu können. Diese zeitliche Strukturierung gewährleistet, dass alle, partiell sehr epochenspezifischen, Charakteristika der jeweiligen rosenkreuzerischen Strömung gebührend berücksichtigt werden. Nach einer kurzen historischen Kontextualisierung, die notwendiger-weise das Reformationszeitalter mit einbezieht, wird der Name des Verfassers der ersten Rosenkreuzermanifeste eingeführt: Johann Valentin Andreae. Im ersten Hauptteil wird auf ihn stets Bezug genommen werden, da er der maßgebliche Begründer des Rosen-kreuzertums ist. Der Schwerpunkt des ersten Arbeitsabschnittes liegt jedoch nicht bei dem Autor selbst, sondern bei dessen Schriften. So werden die Werke „Fama Fraternitatis“, „Confessio Fraternitatis“ und „Chymische Hochzeit“ ausführlich dargestellt, um schließlich in ihnen den Ursprung des Rosenkreuzertums auszumachen. Hauptanliegen des ersten Teils der Arbeit ist, diesen literarischen Beginn, seine Voraussetzungen, Auswirkungen und mit ihm einhergehenden Schwierigkeiten darzulegen, ohne dabei die innovativen Inhalte der rosenkreuzerischen Idee als solche zu vernachlässigen.

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das ältere Rosenkreuzertum des 17. Jahrhunderts- Historischer und
2.1 Der Autor Johann Valentin Andreae
2.1.1 Literarischer Ursprung- Die Ursprungslegende „Fama Fraternitatis“
2.2.1 Die Symbole „Kreuz“ und „Rose“
3. Die Gold- und Rosenkreuzer des 18. Jahrhunderts
3.1 Zur Tradition der Gold- und Rosenkreuzer
3.2 Die Organisation des Ordens.
3.2.1 Struktur und Mitgliedschaft.
3.2.2 Rituale.
3.2.3 Lehre und Ziele.
4. Die neuen Rosenkreuzer.
4.1 Der Antiquus Mysticus Ordo Rosae Crucis- A.M.O.R.C.
4.1.1 Tradition und Selbstverständnis
4.1.2 Aufbau und Lehre.
4.2 Rudolf Steiners Rosenkreuzerideen
5. Resümee
Textausgaben auf Mikrofilm(spule)

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1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit verhandelt das Thema „Historische und strukturelle Entwicklung des Rosenkreuzerordens- Zur Weltanschauung eines Mysterienbundes“.

In Zeiten des Religionspluralismus und der synkretistischen „Patchwork-Religionen“ wird man fast alltäglich in den Medien, aber auch in der unmittelbaren Umwelt, mit neuen religiösen und zum Teil pseudoreligiösen Strömungen konfrontiert. Ein vermehrtes Interesse an „Alternativen“ zur eigenen Religionszugehörigkeit schlägt sich jedoch nicht ausschließlich zugunsten einer der fünf Weltreligionen Buddhismus, Hinduismus, Judentum, Christentum und Islam nieder, sondern, neben einer steigenden Zahl atheistischer Lebensformen, auch zugunsten esoterischer Richtungen, sektiererischer Vereinigungen oder synkretistisch-mysterienhafter

Organisationen. Nicht selten berufen letztere sich auf eine lange Tradition, die vermeintlich aus einer der anerkannten Weltreligionen hervorgegangen ist. Der vorbehaltlose Interessent mag dieses unhinterfragt, den Anspruch an Toleranz wahrend, akzeptieren. Nicht immer lässt sich diese traditionelle Legitimierung des Ursprungs jedoch rechtfertigen.

Daher ist es lohnend, sich mit einzelnen Gruppierungen genauer auseinanderzusetzen und das Defizit des heutigen gesamt-gesellschaftlichen Pluralismus, das darin besteht, dass meist nur ein oberflächliches und unvollständiges Wissen über die existierenden Organisationen, Meinungen, Ideen, Werte und Weltanschauungen vorhanden ist, zu beseitigen. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht folglich eine Gruppierung, die vorgibt, in einer christlichen Tradition zu stehen- die Rosenkreuzer. Inwiefern dies zutrifft, wer die Rosenkreuzer sind, wie sie sich historisch und strukturell entwickelt haben und welche Interessen und Ziele sie verfolgen, soll Gegenstand dieser Arbeit sein.

Während der erste Teil der Themenstellung eine chronologische Aufbereitung der Ordenshistorie fordert, in der sowohl relevanten

entstehungsgeschichtlichen Zusammenhängen, aber auch organisa-torischen Strukturveränderungen bis zur Gegenwart Rechnung ge-tragen wird, verlangt der zweite Teil eine ideologische Auseinander-setzung mit dem

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rosenkreuzerischen Mysterienbund. Um diesen Anforderungen in einer systematischen Themenaufbereitung zu entsprechen, liegt der Arbeit eine epochale Grobgliederung zugrunde. Beginnend mit dem 17. Jahrhundert, in dem die „Jungen Rosenkreuzer“ ihre Anfänge zu verzeichnen haben, widmet sich die Arbeit sodann im nächstfolgenden Teil den „Gold- und Rosenkreuzern“ des 18. Jahr-hunderts, um abschließend einen Ausblick auf die „Modernen Rosenkreuzer“ des vergangenen 20. und derzeitigen 21. Jahrhunderts geben zu können. Diese zeitliche Strukturierung gewährleistet, dass alle, partiell sehr epochenspezifischen, Charakteristika der jeweiligen rosenkreuzerischen Strömung gebührend berücksichtigt werden. Nach einer kurzen historischen Kontextualisierung, die notwendiger-weise das Reformationszeitalter mit einbezieht, wird der Name des Verfassers der ersten Rosenkreuzermanifeste eingeführt: Johann Valentin Andreae. Im ersten Hauptteil wird auf ihn stets Bezug genommen werden, da er der maßgebliche Begründer des Rosen-kreuzertums ist. Der Schwerpunkt des ersten Arbeitsabschnittes liegt jedoch nicht bei dem Autor selbst, sondern bei dessen Schriften. So werden die Werke „Fama Fraternitatis“, „Confessio Fraternitatis“ und „Chymische Hochzeit“ ausführlich dargestellt, um schließlich in ihnen den Ursprung des Rosenkreuzertums auszumachen.1

Hauptanliegen des ersten Teils der Arbeit ist, diesen literarischen Beginn, seine Voraussetzungen, Auswirkungen und mit ihm einhergehenden Schwierigkeiten darzulegen, ohne dabei die innovativen Inhalte der rosenkreuzerischen Idee als solche zu vernachlässigen.

1Eine besondere Schwierigkeit ergab sich aus dem Umstand, dass die drei Rosenkreuzermanifeste noch nicht in der Reihe „Johann Valentin Andreae. Ge-sammelte Schriften“, die von Wilhelm Schmidt- Biggemann herausgegebenen wird, erschienen sind. Ihre Veröffentlichung ist für das Frühjahr 2007 vorgesehen. Stattdessen musste auf das Werk „Johann Valentin Andreae. Fama Fraternitatis (1614). Confessio Fraternitatis (1616). Chymische Hochzeit: Christiani Rosencreutz. Anno 1459 (1616)“ Richard van Dülmens aus der Reihe Quellen und Forschungen zur württembergischen Kirchengeschichte, zurückgegriffen werden. Ein Abgleich mit den Mikrofilmausgaben der Texte, die in der Kieler Universitätsbibliothek zur Verfügung stehen, hat ergeben, dass die Texte einander vollständig entsprechen.

Die Frühneuhochdeutsche Schreibung wurde in Zitaten unverändert übernommen. Vermeintliche Unregelmäßigkeiten und Auffälligkeiten syntaktischer und ortho-grafischer Art sind oftmals aus diesem Umstand zu erklären. Besondere Schwierig-keiten werden an entsprechender Stelle in der Fußnote aufgegriffen und erläutert.

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Der exkursartige Anschluss an den ersten Hauptteil, der sich unter Berücksichtigung der Schreibweise des Namens „Rosenkreu(t)zer“ der Symbolik der Morpheme „Rose“ und „Kreuz“ annimmt, stellt die Rosenkreuzerideen des 17. Jahrhunderts abschließend in die protestantischlutherische Tradition, aus der sie erwachsen sind. Von einem Orden der Rosenkreuzer zu sprechen, ist dann erstmals im Zusammenhang mit der Darstellung der Gold- und Rosenkreuzer im 18. Jahrhundert möglich. Daher soll im zweiten Abschnitt der Arbeit insbesondere die Organisation des Ordens als solches im Mittelpunkt der Ausführungen stehen. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Epoche der Aufklärung und der freimaurerisch entlehnten Anlagen der Gold- und Rosenkreuzer, wird der strukturelle Aufbau des Ordens samt Mitgliedschaft nachgezeichnet. Hierbei wird den Komponenten, die einen Mysterienbund klassifizieren und maßgeblich konstituieren, ebenso besondere Berücksichtigung zuteil wie in der anschließenden Betrachtung der Rituale und Erkennungszeichen. Beschlossen wird der zweite Hauptteil mit der Darlegung der Faktoren, die dem Charakter eines Mysterienbundes derart entgegengewirkt haben, dass sie schließlich maßgeblich zum Untergang desselben beigetragen haben. Dass auch im 20. und 21. Jahrhundert noch eine Verbreitung rosenkreuzerischer Ideen stattgefunden hat und noch stattfindet, wird im dritten Hauptteil dargestellt werden. Da rosenkreuzerische Lehren heutzutage unter vielerlei Namen verbreitet werden, wird an dieser Stelle eine Schwerpunktsetzung zugunsten des initiatorischen Neorosenkreuzertums die Einhaltung des Rahmens der Arbeit gewährleisten. So führt die Konzentration auf die derzeit größte Rosenkreuzerorganisation, die auch in Deutschland sehr präsent ist, zur beispielhaften Betrachtung des „Antiquus Mysticus Ordo Rosae Crucis“. Kontakte, die mit einer in Hamburg ortsansässigen Loge dieses neorosenkreuzerischen Ordens aufgenommen wurden, werden den Eindruck, den die Literatur vermittelt, um zwar subjektive, aber erkenntnisreiche Erfahrungen bereichern. Im letzten Kapitel der Arbeit wird den Rosenkreuzerideen Rudolf Steiners Rechnung getragen. Zwar haben sie nur einen quantitativ geringfügigen Anteil seiner Arbeit ausgemacht, aber dennoch einen bedeutenden. Steiners Aus-führungen, die er überwiegend in seinen Vorträgen entwickelt hat, funktionalisieren die rosenkreuzerischen Lehren für

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die moderne christliche Gesellschaft des 20. Jahrhunderts. Seine stark auf die Person „Christian Rosencreutz“ konzentrierten Lehrinhalte ermöglichen so einen völlig neuen Zugang zum Rosenkreuzertum.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist folglich dreierlei: Neben einem umfassenden Überblick über die rosenkreuzerischen Strömungen der vergangenen vier Jahrhunderte sollen die jeweiligen charakteristischen Besonderheiten herausgestellt werden. Zudem wird der speziellen Schwerpunktsetzung gemäß angestrebt, die Voraussetzungen für die Entstehung und Neuformierung dieser Strömung zu geben, deren jeweilige Funktion ebenso epochenspezifisch zu begründen sein wird wie die zum Teil stark differierenden Lehrinhalte.

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2. Das ältere Rosenkreuzertum des 17. Jahrhunderts-

Historischer und geistesgeschichtlicher Kontext

Will man die Anfänge des Rosenkreuzertums im 17. Jahrhundert darstellen, so kommt man nicht umhin, sich der epochalen Besonderheiten dieses Jahrhunderts anzunehmen, die sowohl als Resultate der Reformation als auch als Ergebnis der „Gegenreformation“2ausgelegt werden können. Den weiteren Ausführungen sei daher eine grundsätzliche Übersicht über die religiösen, historisch- politischen und gesellschaftlichen Begebenheiten des 16. und 17. Jahrhunderts vorangestellt. Nur so wird man dem Anspruch eines umfassenden Über- und Einblicks in die Anfänge der Rosenkreuzer gerecht werden können. Das 16. und 17. Jahrhundert ging mit einem bedeutenden Wandel im Bereich der kirchlichen Organisation einher. Im Zuge der lutherischen Reformation entluden sich die konfessionellen Differenzen zwischen Protestanten und Katholiken in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vermehrt in Kriegen um den wahren Glauben. Diese fanden im Augsburger Religionsfrieden (Pax Augustana) 1555 zwar ein vor-läufiges Ende, bewirkten aber zugleich eine neue Entwicklung der Kirchen, die ihrerseits spezifische Probleme mit sich brachte.3Das unter der Devise „cuius regio, eius religio“ erstmalig rechtlich abgesicherte Nebeneinander von Protestantismus und Katholizismus führte zu der Formierung dreier in Bezug auf die christliche Wahrheit konkurrierender Konfessionskirchen: der katholischen, der lutherischen und der calvinistischen. Es ist an dieser Stelle durchaus gerechtfertigt von einer Umbruchzeit zu sprechen, in der das öffentliche Klima von Auseinandersetzungen um die wahre Religion geprägt war. Insbesondere die von katholischer Seite unter der Vorherrschaft des Jesuitenordens vorangetriebene Gegenreformation war Ausdruck eines disparaten Glaubens-verständnisses. Auf dem Reformkonzil von Trient (1545 etappenweise bis 1563) nahm die Gegenreformation ihren Anfang. Während einerseits die dogmatischen und liturgischen Differenzen zum Protestantismus betont wurden, wurden andererseits die vom

2Um konfessionellen Vorbehalten keinen Raum zu gewähren, sollte anstelle des Begriffs „Gegenreformation“ der der „Konfessionalisierung“ gewählt werden. Um die Gegensätze jedoch stärker herauszustellen, wird im Folgenden weiterhin der Begriff „Gegenreformation“ verwendet.

3Vgl. Wallmann, Johannes, Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation (UTB 1355), Tübingen52000, S. 88.

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Protestantismus bemängelten schwerwiegendsten Missstände der katholischen Kirche abgestellt, um sich so weiteren protestantischen Angriffen zu entziehen. Das Ziel, den Protestantismus wenn möglich zu beseitigen, zumindest aber weitgehend einzudämmen, wurde mit allen Mitteln verfolgt.4Dieser gegenreformatorischen Seite stand ein Luthertum gegenüber, das von intrakonfessionellen Streitigkeiten geprägt war. Nach dem Tode Martin Luthers im Jahr 1546 fehlte es der lutherischen Theologie an solidarisierender Autorität, die 1577 mit der Konkordienformel wieder hergestellt werden sollte. Die Konkordienformel, die auf die „Confessio Augustana“ von 1530 rekurrierte, gebot den Differenzen zwar Einhalt, zog aber gleichermaßen eine deutliche Grenze nach außen zum Calvinismus.5Ergebnis dieser Bestrebungen nach Autorität und Abgrenzung war eine Phase lutherischer Orthodoxie, der oft zum Vorwurf gemacht wurde, sie führe die evangelische Theologie in die Scholastik zurück. Derartige Tendenzen sind zweifelsohne in der Formulierung einer protestantischen Dogmatik, der verstärkten Bezugnahme auf eine aristotelische Metaphysik und der Anwendung eines ganz und gar unhistorischen Schriftprinzips, feststellbar.6

Doch nicht nur in Religionsfragen, sondern auch auf politischer Ebene lassen sich tief greifende Veränderungen ausmachen. Die Religions-streitigkeiten mehrten die Sehnsucht in der Bevölkerung nach einer schlichtenden Instanz, so dass allmählich das universale Reichsbewusstsein im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation zugunsten einer Orientierung auf den landesfürstlichen Hof zurücktrat. Damit war die Grundlage für den Übergang von einem „Zeitalter der Glaubensspaltung“ in ein „Zeitalter des konfessionellen Absolutismus“, in welchem innerer Ordnung und innerem Frieden auf Kosten

4Vgl. ebd., S. 114- 122.

5Vgl. ebd., S. 92-93.

„Die Konkordienformel versteht sich als ‚Wiederholung und Erklärung etlicher Artikel Augsburgischer Confession‛. Als Schiedsrichter in den innerlutherischen Lehrstreitig-keiten geht sie einen maßvollen Mittelweg. Extreme Positionen der Gnesiolutheraner […] werden ebenso ausgeschlossen wie die philippistischen Anschauungen […] Auf weite Sicht folgenreicher als die innere Flurbereinigung sind die Abgrenzungen, die die Konkordienformel nach außen trifft. Neben die […] deutliche an die Täufer und neben die nicht mehr fragliche, theologisch nun klarer formulierte Absage an den römischen Katholizismus tritt jetzt die ebenso deutliche Abgrenzung gegenüber dem Calvinismus. […] Die Konkordienformel hat eine einigende Lehrgrundlage geschaffen, indem sie den innerlutherischen Gegensätzen die Spitze abbrach, die Grenzen nach außen dafür um so deutlicher absteckte.“

6Vgl. ebd., S. 96f.

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der Entpolitisierung der Gesellschaft ein besonderer Stellenwert beigemessen wurde, gelegt. Die Stellung der Kirchen in dem frühabsolutistischen Staatsgebilde des Reiches trat vermehrt hinter die des Staates zurück. Im Verlauf der Entwicklung kann von einem Staatskirchentum gesprochen werden, das die reformatorischen Maxime „Autonomie“ und

„Selbstbestimmung“ nicht mehr zu verwirklichen gedachte und damit der katholischen Kirche vom Aufbau her immer ähnlicher wurde.7Auch in geistlichen Kreisen wurde der Protest gegen die verfestigten Strukturen der Landeskirche und gegen die lutherische Orthodoxie, in deren Folge Kontrollen und Reglementierungen der Rechtgläubigkeit der Untertanen keine Seltenheit waren, immer lauter.8Insbesondere in den gelehrten Kreisen des Protestantismus formierte sich der Widerstand in Gruppen außerhalb der traditionellen Bildungsstätten. Die Zeit ist nachhaltig geprägt von Gruppenbildungen dieser Art,9die sich als Opposition zu den despotischen Kirchengewalten heraus-bildeten und dem Einzelnen als Rückhalt in einem Zeitalter der Anfeindungen und Anfechtungen dienten.10Allen Gruppierungen gemein war die religiöse Toleranz, die sie vertraten. Diese kann sowohl als allgemeine Ermüdungserscheinung hinsichtlich der Religionsstreitigkeiten gewertet werden, als auch als Ausdruck eines religiösen Emanzipationsprozesses, der eine neue Religiosität hervorbrachte. Im gleichen Maße kritisierten alle Gruppierungen die erstarrten Formen der Kirche, die keine Hilfe bei den Problemen des Alltags versprachen sowie den Mangel an Nächstenliebe. Auch im Bereich der Wissenschaften markiert der Übergang vom 16. zum 17. Jahrhundert einen „Paradigmenwechsel“11. Der Übergang vom Renaissancezeitalter zur frühen Neuzeit schlägt sich insbesondere in dem Nebeneinander, aber auch Ineinander, von alten Traditionen und neuen Erkenntnissen nieder. Während sich auf der einen Seite noch die alten Vertreter

7Vgl. Kienast, Richard, Johann Valentin Andreae und die vier echten Rosenkreutzer- Schriften (Palaestra 152), Leipzig 1926, S. 26.

8Die Inquisition wird in dieser Zeit zum probaten Mittel, den falschen Glauben und die Irrlehren zu bekämpfen.

9Auch der Rosenkreuzerorden resultiert gewissermaßen aus diesem historischen Phänomen, wird seinen Besonderheiten gemäß jedoch noch detaillierter dargestellt werden.

10Vgl. Schick, Hans, Das Ältere Rosenkreuzertum. Ein Beitrag zur Entstehungs-geschichte der Freimaurerei (Hintergrundanalysen 6), Faksimile- Druck Bremen- Huchting 1942, Bremen 1982, S. 21-22.

11Zitiert nach: Ruppert, Hans-Jürgen, Der Mythos der Rosenkreuzer (EZW- Texte 160), Berlin 2001, S. 5.

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von Alchemie und Hermetik zu halten vermögen,12gewinnt die wissenschaftliche Revolution zusehends an Aufwind. Wie die Religionen, so stoßen auch die wissenschaftlichen Ideologien auf-einander.13In derselben neuartigen Weise, wie auf wissenschaftlicher Ebene die Naturbetrachtung an Bedeutung gewann, wurden die erfahrbare Religion und das praktische Christentum Kriterien für den wahren Glauben. Während manfrüher die Natur von innen, oder […] von oben her im ganzen mit eins erfassen […] [wollte], immer im Blick auf die jenseitige Bestimmung des Menschen […] [, lenkte man jetzt] den Blick auf die Fülle der Erscheinungen, die man aber doch als Werk des allmächtigen und allgütigen Schöpfers betrachtete. […] [Man] stellte […] sich jetzt in die Dinge hinein und blickte von diesen zum Himmel hinauf.14

Gesucht wurde eine „Synthese zwischen Glauben und Erkennen, zwischen Philosophie (Naturerkenntnis) und Theologie“15. So fand besonders das spiritualistische und naturphilosophische Schrifttum der Zeit innerhalb dieser Gruppierungen viel Anklang.16Ziel war es, dem veränderten Interesse der Gesellschaft gerecht zu werden, das nicht mehr auf die Frage nach göttlicher Rechtfertigung, sondern inzwischen auf die Folgen des Glaubens ausgerichtet war. Durch neues Wissen und neue Erkenntnisse sollte so maßgeblich Einfluss

121. „Alchemie“ bezeichnet einen alten Zweig der Naturphilosophie, dem oft nachgesagt wurde, er beschäftige sich ausschließlich mit der Herstellung von Gold und anderen Edelmetallen. Getragen von der Vorstellung, dass Metallen nebst Eigenschaften auch Prinzipien zugeordnet werden können, gingen sie theoretisch von der Annahme aus, dass eine Transmutation eines unedlen Metalls in ein Edelmetall möglich sei. In der Tat überwog jedoch die philosophische Bedeutung der al-chemischen Vorgänge, die die Entwicklung des Menschen und seiner inner-psychischen Prozesse versinnbildlichen sollten. Vertreter der Alchemie im 16. und 17. Jahrhundert waren u.a.: Paracelsus (1493-1541) und Isaac Newton (1642-1727).

Hierzu vgl. Miers, Horst E., Art. Alchemie, in: Lexikon des Geheimwissens (1986), S. 17-18.

2. Die Bezeichnung „Hermetik“ geht zurück auf die spätantike Offenbarungs- und Geheimlehre des Hermes Trismegistos. In der frühen Neuzeit versteht sich die Hermetik als eine Lehre der übergeordneten Naturgesetze, die Erklärungen für die Gesetzmäßigkeiten der Natur bietet. Mittels hermetischer Lehre soll der Mensch Einfluss auf Kausalitäten und Analogien des Lebens gewinnen. Vertreter der Hermetik im 15./16. und 17. Jahrhundert waren u.a.: Giovanni Pico della Mirandola (1463 - 1494), Paracelsus (1493-1541) und Giordano Bruno (1548-1600).

Hierzu vgl. Tröger, Karl- Wolfgang, Art. Hermetica, TRE 18 (1989), S. 749- 752 und Miers, Horst E., Art. Hermes Trismegistos, in: Lexikon des Geheimwissens (1986), S. 191.

13Vgl. Ruppert, ebenda, S. 5-11.

14Caspar, Max, Johannes Kepler, Stuttgart21950, S. 15ff.

15Schilling, Hannelore, Im Zeichen von Rose und Kreuz. Historische und moderne Rosenkreuzer (EZW Information Nr.71), Stuttgart 1977, S. 5.

16Es ist treffender, in diesen Zusammenhängen von „Naturphilosophie“ und nicht von „Naturwissenschaft“ zu sprechen, da der Begriff „Wissenschaft“ wissenschaftliche Methoden impliziert, die in dem damaligen Jahrhundert noch nicht geläufig bzw. etabliert waren. Hierzu vgl. Caspar (1950), S. 15 und Vgl. Gloy, Karen, Art. Naturphilosophie, in: TRE 24 (1994), S. 118-120.

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auf das politische Handeln genommen und dementsprechend zu einer Erneuerung und Verbesserung der Welt beigetragen werden. Ein Name, der in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben darf, ist Johann Arndt (1555-1621). Er wurde dem veränderten Anspruch der Gesellschaft mit seinen Schriften gerecht, die zwar als Erweiterung der lutherischen Lehren verstanden sein wollten, aber eine „Frömmigkeit der Innerlichkeit“17priesen, die die Wiedergeburt der mystischen Strömungen des Mittelalters zur Folge hatten. In eben dieser Tradition zwischen altem Wissen und neuen Erkenntnissen steht auch der „ideenreichste und publizistisch rührigste unter den Reformern“18, Johann Valentin Andreae (1586-1654).19Sein Name ist auf das Engste mit dem der Rosenkreuzer verbunden. Wie dieser Zusammenhang beschaffen ist, soll nachstehend gezeigt werden.

2.1 Der Autor Johann Valentin Andreae

Ende der 80er Jahre des 16. Jahrhunderts wird Johann Valentin Andreae als fünftes von acht Kindern geboren.20Als Enkel Jakob Andreaes trat er ein beachtliches Erbe an. Sein Großvater hatte sich bereits zu Reformationszeiten durch die Ausarbeitung der Konkordien-formel und Redaktion des Konkordienbuches einen Namen gemacht. Sein universelles Streben gab er an seinen Enkel Johann Valentin weiter.21Im Alter von 15 Jahren immatrikulierte dieser sich an der Universität Tübingen, der Landesuniversität Württembergs, um nach dem Abschluss der obligatorischen Artistenfakultät Theologie zu studieren. Tübingen galt damals als „das bedeutendste Bildungs-zentrum des protestantischen Süddeutschland und Österreich“22und war somit zugleich „Hochburg der lutherischen Orthodoxie“23. Doch aller Strenggläubigkeit zuwider war in Tübingen auch eine große Anzahl weltlich orientierter und wissenschaftlich beeinflusster Gelehrter ansässig, die offiziell zwar als

17Wallmann (2000), S. 101.

18Ebenda, S. 102.

19Vgl. Anhang Abb. 1.

20Johann Valentin Andreae: * 17. August 1586 in Herrenberg; † 27. Juni 1654 in Stuttgart.

21Vgl. Ruppert (2001), S. 5.

22Dülmen, Richard van, Die Utopie einer christlichen Gesellschaft. Johann Valentin Andreae (1586-1654) (Kultur und Gesellschaft. Neue historische Forschungen 2,1), Stuttgart 1978, S. 29.

23Ebd., S. 30.

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rechtgläubig auftraten, der lutherischen Orthodoxie aber ihrem Wesen nach widersprachen. Die Problem-sphären, die im gesamten deutschen Reich miteinander kollidierten, trafen in Tübingen unvermittelt aufeinander. Wie viele war auch Andreae an den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen interessiert. Inspiriert von universitären und privaten Kontakten zu Persönlichkeiten wie Christoph Besold (1577-1638), Wilhelm Schickart (1592- 1635) und Tobias Hess (1586-1614), aber auch vielen weiteren Repräsentanten der frühen Neuzeit, schloss Andreae sich nebst diesen mit einigen weiteren Studenten in einem, die disparaten Zeit-verhältnisse reflektierenden, Bund zusammen, der in der Forschung auch als „Tübinger (Freundes-) Kreis“24bekannt ist. Innerhalb seiner Reihen konnte offen über späthumanistische, hermetisch- theosophische sowie chiliastische und alchemistische Themen und Werke diskutiert werden, deren Inhalte den Lehren der Landeskirche entgegenstanden. Selbst von der Enge der Scholastik betroffen, entwarfen die jungen Studenten unter Beeinflussung ihrer älteren Vorbilder Vorstellungen von einer Reformation des gesamten kulturellen Lebens, deren tragender Leitgedanke es war, die existierenden Gegensätze von Religion und Wissenschaft zu überwinden. In diese Lebensphase fällt auch die Abfassung eines Werkes, mit dessen Veröffentlichung einige Jahre später der Mythos der Rosenkreuzer geboren wurde: die „Fama Fraternitatis“.

2.1.1 Literarischer Ursprung- Die Ursprungslegende „Fama Fraternitatis“

Die „Fama Fraternitatis“ erschien im Jahr 1614 in Kassel erstmals in gedruckter Form.25Nachdem schon Jahre zuvor handschriftliche Vervielfältigungen in Umlauf waren, wurde sie mit dem Titel „Fama Fraternitatis, Des löblichen Ordens des Rosenkreutzes/ an alle Gelehrte und Häupter Europae geschrieben“26, in einem Sammelband neben dem Traktat „Allgemeine und General Reformation der gantzen weiten Welt“ veröffentlicht.27Als Verfasser der „Fama“ konnte Johann Valentin Andreae

24Vgl. Ruppert (2001), S. 6 und Schilling (1977), S. 9.

25Siehe Anhang Abb. 2.

26Im Folgenden wird der Länge des eigentlichen Titels wegen der Kurztitel „Fama“ gebraucht.

27Siehe Anhang Abb. 3.

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erst nachträglich ausgemacht werden. Ursprünglich ist sie anonym erschienen.28Ob Andreae allerdings auch an der Herausgabe beteiligt war, ist ungeklärt und ließe nur bloße Spekulationen zu.29Veröffentlichungen ohne Angaben zum Verfasser waren zur Zeit der strengen Kirchenobservanz zwar keine Seltenheit, lassen sich in diesem Fall jedoch nicht als entscheidende Begründung für eine anonyme Herausgabe anführen. Die fehlende Autorangabe verfolgte ebenso wie die Sammelbandpublikation eine bestimmte Wirkabsicht. Während die anonyme Veröffentlichung den „Geheimnischarakter“30des Werkes bestärken sollte, zielte die gemeinsame Veröffentlichung von „Generalreformation“ und „Fama“ darauf ab, den Leser mit Zusammenhängen vertraut zu machen und grundsätzliche Standpunkte zu vermitteln, die über den eigentlichen Inhalt des Werkes hinaus-gingen.31In der Forschung ist man sich heute weitgehend einig darüber, dass Andreae die Idee zur „Fama“ gemeinsam mit seinen Tübinger Freunden entwickelte.32Die erste schriftliche Fixierung fällt daher bereits in die Jahre vor 1610. Geht man davon aus, dass insbesondere Andreaes Gefährten Tobias Hess und Abraham Hölzl an der Verschriftung mitgewirkt haben, lässt sich die Abfassung in die Zeit ihrer Freundschaft datieren, die nicht vor die Jahre 1609/11 fällt.33Mit der Intention, einen öffentlichen Diskurs anzustoßen, konzipierte der Tübinger Kreis ein Werk, das die Gesellschaft, insbesondere die Gelehrten, wie schon der Titel deutlich macht, zu einer unmittelbaren Stellungnahme zum behandelten Gegenstand aufforderte:

[Wir] bitten […] alle Gelehrten in Europa […], daß sie mit wolbedachten Gemüth diß unser erbitten erwegen […] und dann ihre bedencken entweer Communicatio Consilio oder singulatim uns Schrifftlich im Truck eröffenen […].34

28In der Forschung wird die Autorenfrage diskursiv diskutiert. Die Meinungen reichen von der Annahme dreier verschiedener Autoren (Kienast, Richard, Johann Valentin Andreae und die vier echten Rosenkreutzer- Schriften [Palaestra 152], Leipzig 1926 oder Yates, Frances Amelia, Aufklärung im Zeichen des Rosenkreuzes, Stuttgart 1975, S. 40) bis hin zu der selbstbewussten Widerlegung dieser These und der Annahme, dass nur Andreae für die drei Rosenkreuzerschriften als möglicher Autor in Frage komme [Schick (1982), S. 64-87]. In der vorliegenden Arbeit wird ein vermittelnder Ansatz [gegen Kienast (1926), Yates (1975) und Schick (1982)] vertreten, der ebenfalls Andreae als Hauptautor der drei Schriften deklariert, gleichermaßen aber auch auf die nicht zu unterschätzenden literarischen Einflüsse seiner unmittelbaren Umwelt verweist.

29Vgl. Schick (1982), S. 80 und van Dülmen (1978), S. 66.

30van Dülmen (1978), S. 67.

31Vgl. Yates (1975), S. 52 und Schick (1982), S. 110-114.

32Vgl. z.B. Ruppert (2001).

33van Dülmen (1978), S. 78.

34Andreae, Johann Valentin, Fama Fraternitatis Oder Brüderschafft des Hochlöblichen Ordens des R.C. An die Häupter, Stände und Gelehrten Europae (1614), in: Dülmen, Richard van