Hitlers Theologie - Rainer Bucher - E-Book

Hitlers Theologie E-Book

Rainer Bucher

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Beschreibung

"Hitlers Theologie ist intellektuell krude, ihr Rassismus ist erbärmlich und ihr Gott ein numinoses Monster. Es gibt keine Gnade und keine Barmherzigkeit in ihr und daher auch keinen Frieden. Aber sie wurde, worauf alle Theologie zielt: praktisch. Das ist nicht der einzige", so Rainer Bucher, "aber es ist der unabweisbare Grund, sich mit ihr zu beschäftigen." Gewiss: Adolf Hitler war kein Theologe. Doch vom Beginn seines öffentlichen Redens bis zu seinen letzten dokumentierten Äußerungen verkündigte er sein Politikprojekt im Namen eines Gottes, konzipierte und legitimierte er es über theologische Begriffe. Diese spielten dabei keine nur rhetorische, sondern eine zentrale und tragende Rolle. - Eine klarsichtige wie fulminante Untersuchung von Hitlers politischer Projektbeschreibung und ihrer theologischen Begründungsstrukturen.

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Seitenzahl: 265

Veröffentlichungsjahr: 2008

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Rainer Bucher

Hitlers Theologie

Rainer Bucher

HitlersTheologie

„So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn.“

Adolf Hitler, Mein Kampf, 1925

„An der Spitze unseres Programms steht nicht das geheimnisvolle Ahnen, sondern das klare Erkennen und damit das offene Bekenntnis. Indem wir aber in den Mittelpunkt dieser Erkenntnis und dieses Bekenntnisses die Erhaltung und damit Fortsicherung eines von Gott geschaffenen Wesens stellen, dienen wir damit der Erhaltung eines göttlichen Werkes und damit der Erfüllung eines göttlichen Willens, und zwar nicht im geheimnisvollen Dämmerschein einer neuen Kultstätte, sondern vor dem offenen Antlitz des Herren.“

Adolf Hitler, Rede auf dem Reichsparteitag, 1938

„Der Bursche ist eine Katastrophe; das ist kein Grund, ihn als Charakter und Schicksal nicht interessant zu finden. Wie die Umstände es fügen, daß das unergründliche Ressentiment, die tief schwärende Rachsucht des Untauglichen, Unmöglichen, zehnfach Gescheiterten, des extrem faulen, zu keiner Arbeit fähigen Dauer-Asylisten und abgewiesenen Viertelskünstlers, des ganz und gar Schlechtweggekommenen sich mit den (viel weniger berechtigten) Minderwertigkeitsgefühlen eines geschlagenen Volkes verbindet, welches mit seiner Niederlage das Rechte nicht anzufangen weiß und nur auf die Wiederherstellung seiner ,Ehre‘ sinnt; wie er, der nichts gelernt hat, aus vagem und störrischem Hochmut nie etwas hat lernen wollen, der auch rein technisch und physisch nichts kann, was Männer können, kein Pferd reiten, kein Automobil oder Flugzeug lenken, nicht einmal ein Kind zeugen, das eine ausbildet, was not tut, um jene Verbindung herzustellen: eine unsäglich inferiore, aber massenwirksame Beredsamkeit, dies platt hysterisch und komödiantisch geartete Werkzeug, womit er in der Wunde des Volkes wühlt, es durch die Verkündigung seiner beleidigten Größe rührt, es mit Verheißungen betäubt und aus dem nationalen Gemütsleiden das Vehikel seiner Größe, seines Aufstiegs zu traumhaften Höhen, zu unumschränkter Macht, zu ungeheueren Genugtuungen und Über-Genugtuungen macht – zu solcher Glorie und schrecklichen Heiligkeit, daß jeder, der sich früher einmal an dem Geringen, dem Unscheinbaren, dem Unerkannten versündigt, ein Kind des Todes, und zwar eines möglichst scheußlichen, erniedrigenden Todes, ein Kind der Hölle ist.“

Thomas Mann, „Bruder Hitler“, 1939

„Jedes Wort, das aus Hitlers Munde kommt, ist Lüge. Wenn er Frieden sagt, meint er Krieg, und wenn er in frevelhaftester Weise den Namen des Allmächtigen nennt, meint er die Macht des Bösen, den gefallenen Engel, den Satan. Sein Mund ist der stinkende Rachen der Hölle, und seine Macht ist im Grunde verworfen.“

IV. Flugblatt der „Weißen Rose“, 1942

Vorwort

Abgrenzungen

I „Hitlers Theologie“:Um was es dabei geht und um was nicht

II Hitlers Theologie und die katholische Kirche

III Hitler und die Theologie der „völkischen Bewegung“

Strukturen

IV Die „Vorsehung“: die Geschichtstheologie Hitlers

V Hitlers Gottesbegriff

VI Der „Glaube“: die Formierung des Einzelnen

VII Hitlers Theologie und die Vernichtungdes europäischen Judentums

VIII Kirchenreform mit Hilfe von Hitlers Theologie

Konsequenzen

IX Hitler, die Religion, die Politik:Hitler und die Moderne

X Sehnsüchte und Versuchungen:eine praktisch-theologische Gewissenserforschung

Persönliches Nachwort

Anmerkungen

Quellen- und Literaturverzeichnis

Vorwort

Hitlers Theologie ist intellektuell krude, ihr Rassismus ist erbärmlich und ihr Gott ein numinoses Monster. Es gibt keine Gnade und keine Barmherzigkeit in ihr und daher auch keinen Frieden.1 Aber sie wurde, worauf tatsächlich alle Theologie zielt: praktisch. Das ist nicht der einzige, aber der unabweisbare Grund, sich mit ihr zu beschäftigen.

Der „Zivilisationsbruch“2, den Hitlers nationalsozialistisches Projekt bedeutete, betraf alle und alles, geschah aus der Mitte der deutschen Gesellschaft und mit großer und lang anhaltender Unterstützung ihrer Eliten wie breiter Schichten der Bevölkerung.3 Der Gott Hitlers besaß eine große Macht. Erst die vereinten Armeen der Sowjetunion, Amerikas, Englands und vieler anderer haben sie gebrochen. Niemand konnte das übrigens garantieren. Der Gott Hitlers hätte durch Hitler auch siegen können.4

Es ist nicht notwendig, Hitlers Theologie zu widerlegen: Das hat sie selber getan. Aber es ist notwendig, sich mit ihr zu beschäftigen. Schließlich gilt: „Hitler hat tiefere Spuren in unserem Jahrhundert hinterlassen als jeder andere.“5 Jenseits aller berechtigten Fragen, wie es diesem äußerlich unscheinbaren, komplexbeladenen, formal ungebildeten, kleinbürgerlichen Ausländer ohne wirkliche Berufserfahrung und Organisationstalent gelingen konnte, zum mächtigsten Mann des Deutschen Reiches und zeitweise Europas zu werden, welche gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen und Stimmungen ihn an die Spitze trugen, wie er sie erahnte, benutzte und steuerte, bleibt das Faktum: Der Nationalsozialismus war Hitlers Projekt, er hat es durchgesetzt und niemand kam auch nur annähernd an Hitlers singuläre Machtstellung heran.6 Schließlich ist ihm das ganze Land – mit Ausnahme der tapferen Männer und Frauen der wenigen Widerstandsgruppen – bis in den Untergang gefolgt.

Dieses Buch ist von einem katholischen Theologen geschrieben. Ich habe mich mit Hitler wissenschaftlich beschäftigt, weil ich wissen wollte, warum er einige „fortschrittliche“ Theologen der 1930er Jahre faszinierte. Was brachte innovative, gegenwartssensible, später auch zu Recht berühmte Theologen dazu, Hitler enthusiastisch zu begrüßen? Daraus folgte die Frage: Welche religiösen Strukturen und welche theologiehaltigen Diskurse wies Hitlers Gesellschaftsprojekt selbst auf, dass es für sie so attraktiv werden konnte?

Die Modernisierungsdynamik und personale Zugriffsintensität des Nationalsozialismus faszinierten nicht nur die eigenen Anhänger. Hitlers Angebot war für die Zeitgenossen attraktiver, als es im Rückblick und im Bewusstsein seiner monströsen Verbrechen erscheinen mag. Hitler schien Modernisierung ohne Pluralisierung und damit ohne Relativierung eigener Geltungsansprüche und ohne liberale Freisetzung des Subjekts zu versprechen.

Mein persönliches Interesse an Hitler verdanke ich der katholischen Jugendarbeit in meiner Heimatstadt Bayreuth. 1973, noch zu Zeiten des kommunistischen Regimes, reiste der damalige Kaplan Josef Kraus mit uns nach Polen. Wir besichtigten Breslau, Krakau, Tschenstochau – und auch die Gedenkstätte des KZ Auschwitz. Dass der zivilisatorische Boden unter unseren Füßen dünn und dass er nicht von den Rändern der Gesellschaft, sondern von ihrer Mitte her gefährdet ist, das wurde mir dort klar und hat mich seitdem nicht losgelassen.

Basis dieses Buches sind Forschungen, die ich bereits vor einiger Zeit im Zusammenhang mit meiner pastoraltheologischen Habilitationsschrift „Kirchenbildung in der Moderne. Konstitutionsprinzipien der deutschen katholischen Kirche“7 unternommen und der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgelegt habe. Die Ergebnisse wurden erweitert und aktualisiert und werden hiermit einem breiteren, historisch und theologisch interessierten Publikum vorgelegt.

Ottmar Fuchs, Maximilian Liebmann, Lucia Scherzberg, Norbert Reck, Katharina von Kellenbach und Claus-Eckehard Bärsch danke ich für den anregenden Gedankenaustausch über die Fachgrenzen hinweg, ebenfalls Elmar Klinger, der mich als Erster auf Hitler als Thema der Theologie hingewiesen hat. Meine Mitarbeiterin Frau Ingrid Hable hat dieses Buch mit großer Sorgfalt redigiert und zur Veröffentlichungsreife gebracht: hierfür herzlichen Dank!

Ich widme dieses Buch Ernst Ludwig Grasmück zu seinem 75. Geburtstag in dankbarer Erinnerung an die Jahre an seinem kirchenhistorischen Lehrstuhl.

Graz, Januar 2008

Abgrenzungen

I

„Hitlers Theologie“:Um was es dabei gehtund um was nicht

1. Hitlers Projekt

Der Nationalsozialismus war etwas wirklich Neues: ein für viele faszinierendes Amalgam von technischer Modernisierung, nationalem Gemeinschafts- und sozialem Gleichheitsversprechen, voller ästhetischer Faszinationsangebote und individueller Heroismusanmutung. In ihm schien wieder verbunden, was spätestens in der forcierten Modernisierung der Weimarer Republik, wie viele meinten, auseinandergedriftet war: Individualität und Kollektiv, Modernität und Traditionsanschluss, Freiheit – etwa gegenüber dem altbackenen Christentum – und Gebundenheit ans große Alte. Vor allem aber versprach der Nationalsozialismus die identitätsstiftende Idylle einer „Volksgemeinschaft“ auf kulturell vertrauter, einheitlicher Basis.

Dass solch ein Projekt in einer differenzierten Gesellschaft nur mit massiven Gewalt- und Ausschlussmechanismen funktioniert, war von Anfang an klar und wurde vom Regime auch nie versteckt. Die offene Gewaltbereitschaft all jenen gegenüber, die nicht mitmachen wollten, war spätestens seit dem Reichstagsbrand Ende Februar 1933 und den ihm folgenden Verhaftungswellen offenkundig. Die Ermordung inner- und außerparteilicher Machtkonkurrenten Ende Juni / Anfang Juli 1934, vom katholischen Staatsrechtler Carl Schmitt kurz darauf mit aller juristischer Finesse („Der Führer schützt das Recht“) legitimiert,1 und die früh einsetzende Diskriminierung der jüdischen Deutschen zeigten sehr schnell: Wer nach Hitlers Meinung nicht zur „Volksgemeinschaft“ gehörte oder nicht dazugehören wollte, der wurde zuerst hinaus- und bald schon in die Vernichtung geschickt. Freilich: Lange wollten sehr viele in Deutschland, und nicht nur dort, dazugehören.2

Der deutsche Nationalsozialismus war in seinem Erfolg zuerst Adolf Hitlers Projekt. Er hat es mit Macht und Geschick durchgesetzt und bis zu seinem Tod nicht aufgegeben. Programmatisch gesehen gilt sicher: Das „Phänomen existierte, bevor jemand von Hitler gehört hatte, und hätte auch weiterhin existiert, wenn er ein ‚Niemand aus Wien‘ geblieben wäre“3. Aber Erfolg hatte es nur mit und durch Hitler. Das lag an der rücksichtslosen Raffinesse, mit der Hitler die Macht errang, aber auch an der spezifischen Färbung, die er der „völkischen Bewegung“ im Nationalsozialismus gab.

Das bedeutet freilich weder, dass alles, was im teilweise polykratisch strukturierten und zunehmend chaotisch regierten „Dritten Reich“ tatsächlich passierte, unmittelbar auf Hitler zurückzuführen wäre, noch umgekehrt, dass alles, was Hitlers Projekt vorsah, auch tatsächlich verwirklicht wurde. Ein großer Spielraum substantieller Abweichung dürfte freilich nicht existiert haben. „Sobald er Staatschef war, diente Hitlers persönliche ‚Weltanschauung‘ … als Handlungsanweisung für die Entscheidungsträger überall im Dritten Reich.“ Hitler selbst gaben, wie Ian Kershaw schreibt, die „Unflexibilität und quasi-messianische Verpflichtung auf eine ‚Idee‘, ein Bündel von Glaubenssätzen, die unveränderlich, einfach, in sich geschlossen und umfassend waren“, die „Willensstärke und das Wissen um das eigene Schicksal, das alle Menschen, die mit ihm in Kontakt kamen, so stark beeindruckte.“

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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