Hohepriester des Nichts - Luna McMullen - E-Book

Hohepriester des Nichts E-Book

Luna McMullen

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Beschreibung

Zwei Leben, zwei Schicksale, eine Entscheidung Rahkim ist fest entschlossen, seine Verbannung rückgängig zu machen und sich sein altes Leben zurückzuholen. Dass er dafür ein schändliches Verbrechen begehen muss, nimmt er in Kauf, doch die Reise verläuft anders als erhofft. Ausgerechnet sein Opfer wird zu seiner schwersten Bürde und seiner größten Verantwortung. Denn er muss sich entscheiden, wie viel ihm sein Leben wirklich wert ist. Am anderen Ende des Kontinents kämpft die junge Kriegerin Nayiri gegen die ständige Bedrohung durch die Nomaden der Steinwüste. Diese verabscheuen alles, was mit Magie zu tun hat, und besonders Nayiris Volk. Doch als Nayiri in die Fänge der Nomaden gerät, gibt es nur eine Möglichkeit zu entkommen: Sie muss einem schweigsamen Magier und seiner Frau vertrauen, die mit den Nomaden im Bunde stehen. Eine packende High-Fantasy-Saga über zwei Menschen, die erst alles verlieren müssen, bevor sie sich selbst finden können.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Epilog
Die Autorin
Danksagung

 

 

 

 

WELTENBAUM VERLAG

Vollständige Taschenbuchausgabe

06/2025 1. Auflage

 

Hohepriester des Nichts – Verloren

 

© by Luna McMullen

© by Weltenbaum Verlag

Egerten Str. 42

79400 Kandern

 

Umschlaggestaltung: © 2025 by Magicalcover

Karte: Luna McMullen

Druck: CreativWorkDesign

Lektorat: Julia Schoch-Daub / Feder und Flamme Lektorat

Korrektorat: Mary Bee Lektorat

Buchsatz: Giusy Amé

Autorenfoto: Privat

 

 

ISBN 978-3-69067-003-6

 

www.weltenbaumverlag.com

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und

öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche

Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

 

 

 

Luna McMullen

 

 

 

Hohepriester Des Nichts

Verloren

 

 

 

 

 

High Fantasy

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Content Notes:

- Explizite Darstellung von körperlicher Gewalt, (Kindes-) Entführung, Gefangenschaft, Angst vor Schlangen, Vorurteilen auf Grund von Herkunft

- Androhung von Folter, körperlicher Gewalt, Tod

- Erwähnung von Gewalt gegen Kinder, Sklaverei

- Fluchen, Schimpfworte

Für die Verlorenen.

Für die Erwählten.

Für das Leben.

Kapitel 1

 

Rahkim – Nachrichten

 

Schweiß tropfte von seiner Stirn, und bei jedem Atemzug stieß er kleine Dampfwolken aus. Nachdem er die Truhe abgestellt hatte, wischte er sich mit dem Ärmel über das Gesicht, dabei wanderte sein Blick über die vom Nebel eingehüllten Häuser der Bucht von Gravik.

Hier hatte sich seit dem Krieg der Schattenmagier gegen König Kjell einiges geändert. Das meiste zum besseren, wie Rahkim bei jedem seiner regelmäßigen Besuche immer wieder feststellen konnte.

Die Menschen trugen an das viel zu kühle Wetter angepasste Kleidung, die Straßen waren im Vergleich zu früher deutlich sauberer und niemand wurde mehr in Ketten durch die Gassen geprügelt. Die Sklaverei, die hier noch vor dem Krieg geherrscht hatte, war vom Angesicht der Stadt verschwunden. Sicherlich gab es in einigen der Tavernen noch immer Männer, die verarmte Frauen für sich schuften ließen, aber auch sie wurden stetig weniger.

Nachdenklich glitt sein Blick über die Hausdächer bis zum oberen Rand der Klippen. Die dort thronende Burg verschwand fast gänzlich im morgendlichen Dunst, aber Rahkim wusste nur zu gut, wie diese aussah. Die Erinnerung an seinen letzten Besuch und die damaligen Bewohner ließ ihn frösteln.

Die neue Lady der Hafenstadt im Norden, Magist Filippa, die nun dort residierte, setzte die Gesetze Midlinns mit eiserner Hand um. Insgeheim bewunderte er die Magierin, die, ohne zu zögern, den Posten als Hüterin über Gravik angenommen hatte und nun diesen Teil des Nordens regierte. Zweimal war er der Blondine mit den buschigen Augenbrauen hier am Hafen begegnet und trotz ihrer auf den ersten Blick recht gewöhnlichen Erscheinung, strahlte sie eine unbestreitbare Autorität aus. Ob es dabei an ihrer Haltung oder doch der Magistenrobe lag, konnte er nicht recht sagen. Laut den Geschichten, die in den Schankstuben erzählt wurden, wusste sie allerdings diese Ausstrahlung einzusetzen. Jeden, der gegen die Gesetze von König Kjell verstieß, erwartete eine harte aber gerechte Verhandlung. Galt die Schuld als erwiesen, wurden die festgesetzten Strafen ohne Zögern ausgeführt. Dabei überließ Magist Filippa nur wenig dem Zufall. Laut Knut, dem Wirt von Rahkims Stammlokal, wohnte die Magierin jeder Verhandlung und auch allen Vollstreckungen bei.

Sehr zu seinem Missfallen war es ihm bisher nicht vergönnt gewesen, mit Filippa persönlich zu sprechen. Er hätte sie gerne gefragt, wie sie es geschafft hatte, als Frau in der ehemals nur von Männern regierten Welt des Nordens Gehör zu finden.

»THEAR!«, schrie eine Frauenstimme seinen Namen quer über den Kai hinweg. »Beweg deinen dürren Arsch, sonst mach ich dir Beine!«

Rahkim drehte sich um, nickte seiner Kapitänin ergeben zu und machte sich daran, die nächste Kiste von Bord zu schleppen.

 

 

Am Abend saß er mit zwei anderen Matrosen der Windjungfer in der Taverne ›der Kahn‹. Das ohrenbetäubende Klappern der Teller und das Lachen der Besucher, klingelte in Rahkims Ohren. Doch seit er ungefähr zweimal im Mondlauf nach Gravik kam, war es zu seinem liebsten Ort in der Stadt geworden.

Trotzdem stimmte heute etwas nicht. Die sonst so ausgelassene Atmosphäre wurde immer wieder von einem seltsamen Gefühl in Rahkims Brust gestört. Stirnrunzelnd sah er sich um.

Durch die Strähnen seines hellblonden Haares hindurch musterte er nacheinander jeden im Raum. In der hinteren Ecke spielte ein Mann eine flotte Melodie auf seiner Fidel, Gelächter und leidenschaftliche Erzählungen erklangen vom runden Tisch weiter links. Zwei junge Frauen saßen neben der Tür und unterhielten sich leise. Dann blieb sein Blick an Knut hängen. Der bullige Mann stand hinter dem Tresen, und in seinem Gesicht erkannte Rahkim eine Mischung aus Furcht und Ärger. Knut fixierte jemanden in der hinteren rechten Ecke und Rahkim folgte seinem Blick. Sogleich entdeckte er eine in einen schwarzen Umhang gehüllte Gestalt. Der gräuliche Bart, der unter der tiefhängenden Kapuze hervorschaute, wies den Unbekannten zweifelsfrei als Mann aus.

Es dauerte einen Moment, bis Rahkim begriff, warum der Schankwirt derart starrte. Niemand in der Taverne trug Schwarz. Niemand in der ganzen Stadt trug diese Farbe. Schwarz war die Farbe der Schattenmagier. Jene, die diesen Teil von Midlinn in ein Land der Sklaverei verwandelt und gnadenlos über die Menschen geherrscht hatten. Nur ungern erinnerte Rahkim sich an seine wenigen Begegnungen mit Lord Fescol zurück, den mächtigen und furchteinflößenden Magier, aus dessen Fängen er Juna damals gerettet hatte.

»Thear.« Jemand stieß ihn mit der Schulter an. »Alles klar?«

Rahkim sah seinen Kameraden an und deutete mit dem Kinn unauffällig zu dem Kerl in Schwarz.

»Der scheint hier nicht willkommen zu sein und verdirbt mir irgendwie den Durst.« Entschlossen schob Rahkim den Becher weg und erhob sich. »Knut, kann ich mich oben aufs Ohr hauen?«, rief er über die Köpfe hinweg und schnippte eine Münze zum Wirt. Der fing diese auf und antwortete mit einem knappen Nicken.

Im Vorbeigehen warf Rahkim noch einen neugierigen Blick auf den Bärtigen und stieg dann die Treppe zu den Kammern nach oben.

Auch hier waren die regen Geräusche der Schankstube noch gut vernehmbar, aber glücklicherweise deutlich leiser. Sicherlich hätte er auch auf dem Schiff übernachten können, aber hin und wieder gönnte er sich ein Lager auf festem Boden.

Am Ende des spärlich beleuchteten Gangs fand Rahkim ein freies Zimmer und schlüpfte hinein. Das leichte Kribbeln der Magie fuhr durch seine Finger, als er die beiden Kerzen entzündete. Er sank seufzend auf die Bettkante und fuhr sich durch die Haare. Die harte Arbeit des Tages steckte ihm noch in den Knochen. Das Leben als Matrose war nicht leicht und obwohl er die körperliche Tätigkeit zu schätzen gelernt hatte, fragte er sich manchmal, ob er sich je wirklich daran gewöhnen würde. Sein früheres Leben war so anders gewesen und erschien ihm eher wie ein ferner Traum, statt seiner eigenen Vergangenheit.

Seufzend entledigte er sich seiner Schuhe und schwang die Beine auf das Lager. Als Rahkim die Augen schloss, konnte er den Tempel sehen. Das hohe, spitz zulaufende Gebäude aus hellem Stein im Herzen der Anlage. Die Gebäude ringsum und selbst den Garten. Der Geruch von warmem Regen, der auf die Steine prasselte, stieg ihm in die Nase. Ob er diesen Ort wohl jemals wiedersehen würde? Sein Geist wanderte durch das Haus, das er sein Eigen genannt hatte. Er fühlte die Wärme der Feuerschale und hörte Azliaas Stimme. Sie rief die Dunkelheit und hüllte ihn damit ein.

 

Ein plötzlicher Druck am Hals, der ihn am Atmen hinderte, riss Rahkim unvermittelt aus dem Schlaf. Erschrocken schlug er die Augen auf und packte die Hand, die ihn würgte.

»Hallo Rahkim«, murmelte eine heisere Stimme in seiner Muttersprache. Die Kerzen flackerten und gaben den Blick auf den schwarzgewandeten Mann frei. Die Kapuze hatte er zurückgeschlagen und sein weißes Haar leuchtete geisterhaft. »Ich soll dir die besten Grüße von den Hohepriestern bestellen. Sie sind sehr enttäuscht von dir. Oder hast du eure Abmachung etwa schon vergessen?«

Rahkim schüttelte den Kopf. Verzweifelt nach Atem ringend zerrte er an den Armen des Angreifers. Mit letzter Kraft rief Rahkim seine Magie und schuf eine kleine flammende Kugel über seiner Hand.

»Spar dir deine Kraft für das Mädchen auf, Rahkim«, flüsterte der Kerl. »Erfüll endlich deine Pflicht.«

Der gleichbleibende Druck auf seinen Hals ließ Rahkims Sinne schwinden, die Magie in ihm flackerte, dann erlosch die Flamme in seiner Hand und Schwärze legte sich über ihn.

 

 

Das Sonnenlicht blendet ihn sogar durch seine geschlossenen Augenlider. Mit einem Satz schoss er hoch, verlor das Gleichgewicht und fiel aus dem Bett. Dumpf prallte sein Ellenbogen gegen das Tischbein und der Rest von ihm auf den Boden. Den jähen Schmerz ignorierend, blickte er sich hektisch in dem kleinen Raum um. Blut rauschte in seinen Ohren. Er war allein.

Es dauerte einen Moment, bis Rahkim seinen Geist und Körper wieder unter Kontrolle hatte. Vorsichtig fuhr er über seinen Hals. Er konnte die Finger des Mannes noch immer spüren. Dennoch kam ihm der nächtliche Besuch unwirklich vor. War es doch nur ein Traum gewesen? Würden die Hohepriester ihm wirklich auf diese Art eine Nachricht schicken? Es war nicht seine Schuld, dass alles nicht so funktionierte, wie er gedacht hatte. Erst König Kjell, der sich nicht an ihre Abmachung hielt. Dann Juna, die sich weigerte, mit ihm zu kommen und obendrein auch noch einen Jungen zur Welt brachte. Das waren wohl kaum Dinge, für die er die Verantwortung trug. Er hatte alles gegeben, doch seine Bestrebungen waren ausnahmslos im Sande verlaufen.

Langsam erhob er sich vom Boden, rieb seinen noch immer schmerzenden Ellenbogen und plumpste auf die Bettkante. Erneut flog sein Blick prüfend durch den Raum. Alles sah ganz normal aus.

Kopfschüttelnd fuhr er sich durch die Haare und schob einen Fuß in den Stiefel. Erschrocken zuckte er zurück. Etwas war in seinem Schuh. Sofort drehte er diesen herum, um den Übeltäter zu fassen. Ein kleines gefaltetes Stück Pergament segelte daraus hervor und landete auf den Holzbohlen. Rahkim griff nach dem Fetzen und las die knappe Botschaft.

Er hatte sich seinen Besucher also doch nicht eingebildet.

Kurz darauf polterte er die steile Treppe in den Schankraum hinunter und fand Knut in der angrenzenden Küche in einem Topf rührend vor.

»Mach doch nicht so’n Krach, Thear. Sonst kannst’e beim nächsten Mal woanders pennen«, rief der massige Wirt und warf ihm einen warnenden Blick zu.

»Bitte verzeih, Knut. Sag mir, was ist gestern Abend mit dem Kerl in dem schwarzen Umhang passiert? Du hast ihn doch nicht aus den Augen gelassen.«

Die eben noch recht entspannte Haltung des Wirts wurde mit einem Schlag verkrampft. »Den hätt’ ich am liebsten rausgeworf’n, aber wenn’s einer von denen war, hätte er mir das ganze Haus abgefackelt.« Ein leichtes Schaudern ging durch den kräftigen Körper. »Er war plötzlich verschwunden«, fügte er schließlich hinzu.

Rahkim trat einige Schritte näher. »Wie meinst du das?«

»So, wie ich es sag. In einem Moment war er da, dann fällt einem der Tölpel am mittleren Tisch ein Becher runter und zerspringt in tausend Teile. Ich hab’ nur kurz rüber geseh’n. Dann war er weg. Hab’ ihn nicht noch mal geseh’n. Bin verdammt froh, dass der weg ist.« Knut schnaubte erleichtert.

Rahkim wog die Möglichkeiten ab. Der Bote könnte bereits die Stadt verlassen haben, oder er lauerte hinter dem nächsten Haus, um seinen Worten noch einmal Nachdruck zu verleihen.

»Danke für die Unterkunft. Wir sehen uns«, rief Rahkim über seine Schulter und eilte auf den Ausgang zu.

»Mach’s gut, oder willst du noch Frühstück?«

Dankend lehnte er ab und verließ die Schenke. Zurück am Hafen kletterte er über die Planke an Bord der Windjungfer und grüßte im Vorbeigehen die beiden Schiffswachen. Zügig verschwand er unter Deck, wo ihn ein muffiger Geruch nach Seetang, Schweiß und schalem Ale empfing. Viele der Matrosen lagen noch schnarchend in den Hängematten, als er sich vorsichtig bis zu seinem Schlafplatz hindurchdrängte. Er griff seine Tasche und wühlte darin herum. Schließlich zog er eine kleine Holzschachtel hervor und wog sie zwischen den Fingern. Sollte er die Mixtur benutzen?

»Was ist das?« Eine Hand schnellte vor und griff nach dem Schächtelchen. Rahkim reagiert zu langsam. Seufzend drehte er sich um.

Ole lachte, warf das Kästchen hoch und fing es gekonnt wieder auf.

»Das Pulver darin, sorgt dafür, dass du dich drei Tage nicht erleichtern kannst«, entgegnete Rahkim ernst.

»Wie praktisch«, spottete Ole und warf Rahkim das Kästchen wieder zu.

»Allerdings.« Er fing das Kästchen und machte sich auf den Weg zum Lagerraum. In einer ruhigen Ecke ließ er sich mit einer kleinen Schüssel Wasser nieder und vermengte den erdigen Inhalt des Kästchens mit der Flüssigkeit zu einem Brei.

Es war schon eine Weile her, dass er diese Mixtur zuletzt benutzt hatte, aber nun, da er womöglich beobachtet wurde, schien es ihm eine gute Idee. Üblicherweise versteckte er seine auffallend blonden Haare unter einer Mütze, aber in letzter Zeit war er nachlässig gewesen. Was wohl letztlich dazu führte, dass der Mann ihn gefunden hatte. Und wenn dieser das vollbrachte, war seine ganze Tarnung in erheblicher Gefahr.

Mit flinken Handgriffen verteilte er die matschige Masse auf seinem Kopf und lehnte sich dann gegen die Schiffswand. Morgen würde die Windjungfer wieder ablegen, solange wollte Rahkim an Bord bleiben, um eine weitere Begegnung dieser Art zu vermeiden.

Als die Kruste in seinen Haaren getrocknet war, wusch er sich die Reste mit einem Schwung Meerwasser fort. Zufrieden betrachtete er das Ergebnis in der blank polierten Scheibe einer Laterne. Seine Haare schimmerten nun in einem matten Braunton.

Gähnend ging er zurück zu seiner Hängematte und verstaute das Kästchen wieder an seinem Platz. Einige seiner Kameraden waren inzwischen wach und musterten ihn irritiert.

»Thear? Was bei den Vieren hast du mit deinen Haaren gemacht?« Sirid kicherte und fuhr mit der Hand über seinen Kopf.

»Mir war nach einer Veränderung«, gab er trocken zurück.

»Dann lass dir das nächste Mal einfach von Ole die Haare schneiden, dann erkennt dich nicht mal deine eigene Mutter wieder.« Erneut schüttelte sie den Kopf. »Das sieht ja furchtbar an dir aus.«

»Ich danke für den Hinweis und werde es beim nächsten Mal in Erwägung ziehen«, murmelte er. »Bitte entschuldige mich. Ich muss mal.«

Rahkim schob sich an ihr vorbei bis zum Heck des Schiffes. Hier gab es einige kleine Öffnungen, die einen Blick auf den langsam erwachenden Hafen von Gravik boten. Wichtiger als der Ausblick war jedoch das Licht, das sie spendeten. Aus seiner Tasche zog Rahkim die kleine Nachricht und entfaltete sie.

Erfülle deinen Teil der Vereinbarung! stand dort und er wusste genau, was das zu bedeuten hatte.

Kapitel 2

 

Nayiri – Wie jeden Tag

 

 

»Wach auf, Schlafmütze!« Sie stieß Rajon ihren Stiefel in den Rücken. »Aufwachen!«

Stöhnend drehte sich der Jäger zu ihr herum und wich damit gerade noch einem zweiten Tritt aus.

»Bitte, Nayiri, hör auf! Ich bin doch schon wach«, murmelte Rajon verschlafen.

»Statt zu betteln, solltest du lieber aufstehen. Deine Wache beginnt bald und du hast nichts Besseres zu tun, als zu schlafen?« Die Kriegerin warf ihm einen abfälligen Blick zu und wandte sich dann ab.

»Vielleicht solltest du das ab und an auch mal probieren, statt unentwegt auf die Steinwüste zu starren«, erwiderte Niti, der neben Rajon auf einer schmalen Matratze lag.

Nayiri verharrte in der Bewegung, bevor sie sich schnaubend wieder zu den Männern umdrehte. »Deine schlauen Ratschläge kannst du dir sparen, Bogenschütze«, zischte sie zurück. »Ich erwarte euch pünktlich draußen!« Mit diesen Worten verließ sie endgültig das kleine Zelt der Jäger. Sie sog die kühle, trockene Morgenluft ein, die einen Teil ihrer Müdigkeit vertrieb.

Sie mochte Niti nicht, aber er hatte recht. Sie konnte nicht schlafen. Jedenfalls nie lange. Immerzu wurde sie von Bildern gequält. Blut, das aus der klaffenden Wunde sickerte. Der Mann mit dem Messer in der Hand.

Nayiri kniff die Augen zusammen und zog ihren Wasserschlauch hervor. In einer schnellen Bewegung spritzte sie sich einen Schwung der kalten Flüssigkeit ins Gesicht. Der Wind biss in ihre nasse Haut und Nayiri genoss das leichte Zwicken, das die Bilder in ihrem Kopf ablöste. Sie fuhr sich durch die Haare und atmete tief durch. Wann würden die Albträume nur endlich aufhören, sie zu quälen? Doch selbst, wenn die Bilder sie nachts nicht heimsuchten, war ihr Schlaf nur sporadisch vergönnt. Sie fürchtete, jeden Moment von ihrem Feind überrannt zu werden, der irgendwo da draußen lauerte. Es ließ ihr einfach keine Ruhe. Nicht nach dem, was damals passiert war.

Einen Moment lang verharrte sie vor dem prasselnden Feuer zwischen den Unterkünften, bevor sie ihren Mantel überzog und auf den Aussichtsposten zusteuerte. Kleine, in den Fels gehauene Stufen und ein geflochtenes Seil ermöglichten ihr einen raschen Aufstieg auf den freistehenden Felsen mit der eigens gebauten Plattform. Erste Sonnenstrahlen zogen gerade über die schier unendliche Weite der vor ihr liegenden Steinwüste. Es war ein trostloser und lebensfeindlicher Ort, aber dennoch hausten irgendwo dort draußen die Yorakasi. Aufständische. Lästerer. Abschaum. Weniger wert als der Dreck unter ihren Stiefeln.

Auf der Plattform angekommen, wandte sich die Nachtwächterin zu ihr um.

»Guten Morgen, Nayiri.«

»Guten Morgen, Raniko. Gibt es irgendwas zu berichten?«

»Nichts. Die Nacht war ruhig«, erklärte sie, während der Wind ihre Haare tanzen ließ. Das anbrechende Tageslicht warf einen sanften Schein auf das Gesicht der Frau. Für einen Augenaufschlag war dieses Bild, der bis an die Zähne bewaffneten Kriegerin alles, was Nayiri wahrnahm. Dann wandte sie verlegen den Blick ab.

»Sehr schön, dann kannst du dich ausruhen gehen. Wir sehen uns später.«

»Das werde ich. Bis dann.« Raniko neigte leicht den Kopf und kletterte behände vom Ausguck. Währenddessen ließ Nayiri den Blick über die erwachende Natur gleiten. Vor ihr erstreckte sich die Steinwüste bis an den Horizont. Ein Stück weiter im Osten lag die Küste zur Schildkrötenbucht und hinter ihrem Rücken erstreckten sich die schroffen Felsen des Kasskumgebirges. Viel gab es hier nicht zu bewundern, denn die Vegetation war spärlich und zumeist mit spitzen Dornen übersät. Dennoch war dieser Grenzposten ihr liebster Ort. Hier fühlte sie sich nützlich und gebraucht.

Seit nunmehr drei Sommern führte sie diesen kleinen Posten mit knapp zwanzig Magierinnen und Kriegern an. Sie war mit ihren einundzwanzig Sommern weiterhin die jüngste Kommandantin der Wacht seit ihrem Bestehen und das erfüllte Nayiri mit unbändigem Stolz.

Stimmen im Lager rissen sie aus ihren Gedanken. Sie spähte über den Rand des Felsens hinweg und erkannte Niti, Rajon und Likan am Feuer stehen und sich die Hände wärmen. Zähneknirschend widerstand sie dem Drang, zu ihnen hinunterzuschreien. Stattdessen gab sie einer anderen Kriegerin ein Zeichen sie abzulösen, und kletterte dann vom Aussichtsposten. Geräuschlos baute Nayiri sich hinter den dreien auf.

»Statt hier wie die Karnickel am Feuer zu hocken, solltet ihr euch lieber nützlich machen.« Die drei fuhren erschrocken herum. »Rajon, hol Wasser! Dann kannst du Salma helfen, Essen zu machen. Likan, prüf die Pfeile an den Vorposten! Niti schnür deine Weste richtig, du siehst wie ein Trottel aus!«

Murrend begaben sich die Männer an die Arbeit und Nayiri drehte eine Runde durchs Lager, wie sie es häufig am Morgen tat. Sie entdeckte Tama, die gerade ein Loch in der Mauer reparierte und dafür einen Steinblock in Form brachte. Weiter drüben stand Palita auf einem kleineren Felsen und überwachte den einsehbaren Abschnitt der Wüste.

»Siehst du etwas?« Nayiri sah kurz zu ihr hoch und ließ dann den Blick über die Ebene schweifen.

»Dort hinten ist eine kleine Staubwolke zu sehen.« Dabei deutete Palita nach links, aber trotz aller Bemühungen, konnte Nayiri nichts am Horizont erkennen.

»Die Sonne glitzert gelegentlich darin«, ergänzte die Wächterin. »Dort muss also etwas oder jemand unterwegs sein. Abgesehen davon, habe ich bisher nur einen Falken und eine Familie Sandhasen gesehen.«

Nayiri nickte beeindruckt. Palita war mit einem besonders scharfen Auge von der Muttergöttin gesegnet worden. Ihr entging nur sehr wenig und sie war überaus froh, die Kriegerin in ihrer Truppe zu haben.

»Ich gebe dir Bescheid, sollte sich die kleine Staubwolke in unsere Richtung bewegen«, ergänzte Palita und wandte sich ihr zu. »Nayiri, du solltest mal beim Brunnen vorbeischauen. Anih hat etwas von einem Loch gefaselt.«

Sofort wandte sich Nayiri dem kleinen Bau zu.

»Danke für den Hinweis«, murmelte sie und lief los. Ein Problem bei der Wasserversorgung war hier draußen eine ernsthafte Sache. Denn wenn es eines gab, dass es hier nur in begrenzten Mengen zur Verfügung stand, dann war es Wasser.

Sie bog gerade um die Ecke, als Niti fast in sie hineinlief.

»Verzeihung«, nuschelte er.

»Schon gut.« Sie musterte den Mann kurz. »Such dir eine Begleitung und geht jagen. Palita hat vorhin eine Gruppe Sandhasen gesehen. Unsere Vorräte könnten eine kleine Aufstockung vertragen.«

»Wird gemacht, Nayiri.« Der Soldat hastete davon.

Sie sah ihm nach, dann wandte sie sich dem Brunnenhaus zu. Im Inneren befand sich ein aus Stein gehauenes Becken, das durch einen langen Zufluss mit einer Quelle weiter nördlich im Gebirge verbunden war. Die mehrere Meilen lange Wasserleitung bedurfte regelmäßiger Wartung, denn von ihr hing das Überleben der Grenzsoldaten zu einem großen Teil ab.

Ein Blick in das Becken bestätigte ihre Befürchtungen. Es war nur halbvoll.

»Anih?«, rief sie und sah sich suchend um. »Bist du hier?«

»Ich bin hier draußen!«, erklang die gedämpfte Antwort.

Nayiri verließ das kleine Haus wieder und sah sich um. Es dauerte einen Moment, dann fand sie die Steinmetzin in schwindelerregender Höhe in der Felswand hängen. Kurzerhand kletterte Nayiri mit Hilfe des Halteseils ebenfalls nach oben.

»Was ist los? Das Becken unten ist nur halbvoll.«

»Deswegen hänge ich hier herum. Sieh dir das an! Jemand hat ein Loch in die Leitung geschlagen und wenn du mich fragst, ist es nicht das einzige. Aber um die ganze Strecke zu untersuchen, brauche ich eine Weile.

»Du sagst das, als ob es Sabotage gewesen wäre.«

»Ich kenne die Arten von Löchern, die durch Witterung oder die Zeit entstehen und solche, die jemand von Hand hineinschlägt.«

Nachdenklich ließ Nayiris ihren über Blick den Grenzposten unter ihren Füßen schweifen. »Könnte es jemand von außerhalb gewesen sein?«

»Schwer zu sagen, aber falls es ein Yorakasi gewesen wäre, hätte er sich erst mal an uns vorbeitrauen müssen und das halte ich für nicht sehr wahrscheinlich.«

»Unmöglich ist es aber auch nicht«, flüsterte Nayiri mehr zu sich selbst und betrachtete den Schaden in der Leitung.

Der Gedanke, einer der Nomaden habe sich an ihr vorbeigeschlichen, beunruhigte Nayiri. Entweder das oder es gab einen Saboteur in ihrem Lager. Doch egal welche von beiden Varianten der Wahrheit entsprach, was bezweckte er oder sie damit? Am Grenzposten gab es mehr als genug Magierinnen und auch wenn es sehr kräftezehrend war, konnten sie mit Magie die Wasservorräte auffüllen. Eine dauerhafte Lösung stellte das allerdings nicht dar.

»Sieh nach, ob du noch weitere Lecks in der näheren Umgebung findest. Ich werde Wachen aufstellen lassen. Vielleicht finden wir den Saboteur.«

»Werde ich machen. Aber bis das geklärt ist, sollten wir sparsam mit den Vorräten sein.« Die beiden Frauen tauschten einen letzten Blick aus und Nayiri kletterte vorsichtig hinunter.

Sie setzte gerade ihre Füße wieder auf die Erde, als sie ein leises Zischen vernahm. Unwillkürlich wich sie zwei Schritte zurück und musterte den Steinhaufen vor sich. Das Zischen ertönte erneut. Mit einem leichten Schaudern drehte Nayiri auf der Stelle und lief zur vorderen Mauer zurück.

»Tama?«

Die Steinmetzin setzte gerade den fertigen Stein in die Mauer ein und sah dann zu ihr.

»Ja!«

»Hilf Anih, die Wasserleitung auf Löcher zu prüfen«, flüsterte Nayiri, als sie nahe genug war.

»Na klar. Ich hol meine Sachen. Was ist denn los?«

»Das wird Anih dir erklären.« Sie klopfte ihrer Freundin auf die Schulter. »Vorsicht! Neben dem Brunnenhaus habe ich eine Sandschlange gehört«, fügte sie noch hinzu und setzte dann ihre Runde fort. Dabei hielt sie die Augen offen und musterte jeden Krieger, ob er nicht ein wenig zu lange auf die Reparaturarbeiten schielte oder die beiden Frauen gar betont beiläufig beobachtete.

Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als sie mit dem Zustand im Lager so weit zufrieden war. Doch nun sah sie statt kleinerer Probleme, überall potenzielle Saboteure. Jede falsche Regung oder jeder schiefe Blick weckten ihr Misstrauen. Mittlerweile hatte Nayiri schreckliche Kopfschmerzen von den vielen Beobachtungen und zog sich in ihr kleines Zelt zurück. Der Wind hatte seit dem Mittag aufgefrischt und rüttelte an der Plane. Erschöpft sank sie auf das Lager und schloss nur für einen Moment die Augen.

Plötzlich schreckte sie hoch. Es war fast dunkel im Zelt. Stöhnend rieb sie sich übers Gesicht und schwang die Beine aus dem Bett. Wann hatte sie zuletzt so lange am Stück geschlafen? Sie konnte sich nicht erinnern, aber auch jetzt fühlte sie sich nicht erholt.

Nayiri streckte sich und trat dann aus dem Zelt.

»Wir haben ein Problem.« Die plötzliche Ansprache ließ sie herumfahren. Palita stand nicht weit entfernt und sah über die finstere Ebene.

»Was ist los?«

»Du hast doch heute Morgen Niti und Rajon zum Jagen geschickt, oder?«

»Ja, das habe ich. Was ist mit ihnen? Sind sie mit leeren Händen zurückgekehrt?«

»Nein. Bisher sind sie überhaupt noch nicht zurückgekommen«, erklärte Palita.

Nayiri verdrehte die Augen. »Verdammte Tölpel!«

Kapitel 3

 

Eldur – Verpflichtungen

 

 

»Feuermagie kann viele Formen annehmen«, erklärte Eldur und lief an der Reihe Rekruten entlang. »Wir können normales Feuer erzeugen und beeinflussen. Doch viel interessanter ist es, nur einen Teil des Feuers zu nutzen.« Langsam ging er zu der Steinsäule herüber, auf der in Hüfthöhe ein metallener Trinkbecher stand. Er positionierte seine Hände zu beiden Seiten des Gefäßes. »Feuer besteht aus Hitze und Licht.« Eldur fokussierte das Ziel und rief seine Macht. Ein vertrautes Kribbeln floss durch seine Arme hinab in die Fingerspitzen und strömte als Hitze aus seinen Händen. Nur wenige Herzschläge später glühte der Becher rot wie die untergehende Sonne.

»Es ist möglich«, erklärte er weiter, »nur einen Teil des Feuers zu nutzen. So wie hier. Reine Hitze.« Die Luft um das Gefäß herum flirrte.

»Konzentriert euch nur auf die Hitze des Feuers und drängt das Licht zurück.« Eldur sah die Rekruten an. »Jeder hat ein Objekt bekommen, das ich zum Ende dieser Einheit rot glühen sehen will.«

»Verstanden«, murmelten die Rekruten.

Eldur seufzte leise, an der Antwort auf Befehle musste diese Truppe definitiv noch feilen.

Schon bald hallte nur noch angestrengtes Keuchen über den Platz. Dabei schritt er langsam die Reihe ab und sah jedem eindringlich über die Schulter. »Konzentriere dich, Jos, so wird das nichts«, flüsterte er dem Burschen vor sich zu.

»Ja, Magist Eldur.«

Er ging weiter.

»Halte die Arme etwas tiefer.« Er korrigierte die Haltung des Rekruten und trat dann hinter den Nächsten. Die junge Frau war den Tränen nahe. Ihre Arme zitterten und die Blechtasse vor ihr sah unberührt aus. Eldur blieb stehen. Kaum bemerkte sie seine Anwesenheit, flackerten Flammen aus ihren Fingern.

»Bitte kein normales Feuer. Wir wollen nur die Hitze«, wiederholte er die Aufgabe.

Beschämt, fast ängstlich, senkte sie den Kopf und ließ die Arme sinken.

»Was ist los, Pina?« Er legte ihr die Hand auf die Schulter und sie zuckte kaum merklich zurück.

»Es tut mir leid, Magist Eldur.« Ihre Stimme überschlug sich beinahe.

»Es gibt nichts, das dir leidtun muss, Pina. Versuch es einfach noch einmal.« Nachdenklich betrachtete er das Mädchen. Hatte er es vielleicht in den letzten Tagen etwas zu sehr übertrieben mit der strengen Hand, die Lord Birkon ihm fortlaufend predigte, oder war die Ursache für ihre Angst eine andere? Die Rekruten waren den rauen Ton der Ausbilder gewohnt. Immerhin bildete man hier nicht einfach nur Magier aus, sondern jene, die später in den Regimentern des Königs Dienst leisten würden. Er selbst hatte bereits kurz nach seiner Volljährigkeit zwei Sommer lang gedient und war dann an die Akademie zurückgekehrt, um die Ausbildung der Neuen zu unterstützen.

Eldur atmete tief durch und schob die Zweifel beiseite.

»Heb deine Arme«, forderte er sie auf, »und fühle, wie die Magie durch deinen Körper pulsiert. Sie ist da. Sie gehört dir und sie wartet nur darauf, dass du ihr etwas befiehlst. Also befehle der Magie und bitte sie nicht.«

Pina hielt ihre Hände vor sich und Eldur konnte sehen, wie sich ihre Finger vor Anstrengung verkrampften. Nichts geschah.

»Da ist zu viel Anspannung in dir. Magie zu wirken, erfordert Konzentration, nicht Spannung.«

»Ich versuche es doch«, stammelte sie, »aber es funktioniert nicht.« Unsicher hob sie abermals ihre bebenden Hände.

Eldur unterdrückte ein Seufzen. »Schließ die Augen, das hilft.«

Sie tat es, doch das Zittern verschwand nicht.

Plötzlich nahm Eldur aus dem Augenwinkel eine schnelle Bewegung wahr. Alarmiert wirbelte er herum, als auch schon ein Schmerzensschrei über den Platz hallte. An Jos Ärmel loderte eine Flamme auf. Sofort beschwor Eldur mit einer raschen Geste seine Wassermagie. Die Welle ergoss sich mit einem Klatschen über den Jungen.

Schnellen Schrittes eilte Eldur zu dem schluchzenden Rekruten. Sein Ärmel wies einige Brandlöcher auf und die Haut darunter war stark gerötet.

»Was ist passiert?«

»Ich weiß nicht. Ich habe nur geübt und plötzlich traf mich etwas am Arm. Gleich darauf fing der Ärmel Feuer«, erklärte Jos außer Atem.

Misstrauisch sah Eldur sich um. Er betrachtete die Schale, die Jos zum Üben erhalten hatte, und einen unförmigen, noch glühenden Klumpen, der direkt daneben lag. Mit zusammengepressten Lippen blickte er die Rekruten an. Alle hatten ihre Übungen eingestellt und beobachteten teils furchtsam, was passierte.

»Ragin!«, brüllte Eldur ungehalten. Das Grinsen, das der junge Rekrut zu verstecken versuchte, war Antwort genug, um den Schuldigen ausfindig zu machen.

Der Bursche schlurfte heran.

Eldur verschränkte die Arme vor der Brust.

»Wo ist dein Übungsobjekt?«, fragte er, bemüht um einen ruhigen Ton.

»Ähhh ...«

»Hast du es absichtlich auf Jos geschossen, nachdem dir der Hitzezauber gelungen ist?«

»Also ... ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht«, murmelte der Knabe und wich seinem Blick aus.

Die gespielte Unschuld des Burschen ließ Eldur schnaufen. Ein solches Verhalten konnte er nicht dulden. Erst recht nicht direkt vor seiner Nase.

»Du hast vor drei Tagen schon einmal versucht, Jos zu schaden.« Eldur straffte die Schultern. »Was immer zwischen euch steht, ihr werdet mit diesem kindischen Benehmen sofort aufhören«, mahnte er beide gleichermaßen. »Rekrut Ragin, du wirst deinen Kameraden jetzt in den Alchemieturm bringen und für seine Verletzungen sorgen. Anschließend wirst du den Raum für die Elementprüfung putzen, bis ich mich im Fußboden spiegeln kann.«

Das Grinsen in Ragins Gesicht starb langsam, doch Eldur war noch nicht fertig.

»Sollte mir noch einmal etwas Derartiges zu Ohren kommen, dann wirst du dir wünschen, nur die Latrinen putzen zu müssen. Verstanden?«

Ragin senkte den Blick, murmelte dann aber ein undeutliches »Ja, Magist Eldur.«

Mit einer Handbewegung entließ er die beiden und sah ihnen kopfschüttelnd nach, während die anderen die Übung fortsetzten. Eldur ahnte, worin der Zwist der Jungen lag, doch egal, ob er damit richtiglag oder nicht, war Ragins Verhalten unangemessen. Hier in Midlinn stand es jedem frei zu lieben, wen man wollte, also waren Anfeindungen dahingehend nicht tolerabel.

Erst als die Sonne schon tief über dem Magistenquartier stand, beendete Eldur die Übung.

Selbst Pina hatte es schließlich geschafft, den Hitzezauber zu wirken, und alle marschierten stolz zum Essen davon.

»Womit hast du die Armen heute gequält?«, rief jemand hinter ihm.

Die Stimme seiner Frau zauberte ein Lächeln auf Eldurs Gesicht.

»Nur mit meiner unsäglich schlechten Laune und etwas Magie«, gab er scherzhaft zurück.

»Na, das erklärt einiges«, antwortete Juna mit einem Zwinkern. »Mach dir keine Sorgen, ich habe Jos gut versorgt.«

»Ich danke dir. Dennoch bin ich enttäuscht von Ragin.«

»Das verstehe ich. Aber Roald hat ihm die ganze Zeit über einen Vortrag zum Thema Kameradschaft und Glauben gehalten, den Ragin niederschreiben soll, sobald er mit deiner Aufgabe fertig ist.«

»Vielleicht prägt es sich dann endlich ein.« Eldur verzog missmutig den Mund. »Ich werde allerdings auch noch einen Bericht dazu an Lord Birkon abgeben müssen.«

Juna gab ihm einen Kuss auf die Wange.

»Das solltest du, aber eigentlich bin ich gekommen, um dir dies hier zu geben. Birkon möchte, dass du ihn dort vertrittst.« Sie wedelte mit einem gefalteten Stück Pergament.

Eldur erkannte das Siegel des Königs auf dem Schreiben. Juna streckte es ihm entgegen und als er danach greifen wollte, zog sie es ruckartig zurück. Ihr Kichern sandte eine wohlige Wärme durch seinen Leib.

Statt erneut nach der Botschaft zu angeln, griff er Junas Taille und zog seine Frau zu sich heran. Der Duft von Kamille und Rauch stieg ihm in die Nase und wurde noch stärker, als er sein Gesicht in ihren roten Haaren vergrub. Vorsichtig knabberte er an ihrem Ohrläppchen und fühlte das leichte Kitzeln ihres Atems auf seiner Haut.

»Lass das.« Sie kicherte verlegen.

Seine Hände glitten über ihren Rücken nach unten. Junas Körper schmiegte sich an den seinen und Eldurs Lippen tasteten sich über den Hals bis zu ihrem weichen Mund.

»Mama! Papa!« Das Trappeln kleiner Füße unterbrach die Zweisamkeit. Er löste sich von Juna und ging in die Hocke, um den stürmischen Überfall seines Sohnes abzufangen. Der Junge fiel ihm um den Hals und plauderte ohne Luft zu holen los.

»Langsam, Karon, ich kann dir kaum folgen«, beschwichtigte Eldur den schwarzhaarigen Knaben.

Mit großem Abstand erreichte nun auch ihre Tochter das Paar. Sie war noch ein wenig wackelig auf den kleinen Beinchen, doch das Strahlen in ihrem Gesicht war unbezahlbar. Endlich hielt Karon inne und holte tief Luft, nur um dann noch schneller weiterzureden.

Der Junge erstaunte ihn immer wieder. Er sog alles um sich herum auf, wie ein Saatkorn das Regenwasser und streckte seine filigranen Wurzeln in das Erdreich.

Eldur hörte seinen Ausführungen aufmerksam zu und versuchte aus den übersprudelnden Ideen, Erfahrungen und Gedanken des Kindes, schlau zu werden. Schließlich kam der Junge zum Ende und sah ihn strahlend an.

»Das hört sich ganz wunderbar an. Vielleicht möchtest du mir nach dem Abendessen noch etwas von deinem Ausflug erzählen. Aber jetzt sollten wir uns sputen, sonst essen Livana und deine Mutter uns alles weg.« Karons Augen weiteten sich und sein Mund blieb einen Moment lang offenstehen.

Die beiden Damen waren bereits Richtung Speisesaal verschwunden. Sofort rannte Karon hinterher, während Eldur sich erhob und dem Jungen nachsah. Es steckte viel Potenzial in ihm, doch manchmal fürchtete er sich vor dem Moment, wenn der Junge begreifen würde, dass er nicht sein leiblicher Vater war. Das Kind war das Resultat einer Vergewaltigung, die Juna über sich ergehen lassen musste, als Fescol, der grausamste aller ehemaligen Schattenmagier, sie entführt und versklavt hatte. Eldur liebte den Jungen und hoffte, dieser Umstand würde ausreichen, um so wenig wie möglich von Fescols Wesen in Karon zu wecken.

Mühsam schüttelte er die finsteren Gedanken ab und betrat den Speisesaal. Die meisten Rekruten waren bereits wieder verschwunden und so gehörte der Saal, wie so häufig, ihnen allein. Juna saß mit Livana an ihrem üblichen Tisch und half ihr beim Löffeln der Suppe.

»Na, schmeckt es?«

»Lecker«, quietschte sie vergnügt und kleckerte freudestrahlend quer über den Tisch. Ohne auf den genervten Blick von Juna zu achten, griff er den Brief des Königs, der auf der Bank lag, und las ihn. Lord Mans, der Lordkanzler, bat um die Anwesenheit von Birkon zum diesjährigen Lebensfest in Punheim. Außerdem sollten noch einige Angelegenheiten bezüglich der Akademie besprochen werden. Seufzend legte er das Schreiben zurück.

»Hast du es auch gelesen?«, fragte er an Juna gewandt und ließ sich auf seinen Platz sinken.

»Habe ich. Wann wirst du aufbrechen?«, antwortete sie, ohne ihn anzusehen.

»Das Lebensfest findet zum nächsten Vollmond statt, also werde ich wohl in zwei Tagen losmüssen.« Sein nachdenklicher Blick schweifte über die beiden essenden Kinder. »Warum kommt ihr nicht einfach mit? Ein Ausflug würde den beiden sicherlich gefallen.«

»Wohin fahren wir, Papa?« Karon sah ihn erwartungsvoll an.

»Nach Punheim. Den König besuchen. Würde dir das gefallen?«

»Kann ich dann auf dem Pferd reiten?«

»Nein, wir werden eine Kutsche nehmen.«

»Aber ich will reiten«, protestierte der Junge mit hängenden Mundwinkeln.

»Auch«, brabbelte Livana von der anderen Tischseite herüber.

»Ihr könnt die Pferde füttern, wenn ihr wollt«, schlug Eldur vor und grinste.

Damit schienen beide für den Moment einverstanden.

»Dann hast du also schon entschieden, dass wir alle fahren?« Junas missbilligender Blick entging ihm nicht.

»Ich würde eher sagen, die Kinder haben entschieden. Willst du etwa nicht? Lenya freut sich bestimmt, dich zu sehen. Wie lange ist es her, dass ihr gesprochen habt?«

Ein Anflug von Traurigkeit legte sich auf das Gesicht seiner Frau.

»Du hast recht. Dann lass uns morgen alles vorbereiten.«

Er lächelte ihr zu. »So werden wir es machen.«

 

 

»Wow! Schau mal, Papa« Karons Nase klebte am Fenster der Kutsche, seit der Umriss der Hauptstadt im Dunst aufgetaucht war, und kommentierte alles, was er sah. Eldur folgte seinem Blick. Der Palast und der große Tempel zeichneten sich trotz der Entfernung deutlich ab und sahen nicht nur für Kinderaugen imposant aus.

»Beeindruckend, nicht wahr? Wenn du ganz genau hinsiehst, kannst du die Götterstatuen erkennen.« Schmunzelnd beobachtete er, wie Karon die Augen zusammenkniff.

Sie waren nicht das erste Mal in Punheim, aber an das letzte Mal konnte sich der Junge unmöglich erinnern, dafür war er noch zu jung gewesen. Doch so, wie sich die Dinge in der Akademie zurzeit entwickelten, würde es nun öfter vorkommen, dass er in die Hauptstadt reisen musste. Birkon vertrug die weite Fahrt nicht mehr so gut und überließ es daher immer häufiger Eldur, die Angelegenheiten bei Hofe zu regeln. Doch das war nicht der einzige Grund. Eldur würde als erster Assistent des Lordmagist früher oder später den Titel und die Position vollständig übernehmen. Dann wäre es ohnehin an ihm, die Geschicke der Akademie zu lenken. Die Vertretungen waren also eine gute Übung und Eldur nahm die Herausforderung dankend an.

Kurz darauf passierten sie die südliche Stadtmauer noch rechtzeitig vor Torschluss und fuhren gemächlich die breite Hauptstraße bis zum Palast entlang. Am Fuß der großen Treppe angekommen, half ein Diener ihnen beim Aussteigen und führte die vier durch eine ausladende Tür in Richtung Thronsaal.

»Juna«, rief eine weibliche Stimme, noch bevor sie den Saal überhaupt erreicht hatten.

Eldur drehte sich zu der Dame herum und verbeugte sich. Königin Lenya schwebte in all ihrer Eleganz heran und fiel der nur wenig jüngeren Juna um den Hals. »Wie schön, dich endlich wiederzusehen.« Ihr strahlendes Lächeln schien den von Kerzen beleuchteten Gang zu erhellen. Die Königin beugte sich zu Livana hinab. »Und das ist also deine bezaubernde Tochter?« Sie strich dem Mädchen über die Haare und kniff dann dem kichernden Karon in die Nase. »Sei gegrüßt, Karon.«

»Bist du die Königin?«, fragte er, statt zu antworten und hüpfte fröhlich um die Herrscherin herum.

»Meine Königin.« Eldur lächelte entschuldigend, doch Lenya schien sich nicht an dem Benehmen seines Sohnes zu stören.

»Eldur! Ich werde deine Frau für eine Weile entführen, wenn du nichts dagegen hast.«

»Keineswegs. Aber wollt Ihr nicht auch bei der Ratssitzung dabei sein?« Fragend blickte er sie an.

Lenya winkte ab. »Nein, heute nicht. Kjell hat mir das Wichtigste schon erzählt und euer Fest werdet ihr auch allein besprechen können.« Sie lächelte ihm zu und führte dann Juna und die Kinder davon.

Kaum waren sie verschwunden, trat ein Diener durch die Tür zum Thronsaal und verneigte sich. »Magist Eldur, der König erwartet Euch.« Der Diener hielt ihm die schwere Tür auf und ließ ihn eintreten.

Der polierte Boden glänzte im Schein der Feuerschalen, die eine angenehme Wärme verbreiteten, denn obwohl der Frühling bald beginnen würde, war es ungewöhnlich kühl und nass.

Irritiert sah Eldur sich in dem leeren Thronsaal um, bis er leise Stimmen aus dem hinteren Bereich, der zu einem kleinen Beratungsraum führte, hören konnte. Der Diener war nicht mit ihm eingetreten, also schritt Eldur durch den großen Saal und näherte sich den Stimmen.

»... das alles, was wir wissen? Ein Mann in einem schwarzen Umhang?«, hörte er den Lordkanzler sagen, während Eldur den erleuchteten Raum betrat. Sein Blick wanderte geschwind über die Anwesenden.

»Mein König. Lord Mans. Lady Lya«, begrüßte er die Ratsmitglieder, begleitet von einer Verbeugung.

»Eldur?« König Kjell sah ihn verwundert an. »Ich hatte doch verlangt, dass Birkon kommen soll.«

Lord Mans neigte entschuldigend den Kopf. »Verzeiht, mein König. Ich habe wohl vergessen, Euch zu informieren, dass Birkon unpässlich ist und Eldur ihn vertreten wird.«

Kjell schnaubte und wandte sich wieder einem Schriftstück zu, das auf dem Tisch vor ihm ruhte.

»Also! Was haben diese Zeugen sonst noch zu berichten?«, fuhr der König fort.

»In Schwarzbach wurde angeblich ein Schattenmagier gesehen«, flüsterte Lya auf Eldurs fragenden Blick hin.

»Wie sicher ist man sich, dass es tatsächlich einer war?«, fragte Eldur und trat näher an den Tisch heran. »Er wird es ja wohl kaum durch die Gegend geschrien haben, oder?«

»Mehrere Menschen behaupten, einen Mann in einer schwarzen Kutte gesehen zu haben, der auf dem Weg nach Jafsvik ein Schiff bestiegen hat«, erläuterte Mans und fuhr sich mit der Hand über seinen Spitzbart.

»Ein Mann in Schwarz macht noch keinen Schattenmagier«, erklang eine Stimme aus dem Türrahmen. Eldur drehte sich zu dem Neuankömmling um.

»Lord Morten«, grüßte er ihn. »Da stimme ich Euch zu. Theoretisch könnte jeder schwarz tragen, aber kaum einer tut es.«

»Mag sein«, warf Lya ein und deutete auf das Schriftstück, »aber es war ein Magier. Eine Zeugin sagt, er hätte einen Feuerzauber gewirkt.«

»Großartig!« Kjell richtete sich zähneknirschend auf und ging langsam bis zum Fenster. »Es gibt also einen in schwarz gekleideten Magier, der sich auf dem Weg zur Schlangenkopfbucht befindet und vermutlich kein midlinnscher Magier ist.«

»Befand, mein König«, korrigierte Lord Mans ihn und tippte mit dem Finger auf das Pergament. »Diese Aussagen haben leider einige Zeit gebraucht, bis sie uns erreicht haben.«

Mit einem säuerlichen Ausdruck drehte der König sich wieder den anderen zu. »Eldur, gab es in letzter Zeit irgendein Gesuch eines Magiers in mein Land einreisen zu dürfen?«

»Nein, mein König, es gab keines.« Ein ungutes Gefühl beschlich Eldur. Er sah, wie Kjells Arme zu zittern anfingen und ein verkrampfter Ausdruck in sein Gesicht trat.

»Wo steckt Hedda?«, zischte er.

Ein Diener löste sich aus einer Ecke, den unausgesprochenen Befehl seines Herrn befolgend, und begab sich auf die Suche nach der Anführerin der Bärengarde.

 

Kapitel 4

 

Rahkim – Eine Wendung

 

 

s war später Nachmittag, als die Windjungfer in Grauhavn anlegte. Kaum waren sie nah genug am Kai, sprangen Rahkim und zwei weitere Matrosen von Bord und zogen die Leinen straff.

Das nasse Tau scheuerte an seinen Händen, war aber kaum mehr als ein Kitzeln. Nachdenklich sah er auf seine mit Schwielen übersäten Handflächen. War seit seiner Flucht wirklich schon so viel Zeit vergangen, dass sein Körper bereits die Spuren der Arbeit trug?

Nun, da er von dem Bärtigen an seine eigentliche Aufgabe erinnert worden war, sah er die Tätigkeit in einem neuen, unwirklichen Licht. Er hatte viele Monde hier verbracht. Ein Leben geführt, das nicht seines und doch zu einem Teil davon geworden war.

Sein Entschluss stand allerdings fest: Es war Zeit, Abschied von der Mannschaft zu nehmen.

In den nächsten Tagen wollte er in Weißhavn Informationen einholen und dann entscheiden, wie es weitergehen würde.

Als das Schiff endlich entladen war, stand der Mond bereits hoch über der Bucht und spendete fahles Licht. Rahkim wischte sich den Schweiß von der Stirn und trat an die Schiffsführerin heran, die gerade einem Händler seine Waren übergab.

»Kapitänin Dana!«, sprach er sie an, als der Mann sich entfernt hatte.

Die muskulöse Frau mit den kurzen braunen Haaren sah ihn wie immer leicht skeptisch an.

»Bitte um Erlaubnis auf Landgang bis zum nächsten Auslaufen.«

»Erteilt! Aber bilde dir nicht ein, dass du deinen ganzen Lohn bekommst, wenn du zu spät auftauchst. In sechs Tagen legen wir wieder ab.«

»Ich werde da sein.« Wenn es sich nicht anders ergibt, fügte er im Stillen hinzu. »Vielen Dank.«

Eilig holte er seine Tasche und verließ das Schiff. Rahkim lief zu der kleinen Taverne hinüber, die er regelmäßig besuchte, wenn er hier war. Aber es verlangte ihm nicht nach einer Nacht an Land oder einem kühlen Getränk, zumal er das bittere Ale nicht ausstehen konnte. Viel mehr erhoffte er sich, einen der Schiffsführer zu erwischen, die am nächsten Morgen nach Weißhavn segeln würden. Suchend blickte er sich in der Wirtschaft um und sprach mit zwei Männern. Offenbar waren die Geister mit ihm, denn er fand tatsächlich den Kapitän einer der kleineren Segler, die nach Weißhavn unterwegs waren.

Nachdem er sich mit dem Kapitän verständigt hatte, huschte er an Deck der Barke und suchte sich eine windgeschützte Ecke. Rahkim döste vor sich hin, bis die Sonne über der Ostseite der Mondbucht aufging.

 

»Aufwachen!« Die dunkle Stimme des Seemanns und die Stiefelspitze zwischen seinen Rippen holte Rahkim aus seinem unsteten Schlaf. »Mach dich nützlich, sonst fliegst du von Bord.«

»Schon dabei, Kapitän.« Sofort sprang er auf und half beim Ablegen. Die Mannschaft hatte alle Hände voll zu tun und Rahkim schätzte, dass wenigstens drei taugliche Helfer mehr nötig wären, um die Barke sicher zu steuern. Kein Wunder, dass der Kapitän ihn sofort mitnehmen wollte.

»Leinen los und dann rann an die Ruder!«

Rahkim erstarrte in der Bewegung. Ruder?

»Kapitän?«

»Was ist?«, brüllte dieser vom Heck aus. »Schnapp dir einen Riemen und leg dich ins Zeug!«

Ungläubig starrte er auf das eingerollte Segel über sich. Jemand hieb ihm ein Ruder gegen die Brust. Rahkim taumelte zurück, tauchte dann unter dem Schaft hindurch und eilte zum Kapitän hinüber.

»Ich bitte Euch, Kapitän, lasst das Segel setzen«, beschwor er den Mann mit Nachdruck.

»Warum sollte ich? Es weht kein Lüftchen. Jetzt scher dich an deinen Platz!«, blaffte dieser zurück.

»Lasst die Segel setzen und ich werde uns schneller nach Weißhavn bringen, als Ihr Euch wünschen könntet.« Bei diesen Worten hob er langsam die Hand und ließ eine kleine Feuerkugel darüber erscheinen. Dem Kapitän blieb der Mund offenstehen. Die derbe Erwiderung, zu der er vermutlich gerade ansetzen wollte, blieb ihm im Hals stecken.

»Das ...? Du ...? Also ...«, stotterte er stattdessen.

»Die Segel, Kapitän«, wiederholte Rahkim mit einem Lächeln, das jedoch seine Augen nicht erreichte.

»Was? Ja, die Segel. Setzt die Segel!«

Leicht irritiert erhoben sich die Männer und Frauen von den Bänken und entrollten das zerschlissene Segel.

Leise seufzend drehte sich Rahkim um. So hatte er sich die Überfahrt nicht vorgestellt, aber gegen eine Flaute konnte er nichts machen. Fast nichts.

Er stellte sich mittig am Heck des Schiffs auf und hob die Hände. Mit einem Kribbeln floss die Luftmagie aus seinen Fingern und füllte die Stoffbahnen. Ein leises Raunen ging über Deck, als die Mannschaft begriff, was er tat. Nach wenigen Augenblicken setzte sich die Barke in Bewegung und glitt in gleichmäßiger Geschwindigkeit über die sanften Wellen hinweg.

Das würde eine anstrengende Fahrt werden, dachte Rahkim, doch der seichte Wind, der unterdessen einsetzte, unterstützte seine Magie und bescherte der Barke eine rasche Überfahrt.

Die Sonne hatte ihren höchsten Punkt längst überschritten und senkte sich bereits über den Rand der Steilklippe, als sie endlich in Weißhavn ankamen. Den stechenden Schmerz in seinen Schultern schluckte Rahkim entschlossen herunter und ebenso die Erschöpfung, die sich durch den Gebrauch der Magie allmählich in ihm breit machte.

»Du darfst beim nächsten Mal umsonst mitfahren«, verkündete der Kapitän versöhnlich und schlug ihm gegen die Schulter. Gerade noch konnte Rahkim ein Stöhnen unterdrücken und grinste schief.

»Vielen Dank für das Angebot.« Rahkim rieb seine Arme, die vor Anstrengung zitterten und ging dann von Bord.

 

Er betrat die Promenade der großen Hafenstadt und sah sich um. Die meisten Häuserfronten strahlten in einem gleißenden Weiß und blendeten an einem klaren Tag wie diesem erheblich. Mit zusammengekniffenen Augen lief er am Kai entlang und musterte die Spelunken entlang des Wassers. Eine sah schäbiger aus als die nächste und trotz der Tageszeit schienen sie bereits gut besucht zu sein. Gerade lief er an einem besonders ansehnlichen Exemplar vorbei und rümpfte die Nase. Die Kaschemme stank nach einer Mischung aus Fischgedärmen und schalem Ale. Seufzend ging er weiter.

Am Ende war es in diesem elenden Land überall gleich. Ein hübsches und strahlendes Äußeres täuschte für den ersten Moment über die Verdorbenheit der Bewohner hinweg. In Alsqard, seiner Heimat, wurde Alkohol nur zu bestimmten Anlässen konsumiert und niemals so öffentlich wie hier. Das Verhalten der Menschen kam ihm auch nach den letzten vier Sommern noch immer befremdlich und beschämend gleichermaßen vor.

Das laute Kreischen einer Möwe direkt neben ihm riss ihn aus seinen Gedanken. Er straffte die Schultern und konzentrierte sich. Wo sollte er beginnen? Die Akademie, die auf den Klippen über der Stadt ruhte, wäre ein passender Anfang, doch er konnte schlecht einfach zum Tor marschieren und nach Juna fragen. Es war bereits ein erhebliches Risiko, überhaupt nach Weißhavn zu kommen, doch er musste sich auf den neuesten Stand bringen. Ohne Grund würden Mehsek und Tahkun ihm sicherlich nicht einen so überaus freundlichen Botschafter hinterherschicken. Sie mussten etwas wissen, das ihm entgangen war.

»Kannst du bitte Platz machen?« Die zarte Stimme einer jungen Frau erklang hinter seinem Rücken. Mit einem Lächeln drehte er sich herum und sah sich zwei großen braunen Augen gegenüber, die einen traurigen Ausdruck in sich bargen. Dazu gesellten sich braune Locken, die nur von einem dünnen Band aus der Stirn gehalten wurden. Ein seltsames Gefühl der Vertrautheit überkam ihn mit einem Mal, als er die Frau ansah. Doch Rahkim konnte es an nichts Bestimmten festmachen.

»Bitte entschuldige.« Er neigte leicht den Kopf und bemerkte dabei, dass die Frau zwei übervolle Körbe trug und heftig atmete. »Kann ich dir vielleicht beim Tragen helfen?«, bot er sofort an und griff, ohne ihre Antwort abzuwarten, einen der beiden Körbe. Sichtlich irritiert musterte sie ihn von oben bis unten, rührte sich aber nicht von der Stelle.

»Danke. Das wäre wirklich sehr nett«, murmelte sie schließlich. Ihr fiel eine braune Locke in die Stirn, die sie eilig zurückschob, und drängte sich an Rahkim vorbei. »Hier entlang.«

Im Gehen warf er einen flüchtigen Blick auf den Inhalt seines Korbes, der mit einem Tuch bedeckt war, bevor er ihr folgte. »Sind das Kerzen? Warum benötigst du denn so viele davon?«

»Sind nicht für mich«, antwortete sie schnaufend, »aber, wenn ich nicht bald damit im Tempel ankomme, kann ich vergessen, dass der Priester mich heute Nacht beim Lebensfest helfen lässt.«

»Lebensfest? Ist es schon wieder so weit?« Rahkim hatte in den letzten Sommern viel über die Bräuche der hiesigen Götterverehrung gelernt und wusste, dass in bestimmten Abständen, die sich nach Jahreszeit und Mond richteten, eines der Hochfeste der vier Götter gefeiert wurde. Talas, der Gott der Erde, war also wieder einmal dran.

»Das scheint dir wichtig zu sein«, stellte Rahkim fest, dem die Besorgnis in ihren zarten Gesichtszügen nicht entgangen war. Ihr leichtes Nicken bestätigte seine Vermutung. »Dann habe ich wohl noch einen Grund mehr, dir zu helfen.« Er lächelte ihr erneut zu.

»Was wäre denn der andere?«, fragte sie über ihre Schulter.

Rahkim beschleunigte seinen Schritt, bis er mit ihr auf einer Höhe war.

»Einer jungen Dame wie dir muss ich einfach behilflich sein.«

Mehr als einen äußerst skeptischen Seitenblick bekam er dafür nicht von ihr. Schweigend liefen sie ein Stück entlang der Promenade und bogen dann auf eine breite Straße, welche hinter einer Hausreihe in einen runden Platz überging. Mitten auf diesem stand der vierseitige Tempel der Götter Midlinns. Das Gebäude war nicht besonders hübsch und für eine Stadt dieser Größe, verhältnismäßig klein. Die Säulen, welche das Dach stützten, überragten kaum die umstehenden Wohnhäuser. Trotzdem fühlte Rahkim die merkwürdige Atmosphäre, die von allen diesen Bauten auszugehen schien. Ob die Midlinner dies auch fühlen konnten, oder ob es nur ihm so vorkam, vermochte er nicht zu sagen. Eines wusste er aber genau: Normalerweise machte er einen großen Bogen um die Tempel der Midlinner, denn Rahkim war sich nicht sicher, ob seine Geister ihm einen Ausflug dorthin verzeihen würden. Nun jedenfalls musste er mit diesem Grundsatz brechen, wie es schien.

Schon vom Rand des Platzes aus konnte Rahkim den Mann erkennen, der in einen braunen Mantel gehüllt, auf der obersten Stufe stand und energisch mit einem Burschen diskutierte. Kaum bemerkte der Priester die junge Frau, drehte er sich zu ihnen herum.

»Da bist du ja endlich, Liv!«, blaffte er und bedachte Rahkim mit einem gleichgültigen Blick. »Los, bring die Kerzen endlich in den Vorbereitungsraum. Es gibt noch mehr zu tun, also trödle nicht herum.«

»Ja, Herr«, murmelte sie und schleppte den Korb die Stufen hinauf.

Rahkim folgte ihr. Dabei ließ er den mürrisch dreinschauenden Priester nicht aus den Augen. Was ihn jedoch viel mehr interessierte als den Mann, war das, was dieser eben gesagt hatte. Liv. Woher kannte er nur diesen Namen?

»Lebst du schon lange in Weißhavn?« Seine plötzliche Frage ließ sie innehalten.

»Noch nicht so lange. Ich bin kurz vor dem Krieg hergekommen. Ich stamme eigentlich aus Morward. Warum fragst du?«

»Ich habe nur das Gefühl, wir hätten uns schon mal gesehen.« Er musterte sie erneut eingehend.

Morward? Konnte es wirklich sein?

»Keine Ahnung. Schon möglich.« Liv zuckte mit den Schultern und setzte ihren Weg fort.

»Hast du Familie?«, fragte er, und erneut hielt Liv ruckartig an.

»Du bist verdammt neugierig«, blaffte sie ihn an, wobei sich ihre Augen zu Schlitzen verengten. »Danke, dass du mir geholfen hast, aber ich habe noch zu tun.« Sie schnappte Rahkim den Korb aus den Händen und schleppte diesen samt ihrem eigenen quer durch den Tempel davon. Hinter einer Säule bog sie nach links und verschwand aus seinem Blickfeld.

Für einen Moment sah er Liv mit einem Grinsen hinterher. Dann schweifte sein Blick über die vier gewaltigen Götterstatuen im Tempel. Die Götter der vier Elemente thronten auf ihren Podesten und sahen beinahe bedrohlich auf die wenigen Gläubigen herab.

Drückende Enge erfasste seinen Brustkorb, die ihn fluchtartig die Treppen des Tempels hinabtrieb. Im Stillen dankte er dabei den Geistern, dass sie seinen Weg in die richtige Richtung gelenkt hatten. Denn wenn er sich nicht sehr irrte, war ihm gerade Aidens kleine Schwester in die Arme gelaufen. Ihre braunen Augen erinnerten Rahkim an den aufbrausenden jungen Mann, der in der Schlacht von Firdal gegen die Schattenmagier gefallen war.

Vielleicht wusste Liv etwas über Juna, also würde er auf die nächste Gelegenheit warten, um mit ihr zu sprechen.

 

 

Die ersten Strahlen der Sonne zogen bereits über die Hafenstadt, als Rahkim endlich die kleine Prozession erkennen konnte. Er sah den Priester, der mit seinen Gehilfen gerade aus dem oberen Teil der Stadt zurück zum Tempel zog. Die eigentliche Zeremonie war bereits vorbei und nun würden die Menschen den Tag feiern.

Musik dröhnte durch die Gassen und an jeder Ecke wurde getanzt, gelacht und getrunken. Rahkim drängte sich zwischen den vielen Menschen hindurch und schlug eine Route parallel zur Prozession ein, bis er Liv unter den Tempeldienern erblickte.

Nachdem er begriffen hatte, wer sie war, konnte er sich wage an das magere kleine Mädchen erinnern, die ihm auf dem Schiff von Kapitänin Dana zum ersten Mal begegnet war. Ihre gemeinsame Flucht aus Gravik war recht spektakulär gewesen und an einige Dinge erinnerte er sich auch heute noch lebhaft. Anders sah es da bei den beiden Schwestern von Aiden aus. Er hatte ihnen damals kaum Beachtung geschenkt, doch das würde er heute Morgen wiedergutmachen.

Je weiter die Gruppe um den Priester in die untere Stadt eintauchte, desto schwerer wurde ihr Vorankommen. Schließlich ging nichts mehr und die Formation löste sich zunehmend in den Menschenmassen auf. Rahkim hatte Mühe, Liv nicht aus den Augen zu verlieren. Doch offenbar war sie kein Freund von Menschenansammlungen und wählte zügig eine schmale Gasse, in der nur wenige unterwegs waren.

Rahkim bog direkt hinter ihr in den engen Durchlass ein.

Blitzschnell griff er nach ihrem Unterarm. Bevor sie auch nur schreien konnte, schob er sie in einen offenstehenden Eingang und presste ihr die Hand auf den Mund. Sein freier Arm und Körper drängten die junge Frau gegen die Wand. Erschrocken sog sie die Luft ein. Ihre Augen waren vor Angst geweitet.

Rahkim brachte sein Gesicht sehr nahe an das ihre und lächelte. Liv wehrte sich nach Kräften und trat ihm immer wieder gegen das Schienbein. Aber er ließ sich nicht beirren. Die harte Arbeit auf der Windjungfer hatte ihn deutlich stärker werden lassen und er hielt sie mühelos fest. Der feine Geruch von feuchter Erde hing in ihrem Umhang und breitete sich mit jedem Zappeln weiter aus.

»Guten Morgen, Liv«, flüsterte er.

In ihren Augen glitzerten Tränen. Ihr Herz pochte so schnell in ihrer Brust, dass Rahkim es durch die Kleider hindurch fühlen konnte. Langsam nahm er den Druck seiner Hand auf ihrem Mund ein wenig zurück, doch die andere fixierte die Tempeldienerin erbarmungslos.

»Leider hatten wir gestern keine Gelegenheit, uns ausführlich zu unterhalten«, wisperte er. »Das würde ich nun gern nachholen, wenn du erlaubst.«

»Was willst du?«, winselte sie zwischen seinen Fingern hindurch. »Bitte tue mir nichts.«

»Das habe ich auch nicht vor, Liv. Ich möchte nur ein paar Dinge wissen.«

Ihre Hand schnellte plötzlich nach vorn, doch Rahkim fing diese gerade noch ab. Eine winzige Klinge blitzte im Sonnenlicht auf.

Amüsiert sah er sie an und sammelte ein wenig Feuermagie in seiner Hand, welche ihre hielt. Rasch breitete sich die Hitze über seine Handfläche aus. Livs Arm zuckte vor Schmerz. Sie wimmerte und Tränen krochen über Rahkims Handrücken, den er nun wieder fest auf ihren Mund presste. Ein Klirren verriet ihm, dass sie das Messer fallen gelassen hatte. Er zog die Magie zurück, hielt ihren zitternden Arm aber weiter fest.

»Es tut mir leid. Ich sagte doch, ich möchte dir nicht wehtun, also zwing mich bitte nicht dazu.«

Schweigen folgte seinen Worten.

»Stehst du noch in Kontakt zu Juna?«

»Nicht regelmäßig«, murmelte sie unter seiner Hand.

»Wie geht es ihrem Kind?«

»Welchem?« Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, als wären sie auf der Flucht vor den geschwungenen Wimpern.

»Was meinst du damit?«, fragte er erstaunt und lockerte den Druck auf ihren Mund.

»Sie hat zwei Kinder«, hauchte Liv. »Es geht ihnen gut, soweit ich weiß.«

»Hat sie eine Tochter?

---ENDE DER LESEPROBE---