Holding The Reins - Paisley Hope - E-Book

Holding The Reins E-Book

Paisley Hope

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Beschreibung

Willkommen auf der Silver Pines Ranch! Genieße die Aussicht auf die idyllische Landschaft – oder doch lieber auf die sexy Cowboys? Der BookTok-Hit endlich auf Deutsch!

CeCe Ashby kehrt nach einer harten Trennung nach Laurel Creek in Kentucky zurück. Auf der Silver Pines Ranch ihrer Familie möchte sie Kraft tanken und sich endlich mal ganz auf sich selbst konzentrieren. Sie wird aber schnell von Nash Carter abgelenkt, dem Ex-Eishockeyspieler, Frauenheld und besten Freund ihrer Brüder. Er packt als »Teilzeit-Cowboy« oft auf der Ranch an, und bei CeCes und seinen Begegnungen knistert es gewaltig! Nur darf das niemand wissen, schon gar nicht die Ashby-Söhne, für die Playboy Nash wie ein Bruder ist und die ihre kleine Schwester stets beschützen wollen …

Spicy Smalltown-Romance trifft auf die Tropes Forbidden Love und Brother's Best Friend!

Die »Silver Pines Ranch«-Reihe:
Band 1: Holding The Reins
Band 2: Training The Heart
Band 3: Riding The High
Alle Bände sind unabhängig voneinander lesbar.

Books that make you – blush.
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Enthaltene Tropes: Cowboy Romance
Spice-Level: 4 von 5

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EPUB
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Seitenzahl: 465

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Buch

CeCe Ashby kehrt nach einer harten Trennung nach Laurel Creek in Kentucky zurück. Auf der Silver Pines Ranch ihrer Familie möchte sie Kraft tanken und sich endlich mal ganz auf sich selbst konzentrieren. Sie wird aber schnell von Nash Carter abgelenkt, dem Ex-Eishockeyspieler, Frauenheld und besten Freund ihrer Brüder. Er packt als »Teilzeit-Cowboy« oft auf der Ranch an, und bei CeCes und seinen Begegnungen knistert es gewaltig! Nur darf das niemand wissen, schon gar nicht die Ashby-Söhne, für die Playboy Nash wie ein Bruder ist und die ihre kleine Schwester stets beschützen wollen …

Autorin

Paisley Hope ist Mutter, Ehefrau und begeisterte Leserin von Liebesromanen – solche verfasst sie als Autorin auch selbst. Sie wuchs in Kanada auf und träumte stets davon, eine Welt zu erschaffen, in die ihre Leser*innen eintauchen können. Das ist ihr mit der »Silver Pines Ranch«-Trilogie gelungen: Die Small-Town-Romance lädt zum Träumen ein, doch bleibt dabei stets knisternd – nicht zuletzt wegen der heißen (Teilzeit-) Cowboys, die einfach zu perfekt sind, um wahr zu sein.

Paisley Hope

Holding The Reins

Roman

Deutsch von Elizabeth Marshall

Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel Holding the Reins bei Century, London.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung des urheberrechtlich geschützten Inhalts dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © Paisley Hope 2024

First published as HOLDINGTHEREINS in 2024 by CENTURY, an imprint of CORNERSTONE. CORNERSTONE is part of the Penguin Random House group of companies.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2025 by blush. Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR.)

Redaktion: Ingola Lammers

Umschlaggestaltung & -motiv: Anke Koopmann, Designomicon nach einer Vorlage von Paisley Hope unter Verwendung von Bildmaterial von shutterstock / PON-PON, Sarath_Civic, Milosz_G

Innengestaltung unter Verwendung der Bilder von: © Adobe Stock (Fuad, BarvArt)

JS · Herstellung: DiMo · SaVo

Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-33169-6V002

www.blanvalet.de

LIEBE*R LESER*IN,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Deshalb findest du am Ende des Buchs auf [siehe auch] eine Triggerwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch.

Paisley Hope und der Blanvalet Verlag

Für all meine Babes, die wissen, dass sie starke und unabhängige Frauen sein können, aber die trotzdem ohne jede Scham wie gute Mädchen auf die Knie gehen, wenn ihr Cowboy es ihnen sagt.

Kapitel 1

CeCe

»Liebes, du hast dein Locken-Dings verloren! Warte!« Erschrocken bleibe ich stehen und schaue auf meinen Koffer, den ich mühsam hinter mir herzerre. Die hintere Tasche ist nicht ganz zu, und Mrs. Danforth – die Großmutter meiner besten Freundin – ruft in ihrem typischen Singsang hinter mir her, als sie durch die Lobby des Autoverleihs stürmt und mit meinem türkisfarbenen Vibrator in der Luft herumfuchtelt.

Mit knallrotem Gesicht renne ich ihr entgegen und fixiere den makellosen Marmorboden, damit ich nicht zu vielen Menschen, die mich seit meiner Kindheit kennen, in die Augen sehen muss.

Ich überlege, unter den großen, weißen Rezeptionstresen zu krabbeln und mich dort zu verstecken, bis sie den Laden um 17 Uhr schließen. Das fehlt mir heute gerade noch – mein Flug hatte Verspätung, und im Flieger habe ich geheult wie ein Baby, weil ich meinen Kindle in meiner Wohnung vergessen habe … ich korrigiere mich: in meiner alten Wohnung. Ich will einfach nur nach Hause, mich in meinen Pyjama schmeißen und auspacken. Aber ich habe das Gefühl, dass daraus nichts wird.

Es mag zwar mein erster Abend zurück sein, allerdings ist es auch Sonntag, also kann ich davon ausgehen, dass Olivia und Ginger mich bezirzen, mit ins Horse and Barrel zu gehen.

Schnell reiße ich ihr den Vibrator aus den faltigen Händen, als sie sich zwinkernd nach vorne beugt und grinst. »Habe ich das nicht geschickt gemacht, Liebes?«

Mir klappt die Kinnlade runter. Verdammt! Sie weiß, was es ist.

»Musst dich nicht schämen, Honey. Ein Mädchen muss tun, was ein Mädchen tun muss«, sagt sie und tätschelt meinen Arm.

Könnte sich bitte jetzt die Erde vor mir auftun? Eine Apokalypse wäre in diesem Moment genau das Richtige.

»D-danke, Granny Dan«, stammle ich, stopfe meine Samstagabendbeschäftigung in den Koffer und versichere mich, dass der verdammte Reißverschluss jetzt ordentlich zu ist.

»Grüß deine Mama, CeCe.« Sie winkt.

Ich fliehe zum Ausgang und hoffe, dass Ginger draußen wartet, um mich das letzte Stück nach Hause zu fahren. Bedauerlicherweise ist sie nicht da, also setze ich mich auf die Bank vor dem Autoverleih. Ich bin ein echter Glückspilz. Kaum fünf Minuten zu Hause, und schon habe ich mich blamiert. Fängt ja gut an. Ich beschließe, mein Schicksal zu akzeptieren, setze die Sonnenbrille auf und bete, dass Granny Dan die Klappe hält.

Es ist ein typischer Tag für Anfang Juli in Laurel Creek, Kentucky. Die Sonne steht noch hoch über Sugarland Mountain in der Ferne, und auf der einzigen Hauptstraße der Stadt tummeln sich die Kauflustigen.

Der Duft der Backwaren von Spicer’s Sweets, unserem ortsansässigen hippen Coffee Shop, steigt mir in die Nase, und ich sehe die einheimischen Kunden mit Tüten von unserer gehobenen Inneneinrichtungs-Boutique, Jennings Mercantile. Es ist alles sehr idyllisch und Anytown, USA eine Stadt wie so viele andere.

Ich atme die frische Bergluft ein und checke mein Handy. Vielleicht hat Ginger mir geschrieben, warum sie spät dran ist – nicht, dass es mich wundert. So ist sie eben.

Ginger Danforth folgt ihrem eigenen Rhythmus. Ich stecke gerade das Handy zurück in meine Tasche, als ich das unverkennbare Signal höre. Ginger ist in der Innenstadt angekommen. Dolly Parton tönt mit voller Lautstärke aus den heruntergekurbelten Fenstern ihres weißen VW Käfer, der in diesem Moment um die Ecke rast. Ich winke sie zu mir an den Straßenrand, und sie fährt beinahe auf die Bordsteinkante. Meine beste Freundin war noch nie für ihre Fahrkünste bekannt.

»Los, rein, hopp«, sagt sie, als sie den Kofferraum öffnet und sich umsieht, als müsse sie sich ducken und abhauen, und zwar schnell.

»Hast du wieder was Illegales gemacht? Cole wird dich nicht ewig vor Ärger bewahren können«, grummle ich. Ich lade meinen Koffer in den Kofferraum und gehe zur Beifahrertüre.

»Umgekehrt, Baby. Wenn Cole mich festnimmt, wäre das der Grund, das Gesetz zu brechen. Dieser Mann dürfte mir jeden Tag der Woche Handschellen anlegen.«

Ich tue so, als würde ich ihr eine klatschen für die anzügliche Bemerkung über meinen Bruder, der zufälligerweise der stellvertretende Sheriff hier ist, und lehne mich lächelnd zu ihr hinüber, um sie fest zu drücken.

»Urgs … und hi.«

Sie grinst mich an und schiebt ihre Sonnenbrille wieder hoch. »Alles klar, schnall dich an, Baby. Wir müssen hier raus, bevor noch jemand das türkisfarbene, heiße Teil sieht, das du in deinem Koffer versteckst.«

Stöhnend schlage ich die Hände vors Gesicht. »Hat deine Granny dir eine SMS geschickt, sobald ich aus der verdammten Tür raus war?«

Sie schaut mich an, als sei ich verrückt.

»Nein, sie hat mich angerufen. Was meinst du, warum ich spät dran war? Ich musste rechts ranfahren und mich ganze fünf Minuten schlapp lachen.« Ginger zwinkert, und Scham überflutet mich.

Memo an mich: Du bist jetzt zu Hause, wo jeder immer wissen wird, was du tun wirst, bevor du auch nur daran gedacht hast.

Zehn Minuten später passieren wir die Torbögen von Silver Pines, der Pferderanch unserer Familie. Beim Anblick des Ranch-Logos fühle ich eine bittersüße Mischung aus Frieden und Schmerz. Die knapp einen Kilometer lange Einfahrt mit ihren weißen Zäunen sieht aus wie eh und je. Das ist mein Zufluchtsort, mein sicherer Hafen – und auch wenn Dad nicht mehr da ist, bleibt es meine einzige wahre Heimat und der Ort, an dem ich seine Nähe am stärksten spüre. Seit er im letzten Januar starb, war ich nicht mehr hier, und der Schmerz ist noch genauso überwältigend wie damals. In der Ferne taucht das alte, imposante weiße Farmhaus auf – das »große Haus«, wie wir es nennen.

»Und, hast du noch mal was von dem nichtsnutzigen Wichser gehört?«, fragt Ginger in einem Versuch, mich abzulenken.

»Nicht in der letzten Stunde«, sage ich und seufze. »Er versteht die Welt nicht mehr, weil ich ihn verlassen habe. Wie kann ich es wagen? Der große Andrew Waterfield konnte seine Verlobte nicht halten? Was wird die Klatschpresse nur sagen?«

Ginger schnaubt. »Das hätte er sich überlegen sollen, bevor er seinen übereifrigen Schwanz in jede Frau unter dreißig in Seattle gesteckt hat.«

»Ich glaube, er hat kapiert, dass ich endgültig weg bin. Ich habe meinen Ring in den Tanga gewickelt, den ich in seiner Jackentasche gefunden hatte und habe beides schön auf dem Küchentisch drapiert.« Ich muss loslachen, und Ginger steht der Mund offen.

»Du krasse Bitch, du!« Ginger schüttelt voller Bewunderung den Kopf.

»Ich hätt’s schon vor diesem Winter bemerken sollen. Die langen Nächte, die Reisen, die Schar an ausgewählten Assistentinnen, die ihm und seinen Kollegen überall hin folgt.«

»Es ist ganz natürlich, den Menschen, die man liebt, zu vertrauen; es ist nicht deine Schuld.«

Ich nicke und drehe mich zum Fenster, um mein Gesicht in der Sonne zu baden.

Zu meiner Verteidigung: Andrew ist ein reicher, umwerfender Mistkerl, der mich im ersten Jahr an der Washington University im Sturm erobert hat. Ich wollte so sehr an die wahre Liebe glauben, dass ich geblendet war.

Erst nach sieben Jahren und den mahnenden Worten meines sterbenden Vaters habe ich klargesehen. Endlich habe ich auf meinen Bauch gehört und bin aus Seattle geflohen, weg von der toxischen Wolke, die über uns hing. Ich bin doch erst 25. Ich habe meine wilden Jahre damit verbracht, die zukünftige Aristokraten-Gemahlin zu spielen. Jetzt will ich nur meine Familie sehen, mich ablenken, hoffentlich einen neuen Job finden – und durchatmen.

Als wir vor dem Haus vorfahren und der Schotter unter Gingers Reifen knirscht, rasen Millionen Erinnerungen und Bilder durch meinen Kopf. Trauer ist echt seltsam, sie erwischt dich dann am härtesten, wenn du es am wenigsten erwartest. In der Speisekammer der Anblick von Cream Soda im Regal, die Vanille-Limo, die mein Vater an heißen Sommertagen mit ordentlich Eis im Glas so gerne trank. Der alte Rechen an der Hauswand, mit dem er im Herbst die fantastischsten Blätterhaufen zum Reinspringen zusammenrechte. Die Baumschaukel, auf der er mich an unzähligen, heißen Nachmittagen anschubste. Schmerz überwältigt mich. Ein Teil von mir erwartet, dass er gleich durch die Tür kommt, aber mein Verstand weiß, dass das nie wieder passieren wird.

»Ich bin zu Hause, Dad«, flüstere ich.

Ginger drückt meine Hand. »Das weiß er, Babe.«

Kapitel 2

CeCe

»Verdammt, Baby, es fühlt sich an, als hätte ich dich seit Ewigkeiten nicht gesehen«, ruft meine Mutter Jolene, genannt Mama Jo, mir durch die Küche zu. Wie ein Wirbelwind stürmt sie ins Wohnzimmer und vertreibt sofort meine düstere Stimmung. Skinny-Jeans, barfuß, mit einem rosa Schal zurückgebundene Farrah-Fawcett-Mähne und ein Brooks & Dunn-T-Shirt, das von ihrer Schulter gerutscht ist.

»Lass dich ansehen.« Sie strahlt mich an und wirft sich in meine Arme.

Wade, mein ältester und grummeligster Bruder, schiebt sich mit unserem alten Golden Retriever Harley durch die Eingangstür. Harley schnüffelt an mir, als sei ich sein Lieblingsmensch. Jetzt bin ich ordentlich mit Hundehaaren und Sabber bedeckt, aber er ist der knuffigste Hund der Welt, also verzeihe ich ihm und kraule ihn hinter den Ohren.

»CeCe Rae«, grüßt mich Wade mit seiner rauen, ruhigen Stimme, zieht kurz an meinem Pferdeschwanz, und wie immer nennt er auch meinen zweiten Vornamen.

»Sergeant«, antworte ich automatisch.

Er trägt eine schwere Last auf seinen Schultern – zum Beispiel unsere Ranch, aber das wird mir jetzt erst richtig klar. Er sieht genauso aus wie mein Dad, und ich muss ihn nur ansehen, um das Gefühl zu haben, dass mein Dad noch hier ist.

Ich lasse Harley los und umarme Wade ganz fest, der es stoisch über sich ergehen lässt. Er ist nicht so der Typ für gefühlvolle Gesten, aber irgendwo unter seiner harten Schale ist ein Herz, das weiß ich genau.

»Ich hol deine Taschen, Mama hat Stardust für dich vorbereitet.« Er meint eine der fünf winzigen Holzhütten, die sonst Aushilfen bewohnen. Sie sind alle nach Willie Nelsons Alben benannt. Spirit, Stardust, Blue Eyes, Legend und Bluegrass.

»Ich hab neue Bettwäsche für dich besorgt, und es ist alles sauber und frisch, Darling. Sogar die Essensvorräte sind aufgefüllt.«

»Danke, Mama«, sage ich, während sie mir eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr streicht und mein Gesicht in ihre Hände nimmt, um mich anzusehen.

Auch mit 58 ist Jolene Ashby wunderschön und voller Energie und lässt sich von niemandem etwas gefallen. Sie ist ein echter Freigeist. Ich strebe jeden Tag danach, mehr wie sie zu sein.

»Du siehst aus, als hättest du geweint, Baby.«

»Mhm«, antworte ich ausweichend.

»Und wie oft hat dieser nichtsnutzige Wichser dich angerufen?«

Ich lache über ihre Bezeichnung meines Ex-Verlobten und setze mich auf die Sofakante im Wohnzimmer. Die Hände in die Hüfte gestemmt sieht sie mich erwartungsvoll an. Aber ich seufze nur, weil ich noch nicht in der Verfassung bin, über Andrew zu sprechen.

»Gebt ihr mir noch diesen einen Abend? Morgen erzähl ich euch alles, jedes kleine Detail. Versprochen. Ich will jetzt einfach nur die frische Luft genießen, auspacken und mich mit einem Buch in meiner Hütte verstecken.«

Da taucht Ginger aus der Küche hinten im Haus auf, als hätten meine Zu-Hause-bleiben-Pläne sie herbeibeschworen.

»Oh, nein, sicher nicht.« Die Absätze ihrer Stiefel klappern auf den Boden, bis sie mit einem Glas von Mama Jos süßem Eistee ins Wohnzimmer kommt. »Ich hab schon allen erzählt, dass du zu Hause bist. Sangria-Sonntag zu verpassen, kommt nicht infrage. Du kannst morgen schlafen, heute ist keine Zeit für Trübsal.«

»Wer ist allen?« Ich stöhne.

Sie strahlt mich mit einem hinreißenden, perfekten Lächeln an, ihre hübschen karamellfarbenen Augen funkeln schelmisch, und ihre natürlichen braunen Locken umrahmen ihr Gesicht. Sie war schon immer eines der schönsten Mädchen, die ich je gesehen habe.

»Na, die Mädels, natürlich. Schließlich ist Ladies-Night.« Sie fasst mein Handgelenk. »Jetzt müssen wir dich erstmal füttern und uns dann fertig machen. Ich mache dich zur heißesten Single-Frau.« Hilfesuchend sehe ich meine Mom an, aber die hebt nur die Arme, als wolle sie nichts damit zu tun haben.

»Ist auf jeden Fall besser, als mit deinem Vibrator zu Hause zu bleiben.« Sie kichert. »Mutter!«, rufe ich, als sie sich mit Ginger vor Lachen biegt. Diese gottverdammte Stadt.

Zwei Stunden später haben Mama Jo und Ginger ein Outfit kreiert, das ich unter keinen Umständen zu einem anderen Zeitpunkt in der Öffentlichkeit tragen würde. Aber, wie sie es so treffend ausdrücken: Da die ganze Stadt jetzt weiß, dass ich Sexspielzeug habe, kann ich auch dazu stehen.

Der Raum platzt aus allen Nähten, so viele Kleidungsstücke sind überall verteilt. Meine Hütte ist klein, aber fast eine Mini-Wohnung, und sie ist eine meiner Lieblingshütten, weil sie ein Panoramafenster über dem Spülbecken hat, von dem aus man eine unserer weiten Pferdekoppeln überblickt. Und in der Ferne liegt Sugarland Mountain in all seiner Schönheit.

Mom hat alles so hergerichtet, als hätte ich schon immer hier gewohnt – mit hübschen Kerzen, dekorativen Kissen und Zeitschriften auf dem Couchtisch. Die Hütte hat nur ein Schlafzimmer und ein Badezimmer mit dunklen Wänden, aber sie ist genau richtig, um neu anfangen zu können.

Früher lebten mehrere Pferdetrainer bei uns, vor allem in der Zeit, als Dad noch Derbys ritt. In den letzten zehn Jahren hat Wade das Team angeführt, sodass zwei dieser Hütten nun meistens leer stehen, da Cole mit meinem Lieblingsmädchen – meiner siebenjährigen Nichte Mabel – in der Stadt wohnt.

Ich betrachte mich in dem großen Spiegel, den wir extra für diese improvisierte Modenschau ins Wohnzimmer gestellt haben.

Seufzend frage ich mich, ob ich das wirklich anziehen möchte: ein dunkler Jeansminirock, an dem ich ständig herumziehe, damit er wenigstens bis zur Mitte der Oberschenkel reicht und ein rotes, spitzenbesetztes Trägertop von Ginger, in das meine Brüste kaum reinpassen.

Ich habe schon recht früh eine sehr weibliche Figur bekommen, was Segen und Fluch zugleich war, aber zumindest bin ich inzwischen in meine Kurven hineingewachsen. Ich drapiere meine Halskette und schmücke meine Ohren mit den goldenen Kreolen, die Ginger mir gegeben hat. Außerdem hat sie mein langes Haar zu einer betonharten Fülle an dezenten blonden Wellen und Locken gestylt. Ich hatte noch nie so viel Haarspray auf meinem Kopf, nicht mal beim Abschlussball.

»Da fehlt aber noch was«, sagt Ginger und kaut auf ihrer Unterlippe. »Zieh die Sandalen aus!«, befiehlt sie mit frisch lackiertem, erhobenem Zeigefinger.

»Ich hab noch keine anderen ausgepackt …«

»Misch dich nicht in meinen kreativen Prozess ein. Zieh sie einfach aus!«

Sie streift ihre elfenbeinfarbenen Cowboystiefel von den Füßen und wirft sie mir zu. Schon seit der siebten Klasse teilen wir uns Schuhe.

»Gut«, sagt sie. »Zieh erst die an.« Ein Paar elfenbeinfarbene Strümpfe kommen angeflogen.

»Ich soll deine Babys anziehen?«, frage ich. Nur sehr selten trennt sie sich von ihren innig geliebten Stiefeln.

»Ja, du brauchst sie heute Abend dringender als ich.«

Ich tue, was mir gesagt wurde, schlüpfe in die Stiefel und drehe mich um, um das Ergebnis zu sehen.

»Oh ja! Genau wie Dolly, Baby. Wenn Dolly kleinere Titten hätte.« Sie zwinkert mir zu, und ich werfe ein Sofakissen nach ihr.

»Genau wie Dolly«, murmle ich und betrachte mein Spiegelbild. Ginger küsst Mama Jo auf die Wange und dreht sich zu mir um.

»Alles klar, jetzt gibt’s ordentlich Sangria und unvernünftige Entscheidungen!« Schnell schlüpft sie in meine Sandalen, hakt sich bei mir ein und zieht mich zur Türe hinaus.

Die Sonne geht gerade unter, als wir ins Auto steigen und meiner Mom winken, die noch auf der Veranda vor meiner Hütte steht.

»Bis später, Mom«, rufe ich aus dem Fenster.

»Viel Spaß, Mädels! Brecht ein paar Herzen, aber nicht das Gesetz.«

Ich kichere und schüttle den Kopf in ihre Richtung, als wir den Wagen starten und Jason Aldeans Country Stimme aus den Lautsprechern für uns singt. Ich bin so weit weg von Seattle, und zum ersten Mal, seit ich entschieden habe, Andrew zu verlassen, fühle ich mich wirklich frei.

Die Stimmung im Horse and Barrel ist durch Frauen aus der ganzen Stadt aufgeheizt, und unter die mischen sich die wenigen, tapferen Männer, die nicht auf ihr Bier nach dem Abendessen verzichten wollen. Seit ich denken kann, sind Sangria-Abende in Laurel Creek Tradition.

Der Abend gehört den Mädels, aus der Vintage-Soundanlage tönt die beste Countrymusik, wir tanzen, tratschen und genießen die günstigen Drinks, besonders die hausgemachte Sangria. In der Stadt wissen alle, dass man montags keine herausragende Kundenbetreuung von Frauen aus Laurel Creek erwarten sollte. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie noch ein wenig verkatert sind, ist ziemlich hoch. Der Laden ist brechend voll, und meine Mädels und ich sitzen eingepfercht in einer Ecke der einzigen echten Cowboy-Bar, die Laurel Creek zu bieten hat. Ich war schon einige Jahre nicht mehr hier, aber eine wirkliche Veränderung kann ich nicht erkennen – abgesehen vom neuen Holzboden. Ich schaue mich um und betrachte die antiken Emailleschilder, die die gesamte Wand hinter der Bühne bedecken, auf der freitags und samstags Hausbands spielen.

An der rustikalen, dunklen Holzwand sind Leuchten aus alten Jack-Daniels-Flaschen angebracht. Kronleuchter tauchen gemütliche Sitzecken in ein warmes Licht, und in der Mitte des weitläufigen Raums erstreckt sich eine große Tanzfläche. An der Ostwand steht die Bar mit Neonlichtern und unserem Stadtmaskottchen, Archibald dem Tiger – ein großer Neon-Tiger-Schrein, der die Mitte ziert.

»Erklärt mir bitte jemand, warum zur Hölle der Riesentiger da hängt? Der macht mich völlig fertig, ich habe das Gefühl, als würde er mich die ganze Zeit anstarren«, fragt Avery Pope, der jüngste Neuzugang unserer Crew. Ich habe sie gerade erst kennengelernt, aber sie ist lieb und lustig.

Ginger hat mir erzählt, dass sie vor zwei Monaten von Lexington hergezogen ist, um in der Sportanlage hier Eiskunstlauf zu unterrichten. Ich weiß schon alles über sie. Anscheinend trinkt sie meine Mädels unter den Tisch, und das kann ich mir gut vorstellen, wenn ich sehe, wie sie den Rest aus ihrem Glas ext.

»Weil er ein Held ist«, sage ich. Wir alle lieben diese Geschichte, und weil ich in der achten Klasse einen Aufsatz darüber geschrieben habe, bin ich offiziell Expertin.

»Als der Wanderzirkus noch in die Stadt kam …«

»Also, so ungefähr im 19. Jahrhundert«, quatscht Ginger mir dazwischen.

»Ja, 1889«, korrigiere ich sie, »jagte Archibald einen anderen Tiger, der aus dem Zirkus geflohen war – ein jüngerer Tiger, manche sagen sogar, dass er noch ein Tigerbaby war. Jedenfalls war das Kleine auf den Bahngleisen unterwegs. Archibald muss gespürt haben, dass der Zug heranraste, also verjagte er den anderen Tiger und wurde selbst vom Zug überfahren. Er hat sein Leben geopfert, um das Tigerbaby zu retten. So will es die Legende in unserer Stadt. In der Nähe des Cave Run Park gibt es eine Statue von ihm.«

»Ooooch …«, sagt Avery gerührt.

»Du weißt, dass das totaler Bullshit ist, oder?!«, ertönt eine tiefe, ruhige Stimme neben mir. Eine, die ich gut kenne. Ich wappne mich und drehe mich um, damit ich das dazugehörige Gesicht sehen kann.

»Nein«, sage ich mit erhobener Augenbraue.

»Oh doch. Tatsächlich war Archibald einfach ein egoistisches Arschloch, das ständig versucht hat, aus dem Zirkus abzuhauen, wahrscheinlich weil sie die Tiere dort so miserabel behandelt haben.« Ein definierter, tätowierter Unterarm legt einen Stapel Servietten in die Mitte unseres Tischs, und ich registriere eine römische Zehn, die mit Ranken überzogen ist, die unter seinen hochgerollten Flanellhemdärmeln verschwinden.

»Jedenfalls ist er an dem Abend ausgebüxt und war ganz allein, als er vom Zug überfahren wurde. Die ganze Tiger-Baby-Rettungs-Geschichte ist erfunden, um ihn wie einen Helden darstellen zu können. Gute PR, das ist alles. Aber nichts davon stimmt.«

Ginger und ich ziehen hörbar die Luft ein.

»Wie kannst du es wagen?«, wirft Olivia Sutton ein – meine andere beste Freundin und die Letzte im Bunde unseres Trios.

»Verschwinde von unserem Tisch mit deinen Lügen, Nash Carter. Und hör auf, unsere lokalen Legenden zu beschmutzen!«, sagt sie und wedelt mit erhobenem Zeigefinger.

Er lacht leise, bevor er ihr antwortet. »Gut, okay, ich wollte euch bloß gerade das hier bringen, um Rae zu Hause willkommen zu heißen, aber dann gebe ich es wohl einem anderen Tisch?« Nash hält einen Krug, gefüllt mit der besten Sangria der Gegend, hoch und grinst uns an. Er ist mit Abstand das atemberaubendste Exemplar eines Mannes, das ich je gesehen habe. Das war er schon immer, aber jetzt sieht er sogar noch besser aus, als ich ihn in Erinnerung hatte – das Schlimmste daran ist, dass er es weiß. Er nutzt es zu seinem Vorteil, und ich für meinen Teil habe für den Rest meines Lebens genug von solchen Typen.

»Nein, nein, nein«, sagt Ginger und wirft ihm ihr schönstes Lächeln zu, »nicht nötig wegzulaufen. Ich bin mir sicher, dass wir das hinbekommen. Ich meine, Geschichten lassen sich doch unterschiedlich deuten. Wir denken über deine Version von Archibalds Geschichte nach. Und danke, dass du für uns nachfüllst … geht aufs Haus, oder, Nashby?« Sie zwinkert ihm zu und macht aus seinem Vor- und meinem Nachnamen einen neuen Spitznamen. Er gehört zur Familie, schon seit ich ein Teenager war.

Er nickt und stellt den Krug auf den Tisch.

»Es ist mir ein Vergnügen, Ladys. Avery, wir sehen uns morgen.«

Strahlend lächelt sie ihn an und nickt. »Na klar.«

Ich betrachte sie – ihr langes dunkles Haar, ihre Eiskunstläuferinnenfigur, zierlich, aber kräftig, ihre gebräunte Haut, die olivfarbenen Augen. Sie ist wunderschön und jung und weiß vermutlich noch nicht, dass er sie nur benutzt, bis er genug von ihr hat. Er vögelt sie, davon bin ich überzeugt.

Nash legt eine Hand auf meine Schulter und beugt sich zu mir herunter. »Schön dich zu sehen, Rae«, sagt er mit seiner tiefen Stimme, während ich in seinen Augen versinke und er mich sanft drückt, was mich innerlich zum Schmelzen bringt.

Als er weggeht, sehe ich ihm nach und versuche, zu begreifen, was gerade passiert. Nash »Die Rakete« Carter – der Rekorde brechende, Tore schießende, Stanley Cup gewinnende, Laurel-Creek-Fan-Liebling-Hockey-Star, und der beste Freund meines Bruders Wade – arbeitet jetzt als Bedienung im Horse and Barrel?

»Ich weiß, was du gerade denkst«, sagt Olivia und lehnt sich über den Tisch. Dabei fällt ihr kupferfarbenes Haar über ihre Schultern, und ihre schimmernden rosa Lippen formen sich zu einem Lächeln.

»Seit er sich aus der NHL verabschiedet hat und im April hierher zurückgezogen ist, hilft er Rocco Pressley. Rocco schafft es einfach nicht mehr, aber loslassen kann er auch nicht. Nash wird nicht mal bezahlt. Anscheinend kann er einfach nicht still sitzen.«

»Das hab ich nicht gewusst«, sage ich beiläufig und lasse Nashs Anblick auf der anderen Seite der Bar auf mich wirken. Er ist wirklich umwerfend. Ich gebe es zu. Alles an ihm ist verheißungsvoll und groß. Mit seinen 1,93 überragt er mich um fast einen halben Meter. Typ Naturbursche, mit dunklem, welligem Haar, Stoppelbart und markantem Kiefer.

In seinem Flanellhemd und den Wrangler Jeans müsste er lässig zurückgelehnt auf einem Holzstuhl sitzen und an einer Zigarre ziehen. Seine kräftige, muskulöse Statur ist immer noch perfekt.

Das weiß ich schon seit der Zeit, als er mit meinen Brüdern in der Einfahrt Hockey spielte oder mit achtzehn Jahren mit nacktem Oberkörper auf unserer Ranch Heu schaufelte und ich ihn von meinem Schlafzimmerfenster aus beobachtet habe. Wobei, wenn man nach den Oberarmen geht, die den Stoff seines Hemdes ziemlich überstrapazieren, sieht es so aus, als hätten die NHL-Jahre seinen Körper zu fast göttlichen Proportionen geformt. Mir fällt auf, dass er noch mehr Tinte auf der Haut hat, seit ich ihn im Januar bei der Beerdigung meines Vaters kurz gesehen habe. Neue Reben ranken aus seinem Hemdkragen und wandern nun seinen Hals hinauf. Für einen kurzen Augenblick trifft von der anderen Seite des Raums Nashs Blick meinen, bevor ich wegsehe. Sie haben mich schon immer in ihren Bann gezogen, diese tiefen, kobaltblauen, intensiven Augen. Sie verwandeln mich in einen unbeholfenen Trottel, wann immer sie sich auf mich richten. Es gibt keinen Zweifel, dass Nash Carter irre attraktiv ist, aber er war immer so ein vorlauter großer Brudertyp, der mich, so lange ich denken kann, wie ein nerviges Kleinkind behandelt hat – zumindest, bis ich fürs College weggezogen bin. Er tauchte ständig mit irgendwelchen Mädchen bei uns zu Hause auf, machte mit ihnen auf unserem Wohnzimmersofa rum, wenn meine Eltern nicht zu Hause waren, und nahm keinerlei Rücksicht darauf, dass ich mein Mittagessen gerne bei mir behalten wollte. Immer mehr Erinnerungen fluten meine Gedanken – wie er all unsere Snacks auffutterte, wie er mit meinen Brüdern vor Footballspielen auf dem Parkplatz abhing, wie er mich an den Haaren zog, mir die Kappe vom Kopf schlug und wie er mich mit meinen Brüdern nach Herzenslust verarscht hat.

Es ist lange her, aber wenn ich sehe, wie er mit derselben Selbstsicherheit und demselben Charisma mit den Gästen spricht und wie er dabei seine Dallas-Stars-Baseballkappe zurechtrückt, weiß ich, dass er sich kein bisschen verändert hat.

Nash Carter ist nicht nur ein Superstar, sondern ein selbstgefälliger Frauenheld, und er ist genau der Typ Mann, vor dem ich gerade durch das halbe Land geflohen bin.

Kapitel 3

Nash

Den honigblonden Schopf hatte ich an diesem typischen Sonntagabend wirklich nicht erwartet. Niemand hat Haare wie sie. Sie sind nicht mal wirklich blond, sie haben die Farbe von Sonne. Aber sie ist hier. CeCe Rae Ashby, mittlerweile erwachsen geworden und im engsten, kürzesten Minirock, den diese Bar je gesehen hat.

Ein Rock, der mich auf die Idee bringt, ihren Hintern zur Hintertür hinauszuschleifen und ihr eine Jacke um die Taille zu binden, weil sie nicht nur mir auffällt, sondern auch allen anderen Männern hier.

Zum Glück ist die Männerquote bei der Ladies-Night nicht sehr hoch, weshalb ich sicher gut damit fertig werde, sollte einer von ihnen sich ihr gegenüber nicht korrekt verhalten.

Während ich hinter der Bar Zitronen schneide, erinnere ich mich daran, wie sie aussah, als ich sie im Januar das letzte Mal gesehen habe. Sie wirkte gebrochen und blass. Aufgedunsene, tränennasse Augen, ein langes, schwarzes Wollkleid und die Haare zu einem festen Dutt gebunden. Es war die Beerdigung ihres Dads. Ich konnte nur eine Nacht in der Stadt bleiben, weil am nächsten Tag das All-Star-Weekend in Nashville losging. Aber als Wyatt starb, musste ich für die Familie da sein, zumindest so weit wie möglich. Jeder verdammte Mensch in dieser Familie war immer für mich da, sogar CeCe.

Von diesem Tag abgesehen, ist es mindestens fünf Jahre her, dass ich sie getroffen habe. Aber das spielt keine Rolle. Wenn sie da ist, falle ich sofort wieder in den Beschützermodus – genau wie damals. Als sie ein Teenager war, mussten wir alle drei ständig auf sie aufpassen. Sie gehört immer noch zu diesen Mädchen, die nicht wissen, wie schön sie sind, und das macht sie für jeden Mann umso attraktiver. Und, ich habe keine Ahnung, warum, aber heute Abend muss auch ich dauernd zu ihr hinsehen.

CeCes Bodyguard zu spielen, ist während einer kräftezehrenden Ladies-Night kaum möglich, aber wenn sie hier ist, geht es wohl nicht anders, also kommt das auch auf meine To-do-Liste.

Ich werfe einen Blick auf das große, gerahmte Foto, auf dem die halbe Stadt in dieser Kneipe mit dem Stanley Cup zu sehen ist, den ich vor drei Jahren mit nach Hause gebracht habe. Die Leute hier lieben es, einen einheimischen Hockeyspieler zu haben, aber das bedeutet, dass ich immer gut in Form sein muss. Manchmal ist es anstrengend, aber ich versuche, mich nicht zu beschweren. Wenn ich nur ein paar Autogramme geben und ein paar Getränke spendieren muss, um das Herz unserer Stadt am Leben zu erhalten, dann tue ich das. Diese Stadt war immer gut zu mir, und zu sehen, wie sie aufblüht, schenkt mir ein kleines bisschen Frieden – etwas, das ich nicht oft empfinde.

Eine Stunde später bin ich mit dem Ausschenken von Whiskeys beschäftigt und mische Sangria, als die angetrunkene CeCe mit Olivia und Ginger auf die Tanzfläche schlendert. Charlie’s Not Angels, so haben die Ashby Jungs und ich sie früher genannt, nachdem wir sie aus allen erdenklichen Situationen gerettet haben. Wir haben sie von Partys abgeholt, als sie auf der Highschool waren, und sie gedeckt, als sie Gras rauchten und beim Pancakes Backen fast das verdammte Haus niedergebrannt haben. Die Mädels waren ein Vollzeitjob.

Ich wische die Bar ab und frage ich mich, warum CeCe überhaupt hier ist. Mein letzter Stand war, dass sie mit so einem Überflieger-Anwalt-Typen in Seattle verlobt war.

Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, als ich sie ansehe. Mit drei Gläsern Sangria im Bauch und der aus den Boxen dröhnenden Country-Musik sieht sie so weit von Seattle entfernt aus, wie eben möglich. Da draußen auf der Tanzfläche ist sie ganz und gar Südstaaten, hundert Prozent Kentucky. Ich räume die Gläser zurück in die Bar, als Shania Twains »Man! I Feel Like a Woman« anfängt und die Meute ausrastet. Es ist ihre gottverdammte Hymne.

In meinem Kopf sehe ich die kleine CeCe mit Zahnspange und langem Zopf, wie sie im Wohnzimmer der Ashbys zu Shanias »Rock This Country Tour« tanzt. Die Erinnerung bringt mich zum Schmunzeln, wie sie voll im Rhythmus war und dann tollpatschig in irgendetwas hineinstolperte und fluchte.

»Läuft gut heute?«, fragt Asher, unser Wochenend-Barkeeper, weil er weiß, dass es sonst anders zugeht. Er war aus New York hergezogen, um die Feuerwehrwache in Laurel Creek zu leiten, und hat schon hier gearbeitet, bevor ich zurückkam und eingesprungen bin. Warum zur Hölle er hier Nachtschichten schiebt, weiß ich nicht, aber er ist ruhig, immer nüchtern, sieht mächtig angsteinflößend aus, was ungemein hilfreich an der Bar ist, damit es friedlich bleibt. Ich grinse ihn an.

Normalerweise schaue ich nur ab und zu nach dem Rechten, die meiste Zeit arbeite ich in Roccos Büro, das sich an Sonntagabenden inzwischen wie mein eigenes Büro anfühlt. Und er ist einer von diesen Typen, die alles mitkriegen, wahrscheinlich ist er auch deswegen so ein guter Feuerwehrmann.

»Ja, ich hab nur ein Auge auf Wade und Cole Ashbys kleine Schwester.« Ich nicke in ihre Richtung, und Asher sieht die Mädchen an.

»Das ist also CeCe Ashby.« Er mustert sie. Seine Blicke wirken nicht bedrohlich, aber sie stören mich trotzdem. Ich kann den Typen nicht durchschauen, egal, wie sehr ich es versuche, auch nach den vier Monaten, die wir schon zusammenarbeiten, nicht. »Tut mir leid, das sagen zu müssen, aber jeder Mann in dieser Bar hat ein Auge auf sie. Geht nichts über ein hübsches neues Lächeln, um die Aufmerksamkeit von besoffenen Männern zu erregen.«

Ich beiße die Zähne zusammen und schaue in ihre Richtung. Während ich noch mal über die Sie-nach-draußen-schleifen-und-eine-Jacke-umbinden-Option nachdenke, wende ich meinen Blick von ihr ab und versuche, nicht darauf zu achten, wie ihre Taille in die weiche Wölbung ihres Rückens übergeht und wie ihr langes dichtes Haar darauf tanzt. Sie sieht definitiv nicht mehr tollpatschig aus, wie sie sich jetzt zur Musik bewegt. Die Zeiten haben sich geändert.

Gerade, als ich zurück ins Büro will, um mich nicht wie ein verdorbener Perversling zu fühlen, bricht die Hölle los und unsere Not Angels sind mittendrin, was mich direkt auf die Tanzfläche zwingt.

»Du hast Glück, dass ich dir dein schäbiges Grinsen nicht aus dem Gesicht haue, Gemma«, höre ich CeCe brüllen, als ich mich ihr nähere – ihr Südstaatenakzent ist wieder voll da. Kentucky-Feuer leuchtet in ihren smaragdgrünen Augen, während Olivia sie zurückhält.

»Was bist du für eine Mutter, sagst deiner Tochter, du kommst, um sie zu besuchen, um dann deine einzige Nacht hier in einer Kneipe abzuhängen?«, beschimpft sie sie.

»Sagt das Mädchen in der Sitzecke neben mir, das den zweiten Krug Sangria schlürft«, spottet Gemma.

Gemma ist ein echtes Schätzchen und Coles Ex-Frau. Sie hat Mabel die letzten zwei Jahre regelrecht bei Cole abgeladen, um ihre Jugend wieder aufleben zu lassen. Wenn die beiden mit einigen Krügen Sangria intus aufeinandertreffen, verheißt das nichts Gutes.

»Ich habe keine wundervolle Tochter, mit der ich Zeit verbringen könnte, du schon.«

»Komm schon Honey, das ist sie nicht wert«, sagt Ginger und beugt sich zu CeCes Ohr.

»Soll sie sich doch in ihrem Selbstmitleid und ihren zerplatzten Träumen suhlen. Sie ist eh eine billige kleine Schlampe, die Cole mit der halben verdammten Stadt betrogen hat.« Ginger legt eine Hand auf Gemmas Schulter. »Stimmt doch, oder, Darling?«

Ginger lächelt zuckersüß, und dann stürzt Gemma sich auf sie.

Fuck.

Fingernägel und lange Haare fliegen durcheinander, als ich mich zwischen sie stürze und Ginger und CeCe von Gemma wegziehe. Victor, mein Türsteher, hält Olivia zurück.

»Ich werd die Bullen rufen müssen. Herrgott, Rae, du bist den ersten Abend hier, und schon reitest du dich in die Scheiße.«

»Ruf bitte Cole an, wir brauchen seinen hübschen Hintern hier«, kichert Ginger, und ich verdrehe die Augen.

»Sie hat angefangen.« CeCe zeigt auf Gemma, und ich grinse. Die unerbittliche Beschützerin ihres Bruders und Rächerin des Schadens, den seine erste und einzige Frau angerichtet hat.

»Was machst du überhaupt hier, CeCe Rae? Hat dein heißer Anwalt kapiert, dass er ’ne Liga über dir spielt?«, lallt Gemma, die Hände in die Hüfte gestemmt.

CeCe stürzt sich auf sie. Diesmal nehme ich die Sache selbst in die Hand, werfe CeCe über meine Schulter und nicke Victor und Asher zu, damit sie Gemma und ihre Leute von hier wegbringen.

Ich lege meine Hand auf CeCes Po, damit ihr niemand unter den Rock schauen kann. Sieht so aus, als müsste ich ihren Hintern doch hier rausschleifen.

»Nash Everett Carter, du setzt mich jetzt sofort ab. Ich werde dieser Schlampe den Arsch vermöbeln für das, was sie Cole angetan hat.«

»Beruhig dich, Raufbold, du wirst gar nichts tun.« Schmunzelnd stoße ich meine Bürotür auf und lasse sie auf den Ledersessel vor meinem Schreibtisch fallen. Ihr Haar fällt über ihre Schultern und ihre Brust hebt sich vor alkoholisierter Wut.

»Ein paar Gläser Sangria, und du verwandelst dich sofort wieder in ein wildes kleines Kind, Rae?«, frage ich und verschränke meine Arme vor der Brust.

»Sie hat Cole wehgetan, sie hat Mabel wehgetan. Du solltest sie rausschmeißen.« Ich lehne mich herunter, damit ich in ihre Augen sehen und versuchen kann, sie zu beruhigen. Ich presse ihre Handgelenke auf die Stuhllehnen.

»Schon erledigt, aber du wirst dich daran gewöhnen müssen, sie zu sehen, wenn du länger als nur dieses Wochenende hierbleibst. Sie arbeitet im Friseursalon und ist jeden Sonntag hier. Normalerweise ist sie friedlich«, füge ich hinzu.

CeCe schaut zu mir auf, und in ihren Augen ist etwas, was ich nicht greifen kann. »Ich bleibe hier.«

Ginger und Olivia platzen lautstark lachend hinein.

»Wie in alten Zeiten, Nashby.« Ginger klopft mir auf die Schulter.

Ich schüttle den Kopf. Diese kleine Unruhestifterin war schon immer auf Krawall gebürstet, und CeCe war ihre Verstärkung, ihre Rückendeckung und geriet ständig ins Kreuzfeuer.

»Wenn du mit ›alte Zeiten‹ meinst, allen möglichen Ärger zu machen, dann ja, genau wie in alten Zeiten …«

»Immer. Ich könnte nicht anders leben, Honey«, erwidert sie. Seufzend sehe ich sie an, bevor ich mich wieder CeCe zuwende, die immer noch auf dem Stuhl sitzt.

»Kannst du jetzt wieder raus und friedlich sein, Rocky?« Sie sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an.

»Solange der Müll rausgebracht wird, ja.« Sie steht auf und richtet ihre Sachen und lehnt sich dabei an mich. Der Duft von Erdbeeren und frischem Shampoo steigt mir in die Nase.

»Sei ein guter Junge und schick uns noch einen von diesen Aufs-Haus-Krügen, okay, Darling?« Sie tätschelt meine Wange mit ihrer perfekt manikürten Hand, was einen unerwarteten Reiz direkt an meinen Schwanz schickt.

Cole und Wades kleine Schwester, Cole und Wades kleine Schwester, wiederhole ich mantraartig in meinem Kopf. Anscheinend kapiert mein Schwanz nicht, dass das ein klares NEIN bedeutet.

»Ich kümmere mich sofort darum, Ladys«, sage ich mit sarkastischem Tonfall, nehme ihre Hand von meinem Gesicht und treibe sie zurück in die Menge.

Auf dem Weg zur Bar schüttle ich den Kopf. Mit den Not Angels wird es nie langweilig.

»Noch ein Krug Sangria für den Tisch, aber halbier die Menge an Brandy und Wein.« Ich klopfe Asher auf den Rücken und er nickt.

»Wird gemacht, Boss.«

Mein Blick folgt CeCe zurück auf die Tanzfläche. Bei ihren Bewegungen zu »Vice« von Miranda Lambert ertappe ich mich dabei, sie wie ein alter Widerling zu beobachten.

Heilige Scheiße. Sie will hierbleiben?

Ich werde mich CeCe-Ashby-desensibilisieren müssen. Mir kommen tausend Bilder gleichzeitig in den Sinn, aber das, was am meisten heraussticht, ist wirklich verdammt schön und wirklich verdammt tabu.

Kapitel 4

CeCe

»Er hatte also zu viel zu tun? An Weihnachten?« Liebevoll sieht mein Dad mich an, aber er runzelt die Stirn, so sehr, als laste das Gewicht meines Lebensglücks auf seinen Schultern.

»Ja, er hat zwei neue Klienten, und er musste dortbleiben, um sich um sie zu kümmern.«

»Und es gibt noch immer kein konkretes Hochzeitsdatum? Ich hatte gehofft, meine Tochter zum Altar zu führen, bevor ich den Löffel abgebe.«

»Dad.«

»Sorry, Liebes, aber du weißt, dass ich nicht ewig lebe, und ich will – nein, ich muss – wissen, dass du glücklich bist. Für mich bist du das Wichtigste auf der Welt. Ich mache mir Sorgen, dass du nicht das bekommst, was du verdienst – und das ist nicht weniger als all das Glück, das in ein Herz passt.«

Ich streichle seine Hand.

»Andrew liebt mich.«

»Aber, liebt er dich genug? Ein Mann sollte immer für dich da sein, immer – solange die Welt sich dreht.«

Ich lache über seinen Spruch.

»Und, es tut mir leid, Darling, aber ein paar neue Klienten sind keine Naturkatastrophe – wenn es denn tatsächlich die Klienten sind, die ihn abhalten.« Tränen laufen über mein Gesicht. Wie kommt es, dass mein Vater immer alles weiß? Ich bin schon seit Monaten nicht mehr glücklich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Andrew mich betrügt, und wenn ich nach Hause komme, werde ich sehr genau hinsehen, aber jetzt kann ich nichts dazu sagen. Vor allem im Moment nicht; das Letzte, was ich will, ist, meinem Dad Stress zu bereiten.

»Versprich mir eines, CeCe Rae.« Ich schaue in sein eingefallenes Gesicht, er ist nur noch ein Schatten seiner selbst, ein Schatten des Mannes, der er war. Der Krebs hat ihn zerstört. Aber die alternative Behandlung an Thanksgiving hat uns ein letztes Weihnachten mit ihm geschenkt, und dafür bin ich so dankbar. Ich unterdrücke ein Schluchzen und wische meine Tränen ab.

»Alles«, sage ich.

»Gib dich nicht einfach zufrieden, Darling. Finde den Mann, der dir die Sterne vom Himmel holt. Einen Mann, der dich zu schätzen weiß. Du solltest sein Ein und Alles sein, immer.«

»Ich verspreche es dir«, sage ich und drücke seine Hand.

»Cecilia Rae Ashby, raus aus dem verdammten Bett mit dir!«

Ich erwarte, in meinem Schlafzimmer in Seattle aufzuwachen, als meine Augen aufgehen. Sobald sie offen sind, spüre ich den Schmerz.

»Au …«, stöhne ich.

»Ja, hoffentlich. Herrgott noch mal, CeCe. Seit weniger als vierundzwanzig Stunden bist du wieder zu Hause und hast es schon geschafft, die ganze Stadt mit deinem Sexspielzeug zu schockieren,« – oh Gott – »wurdest fast aus dem Horse and Barrel geschmissen und hast dich mit der Mutter meines Kindes geprügelt. Was hast du heute vor? Das Rathaus anzünden? Grady Thompson auf seinem Weg zu seinem Morgenkaffee bei Spicer’s Sweets auf die Straße schubsen? Weißt du, ich kann dir nicht immer den Arsch retten. Wie wäre es mal mit ein bisschen erwachsen werden?«

»Cole … hör auf mich anzubrüllen … mein Kopf …«

Ich wimmere und öffne vorsichtig ein Auge. Mein angepisster älterer Bruder, das mittlere Kind in unserer Familie, steht über mir. Groß und autoritär, die Hände in die Hüfte gestemmt, als würde er mich gleich ausschimpfen, wie Mabel, wenn sie sich danebenbenimmt.

»So machst du mir Angst«, murmle ich, während ich meinen Kopf im Kissen vergrabe.

»Gut. Vielleicht lernst du so, dich das nächste Mal zu benehmen. Bei mir wird nicht verschlafen, steh jetzt auf!«

Ich stöhne wieder.

»Ich hab gehört, dass du mit deiner Bande im Horse and Barrel die ganze Sangria ausgetrunken hast.«

Verdammt, Nash. Ich bin zu verkatert für den Scheiß.

»Wasser, ich brauche Wasser«, murmle ich.

»Ich bin hier, um deine Vorhänge aufzuhängen und dir zu helfen. Wasser und Aspirin stehen auf deinem Nachttisch. Steh auf und räum um Himmels Willen hier auf, Mädchen.«

»Danke, Cole.«

»Gern geschehen, Arschgesicht.« Seine dunklen Augen werden sanfter. »Aber ich bin froh, dass du wieder zu Hause bist«, knurrt er, und ich lächle in mein Kissen. Neben Mabel bin ich die einzige Person, der er nicht lange böse sein kann.

Ich stürze das Wasser und die Aspirin hinunter, lege mich wieder ins Bett und höre Cole dabei zu, wie er herumlärmt und sich nützlich macht. Nach dreißig Minuten tut es schon fast nicht mehr weh, wenn ich die Augen öffne.

Widerwillig stehe ich auf und ziehe meinen flauschigen Fleece-Bademantel über meinen Pyjama. Als ich mit verquollenen Augen in die Küche schleiche, ist Cole schon fleißig dabei, mein Bücherregal aufzubauen.

»Ich hoffe sehr, dass du vorhast, heute auszupacken und aufzuräumen, hier sieht’s aus, als wär ein Tornado durchgefegt.«

Ich betrachte mein Wohnzimmer mit den zig verschiedenen Outfits von gestern, die wild auf dem Sofa verteilt sind.

»Ich bin kein Kind mehr. Nash hätte nicht petzen müssen.«

»Er sorgt sich nur um dich, CeCe«, antwortet Cole.

Klar.

Cole reibt sich übers Gesicht. »Er hat gesagt, dass er dir gestern den Hahn abdrehen musste.«

»Nash Carter ist nicht gerade ein Heiliger. Ich hatte vielleicht fünf Gläser. Der Zucker ist schuld, deswegen geht es mir schlecht. Ist doch nicht mein Fehler, wenn er die süßeste Sangria der Umgebung macht.«

»Klar, der Zucker war’s«, schmunzelt Cole.

»Was auch immer, Nash kann mal den Mund halten. Über mich herziehen, weil ich ein bisschen Spaß habe, ist wie wenn ein Esel den anderen Langohr nennt.«

»Er hat nicht über dich hergezogen. Sorgen hat er sich gemacht. Er wusste nicht, dass du und Andrew euch getrennt habt. Er wollte nur, dass ich Bescheid weiß, damit ich heute Morgen nach dir sehe. Er hat sich verändert, CeCe. Du wärst überrascht.«

Fast pruste ich los, aber ich beherrsche mich und bringe ein tonloses »Okay« hervor. »Ich glaub’s, wenn ich’s seh.« Dann binde ich mir einen Pferdeschwanz. »Ich geh rüber, frühstücken, damit ich dein Geschrei ertragen kann. Ich komme zurück, bevor du mit dem Regal fertig bist«, sage ich und reibe mir über die Stirn.

»Brauchste was, um den ganzen Alkohol aufzusaugen?« Cole grinst mich frech an, wobei er seine Grübchen und sein ansteckendes Lächeln zeigt.

»Halt die Klappe. Es war nur ein Abend.«

»Das hoffe ich. Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist, dass Gemma mir bei der nächsten Mediation vorhält, meine kleine Schwester hätte sie vermöbelt.«

»Sorry, sie hat einfach ein paar Sachen gesagt … ich lasse sie nicht so über dich reden.«

»Was hat sie gesagt?« Jetzt ist sein Interesse geweckt.

»Dass du gut im Bett bist, aber dass du dich nur um Mabel kümmerst und niemals eine Frau wirklich glücklich machen kannst.«

Sein Gesicht entspannt sich, und sein Grübchengrinsen kehrt zurück, als er anfängt zu sprechen.

»Wenn das alles ist, dann komme ich damit gut klar. Ich hab gewonnen. Ich hab Mabel.« Er legt eine Hand auf meine Schulter. »Keine Kneipen-Schlägereien mehr, verstanden?«

Ich nicke brav.

»Okay, ich verspreche es. Übrigens, Ginger lässt dich grüßen.« Ich grinse ihn an.

»Verdammte Ginger. Ist dir mal aufgefallen, dass du immer mit ihr unterwegs bist, wenn es Ärger gibt? Vielleicht willst du mal mit jemand anderem ausgehen und es an den Sangria-Abenden etwas langsamer angehen lassen?«

»Danke für den Rat. Ich vergesse dann mal, wie du barfuß und in Boxershorts von Jason Handlers Hochzeit heimgetorkelt bist«, kontere ich.

»Das war vor zehn Jahren. Du kannst jetzt aufhören, mir das vorzuhalten«, höre ich ihn sagen, als ich zur Hütte hinaustänzle.

Im großen Haus ist es recht ruhig, als ich ankomme. Dumpf höre ich die folkigen Klänge eines John Prine-Songs aus der Küche. Da finde ich auch meine Mutter in Yoga-Hosen und einem langen Pferdeschwanz, der meinem nicht unähnlich ist.

»Guten Morgen, Mama Jo«, krächze ich.

»Guten Morgen, Darling.« Sie schaut mich über die Schulter an. »Uff, du siehst nach Wein und unklugen Entscheidungen aus.«

Als Antwort stöhne ich nur.

»Ich mache gerade Eier mit Speck. Das kannst du bestimmt nach letzter Nacht gebrauchen.«

Ich schenke mir eine Tasse dampfenden Kaffee ein. »Ja, bitte.«

Gerade, als ich mich an die Kücheninsel setze, klingelt mein Handy. Ich schlage die Hände vors Gesicht. Andrews zweiter Anruf heute, und es ist gerade mal neun Uhr morgens. Ich stelle mein Handy auf lautlos und nippe an meinem Kaffee.

»Ewig kannst du ihm nicht aus dem Weg gehen. Du musst mit ihm reden, sonst wirst du ihn nie los. Sag ihm einfach, was für ein nichtsnutziger Mistkerl er ist«, sagt meine Mom, während sie den Speck brät.

Bevor ich überhaupt antworten kann, leuchtet mein Handy auf und fängt wieder an, stumm zu klingeln.

»Na gut!« Resigniert stehe ich auf. »Ich geh auf die Veranda.«

»Nimm Harley mit, aber angeleint, sonst rennt er dir den halben Weg bis zum Nordfeld. Und bleib nicht zu lange; das Essen ist in fünfzehn Minuten fertig.«

Bevor sie zu Ende geredet hat, steht Harley neben mir und sieht mich erwartungsvoll an. Ich nehme ihn an die Leine und gehe ans Telefon – das Handy klemmt zwischen meiner Wange und meiner Schulter.

»Andrew«, sage ich, während ich mit dem Hund zur Tür gehe.

»Du kannst mich nicht ignorieren, Cecilia. Du hast deinen Standpunkt klargemacht. Zeit, nach Hause zu kommen.«

Die frühe Julisonne wärmt mein Gesicht, als ich in Richtung der großen, überdachten Veranda gehe und dabei mit Harley und meinem Kaffee jongliere.

»Ich komme nicht zurück, Andrew. Zwischen uns ist es aus.« Meine Stimme bleibt ruhig und gelassen.

»Zum Teufel damit. Wir haben ein Leben hier, Freunde, wir sind verlobt, verdammt noch mal.«

Ich bin gerade im Begriff auszurasten, als Harleys Leine sich um meinen Knöchel wickelt und ich Hals über Kopf in meinem Pyjama zu Boden gehe, wobei Kaffee und Handy durch die Luft fliegen. Glücklicherweise landet das meiste der heißen Flüssigkeit im Gras.

»Harley!«, rufe ich, als er sich von mir losreißt und über den Hof davonrennt. Ich versuche, mich aufzusetzen, aber mir ist schwindelig. Habe ich mir den Kopf angeschlagen? Jap, auf jeden Fall.

»Fuck, Rae, ist alles okay?« Nashs vertraute, tiefe Stimme klingt gehetzt, als er neben mir ankommt. Starke Arme packen mich und geben mir Halt, bis ich wieder sitze.

»Hast du dir den Kopf angeschlagen?«

Ich spüre, wie seine Hand sanft meinen Schädel abtastet und nach Verletzungen sucht. Seine kräftigen Finger fühlen sich angenehm an.

»Ich glaub schon, aber nicht sehr heftig …«, murmle ich und wundere mich, warum zur Hölle Nash Carter um neun Uhr morgens in unserem Vorgarten auftaucht.

»Cecilia?« Ich höre Andrews Geschrei gedämpft von meinem Handy, das im Gras liegt.

Nash nimmt das Handy auf und schaut mich mit finsterer Miene an.

Der zerfledderte Cowboyhut, die zerschlissene Jeans und das Pferdegeschirr im Gras lassen mich erraten, dass er Wade heute Morgen mit den Pferden hilft.

»Sie wird dich später zurückrufen müssen, Freundchen«, sagt er in scharfem Ton und legt dann auf.

Krass, Cowboy-Nash ist verdammt heiß.

Kapitel 5

Nash

Ich war gerade auf dem Rückweg, nachdem ich Pferdegeschirr sauber gemacht hatte, als ich sie sah. Mir war klar, dass sie gleich hinfliegen würde, noch bevor sie die Stufen zum Vorgarten erreicht hatte. Das konnte ja nicht gut gehen, wie sie da versucht hat, ihren Kaffee, das Handy und die Hundeleine zu balancieren – in Socken.

Als sei es nicht schon ein Vollzeitjob gewesen, gestern auf CeCe aufzupassen, fand das Universum wohl, dass ich heute gleich weitermachen soll. Im Laufe des Abends kamen immer mehr Männer in die Bar, die ich von ihr fernhalten musste.

Weil sie getrunken hatte – und weil sie wie eine Schwester für mich ist – ist es meine Aufgabe, auf sie aufzupassen und sicherzugehen, dass kein Abschaum sie abschleppt. Das rede ich mir zumindest die ganze Zeit ein.

Ich hab versucht, nach hinten zu gehen, um ein bisschen Papierkram zu erledigen, aber das hat kaum zwanzig Minuten funktioniert, und dann war ich wieder draußen, um nach CeCe zu sehen. Und wie ich sie gesehen hab. Ich hab gesehen, wie sie in meiner Nähe tanzte, wie sie lachte und Ginger ansang, sich mit hocherhobenen Armen zur Musik bewegte. Hab gesehen, wie sie die Aufmerksamkeit des ganzen Raums auf sich zog, wie ihre Hüften in ihrem winzigen Minirock kreisten, und hab mich gefragt, wie sich ihre Hüften wohl in anderen Situationen bewegen, und wie sie aussehen würden, wenn meine Hände sie fest auf meinen Schoß zögen.

CeCe Ashby ist fast acht Jahre jünger als ich, aber jetzt ist sie eine Frau. Das tollpatschige, unbeholfene Mädchen von damals ist Geschichte.

Als ich vorhin gehört habe, wie sie am Telefon ihre Beziehung beendet hat, bin ich in der Nähe der Scheune geblieben, damit sie in Ruhe telefonieren konnte. Ich wollte nicht lauschen, ich hab mich einfach für ein paar Momente in ihrem Anblick verloren. Wie das Licht in der Morgensonne auf ihren langen Pferdeschwanz fiel … die schlichte Frisur ist Welten entfernt von den üppigen Wellen und Locken, die ihr gestern Abend noch über den Rücken fielen. Die betrunkene CeCe war meine lange verlorene beste Freundin, und als die Bar zumachte, drückte sie mich zum Abschied, und dabei fielen ihre Locken über meine Arme. Der Erdbeerduft ihrer Haare hing in meinen Klamotten, bis ich zu Hause war, wo ich mich daran erinnert habe, dass ich dringend mal wieder flachgelegt werden muss, wenn ich so an CeCe denke.

»Wo zum Teufel kommst du her?«, fragt sie und konzentriert sich auf mein Gesicht.

»Pferdegeschirr putzen für Mama Jo.« Sie sieht mich immer noch verwirrt an, also erkläre ich: »Ich helfe Wade jetzt dreimal die Woche.«

»Ah, weil das mit dem Hockey vorbei ist, bist du jetzt ein Cowboy?« Sie lacht und schenkt mir ein perfektes Lächeln, während sie an der Krempe meines Cowboyhuts zieht. Ich lasse sie los, stehe auf und reiche ihr eine Hand, um ihr aufzuhelfen.

»Teilzeit-Cowboy zumindest«, kontere ich.

»Ich schätze, ich sollte dir danken, weil du Wade hilfst«, antwortet sie und sieht sich in der ihr so vertrauten Umgebung um, die jetzt sicher viel leerer wirkt, seit Wyatt gestorben ist. Ich erkenne es in ihren Augen, als sie den Berg hinter sich betrachtet.

»Es ist jetzt irgendwie seltsam hier. Ich wünschte, ich wäre viel öfter heimgekommen, bevor er krank wurde. Ich war so … beschäftigt mit meinem Leben«, platzt es aus ihr heraus.

Ich nicke, weil ich genau weiß, wie sie sich fühlt. Mir ging es genauso. Ich bin nicht ansatzweise oft genug zurückgekommen, für den Mann, der mir im Grunde das Leben gerettet hat, bevor er krank wurde und weder reiten, angeln oder auch nur mit mir auf der Terrasse sitzen, Bourbon trinken und über Gott und die Welt quatschen konnte, wie wir es früher getan haben.

Einen Moment breitet sich Stille zwischen uns aus, und sie ist gefüllt mit den Erinnerungen und dem Familiengefühl, das uns seit Jahren verbindet.

»Okay, ich schätze, ich sollte los und diesen Quaterback von einem Hund suchen«, sagt sie, streicht über ihren Hinterkopf und zuckt kurz.

»Alles okay bei dir?«, frage ich.

Sie sieht nicht okay aus. Sie sieht aus, als sei ihr schwindelig.

»Ja, ich glaube schon …«, sagt sie und schwankt nach links.

»Ich glaube, ich komme mal mit«, beschließe ich und ergreife ihren Arm. »Falls du dir doch eine Gehirnerschütterung zugezogen hast, will ich nicht, dass du ganz allein im Feld umkippst.«

»Du musst nicht mit, es ist nicht dein Problem, dass ich mich nicht allein um meinen verrückten Hund kümmern kann.«

»Ich komme mit, aber hol dir erst mal Schuhe«, befehle ich.

Sie muss eine Gehirnerschütterung haben, denn wie durch ein Wunder hört sie auf mich und kommt in Rekordzeit wieder aus der Tür, trägt Flip-Flops und hat eine neue Tasse Kaffee in der Hand. Auf der Suche nach Harley wandern wir die lange Einfahrt an den Hütten vorbei.

»Lebenserhaltende Maßnahmen heute Morgen«, sagt sie und hält ihre Tasse hoch.

»Klingt vernünftig. Du warst ziemlich anstrengend gestern. Wenn ich so darüber nachdenke, machst du mir eigentlich Ärger, seit du wieder in die Stadt spaziert bist.«

»Was meinst du damit? Mal davon abgesehen, dass ich Gemma fast eine runtergehauen hätte – was ich übrigens nicht bereue, weil sie ein gigantisches Miststück ist, das Cole nie verdient hatte.«

Ich nicke, weil ich es genau so sehe.

»Sonst hab ich dir den ganzen Abend keinen Ärger gemacht.«

»Ich musste nur wegen dir den ganzen Abend auf der Tanzfläche bleiben, um die gesamte männliche Kundschaft davon abzuhalten, dich anzugraben.«

»Was? Ich hatte die Chance auf einen One-Night-Stand, und du hast sie mir versaut?« Sie kichert, als sei es das Natürlichste der Welt.

Ich finde das nicht komisch.

»Du warst nicht in der Verfassung, diese Entscheidung zu treffen, und wenn ich an dein Telefonat von eben denke, glaube ich auch nicht, dass es gerade das ist, was du brauchst.«

Sie bleibt abrupt stehen und dreht sich zu mir um. »Erstens: Lausch nicht! Das ist unhöflich. Und zweitens: Ich bin nicht auf der Suche nach einem Ehemann, ich muss bloß … ich sollte neue Leute kennenlernen. Meine Beziehung mit Andrew lief nicht mehr gut, und Ginger sagt …«

Ich unterbreche sie, weil ich lospruste. »Ok, nein, Ginger Danforth ist die letzte Person, von der du dir Beziehungsratschläge geben lassen solltest.«

Ich sehe zu ihr runter, ihre Augen funkeln, als würde sie mir gleich eine klatschen.

»Wer hat etwas von Beziehung gesagt? Ich will keine Beziehung, nur jemanden zum Spaß haben, vielleicht, mal sehen. Ginger meinte, es könnte mir guttun, und es geht dich auch gar nichts an, Nash. Du bist der letzte Mensch, der mir Beziehungsratschläge geben sollte. Hast du überhaupt mal eine gehabt?«

Ich schüttle den Kopf. Fuck, nein. »Nein, aber das Letzte, was du in dieser tratschverseuchten Kleinstadt brauchen kannst, sind noch mehr Gerüchte über dich. Denk mal drüber nach, wie schnell hier jeder wusste, dass du einen verdammten Vibrator im Gepäck hattest.«

Oh ja, das war spaßiges Kopfkino, das ich gestern zu ignorieren versucht habe, als es mir erzählt wurde.