Homo Sapiens 404 Band 13: Auf die Knie - Claudia Kern - E-Book

Homo Sapiens 404 Band 13: Auf die Knie E-Book

Claudia Kern

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Beschreibung

Dies ist die 13. Episode der Romanserie "Homo Sapiens 404". Das Leben unter den Jockeys wird immer unerträglicher und gefährlicher. Um den Patrouillen, die auf der Suche nach menschlichen Raumschiffen sind, zu entgehen, sucht die Besatzung der T.S. Eliot alte Bekannte auf. Doch dort hat sich einiges drastisch verändert. Währenddessen ringt Arnest mit seinen Dämonen und droht, zur Gefahr für das ganze Schiff zu werden. Über die Serie: Einige Jahrzehnte in der Zukunft: Dank außerirdischer Technologie hat die Menschheit den Sprung zu den Sternen geschafft und das Sonnensystem kolonisiert. Doch die Reise endet in einer Katastrophe. Auf der Erde bricht ein Virus aus, der Menschen in mordgierige Zombies verwandelt. Daraufhin riegeln die Außerirdischen das Sonnensystem ab und überlassen die Menschen dort ihrem Schicksal. Die, die entkommen konnten, werden zu Nomaden in einem ihnen fremden Universum, verachtet und gedemütigt von den Außerirdischen, ohne Ziel, ohne Hoffnung. Neue Folgen der dritten Staffel (Episoden 13-18) erscheinen vierwöchentlich als E-Book.

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Episode 13

Auf die Knie

Claudia Kern

Digitale Originalausgabe

Homo Sapiens 404 wird herausgegeben vom Rohde Verlag

Rohde Verlag, Auf der Heide 43, 53757 Sankt Augustin

Verleger & Redaktion: Markus Rohde

Autorin: Claudia Kern

Lektorat: Susanne Picard

Covermotiv & -gestaltung: Sebastian Lorenz

Copyright © 2014 by Rohde Verlag

ISBN 978-3-95662-025-6

www.claudia-kern.com

www.helden-in-serie.de

www.rohde-verlag.de

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Epilog

Die Autorin

LESEPROBE AUS FOREGONE

Prolog

Weiter lest ihr in FOREGONE EPISODE 1 – DER FALL ASKALON VON THILO CORZILIUS

Weitere Lesetipps des Verlags

»Gott, ich hasse Religion. All dieses Gerede über eine wunderschöne, scheinbar zum Greifen nahe Zukunft, die man erlangen kann, wenn man sich nur lange genug auf die Knie wirft. Dieses Heilsversprechen ist wie ein unendlich langer, unendlich geiler Trailer für einen Film, der nie herauskommen wird.«

– Nerdprediger Dan, ASCII – Zeichen für die Ewigkeit

1

»Wie lange hältst du das wohl noch durch? Einen Tag, zwei? Eine Stunde, zwei? Eine Minute?«

Arnest schwitzte. Seine Hände schmerzten, Blut verklebte seine Finger. Er hatte die Nägel tief in die Haut seiner Handflächen gegraben. Schweiß stach in den offenen Wunden. Arnest konzentrierte sich darauf und hoffte, dass das Pochen des Schmerzes das weiße Rauschen seiner Gedanken übertönen würde.

Und die gottverdammte Stimme.

»Das ist wirklich blöd gelaufen für dich«, sagte sie. »Dein eigener Bruder, einfach so abgeschlachtet von ein paar dumpfen Zombies. Dabei war er schlau, oder? Schlauer als du.«

Arnest starrte auf einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand, aber so sehr er es auch versuchte, er konnte die Gestalt, die stets am Rande seines Gesichtsfeldes blieb, nicht ignorieren. Sie hing in einer Ecke der Kabine an der Decke, mit dem Rücken nach unten wie eine Spinne oder ein Dämon aus einem von Kiplings billigen Horrorfilmen. Arme und Beine hatte sie ausgebreitet. Ihre Finger und ihre nackten Füße schienen am Metall zu haften.

Sie drehte den Kopf und sah Arnest an. Asiatische Gesichtszüge, dichtes weißes Haar, dunkle, uniformähnliche Kleidung. Arnest wusste, wer unter seiner Decke hing, ebenso wie er wusste, dass es sich bei ihm um eine Halluzination handelte.

»Diese Unterhaltung ist ein wenig einseitig«, sagte der Albaner und seufzte. Den Kopf hatte er um fast einhundertachtzig Grad gedreht. Arnest bemerkte die Hautfalten an seinem Hals. Sie sahen aus wie das Gewinde einer Schraube.

Arnest stellte nicht in Frage, dass der Albaner an seiner Decke hing, er wunderte sich nicht einmal darüber. Er wünschte sich nur, er hätte nicht ihn in seinen Halluzinationen gesehen, sondern Lanzo.

Was zum Teufel soll ich denn jetzt machen?, hätte Arnest ihn gefragt. Was fällt dir ein, so einfach zu verrecken?

Aber Lanzo war nicht da, nicht einmal in seinem Kopf, also schwieg er.

Der Albaner musterte ihn. »Wieso bist du so? Du isst nicht, du trinkst nicht, du fluchst nicht einmal. Das ist keine Trauer, sondern etwas anderes.« Die Stimme des Albaners klang distanziert, aber interessiert, so wie die eines Erzählers in einer Naturdoku. »Furcht?«, fragte er und Arnest spürte einen Stich im Magen.

»Wovor fürchtest du dich, Arnest? Vor etwas, vor dem Lanzo dich beschützt hat?« Der Albaner hatte dunkle, fast schwarze Augen. Wenn Arnest hineinsah, glaubte er, ins All zu stürzen. Also sah er nicht hinein.

»Aber vor was hat Lanzo dich beschützt? Nicht vor den anderen hier an Bord. Auckland könnte es wahrscheinlich mit dir aufnehmen, aber sonst keiner. Du fürchtest dich nicht vor ihm, du fürchtest dich vor niemandem, richtig?«

Wieder dieser Blick. Arnest wich ihm aus.

»Außer vor dir selbst.« Der Albaner lächelte. Es wirkte triumphierend, so als hätte er eine bedeutende Entdeckung gemacht. »Faszinierend. Damit sollte sich doch etwas anfangen lassen.«

Arnest schwieg. Der Albaner war nicht wirklich da. Er war eine Idee, die in seinem Kopf stand, der Versuch dieses Dings, das in ihm lauerte, ihn auszutricksen. Doch das würde nicht gelingen. Dafür würde Arnest sorgen. So lange er nicht in diese schwarzen Augen fiel, war alles in Ordnung. Alles.

»Du irrst dich«, sagte der Albaner. Sein Gesicht war so starr und glatt wie ein Foto. »Nichts ist in Ordnung. Dein Bruder ist tot und du bist ganz allein.«

Er lächelte so plötzlich, dass es aussah, als wäre ein Film einige Bilder nach vorne gesprungen. »Bis auf mich.«

2

Die Treffen waren zu einer Art Ritual geworden, das immer gleich ablief. Auckland bestellte den Rest der Besatzung in seine Kabine, sie nahmen ihre üblichen Plätze ein – Kipling auf dem Sofa, Rin in dem Sessel links daneben, Ama’Ru im Türrahmen – und sprachen über das, was gerade anstand.

Doch an diesem Tag war es anders. Da war der freie Platz auf dem Sofa neben Kipling, dort, wo sonst Lanzo gesessen hatte und der leere Stuhl, der normalerweise unter Arnests Gewicht knarrte.

Rin setzte sich in ihren Sessel. »Kommt er nicht?«, fragte sie.

Kipling hob die Schultern. Er trug seine V-Specs und Rin sah Lichter über seine Augen flackern. Er sah sich etwas an, während sie redeten.

»Ich nehme an, dass er die gleiche Nachricht wie wir erhalten hat«, sagte Ama’Ru. Ihre Gottesanbeterin zerkaute die Seiten eines Magazins. Stück für Stück verschwand das Gesicht eines Models, dessen Namen Rin längst vergessen hatte, zwischen ihren Mandibeln.

»Das hat er.« Auckland trat aus dem Schlafzimmer in den Wohnbereich und legte sein Pad auf den Schreibtisch. Es war ein altmodisches, schwarzes Gerät mit zerkratztem Rücken und zweidimensionaler Darstellung. Rin hatte sich schon oft gefragt, weshalb er es behielt und nicht gegen eines der zahlreichen neuen Tablets austauschte, die sich in den Frachträumen stapelten. Gefragt hatte sie Auckland jedoch nie.

Sie sah, wie er kurz inne hielt, als sein Blick auf den leeren Platz neben Kipling fiel, dann verschränkte er die Arme vor der Brust und lehnte sich an die Schreibtischkante. »Wir befinden uns im letzten Sprung vor unserem Ziel«, sagte er. »Wir sollten–«

»Moment.« Rin unterbrach ihn, bevor er fortfahren konnte. »Du willst über Bob Swansons Flotte reden?«

»Worüber sonst?«

Es klang nicht aufgesetzt. Auckland schien tatsächlich zu glauben, dass es kein dringenderes Thema an Bord der Eliot gab.

»Wie wäre es mit Arnest?«, fragte Rin. »Er sitzt seit Tagen in seiner Kabine und reagiert weder auf Nachrichten noch Klopfen. Er könnte dort sterben, ohne dass wir es bemerken.«

»Nein«, sagte Kipling, während er seine V-Specs zurechtrückte. »Ich habe einen Teil der Sensoren auf seine Kabine gerichtet und mit einem schiffsweiten Alarm verbunden. Wenn ihm etwas passiert, werden wir es hören, das garantiere ich dir.« Er machte eine kurze Pause. »Was aber nicht heißt, dass wir uns nicht um ihn kümmern sollten. Er hat seit Lanzos Tod nicht mehr auf seinen Pornordner zugegriffen. Das sind mehr als hundert Stunden. Arnest braucht unsere Hilfe.«

»Er braucht Zeit, das ist alles«, sagte Auckland.

Seine Gleichgültigkeit verärgerte Rin. »Ich glaube nicht, dass menschliche Wesen so funktionieren, wie du denkst«, sagte sie. Es war ein Tiefschlag, den sie im nächsten Moment bereits bereute. Aucklands Augenwinkel zuckten kurz, eine andere Reaktion zeigte er nicht. Sie wollte sich entschuldigen, aber da mischte sich Ama’Ru bereits ein.

»Vielleicht findet ihr in der Flotte jemanden, der sich mit solchen … Fehlfunktionen auskennt«, sagte sie. »Während meiner Zeit auf NG27 habe ich den Eindruck bekommen, dass Menschen es schätzen, sich ihre Gefühle von Fremden erklären zu lassen.«

Kipling lachte. »Eine gelungene Beobachtung, die im Fall von Arnest leider nicht im Geringsten anwendbar ist. Aber mir gefällt die Idee, mit jemandem an Bord über das Problem zu reden.« Er sah Auckland an. »Und das bringt uns zurück zu dem, was du sagen wolltest.«

»Ja.« Auckland drehte das Pad geistesabwesend auf der Schreibtischplatte. »Wir müssen uns darauf einstellen, dass sie uns nicht mit offenen Armen willkommen heißen werden. Bob war wütend, weil wir ihm die Zombies im Frachtraum zwei verheimlicht haben und Trevor dürfte sich auch nicht gerade positiv über uns geäußert haben.«

Trevor, dachte Rin. Der Countrysänger, dessen Stück »See You In Nashville« als letztes im irdischen Radio zu hören gewesen war. Arnest hatte ihn verehrt, zumindest bis sich Trevor als manipulativ und intrigant herausgestellt hatte. Sie hatten ihn bei der Flotte zurückgelassen – gegen seinen Willen. Er würde nicht gut auf sie zu sprechen sein.

»Aber wir kommen ja nicht als Bittsteller«, sagte Kipling mit einer Geste, die das gesamte Schiff zu umfassen schien. »Wir haben praktisch ein ganzes Amazon-Warenlager an Bord.«

»Auf das sie ohne uns besser zugreifen könnten als mit uns.«

Rin runzelte die Stirn. »Du denkst, dass sie uns angreifen werden?»

»Ich denke«, sagte Auckland, »dass wir das nicht ausschließen können.«

Ama’Ru setzte sich in ihrem Sattel auf. Ihre verkümmerten Beine hingen wie gelähmt über den Schultern der Gottesanbeterin. »Wenn du dort mit Gefahren rechnest, warum fliegen wir dann nicht an einen anderen Ort?«

»An welchen?« Aucklands Frage kam schnell und scharf. Rin hatte selbst darüber nachgedacht, als er den Vorschlag gemacht hatte, aber ihre Möglichkeiten waren eingeschränkt. Die Jockeys bewachten die Sprungtore und Stationen. Alle Menschen, auf die sie stießen, wurden in Transportschiffe gepfercht und zu den sogenannten Habitaten geschickt. Was genau sie dort erwartete, wusste niemand, aber nach ihren Erfahrungen auf Scania war Rin sich sicher, dass es nichts Positives war. Kipling hatte sein Tarnprogramm zwar verbessert, doch mehr als kurze Begegnungen mit den Jockeys ließen sich damit nicht überstehen. Früher oder später würde man sie fassen oder die Eliot zerstören.

Bob Swansons Flotte war der einzige Ort, den sie kannten, an dem es ein Sprungtor, aber keine Jockey-Präsenz gab.

Wir leben in einem unendlich großen All, dachte sie, und sind doch Gefangene.

Ama’Ru schien zu einer ähnlichen Schlussfolgerung gekommen zu sein. »Entschuldige«, sagte sie. »Ich habe über meine Frage nicht nachgedacht.«

Auckland nickte. Er setzte zu einer Antwort an, wurde aber abgelenkt, als der Bildschirm seines Pads aufleuchtete. Rin sah das Pop-up, das sich dort geöffnet hatte. Bevor sie lesen konnte, was darauf stand, schaltete Auckland die Beleuchtung mit einem Knopfdruck aus und der Bildschirm wurde wieder schwarz.

»Wir …«, sagte er, zögerte dann jedoch. Anscheinend hatte er den Faden verloren.

»Wir haben Bob und seinen Leuten einiges zu bieten«, sprang Rin für ihn ein. Sie richtete ihren Blick auf Kipling. »Wir haben den wahrscheinlich besten noch lebenden Hacker an Bord.«

Kipling hob die Augenbrauen. »Mir gefällt deine Verwendung des Wortes ›noch‹ in diesem Zusammenhang nicht besonders, auch wenn ich ansonsten deiner Meinung bin.«

Rin erwiderte sein Lächeln. »Also gut, den besten lebenden Hacker.« Sie sah Ama’Ru an. »Und eine Genetikerin, die an der Entwicklung des Omega-Virus beteiligt war und deshalb gute Aussichten hat, einen funktionierenden Impfstoff zu finden.«

»Ich würde es vorziehen, wenn ersteres nicht zur Sprache käme«, sagte Ama’Ru.

»Ebenso möchte ich nicht, dass Tasha’s Tool erwähnt wird.« Kipling bewegte die Fingerspitzen, während er redete. Das Licht von dem, was er auf den V-Specs sah, brach sich in seinen Augen. »Von HMA könnt ihr ihnen gerne erzählen.«

»HMA?«, fragte Auckland.

»Hide My Arse«, sagte Kipling. »Ich habe dem Tarnprogramm endlich einen Namen gegeben. Den anderen gefällt er.«

»Er spiegelt adäquat das erwünschte Ergebnis des Programms wider.«

Wie so oft wusste Rin nicht, ob Ama’Ru etwas ironisch oder ernst meinte.

Kipling neigte den Kopf. »Du kannst mich gern konsultieren, wenn du einen Namen für deinen Impfstoff brauchst.«

»Dann bieten wir ihnen also unser Expertenwissen gegen den Schutz der Flotte an«, sagte Auckland. Er legte die linke Hand auf das Pad, so als wolle er verhindern, dass es ihm jemand wegnahm. Ein kleines blaues Licht wies auf eine ungelesene Nachricht hin.

»Und unsere Hilfe bei dem einen oder anderen Zombieproblem«, fügte Kipling hinzu. »Die Flotte besteht aus einer Menge Leuten, und Söldner wie du, Arnest und …« Er unterbrach sich, stieß den Atem aus und fuhr sich durch die Haare. »Scheiße, für einen Moment hatte ich es vergessen.«

Stille setzte ein. Die Geräusche des Schiffs, die Rin sonst nicht mehr wahrnahm, traten plötzlich deutlich in ihr Bewusstsein: das dumpfe Wummern des Bubble-Antriebs, das Säuseln der Klimaanlage, die langsamen, tiefen Atemzüge der Gottesanbeterin. Ihr Blick fiel auf Lanzos leeren Platz und sie schloss kurz die Augen.