Homo Sapiens 404 Band 2: Mit dieser Waffe - Claudia Kern - E-Book + Hörbuch

Homo Sapiens 404 Band 2: Mit dieser Waffe E-Book und Hörbuch

Claudia Kern

3,0

Der Titel, der als Synchrobook® erhältlich ist, ermöglicht es Ihnen, jederzeit zwischen den Formaten E-Book und Hörbuch zu wechseln.
Beschreibung

Dies ist die zweite Episode der Romanserie "Homo Sapiens 404". Es macht keinen Spaß mehr, ein Mensch zu sein. Wegen des Virus, der Menschen bei ihrem Tod in stumpfsinnige Mordmaschinen verwandelt, ist es ihnen verboten, bewohnte Planeten und Monde zu betreten. Erlaubt, wenn auch nicht gern gesehen, sind sie auf Raumstationen. Dort leben sie mit den Außerirdischen, den sogenannten Jockeys mehr schlecht als recht zusammen. Immer wieder kommt es zu Übergriffen und Verbrechen, meistens von menschlicher Seite. Entsprechend kühl wird das Transportschiff Eliot aufgenommen, als es sich schwer beschädigt zu einer Station schleppt. Pilot John Auckland möchte dort eigentlich nur seine unfreiwillig aufgenommenen Passagiere absetzen, aber die bitten ihn um einen letzten Gefallen. Als er wider besseres Wissen zusagt, ahnt er nicht, welch mächtigen Feind er sich damit schaffen wird. Über die Serie: Einige Jahrzehnte in der Zukunft: Dank außerirdischer Technologie hat die Menschheit den Sprung zu den Sternen geschafft und das Sonnensystem kolonisiert. Doch die Reise endet in einer Katastrophe. Auf der Erde bricht ein Virus aus, der Menschen in mordgierige Zombies verwandelt. Daraufhin riegeln die Außerirdischen das Sonnensystem ab und überlassen die Menschen dort ihrem Schicksal. Die, die entkommen konnten, werden zu Nomaden in einem ihnen fremden Universum, verachtet und gedemütigt von den Außerirdischen, ohne Ziel, ohne Hoffnung.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 99

Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS

Zeit:2 Std. 10 min

Sprecher:David Meiländer

Bewertungen
3,0 (1 Bewertung)
0
0
1
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Band 2

Mit dieser Waffe

Claudia Kern

Digitale Originalausgabe

Homo Sapiens 404 wird herausgegeben vom Rohde Verlag

Rohde Verlag, Auf der Heide 43, 53757 Sankt Augustin

Verleger & Redaktion: Markus Rohde

Autorin: Claudia Kern

Lektorat: Peter Thannisch

Covermotiv & -gestaltung: Sebastian Lorenz

Copyright © 2013 by Rohde Verlag

ISBN 978-3-95662-002-7

www.claudia-kern.com

www.helden-in-serie.de

www.rohde-verlag.de

»Ich sehe, was ihr euch antut, und es treibt mir die Tränen in die Augen. Ihr geißelt euch, ihr fragt euch, wieso ihr so leiden müsst. Ihr redet von der Strafe irgendeines Gottes oder von dem Virus irgendeiner Regierung. Aber wir leben nicht in Dawn of the Dead. Wir leben in der Realität. Hier gibt es nur einen Schuldigen - und der stammt nicht von dieser Welt.«

- Nerdprediger Dan, ASCII-Zeichen für die Ewigkeit

Prolog

»Scheiße!«

Arnest sprang zurück. Mit der Schulter prallte er gegen seinen Bruder und hörte, wie der erschrocken den Atem ausstieß. Kipling machte einen Satz zur Seite, Rin stand einfach nur da, mit geöffnetem Mund und einem Gesichtsausdruck, der rasch von Überraschung zu Trauer wechselte.

»Jourdain?«, flüsterte sie.

Nicht mehr, dachte Arnest.

Jourdain machte einen unsicheren Schritt auf ihn zu. Seine Haut war bleich, die Arme zuckten, und sein Kopf rollte von einer Seite zur anderen, als hätte er keine Kontrolle über seine Bewegungen. Arnest hatte so etwas schon ein Dutzend Mal beobachtet. Es war, als müsse der Virus, sobald er die Leiche übernahm, sich erst in diesem neuen Körper zurechtfinden. Das dauerte meistens nur ein paar Sekunden.

Jourdain … Nein, nenne ihn nicht bei seinem Namen. Es macht dich schwach, wenn du daran denkst, dass dieses Ding einmal einen Namen gehabt hat. Der Tote zitterte, dann straffte er sich. Der Blick aus seinen leeren Augen richtete sich auf Kipling. Die Kiefer schlugen aufeinander, dann schwang der ganze Körper langsam herum und setzte sich in Bewegung. Seine Füße schlurften über den Metallboden.

»Oh Mann, Jourdain«, sagte Kipling leise. Seine Hand legte sich auf die Pistole, die an seiner Hüfte hing, aber Arnest kam ihm zuvor.

»Ich mach das schon.«

In seiner virtuellen Realität war Kipling ein hervorragender Schütze, in der, die er sich mit allen anderen teilte, traf das nicht zu. Niemand konnte vorhersagen, ob seine Kugel den Toten oder eine der Arbeitsstationen treffen würde. Schlechte Schützen und Raumschiffbrücken vertrugen sich nicht gut.

Arnest hob seine Waffe. Er konnte sich nicht daran erinnern, sie gezogen zu haben, aber die Bewegung war längst zu einem Instinkt geworden. Er dachte darüber kaum mehr nach als über das Atmen. »Möchte jemand noch was sagen, bevor ich …« Er hob die Schultern. »Ihr wisst schon.«

»Schieß endlich.« Tränen standen in Rins Augen. Ihre Stimme zitterte. »Mach ein Ende.«

»Ich finde es nur schade, dass das Letzte, was man über ihn sagt, ›Oh Mann, Jourdain‹ ist. Da muss uns doch was Besseres-«

»Schieß«, sagte Lanzo ruhig.

Arnest schoss.

Die Kugel traf den Toten über dem Ohr. Er wurde herumgerissen, Blut spritzte über den Boden und die Arbeitsstation neben ihm. Arnest ließ die Waffe sinken, noch bevor der Tote zusammenbrach und reglos liegen blieb. Er hatte Jourdain gemocht, aber das traf auf eine Menge Leute zu, denen er seit Beginn der ganzen Scheiße in den Kopf geschossen hatte. Nicht alle waren Tote gewesen. Vielleicht fiel es ihm deshalb leicht, den Verlust eines Menschen, auch wenn der ein Freund gewesen war, abzuhaken. Andere, so wie Rin, die nun neben dem Toten in die Knie ging und ihm die Augen schloss, konnten das nicht.

»Wir brauchen wohl einen neuen Arzt«, sagte er.

Kipling fuhr sich mit beiden Händen durch das Gesicht und lachte bitter. »Wozu brauchen wir einen Arzt, wenn wir kein Schiff haben?«

Arnest setzte zu einer Antwort an, doch sein Bruder legte ihm die Hand auf den Arm. Wir stehen auf einem, oder?, hatte er sagen wollen, nun dachte er es nur. So ein Schiff ist viel zu groß für einen, aber optimal für fünf. Sein Blick fiel auf den toten Jourdain, und er verzog das Gesicht. Vier.

Vielleicht hakte er Verluste doch nicht so schnell ab, wie er glaubte.

Über ihm zischte eine Tür. Auckland musste den Schuss gehört haben. Arnest steckte die Waffe ein und verschränkte die Arme vor der Brust. Noch ist es zu früh.

Neben ihm nickte Lanzo knapp, so als wisse er genau, was Arnest gerade dachte.

1

»Das mit eurem Arzt tut mir leid«, sagte Auckland.

»Ja.« Rin stand am Bullauge der Schleuse und beobachtete, wie Jourdains Körper durch das Trümmerfeld trudelte. Das kalte weiße Licht einer weit entfernten Sonne schuf Schatten, in denen er immer wieder verschwand. Nach einer Weile tauchte er nicht mehr daraus auf. Sie wandte sich ab.

Kipling setzte seine VR-Brille auf und räusperte sich. »Also dann …« Er ließ den Satz in der Luft hängen, so als wisse er nicht, wie er fortfahren solle. Die Stille zog sich in die Länge.

Es war kein Gebet gesprochen worden während der kurzen Beerdigung, niemand hatte Jourdain einige letzte Worte gewidmet. Stumm hatten sie ihn und die Toten, die bei dem Zusammenstoß mit der Mishima nicht ins All gerissen worden waren, verabschiedet. Es kam Rin so vor, als hätten sie all die Worte, die sie hätten sagen können, schon bei anderen, viel zu ähnlichen Gelegenheiten verbraucht. Sie hatten keine mehr.

»Also dann«, nahm Auckland schließlich Kiplings Satz auf, »sollten wir aufbrechen. Die Reparatursysteme haben getan, was sie konnten, der Antrieb hat erste Belastungstests bestanden. Trotzdem werden wir wohl fast eine Woche bis zur Station NG27 brauchen.«

»NG27?« Kipling hob die Augenbrauen. »Warum nicht MY59? Der Zoo liegt viel näher.«

Zoo. Wieder eines dieser Worte, die aus dem Nichts aufgetaucht und sich rasend schnell verbreitet hatten. Die Jockeys hassten den Begriff, aber sie hassten ›Jockeys‹ auch. Keinen Menschen interessierte das.

Auckland schloss die äußere Schleuse mit einem Knopfdruck. »Wir fliegen NG27 an.«

»Das hast du schon gesagt.« Arnest machte einen Schritt auf ihn zu. »Wir möchten wissen, weshalb.«

Rin spürte die plötzliche Spannung zwischen ihm und Auckland. »Wir sind Gäste hier«, sagte sie. »Und so werden wir uns auch benehmen, okay?«

Arnests Blick zuckte zu ihr herüber, dann zu seinem Bruder. Auf ihn musste es so wirken, als fiele sie ihm in den Rücken, dabei hatten sie keine Wahl und mussten Aucklands Entscheidung akzeptieren. Er trug das Headset, mit dem er die gesamten Schiffssysteme kontrollieren konnte. Sich mit ihm zu streiten, würde zu nichts führen. Sie waren ihm ausgeliefert.

»Okay.« Arnest wich demonstrativ zurück. »Ich hab nur gehört, dass es eine Menge Haie auf NG27 gibt. Man muss den Ärger ja nicht herausfordern.«

»Das werde ich nicht.« Auckland ging an ihm vorbei den Gang hinunter, in Richtung der Antriebssektion. Er bewegte sich steif, und Rin konnte sehen, dass er Schmerzen hatte. Hoffentlich hat Jourdain seine Wunde gut versorgt, dachte sie. Wenn ihm etwas passiert, haben wir ein Problem.

»Kommt«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Ich will euch etwas zeigen.«

Er ging schneller, vielleicht absichtlich, um ihnen einen Moment Privatsphäre zu verschaffen, den Arnest auch direkt nutzte. »Da stimmt was nicht, Rin. Warum fliegen wir nicht MY59 an, wenn die näher liegt?«

»Laut Wikipedia sind sogar drei Zoos nicht so weit von uns entfernt wie NG27«, sagte Kipling. »Ich versuche gleich mal, mit jemandem von dort zu chatten. Könnte ja sein, dass es auf NG27 etwas Besonderes gibt.«

»Gut.« Rin sah Arnest an. »Wir werden vorsichtig sein, aber dazu gehört auch, dass du Auckland nicht unnötig provozierst.«

»Ich halte es für keine Provokation, nach unserem Ziel zu fragen«, sagte Lanzo.

»Es ist mir egal, zu welchem Zoo wir fliegen. Und wenn wir ein paar Tage länger Zeit zum Nachdenken haben, kommt mir das sogar ganz gelegen.« Rin wandte sich ab und folgte Auckland. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Arnest den Mund öffnete, als wolle er etwas sagen, aber Lanzo ihn mit einer Geste zurückhielt.

Das Thema ist noch nicht durch, dachte sie. Auch sie vertraute Auckland nicht, aber im Gegensatz zu Arnest und Lanzo hatte sie akzeptiert, dass sie von ihm abhängig waren. Solange er sich ihnen gegenüber fair verhielt, würde sie weder versuchen, sein Schiff zu stehlen, noch ihn irgendwie anders zu hintergehen. Sie glaubte, dass Kipling das ähnlich sah, aber bei Lanzo und Arnest war sie sich nicht sicher.

Nein, das war falsch. Sie war sich sicher, dass die Gedanken der beiden nur um die Frage kreisten, wie sie die T.S. Eliot in ihren Besitz bringen konnten. Befehle würden sie nicht davon abhalten, einzig die Erkenntnis, dass das unmöglich war. Rin hoffte, dass Lanzo die Einsicht haben würde, bevor etwas geschah.

Vor ihr duckte sich Auckland unter den Resten des gehärteten Schaums hindurch, der am Vorabend noch den Gang verschlossen hatte. Der Schaum war eine der wenigen Erfindungen, die die Menschheit zur Raumfahrt beigesteuert hatten. Bakterien darin sorgten dafür, dass er sich nach einem erfolgten Druckausgleich selbst zerfraß.

Auckland blieb vor einer Tür in der rechten Seitenwand des Gangs stehen. »Ich habe übrigens den Exploit gepatched«, sagte er, während er die Hände in die Taschen seiner grauen Cargohose steckte. »Die Türen lassen sich jetzt nur noch über einen Barcodeleser oder die Sprachsteuerung öffnen.«

Er zog schmale, stumpfsilbrige Metallringe hervor und warf sie ihnen einzeln zu. Rin fing ihren und drehte ihn zwischen den Fingern. Er war leicht und an der Oberfläche angeraut. »Öffnen die alle Türen?«, fragte sie.

»Natürlich nicht.« Auckland schien zu bemerken, wie hart seine Stimme klang, denn er fügte freundlicher hinzu: »Das wäre zu gefährlich. Einige Bereiche der Eliot sind noch voll mit Toten.«

Sie glaubte nicht, dass das der wahre Grund war, behielt das aber für sich. Zu ihrer Überraschung sagte auch sonst niemand etwas.

Auckland öffnete die Tür und trat in den kurzen Gang dahinter. Er endete vor einer Tür, neben der in großen schwarzen Buchstaben CARGO II stand. »Ich nehme an, dass ihr ursprünglich nach diesem Raum gesucht habt. Die Eliot war voll beladen und auf dem Weg zu den äußeren Kolonien, als es losging. Sie konnte ihre Fracht nicht mehr zustellen.«

Die Tür zog sich mit einem Zischen in die Wand zurück. Rin hielt unwillkürlich die Luft an, als sie sah, was sich hinter dem unscheinbaren Namen CARGO II verbarg. Die Halle, die sie betrat, war drei Stockwerke hoch und größer als die Mishima. Kisten stapelten sich in Regalen, die bis zur Decke reichten und mit Metallgittern gesichert waren. Zwischen ihnen führten breite Gänge hindurch, auf denen Buchstaben und Zahlen standen, die wohl zur Orientierung dienten. Greifarme hingen an langen Schienen von der Decke, aber es gab auch Leitern, die zu den höher gelegenen Regalböden führten. An jedem Regal befand sich ein Bildschirm. Rin konnte nicht einmal annähernd schätzen, wie viele Kisten in dem Raum untergebracht waren, aber es mussten Tausende sein.

»Heilige Scheiße«, sagte Arnest neben ihr leise. »Hier sieht’s aus wie bei Ikea.«

Seine Stimme hallte von den Wänden wider. Kipling ging in die Halle und drehte sich langsam um sich selbst. Dann sah er Auckland an. »Hast du die Bundeslade schon gefunden?«

»Nein, aber vielleicht sollte ich danach suchen.« Auckland lächelte. Er wirkte wie jemand, der einen großen Schatz zu lange allein gehütet hatte und nun froh war, ihn endlich teilen zu können.

»Und all das hast du monatelang vor Piraten und Gangs versteckt?«, fragte Lanzo. Auch er konnte den Blick nicht von den Regalen nehmen. »Kann nicht leicht gewesen sein.«

»Das All ist groß. Ich habe mich von den wichtigsten Handelsrouten ferngehalten, und wenn ich doch einmal jemandem begegnet bin, hab ich behauptet, das Schiff wäre leer.«

»Und das haben sie geglaubt?«

»Sie haben den Waffen geglaubt, die auf sie gerichtet waren.«

Arnest blieb neben dem ersten Regal stehen und steckte die Hand durch das Metallgitter. Seine Finger liebkosten eine der Kisten. »Also wissen nur du und jetzt wir davon, richtig?«

Rin hätte ihn am liebsten geschlagen.

Das Lächeln verschwand aus Aucklands Gesicht. »Sollte ich das als Problem betrachten?«