Homo Sapiens 404 Band 7: Allein in der Dunkelheit - Claudia Kern - E-Book

Homo Sapiens 404 Band 7: Allein in der Dunkelheit E-Book

Claudia Kern

3,0

Beschreibung

Dies ist die siebte Episode der Romanserie "Homo Sapiens 404". Abgeschnitten vom Rest des Universums treibt die T.S. Eliot in einem unbewohnten Sonnensystem. Die Anwesenheit der Jockey Ama'Ru sorgt für Missstimmung an Bord. Doch schon bald tritt dieses Problem in den Hintergrund, denn John Auckland und seine Besatzung sind nicht so allein in dem Sonnensystem wie sie gedacht hatten. Ein fremdes und mysteriöses Schiff lässt sich mit ihnen auf ein Katz-und-Maus-Spiel ein. Ist es ebenso gestrandet wie die Eliot oder steckt mehr hinter der scheinbar zufälligen Begegnung? Über die Serie: Einige Jahrzehnte in der Zukunft: Dank außerirdischer Technologie hat die Menschheit den Sprung zu den Sternen geschafft und das Sonnensystem kolonisiert. Doch die Reise endet in einer Katastrophe. Auf der Erde bricht ein Virus aus, der Menschen in mordgierige Zombies verwandelt. Daraufhin riegeln die Außerirdischen das Sonnensystem ab und überlassen die Menschen dort ihrem Schicksal. Die, die entkommen konnten, werden zu Nomaden in einem ihnen fremden Universum, verachtet und gedemütigt von den Außerirdischen, ohne Ziel, ohne Hoffnung.

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Episode 7

Allein in der Dunkelheit

Claudia Kern

Digitale Originalausgabe

Homo Sapiens 404 wird herausgegeben vom Rohde Verlag

Rohde Verlag, Auf der Heide 43, 53757 Sankt Augustin

Verleger & Redaktion: Markus Rohde

Autorin: Claudia Kern

Lektorat: Susanne Picard

Covermotiv & -gestaltung: Sebastian Lorenz

Copyright © 2013 by Rohde Verlag

ISBN 978-3-95662-019-5

www.claudia-kern.com

www.helden-in-serie.de

www.rohde-verlag.de

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Epilog

Lesetipp des Verlags

Die Autorin

»TFD – Total Fucking Destruction. So nennen diese Idioten im Netz ihren irrsinnigen Feldzug gegen die Jockeys. Aber über wessen totale Vernichtung reden wir hier? Bestimmt nicht die der Jockeys. Klar könnt ihr ein paar Schiffe mit diesem Tool, das ich am liebsten aus dem Online-Gedächtnis der Menschheit löschen würde, in die Luft jagen, aber was dann? Hat denn keiner von euch jemals Risiko gespielt? Was passiert, wenn ihr mit euren zehn Armeen Australien erobert, aber euer Gegner hundert in China stehen hat? Ich sage es euch: Er setzt nach und nach und nach, bis ihr nicht nur Australien verloren habt, sondern alles. Alles, was ihr noch habt. Jedes winzige bisschen. Ihr Vollidioten.«

– Nerdprediger Dan, ASCII-Zeichen für die Ewigkeit

1

»Du Vollidiot!«

Rin fuhr herum, als sich die Fahrstuhltüren öffneten und Kipling herausstolperte. Er trug ein weißes T-Shirt mit einem gezeichneten Pinguin auf der Brust, Boxershorts und war barfuß. Seine V-Specs hielt er in der Hand.

»Vollidiot!«, wiederholte Lanzo. Er trieb Kipling mit groben Stößen vor sich her. »Du warst das, richtig?«

Er zeigte auf die Bildschirmwand, die die gesamte Front der Brücke einnahm. Ein YouTube-Video hing dort, eingefroren und verschwommen. Es zeigte ein Raumschiff, das von Explosionen zerrissen wurde. Der Titel des Videos lautete: Tasha’s Tool in Action – Total Fucking Destruction!!!

Kipling wich dem nächsten Stoß aus und brachte einige Meter zwischen sich und Lanzo. Sein Blick glitt kurz zu den Bildschirmen, dann senkte er den Kopf, so als schäme er sich für das, was er dort sah. Rin fiel auf, wie blass er war.

»Ja«, sagte er und hob abwehrend die Hände, als Lanzo nachsetzen wollte. »Ich war das.«

»Warum?«, fragte Rin, obwohl sie sich die Antwort bereits denken konnte.

»Es ist nicht so, wie ihr denkt.« Kipling fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht, bemerkte die V-Specs, die zwischen seinen Fingern hingen und setzte sie auf. Seine Augen waren hinter den leicht getönten Gläsern schlecht zu erkennen. »Ich wollte nicht, dass jemand stirbt.«

Lanzo öffnete den Mund, aber Rin bat ihn mit einem kurzen Kopfschütteln, sich nicht einzumischen. Zu ihrer Überraschung schloss er den Mund wieder.

»Tasha…« Kipling zögerte und suchte nach den richtigen Worten. »Tasha hat versucht, unsere Menschenrechte zu verteidigen, deshalb hat sie sich dem Aufstand auf NG27 angeschlossen. Das Tool …« Er zeigte auf die Bildschirme, ohne hinzusehen. »… sollte die Fortsetzung dieses Aufstandes sein. Ziviler Ungehorsam auf Knopfdruck. Ich wollte den Jockeys klarmachen, dass wir uns nicht alles gefallen lassen. Dass wir ihnen das Leben schwer machen können, wenn wir das wollen.«

»Das ist dir allerdings gelungen.«

Rin sah auf, als sie Aucklands Stimme hörte. Er ging bereits die Treppe hinunter, die von der Galerie, auf der sich seine Kabine befand, hinunter zur Brücke führte. Die verletzte Hand hatte er in die Jackentasche geschoben. Er war vollständig angezogen und wirkte nicht so, als hätte er geschlafen.

»Du weißt Bescheid?«, fragte Lanzo.

Auckland nickte. Er sah Kipling an, aber sein Gesichtsausdruck war so neutral, dass Rin nicht erkennen konnte, was er dachte. »Weißt du bereits, wie viele Schiffe zerstört worden sind?«

»Nein. Die Leute geben zwar damit an, dass sie Jockey-Schiffe in die Luft jagen, aber wer weiß, was davon wahr ist.« Kipling rieb die Fingerspitzen aneinander. Sein Blick zuckte. »Das Tool wird immer noch runtergeladen. Es ist überall. Ich glaube nicht, dass die Jockeys schon einen Patch dafür haben. Sie kapieren wahrscheinlich überhaupt nicht, was los ist.«

»Der Angriff läuft also immer noch«, sagte Rin.

»Er geht gerade erst richtig los.« Kipling lehnte sich an eine der dunklen Konsolen, stieß sich aber sofort wieder ab. Er schien nicht stillstehen zu können. »Und ich kann ihn nicht stoppen.«

Es wurde still auf der Brücke. Irgendwo knackte etwas. Rin dachte an die Videos und Bilder, die sie gesehen hatte. Lachende Menschen, meistens Jugendliche, die Selfies aufnahmen, während im Hintergrund Schiffe brannten. Sie verhöhnten die Jockeys, zeigten offen ihre Gesichter und posteten unter ihren normalen Usernamen, so als rechneten sie nicht mit Konsequenzen.

Nein, dachte Rin im nächsten Moment. Die Konsequenzen sind ihnen nur egal.

Die Menschen waren zum Mob geworden. Nach Monaten der Hilflosigkeit, der Unterdrückung und der Demütigung hatte ihnen jemand – Kipling – eine geladene Waffe in die Hand gelegt. Und die würden sie so lange abfeuern, bis die Munition verbraucht war oder sie selbst starben. Warum auch nicht? Wenige hatten so viel zu verlieren wie Rin. Während sie auf einem gewaltigen, gut beheizten Schiff mit genügend Nahrung für die nächsten Jahre lebte, hausten die meisten in Dreckslöchern. Tasha’s Tool gab ihnen nicht nur Macht über Leben und Tod, es gab ihnen die Hoffnung auf einen ruhmreichen Untergang. Besser, mit einer Million Likes im Plasmafeuer der Jockeys zu verbrennen als allein und namenlos zu verrecken.

Lanzos Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Du bist für die größte Katastrophe seit Omega verantwortlich, Kipling«, sagte er. Seine Stimme klang gepresst. »Was auch immer jetzt passiert–«

Rin unterbrach ihn, bevor er weiterreden konnte. »… ist ebenso wenig seine Schuld wie deine. Niemand wird gezwungen, das Tool zu benutzen. Es spricht die Verletzten an, die Verzweifelten und die Hilflosen, aber sie haben trotzdem ein Gehirn. Es liegt an ihnen, ob sie es zum Denken einsetzen oder nicht.«

Lanzo schien widersprechen zu wollen, aber das Zischen der Fahrstuhltüren unterbrach ihn. Arnest betrat mit langen Schritten die Brücke. Er hielt ein Pad hoch, dessen Display so verschmiert und zerkratzt war, dass Rin sich fragte, ob er überhaupt etwas darauf erkennen konnte.

»Seht euch mal diese geile Scheiße an!« Er grinste. »Da hat einer was programmiert, mit dem man Jockey-Schiffe abschießen kann. Ich hab schon Blasen an den Fingern, so oft haue ich auf den Button.«

Kipling starrte ihn an. Lanzo rieb sich mit den Fingern über die Schläfe, so als habe er Kopfschmerzen. »Lass das bitte«, sagte er mühsam gefasst.

»Warum?«

»Weil du nicht weißt, was du damit auslöst.«

Arnest zuckte mit den Schultern und ließ sich in einen der Sitze fallen. »Mir doch egal. Heute ist Party. Um den Kater kümmere ich mich morgen.« Er bemerkte das eingefrorene Video auf den Bildschirmen. »Lasst das mal weiterlaufen. Sieht so riesengroß bestimmt geil aus.«

Rin beugte sich zur Seite und schloss das Browserfenster mit einem Druck auf den Touchscreen an ihrer Pilotenkonsole.

»Was soll denn die Scheiße jetzt?« Arnest klang ungehalten. »Da hat man mal die Chance, den Jockeys so richtig in die Eier zu treten und ihr steht hier nur blöd rum und macht nichts. Kaper diem, wie sie in diesem alten, kacklangweiligen Film sagen. Kaper diem.«

Niemand antwortete darauf. Selbst Lanzo korrigierte seinen Bruder nicht. Auckland räusperte sich nach einem Moment und sah Kipling an. »Weiß irgendjemand außerhalb der Eliot, woher das Tool stammt?«

»Ja.«

»Wer?«

Kipling schob die Hände tief in die Hosentaschen. Rin sah seinen Gesichtsausdruck und wusste, dass die Antwort ihr nicht gefallen würde.

»Ein Typ namens DetroitKid. Er hat mir bei der Programmierung geholfen.« Kipling machte eine kurze Pause. Sein Adamsapfel hüpfte. »Es wäre möglich … also ich bin mir nicht sicher … aber es könnte sein, dass er ein Jockey ist.«

Scheiße, dachte Rin.

Lanzo stöhnte so tief, dass es wie ein Knurren klang. Auckland schloss einen Moment lang die Augen. Als er sie wieder öffnete, sagte er: »Wir springen, Rin. Sofort. Drei Sprünge. Mir ist egal, wohin, so lange es am Ziel keine Jockeys gibt.«

Rin nickte und schwang mit dem Sitz herum. Ihre Finger flogen über den Touchscreen und programmierten den Kurs ein. Sie waren erst wenige Stunden zuvor gesprungen, als sie die Destination Moon und ihre Flotte verlassen hatten, aber ein so großes Schiff wie die T.S. Eliot verfügte über Energiereserven, die für mehrere Sprünge, auch kurz hintereinander, reichten.

Auckland ging zum Fahrstuhl. »Ich werde mit Ama’Ru reden. Sie muss die Wahrheit erfahren.«

Lanzo drehte sich zu ihm um. »Hältst du das wirklich für eine gute Idee?«

»Sie ist nicht blöd. Wenn sie liest, dass das Programm, das dieses Chaos anrichtet, Tasha’s Tool heißt, wird sie sich den Rest denken. Es ist besser, wenn sie es von mir hört.«

Die Fahrstuhltüren schlossen sich hinter ihm. Aus den Augenwinkeln bemerkte Rin, dass Arnest einen nach dem anderen ansah. Auf seiner Stirn bildete sich eine steile Falte. Er dachte nach. Schließlich blieb sein Blick an Kipling hängen. »Du hast das programmiert? Wirklich?«

Als Kipling das Gesicht verzog, grinste er. »Ich verarsch dich nie wieder.«

Er hob die Hand, so als wolle er, dass Kipling abklatschte, aber der schüttelte nur den Kopf. »Das war der größte Fehler meines Lebens, Arnest. Mein ›Kirk springt in den Wächter der Ewigkeit‹-Moment. Ich habe uns damit vielleicht alle zum Tode verurteilt.«

Arnest ließ die Hand sinken und winkte ab. »Ach Quatsch, wir kommen schon klar.«

In diesem Moment wünschte sich Rin nichts sehnlicher, als die Welt so sehen zu können wie er. Sie wischte über den Touchscreen. »Erster Sprung in neun, acht, sieben …«

2

Der Boden vibrierte unter seinen Füßen. Auckland blieb stehen und lauschte auf das dumpfe Dröhnen des Bubble-Antriebs. Das Schiff schien tief Luft zu holen, seine Lungen vor dem Sprung zu füllen. Dann stieß es sie aus und einen Sekundenbruchteil fühlte es sich für Auckland an, als habe das Schiff einen Schritt zur Seite getan und nur er sei stehen geblieben. Es war desorientierend, beinahe schwindelerregend. Er blinzelte und fuhr sich mit der unverletzten Hand über das Gesicht. Die andere pochte im Rhythmus seines Herzschlags.

Er zog seine Jacke aus, bevor er an die Tür von Ama’Rus Kabine klopfte. Der Öffner summte, dann fuhr die Tür zischend zurück. Obwohl Auckland sich auf die Hitze, die in der Kabine herrschte, vorbereitet hatte, prallte er von ihr ab wie von einer Wand. Sie brannte auf seinem Gesicht und in seiner Kehle. Seine Augen brauchten einen Moment, um sich an das Halbdunkel zu gewöhnen. Ama’Ru hatte alle Möbel entfernt und die meisten Lichtquellen. Der Boden war knöcheltief mit zerrissenem Papier, größtenteils Seiten aus Zeitschriften und Lieferscheinen, bedeckt. Es raschelte, als Auckland eintrat.

»Möchtest du lieber an einem anderen Ort sprechen?«, fragte sie. Die Gottesanbeterin stand vorgebeugt in einer Ecke auf der gegenüberliegenden Seite der Tür. Ein Haufen Papier, zusammengekehrt wie altes Laub, befand sich vor ihr. Sie drehte Auckland den Rücken zu, aber Ama’Ru sah ihn an. Ihre Stimme faszinierte ihn immer wieder aufs Neue. Die Worte schienen aus ihrem Mund zu fließen, so klar und rein wie Wasser aus einer Quelle.

»Nein«, sagte er und schloss die Tür hinter sich. Der Raum roch nach Stroh und ein wenig salzig. Es war der Geruch der Gottesanbeterin. »Weißt du, was passiert ist?«

»Ja.«

Er erwartete, dass sie noch etwas hinzufügen würde, aber sie betrachtete ihn nur aus ihren runden, großen Augen. Die Mandibeln der Gottesanbeterin öffneten und schlossen sich unaufhörlich. Bei jeder Bewegung knisterte etwas.

»Kipling hat das Tool programmiert«, fuhr Auckland fort, als sich das Schweigen in die Länge zog. »Er hat nicht geahnt, was damit passieren würde. Ich wollte, dass du das weißt.«

Sie nickte, eine unbeholfene, offensichtlich von Menschen kopierte Geste. »Ich weiß das. Danke.«

Es klang wie ein Rauswurf. Auckland blieb stehen. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, aber er wischte sie nicht weg. Außer dem Knistern und dem leisen Schaben der Mandibeln war es still in der Kabine.

»Sie baut ein Nest«, sagte Ama’Ru nach einer Weile, »aus Papier und ihrem Speichel. Das beruhigt sie.«

Er verstand nicht, was sie mit dem Themenwechsel bezweckte, beschloss jedoch, mitzuspielen. »Wieso muss sie sich beruhigen?«

»Weil du in der Nähe bist. Sie hat Angst vor dir, John.«

Zumindest das war nachvollziehbar, schließlich hatte er nur wenige Tage zuvor eine Waffe auf ihren Kopf gerichtet.

»Das tut mir leid.« Er meinte es ernst.

»Ich versuche ihr zu erklären, dass sie keine Angst haben muss, dass du uns nicht mehr umbringen willst, aber ich weiß nicht, ob sie mir das glaubt. Sie kann mir das doch glauben, oder?«

Er dachte an die Nachricht, die er geschickt hatte und an die Antwort, die zurückgekommen war. Einwand unerheblich. Mission fortsetzen. – Brown.

»Sie kann dir das glauben«, log er.

»Das freut uns beide.«