Hongkong Affairs - Sophie Leclair - E-Book
SONDERANGEBOT

Hongkong Affairs E-Book

Sophie Leclair

0,0
4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Gefährliche Begierde und ein heißes Spiel mit dem Feuer: Der sinnliche Liebesroman „Hongkong Affairs“ von Sophie Leclair jetzt als eBook bei dotbooks. In geheimer Mission soll Brooke für ihren Londoner Arbeitgeber nach Hongkong fliegen und den Banker Liu ausspionieren. Doch Brooke kann der betörenden Anziehungskraft des erfolgreichen Managers nicht lange widerstehen und stürzt sich in eine heiße Affäre. Aus leidenschaftlichem Sex wird ein gefährliches Spiel, in dem sich Brooke zunehmend ausgeliefert fühlt. Sie ahnt nicht, dass Liu sie längst durchschaut hat und nun seine ganz eigenen Pläne mit der schönen Britin verfolgt … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der prickelnde Urlaubsroman „Hongkong Affairs“ von Sophie Leclair wird Fans von Audrey Carlan und Sandra Henke begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 645

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

In geheimer Mission soll die Engländerin Brooke für ihren Arbeitgeber nach Hongkong fliegen und den Banker Liu ausspionieren. Doch Brooke kann der betörenden Anziehungskraft des erfolgreichen Managers nicht lange widerstehen und stürzt sich in eine heiße Affäre. Aus leidenschaftlichem Sex wird ein gefährliches Spiel, in dem sich Brooke zunehmend ausgeliefert fühlt. Sie ahnt nicht, dass Liu sie längst durchschaut hat und nun seine ganz eigenen Pläne mit der schönen Britin verfolgt …

Über die Autorin:

Sophie Leclair, gebürtige Österreicherin mit südfranzösischen Wurzeln, wuchs in Wien auf und studierte dort Romanistik. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in der Nähe von München und unterrichtet an der Universität. Neben dem Schreiben entdeckte Sophie Leclair das Reisen als große Leidenschaft, weshalb ihre Romane auch in exotischen fernen Ländern spielen.

Sophie Leclair veröffentlichte außerdem die Erotischen Romane Kairo Amour und Mumbai Liaison.

***

Neuausgabe November 2016

Dieses Buch erschien bereits 2007 unter dem Titel Unter dem Jademond bei MIRA® TASCHENBÜCHER erschienen in der Cora Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Copyright © der Originalausgabe 2007 MIRA® TASCHENBÜCHER

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/conrado (Paar), Iakov Kalinin (Hongkong)

E-Book-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-524-2

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weiteren Lesestoff aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort Hongkong Affairs an: [email protected]

Gerne informieren wir Sie über unsere aktuellen Neuerscheinungen und attraktive Preisaktionen – melden Sie sich einfach für unseren Newsletter an: http://www.dotbooks.de/newsletter.html

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

www.twitter.com/dotbooks_verlag

http://instagram.com/dotbooks

http://blog.dotbooks.de/

Sophie Leclair

Hongkong Affairs

Erotischer Roman

dotbooks.

1. Kapitel

Die Rothaarige war zum Anbeißen. Wenn sie sich bückte, in ihrem engen, knielangen Rock, sah das unheimlich sexy aus. Wie gerade jetzt. Sie bemühte sich um Brookes Nachbarn zur Linken, einen blassen Spießer, und streckte Brooke dabei den knackigen kleinen Hintern in Höhe der Augen entgegen. In Höhe sämtlicher Sinnesorgane. Wenn sie noch einen halben Schritt zurückwich, würden sie einander auf erfreuliche Weise näherkommen. Aber vermutlich befand sich Brooke ohnehin schon im Dunstkreis ihrer Pheromone. Das konnte in Flugzeuggängen durchaus vorkommen, auch first class bei British Airways. Menschen mit Berührungsängsten sollten definitiv ein anderes Transportmittel wählen. Einen Fischkutter etwa, dann würde sich das Problem von allein erledigen.

Es wurde eng. Richtig eng.

Dann rauschte die Rothaarige wieder ab. Nun ja, der blasse Typ, ein vom Leben besonders Enttäuschter, dessen Brille mit Goldrand nicht einmal verrutscht war, hatte es bestimmt nötiger als sie. Ihr selber wären die knackigen Pobacken eines Kerls ohnehin lieber, seufzte Brooke und widmete sich wieder ihren Unterlagen.

***

»Liu Hannigan Li. Mutter Engländerin, alte Kolonialfamilie, Vater Hongkongchinese«, las sie. Das klang nach verstaubter britischer Empire-Romantik, nach träge rotierenden Deckenventilatoren in der schwülen, gingeschwängerten Luft abgedunkelter Räume, nach vorbeiknatternden schwarzen Taxis und weiß gekleideten Männern mit langen Zigarren. Brooke schloss die Augen und ließ das Blatt sinken.

»Haben Sie noch einen Wunsch, Miss Gardner?«

Das Lächeln der rothaarigen Stewardess war professionell, aber nicht ehrlich. Und so würde es wohl auch in den kommenden Wochen und Monaten sein, im Land des Lächelns. Auf beiden Seiten. Dabei hasste sie Heuchelei. Genau genommen Falschheit und Feigheit. Und dennoch. Sie hatte den Auftrag angenommen. Sie würde Liu Hannigan Li bespitzeln.

Nickend bedeutete sie der Stewardess, dass sie das Speisetablett abräumen könne. Immerhin first class. Es hätte schlimmer kommen können.

Wie jenseits der Trennwand etwa. Die graue Wand separierte Welten. Dahinter waren in Sardinendosenmanier neun Sitze in eine Reihe gepresst – ihr eigener Sitz dagegen, ausladend wie ein Fauteuil, war einer von lediglich vieren.

Im vollen Bewusstsein dieses räumlichen Luxus machte sie es sich gemütlich und warf einen erneuten Blick in die Unterlagen. Jane hatte ihr die wichtigsten Daten über Hongkong, den dortigen Ableger ihrer Bank, den Kontaktmann William Cohen sowie den Geschäftsführer zusammengestellt. Unregelmäßigkeiten bei der Wertpapierabwicklung waren ihr einziger Anhaltspunkt. In den wenigen Tagen vor ihrer hektischen Abreise – die Blumen unterzubringen, war kein Problem gewesen, aber ihrer launischen Katze wollte sich niemand annehmen – hatte sie keine Zeit gefunden, sich mit allen Einzelheiten des Falls vertraut zu machen. Hongkong. Allein der Name klang verlockend. Nein, nicht verlockend, sondern abenteuerlich. Das hier war keine nächtliche Bootsfahrt auf dem Loch Ness, kein Surfen um Mitternacht im Atlantik. Diese Reise versprach Erlebnisse einer anderen Größenordnung. Woher die plötzliche Abenteuerlust kam, konnte sie sich nicht erklären. Nie wäre ihr bis dahin in den Sinn gekommen, die Geschäfte eines Bankdirektors auszuspionieren. Noch dazu in Fernost!

China. Seufzend steckte sie sich eine goldbraune Locke hinters Ohr. Gestern hatte sie sich beim Friseur noch zwei Stunden lang für ihre goldenen Strähnchen quälen lassen ... Das Land des Lächelns, wenn auch Hongkong eine Welt für sich war: schnell, laut und überfüllt. Gut, sie lebte in London, einer Metropole am Puls der Zeit. Darüber hinaus war sie, abgesehen von Urlauben in Frankreich und Spanien, noch nicht großartig herumgekommen. Jedenfalls nicht nach Asien. Wie gut, dass jeder dort Englisch sprach. »Hongkong«, las sie und gähnte, »bezeichnet die Sonderverwaltungszone an der Südküste der Volksrepublik China und bedeutet »Duftender Hafen«.«

Die gute Jane. Sie hätte sie gerne mitgenommen.

Ihr Blick streifte ihre Armbanduhr. Noch neun lange Stunden, bis sie auf dem neuen Flughafen »Chek Lap Kok« landen würden! Langsam sollte sie ihre Uhr vorstellen, Hongkong lag in der Zeitzone UTC, 8, das hatte Jane am Rand mit Rotstift vermerkt. Demnach war es dort noch nicht einmal Mitternacht. Dennoch. Sie sollte versuchen zu schlafen, denn der Flieger landete frühmorgens, und sie hatte einen anstrengenden Tag vor sich. Sie sah sich um. Erst wenige Passagiere hatten es sich auf den geräumigen Fauteuils bequem gemacht, die meisten lasen oder sahen fern. Jetzt hätte sie sich gerne die Füße vertreten, ein Fenster ihres netten Zweizimmerapartments geöffnet und ihren Blick über die alten Dächer der Prince Jacob Street schweifen lassen. Stattdessen streckte sie die Beine von sich, rollte die Schultern und ließ den Kopf kreisen. Gähnend suchte sie sich eine gemütlichere Position und nahm dann Janes Informationen wieder zur Hand. Vielleicht half ein Tee. Ja, ein Tee wäre jetzt fein.

Zwei Sitzreihen hinter ihr kümmerten sich die beiden Flugbegleiterinnen hingebungsvoll um zwei Manager in Armani-Montur, was diese in ihrem gockelhaften Verhalten noch zu bestärken schien. Offensichtlich waren sie die pflegeintensivsten Fluggäste, da die vielversprechend lächelnde Rothaarige die meiste Zeit mit ihnen beschäftigt war. Brooke reckte sich und machte sich mit einem Hüsteln bemerkbar. Die beiden Damen aber blieben dem gegenüber erstaunlich unbeeindruckt. Manchmal kam man ja mit Schmeicheleien weiter. Hier nicht. Erst als sie ein übergeschlagenes Bein in provozierender Weise in den Gang pendeln ließ, just als die Rothaarige an ihr vorbeieilen wollte, konnte sie deren Aufmerksamkeit lange genug fesseln, um den Tee zu ordern.

Mit einem Lächeln wurde ihr ein »Oolong« serviert, vermutlich gedacht als stilechte Einstimmung auf das Reich der Mitte. Brooke vertiefte sich wieder in ihre Unterlagen. Das an der Mündung des Perlflusses auf einer Halbinsel und über zweihundert Inseln verstreut gelegene Territorium war bis vor sieben Jahren britische Kronkolonie gewesen und vertragsgemäß am 1. Juli 1997 an China zurückgegeben worden ... Brooke blätterte weiter bis zu dem etwas unscharfen Schwarz-Weiß-Foto des Geschäftsführers. Darunter stand: »Oliver Liu Hannigan Li«, und daneben, in fetten Lettern: »hochintelligent, ungeheures Charisma, höchst gefährlich«. Brooke lächelte. Gefährlich sah er auf dem Foto nicht aus. Aber exotisch. Obwohl... da war etwas in den dunklen, von geraden Brauen beschatteten, leicht asiatisch geschnittenen Augen und um den breiten vollen Mund. Etwas Exzentrisches, das ihm Charakter verlieh. Bilder diverser Eroberer kamen ihr in den Sinn, aus dem antiken Griechenland oder dem alten Rom, sie konnte es nicht sagen. Jedenfalls hatte dort jener leichte Hauch von Wahn so manchem Kandidaten zum Sieg verholfen ... Was war los, träumte sie? Hannigan war doch nur ein Banker. Und es war noch nicht einmal bewiesen, dass er in die eigene Tasche wirtschaftete. Schließlich sollte sie genau das ja erst herausfinden.

Ansonsten gab es über den Geschäftsführer nur spärliche Informationen. Neununddreißig Jahre alt, Erlangung des »Master of Laws« an der »University of Cambridge« in London, mit der Spezialisierung »Internationales Banken- und Finanzrecht«, dann ein Volkswirtschaftsstudium an der »Chinese University of Hong Kong«.

Sie selbst hatte vor acht Jahren ihren Master im Finanzwesen an der »London School of Economics and Political Science« absolviert. Ein exzellentes Abgangszeugnis sowie der glückliche Zufall eines plötzlichen Auslandsaufenthaltes eines Kollegen hatten sie wenig später zur »British Trade Bank« geführt. Nun allerdings bewarb sie sich für die ausgeschriebene Stelle einer Buchhalterin in Hannigans Bank, der Tochter der »BTB«-Zentrale in London, für die sie zwar als erfolgreiche Finanzexpertin überqualifiziert war, durch die sie aber Einblick in die Bilanzen erhalten sollte – sofern es ihr gelang, in die Abteilungen »Wertpapierverwaltung«, »Private Banking« oder »Innenrevision« vorzudringen. Sorgfältig gefälschte Zeugnisse anderer Banken hatten sie wärmstens empfohlen und eine persönliche Vorsprache ermöglicht. In wenigen Stunden, um zwölf Uhr mittags, würde sie ihm, Hannigan, gegenüberstehen.

Brooke ließ das Blatt sinken und sah sich nach einer der Stewardessen um. Die Rothaarige saß vor dem Eingang zu ihrer Kabine. Das Interesse der Armani-Kleiderständer an weiteren Nettigkeiten war inzwischen erloschen, und in der Kabine hatte sich eine allgemeine Müdigkeit breitgemacht – der auch die beiden Hübschen entgegen den Vorschriften und, wie sie meinten, unbemerkt nachgaben. Offensichtlich schob die Rothaarige die erste Wache. Ihrem teilnahmslosen Gesicht nach zu urteilen, war die Frau entweder noch dümmer, als Brooke gedacht hatte, oder sie schlief mit offenen Augen. Möglicherweise erlernte man das in diesem Beruf zwangsläufig. Als Brooke läutete, kam die Kollegin der Rothaarigen und holte das Teegeschirr ab. Brooke blickte in gerötete Augen und hätte sich beinahe für die Ruhestörung entschuldigt. Entschlossen packte sie ihre Unterlagen in ihre Bordtasche und machte es sich unter einer flauschigen Decke bequem. Bevor sie wegdämmerte, sah sie im Geiste Jimmy winkend hinter der Absperrung der Gepäckkontrolle stehen. Er hatte sie nach Heathrow gefahren, denn sie waren auch nach ihrer Trennung noch Freunde geblieben, obwohl oder gerade weil ihre Beziehung nur so kurz gedauert hatte. Jimmy. Zu wenig Sex, obwohl er herrlich gebaut war. Dafür durchdiskutierte Nächte, Greenpeace-Nachmittage und Selbstfindungs-Wochenenden zuhauf. Nichts, was sie wirklich vermisste.

***

Eine kühle Brise zerzauste Brookes frisch gesträhnte Mähne, als sie die Gangway zum wartenden Bus hinunterstieg. Sie war nicht zimperlich. Auf allen Gangways der Welt fuhr der Wind erbarmungslos in Kleider und Frisur. Hier, so nahe am Wasser, allerdings noch mehr. Das machte ihr Hongkong nicht sympathischer, denn sie hasste Wind. Für ein paar Augenblicke entschädigte sie die grandiose Aussicht über die im Meer künstlich aufgeschüttete Insel Chek Lap Kok, nach der man auch den Flughafen benannt hatte. Brooke blinzelte in die tief stehende Sonne. Deren erste Strahlen vergoldeten die Flügel der Boeing und ließen hinter der grauen Ebene aus Stein und Beton die blaue See im Morgenlicht glitzern.

Rundum Wasser und in der Ferne dunkle Hügelketten. Einer der wichtigsten Flughäfen Asiens war gänzlich vom Südchinesischen Meer umgeben und nur durch zwei Brücken mit dem nördlichen Ende der Insel Lantau verbunden. Dessen ungeachtet war Chek Lap Kok in diesem Jahr erneut zum besten Flughafen der Welt gekürt worden. Das hatte sie vor der Landung im Flugmagazin gelesen.

Auf dem Weg zum Gepäckförderband kramte Brooke nach der Adresse ihres Hotels. »Badminton Hotel, Reverend Cooper Street«. Beim Blick in den ebenfalls von Jane besorgten Stadtplan hatte sie mit Erleichterung festgestellt, dass das Hotel im Süden von Hongkong Island und damit nicht allzu weit von ihrer zukünftigen Arbeitsstätte entfernt lag. Das war eine ihrer Bedingungen gewesen. Die andere war, dass sie nicht in einem der neu erbauten Wolkenkratzerviertel wohnen wollte, die sie auf Bildern im Internet gesehen hatte. Sie kannte die überfüllten japanischen U-Bahnen aus den Medien, und obwohl es sich hier eindeutig nicht um das Land der aufgehenden Sonne handelte, stellte sie bei der Lektüre ihres Reiseführers immer wieder Parallelen fest. Vor allem, was die fortgeschrittene Informations- und Telekommunikations-Infrastruktur und das solide Bankensystem betraf. Sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht.

Während sie einen Hongkongtouristen zur Seite drängte, um an das Förderband zu gelangen, überlegte sie, dass sich die »BTB«-Filiale in Victoria City befand, dem Finanz-, Geschäfts- und Kulturzentrum der Stadt, das sich im Nordwesten der Insel Hongkong Island erstreckte. Sie hatte Glück, immerhin war es dieselbe Insel. Bei mehr als zweihundert möglichen war das keine Selbstverständlichkeit.

Mit den Koffern hatte sie weniger Glück. Schon ertappte sie sich dabei, wie ihre Augen zu Schlitzen verengt das Förderband hypnotisierten, während eine Gucci-Schuhspitze auf den makellos sauberen Granitstein tippte. Doch es war wie immer: Kaum, dass sie mit sich zu hadern begann, warum sie dies oder jenes nicht mit in die Bordtasche gepackt hatte – für den Fall, dass ihre Koffer aus Versehen auf den Fidschi-Inseln strandeten –, näherten sich ihr die vertrauten, mit leuchtend gelben Streifen gekennzeichneten Gepäckstücke einsam auf dem Förderband.

Schließlich gelang es ihr, mit Schalenkoffer und Trolley im Schlepptau als eine der Letzten den Zoll zu durchqueren. William Cohen sollte sie abholen. Er war von ihrem Chef John Goodman als Kontaktmann ausgesucht worden, ein höherer Angestellter der »BTB«-Filiale im Bereich »Private Banking«, in dem Anlagegeschäfte mit hohem Umsatz getätigt wurden. Einmal hatten sie kurz über Handy miteinander telefoniert, wobei es um ihre Bewerbung ging. Der Prokurist klang nett und völlig ahnungslos. Niemand in Hongkong ahnte etwas. Ein diabolisches Lächeln umspielte Brookes Lippen. Das Abenteuer konnte beginnen.

***

Inmitten einer Vielzahl von Schildern entdeckte Brooke eine Tafel mit der Aufschrift »BTB«. Der dazugehörige Mann war Mitte dreißig, hatte einen auffallend langen Hals mit hervortretendem Adamsapfel und ein schmales Gesicht, sodass ihm der ebenfalls schmale dunkle Schnurrbart fast von einem Ohr bis zum anderen reichte. Seine hellen blauen Augen, die Brooke ein wenig an Jimmys melancholischen Blick erinnerten, wanderten von einem Passagier zum nächsten, auf der verzweifelten Suche nach der zukünftigen Buchhalterin aus der London-Maschine.

Entschlossen trat Brooke nun auf ihn zu. »Mr. Cohen? Hallo! «

»Oh, hallo, Miss Gardner! «Sofort wich sein besorgter Ausdruck, und ein sympathisches Lächeln umspielte die schmalen Lippen. Seine Überraschung konnte er dennoch nicht verbergen. »Hatten Sie einen angenehmen Flug?« Wie selbstverständlich griff Cohen nach dem Schalenkoffer und nickte in Richtung Ausgang. Er war hochgewachsen und etwa einen halben Kopf größer als sie, aber das machte bei einem Mann selbst im Land des Lächelns nichts aus. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass sie mit ihrer Größe in jedem asiatischen Land auffallen würde.

»Ja, danke. Es war nett von Ihnen, mir ein First-Class-Ticket zu besorgen.« Sie folgte ihm und meinte in seinem Rücken, der an den Schultern breit und knochig war, etwas lauter: »Spricht für die Bank.«

»Alles spricht für die Bank und wenig für die schlitzäugige Spaßgesellschaft hier.« Er lachte, aber Brooke fand es im Grunde nicht komisch.

»Ich wusste nicht, dass in Hongkong viel gelacht wird. Mag sein, dass mich mein Eindruck von der Geschäftswelt hier getäuscht hat.«

»Es war auch nur ironisch gemeint, Miss Gardner.« Cohen deutete zu einem Hinweisschild der »Mass Transit Railway« und schlug die Richtung zur Station der Hongkonger U-Bahn ein. »Die Hongkongchinesen nehmen ihre Geschäfte durchaus ernst. Genau genommen verstehen sie sogar sehr wenig Spaß. Ich hoffe«, er warf ihr von der Seite einen abschätzenden Blick zu, »Sie kommen nie in die heikle Situation, das am eigenen Leib festzustellen.«

Ein kleiner Schauer, ein kurzes Frösteln, dann hatte sie wieder alles unter Kontrolle. Wusste sie wirklich, worauf sie sich da eingelassen hatte?

Eine halbe Stunde später verließen sie den Airport-Express an der Station Central auf der Nachbarinsel Hongkong Island, der zweitgrößten der insgesamt zweihundertfünfunddreißig Inseln.

»Jetzt nehmen wir am besten ein Taxi«, erklärte Cohen, ganz in der Pose des Fremdenführers, den Brooke ihm sofort abgenommen hätte. Der legere graue Blazer über blauweiß gestreiftem Hemd und grauer Hose wäre sogar für den Touristenanimateur eines Luxusliners noch durchgegangen. In Londons Bankenwelt dagegen würde nur ein Prokurist ohne große Karriereabsichten auf den stilsicheren Anzug verzichten. »Und zwar ein rotes. Die grünen Taxis bedienen nur die New Territories auf der Halbinsel im Norden und die blauen alle Fahrziele auf Lantan, der Nachbarinsel im Westen.«

Zum ersten Mal betrat Brooke die Stadt wirklich. Wären da nicht die viel zahlreicheren und oft übergroßen Reklameschilder mit chinesischen Schriftzeichen darauf gewesen, hätte es auch irgendein Viertel von London sein können. Allerdings war die U-Bahn hier sauberer und besser klimatisiert als die in London. Und es zogen hier endlose Kolonnen von Bussen vorüber, in allen Farben und Größen, von Doppeldeckern bis hin zu Minibussen.

Cohen bedeutete ihr, ihm die Straße ein Stück abwärts zu folgen. Zu einem doppelstöckigen Bus nickend meinte er: »Sie sind neben der U-Bahn das wichtigste Transportmittel in Hongkong, mit ihnen erreicht man die entlegensten Winkel der Stadt.« Er lachte. »Ungeachtet des täglich kollabierenden Straßenverkehrs.«

»Wirklich?« Zwischen Bussen und Lieferwagen sah sie nur wenige Limousinen. Dabei war es kurz vor acht und offensichtlich Rushhour in Hongkong. »In London sind eindeutig mehr Privatfahrzeuge unterwegs«, entschied sie und schob ihr Kinn vor. Schließlich kam sie nicht aus irgendeinem Nest in der Provinz.

Cohen schüttelte den Kopf. »Es gibt Hartgesottene hier, die versuchen es dennoch mit dem eigenen Wagen. Täglich.« Er winkte einem freien Taxi und packte den Schalenkoffer. »Die Minibusse haben übrigens außer den Endhaltestellen keine festgelegten Stationen, sondern halten überall auf Handzeichen.«

Brooke folgte ihm zu dem roten Taxi, das ein paar Autolängen weiter angehalten hatte. »Wie lange leben Sie denn schon hier, Mr. Cohen?« Sie hatte keine Ahnung, wie er sich als Prokurist machte. John Goodman hatte sich außer der Bemerkung, er sei »ein verlässlicher Mann«, nicht über seine beruflichen Qualitäten geäußert, aber als Fremdenführer machte er keine schlechte Figur. Jedenfalls schien er aufmerksam zu sein, und in seinem tweedigen, leicht abgetakelten Aufzug sah er sogar ganz gut aus. Kein typischer Banker. Sie flog ohnehin nicht auf dieses manikürte Aussehen typischer britischer Businessmen.

»Zu lange, Miss Gardner, zu lange.« Er lachte und schob sie vor sich in den Wagen.

Das »Badminton Hotel« lag in einer ruhigen Straße in Aberdeen, dem südlichen Bezirk von Hongkong Island, direkt an einem Park. Es machte schon von außen einen schmucklosen Eindruck und hatte weder eine pompöse Auffahrt zu bieten noch livrierte Portiers, die den Wagenschlag aufrissen und einem die Koffer nachschleppten. Auch in der eher bescheiden dimensionierten Rezeptionshalle sah sie keine Livrierten. Ein Schild mit goldener Aufschrift zeigte lediglich drei Sterne. Ende der Fahnenstange, das First-Class-Ticket war’s dann wohl gewesen.

Sie nahmen den Zimmerschlüssel in Empfang und fuhren dann mit einem engen Lift in den vierten Stock hinauf. In Hongkong schien alles irgendwie eng zu sein.

»Ausreichend für den Anfang«, meinte William Cohen und schob den Koffer in den Salon. Als er Brookes betretene Miene bemerkte, zuckte er ungerührt die Achseln. »Auf solchen zwanzig Quadratmetern hausten bis in den 1970er Jahren ganze Familien. Ohne jegliche Sanitäreinrichtungen und Küche.«

»Kein Wunder, dass sich das gesamte Leben auf den Straßen abspielt!« Schwungvoll stemmte sie einen Fensterladen hoch. Der Innenhof oder besser gesagt die in Spuckweite gegenüberliegenden grauen Wände und anonymen Fenster waren noch deprimierender. John Goodman, was hast du mir da angetan! Wahrscheinlich inspizierte er gerade die ersten Maiglöckchen vor seinem Reihenhaus und hatte nicht die geringste Ahnung hiervon.

»Da gebe ich Ihnen durchaus recht«, sagte Cohen, den Kopf zur Seite geneigt wie eine alte Schleiereule. »Erst ab den 1970ern ist die ›Public Housing Authority‹, die 70 Prozent des Wohnraums in Hongkong verwaltet, dazu übergegangen, mit der vierten Generation von Hochhäusern bessere Wohnstandards zu schaffen. Aber nur wenige können sich überhaupt Wohnungen auf Hongkong Island oder in Kowloon leisten. Die meisten Einwohner der Stadt leben auf den zahlreichen kleinen Inseln ringsum ...«

Wer wohl dieses Quartier hier zu verantworten hat, dachte Brooke und nickte resigniert. Für ein Hotel-Apartment war es erstaunlich billig, überhaupt waren in Hongkong selbst gute Hotels recht günstig. Immer mehr Widersprüche taten sich auf.

»... Aber wie Sie schon richtig sagten, findet das Leben nach wie vor in den Straßen statt«, fuhr Cohen fort. »Da bekommen Sie alles und oft auch rund um die Uhr. Passen Sie nur bei den Friseurläden auf!«

Brooke stutzte. Sie kannte diesen Blick und das anzügliche Grinsen. Dennoch fragte sie nach: »Was ist denn mit den Friseurläden?«

Cohens wasserklare Augen blitzten auf. »Dahinter verbergen sich orientalische Liebeshöhlen.«

Unbeeindruckt hielt ihr Blick dem seinen stand. Wenn er dachte, sie würde jetzt rot werden, irrte er sich. »Nun ja, wir werden sehen ... Ich werde schließlich nicht die ganze Zeit in der Bank arbeiten.«

Sie musste ziemlich glaubwürdig geklungen haben, denn als sie das Fenster schloss, sah sie aus den Augenwinkeln die verdutzte Miene des Prokuristen. Dieser Ausdruck erinnerte sie wieder an Jimmy. Auch der Gestalt nach ähnelte Cohen ihrem Verflossenen. Alles an ihm war lang und schlaksig. Ob er untenherum ebenso gut bestückt war?

»Also dann«, verabschiedete er sich und machte einen Schritt rückwärts zur Tür, »ich hole Sie in, sagen wir, drei Stunden ab. Sie werden ja sicher schon neugierig auf Ihren zukünftigen Arbeitsplatz sein.«

»Ich kann es kaum erwarten«, flötete Brooke und geleitete ihn zur Tür. Vermutlich durfte sie sich auf ein winziges Büro ohne Fenster freuen ... Zum Henker, was hatte sie denn als Buchhalterin einer Bank erwartet? »Aber Sie müssen sich keine Umstände machen, Mr. Cohen, ich finde bestimmt allein hin.« Cohen besaß kein Auto, da es, wie er meinte, bei den niedrigen Taxipreisen in Hongkong überflüssig sei, und da sie die Adresse der Bank hatte, war eine Begleitung ohnehin nicht nötig. »Wir sehen uns dann in der Bank. Und danke für Ihre Mühen.«

Leise schloss sich die Tür hinter der jungen Frau. Was für Beine!, sinnierte William Cohen und strich sich durchs gewellte Haar. Ob sie verdammt noch mal wusste, welch göttliche Beine sie hatte? Kopfschüttelnd betrat er den Lift. Der Rest an ihr war auch nicht übel. Fesselnde Augen über hohen Backenknochen. Aus den Unterlagen kannte er ihr Alter, sie war ledig, zweiunddreißig, und wenn er dem Urteil der »American Trade Company« Glauben schenken wollte, war sie die beste Buchhalterin Londons ... Sie würde einige Unruhe in die Bank bringen, davon war er überzeugt. Jede Neue, vor allem jede neue Engländerin von ihrem Format, bedeutete Krieg. Neid, Eifersucht, Triebhaftigkeit, im besten Fall gockelhaftes Theater – je nachdem. Der Reiz des Neuen, er wusste, wovon er sprach.

***

Kurz vor zwölf Uhr betrat Brooke an diesem Donnerstag, dem 22. April, die »British Trade Bank« in der Chester Road. Eckige Marmor- und Granitsäulen umsäumten dunkles Fensterglas; das Portal aus kühlem Stahl wirkte nüchtern und dennoch vornehm. Sie hätte sich die Filiale bescheidener vorgestellt. Vielleicht war dies die andere Seite Hongkongs. Sie erinnerte sich an ihre Recherchen: Die Sonderverwaltungszone an der Südküste der Volksrepublik China war eines der bedeutendsten Finanzzentren Asiens. Offensichtlich spiegelten die Banken dies auch architektonisch wider. Vor allem die Asienkrise 1997, während der die Währungen der Nachbarländer stark abgewertet werden mussten, hatte dazu beigetragen. Hongkong war von den Erschütterungen relativ unberührt geblieben, was vor allem auf die Qualität des Bankensystems zurückgeführt wurde. In diesen Jahren hatte die »BTB« innerhalb von Hongkongs und Chinas Bankenlandschaft stark an Bedeutung hinzugewonnen. Leicht möglich, dass ein übermütiger Direktor nun daran teilhaben wollte ...

Ihre Wahl war auf ein Kostüm mit knapp kniebedeckendem beigefarbenen Rock, kurzer Jacke und tief ausgeschnittenem schwarzen Top gefallen. Mittlerweile hatte sie eine Position erreicht, in der sie ruhig Bein und Busen zeigen konnte, ohne dass ihre Freizügigkeit mit den Karriereabsichten einer Schalterbeamtin oder Hostess am Infostand verwechselt werden würde. In Wahrheit hatte sie niemals biedere Blusen oder Faltenröcke besessen und gedachte ihren Stil auch in Hongkong nicht zu ändern. Zielstrebig näherte sie sich der Personalabteilung im vierten Stock, viel zu laut klapperten ihre Absätze auf dem Steinboden. Morgen würde sie flache Schuhe tragen.

Eine ihr gerade bis zur Brust reichende Chinesin empfing sie mit einem königlichen Lächeln auf den knallroten Lippen. »Mr. Hannigan Li erwartet Sie schon, Miss Gardner. Sechster Stock, am Ende des Ganges.« Sie verbeugte sich, und Brooke erwiderte die Geste.

Bevor sie zwei Stockwerke höher das Büro am Ende des Ganges erreichte, wurde sie, wie nicht anders zu erwarten, von einer Frau abgefangen. Lächelnd streckte ihr die zierliche Chinesin die Hand entgegen. Lächeln wie auch Händedruck ließen Brooke nicht im Zweifel, welche Stellung die Dame innehatte. Sie tippte auf Büroleiterin des Geschäftsführers.

»Ich heiße Sie in unserer Bank herzlich willkommen, Miss Gardner. Ich bin Suzi Long.«

»Guten Tag, Miss Long. Die Freude ist ganz auf meiner Seite.« Brooke lächelte in das herzförmige, dezent geschminkte Gesicht. Vereinzelt mischten sich graue Strähnen in den dunklen flotten Kurzhaarschnitt der äußerst elegant gekleideten Frau. Mit einer einladenden Geste bedeutete sie der Besucherin, ihr zu folgen. Am Ende des Ganges öffnete sie behutsam eine Tür und trat beiseite.

Das Büro des Bankdirektors war hell und freundlich und sah überhaupt nicht aus wie ein Büro – wenn man von dem wuchtigen, aber schlichten Schreibtisch einmal absah. Dezente Farben in Beige- und Brauntönen wurden durch weiße und schwarze Akzente stilvoll gebrochen. Sofort spürte Brooke eine unglaubliche Harmonie. Wer immer diesen Raum gestaltet hatte, Farbgebung und Einrichtung zeugten von der Erfahrung und Umsicht des Designers, der alles auf eine gefällige Form gebracht und dieser doch nichts an Funktionalität geopfert hatte. Unwillkürlich dachte sie an Feng-Shui. Natürlich, das musste es sein.

Vor einem Bild am anderen Ende des weitläufigen Raumes stand ein großer kräftiger Mann, dessen dunkle Augen kühl und abschätzend auf sie gerichtet waren. Sein glattes schwarzes Haar war im Nacken zusammengebunden. Zu einem gut sitzenden schwarzen Jackett, einem silbergrauen Hemd und einer grauen Krawatte trug er Jeans. Schwarze Jeans! Mit allem Mut erwiderte Brooke seinen Blick, ohne sich von der Stelle zu rühren. Selten hatte sie – von einigen Westernfilmhelden abgesehen – ein kühneres Gesicht gesehen als dieses, das jene Mischung von Selbstbewusstsein und Stärke zeigte, der sich auch Altere gerne fügten.

»Treten Sie näher, Miss ...«

»Gardner.«

»Ach ja, entschuldigen Sie bitte.« Mit wenigen Schritten kam er auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen. Ihr Griff war warm und fest, bemerkte er. Er sah in katzenförmige grüne Augen.

Arroganter Kerl, dachte Brooke, beteuerte jedoch: »Kein Problem.« Er würde sich ihren Namen schon noch merken. Gekonnt setzte sie ihr reizvollstes Lächeln auf und schüttelte ihre goldleuchtende Mähne im Nacken.

In diesem Moment traf ihn die ganze Wucht ihrer Persönlichkeit. Die Begrüßung sollte nur eine Angelegenheit von fünf Minuten sein, ein formaler Akt der Höflichkeit, den man einer Britin in der ehemaligen Kronkolonie schuldig zu sein meinte. Für alles Weitere war die Personalchefin zuständig. Er aber lud sie ein zu bleiben. Mit einer knappen Geste bat er sie zu einer Sitzgruppe aus niedrigen quaderförmigen Hockern. Natürlich ihrer Beine wegen. Dieser nicht enden wollenden Beine wegen. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie sie Platz nahm. Ihre Bewegungen waren entschlossen und anmutig zugleich – die Frau wusste ganz offensichtlich um ihren Wert. In einer um nichts weniger geschmeidigen Bewegung nahm er ihr gegenüber Platz.

»Nun, Miss Gardner, was hat Sie bewogen, sich gerade bei unserer Bank in Hongkong zu bewerben?« Seine Stimme klang voll und melodisch, war aber heller, als sie bei einem Mann seines Brustumfangs erwartet hätte.

Brooke sah ihn offen an. »Das Abenteuer natürlich, Mr. Hannigan.«

»Suchen Sie es in unserer Bank? Oder etwa in einem Nachtklub!« Ein raffinierter Schachzug, wie er fand. Erwartungsgemäß verdrehte sie die herrlichen Augen.

Brooke ließ sich Zeit mit einer Antwort. »Das wird sich erweisen.«

Liu Hannigan Li rieb sich das glatt rasierte Kinn. Aus nächster Nähe dominierte ihre ungeheure Ausstrahlung. Unbewusst spürte er ihre Intelligenz, wach, geschliffen und zu allem bereit. Gott, jetzt schlug sie auch noch die Beine übereinander! »Nun, wenn ich behilflich sein kann ...«

In seinem wachsamen Gesicht lag ein schwer zu deutender Ausdruck. Brooke überlegte für einen Moment und wählte ihre Worte mit Bedacht. »Hm ... in der Bank würde es nur böses Blut geben. Aber im Nachtklub ginge es vielleicht. Mir scheint, Sie kennen sich da aus.« Den Augenaufschlag bekam sie ganz gut hin.

Er sah sie einen Augenblick durchdringend an, dann begann ein Mundwinkel zu zucken. Ahnte er etwas? Unsinn! Sie war einfach nur respektlos gewesen.

»Worauf Sie Gift nehmen können, Miss Gardner. Wir fangen gleich heute damit an. Fahren Sie jetzt nach Hause ...« Nach Hause, wie das klang, dachte sie.

»... ich hole Sie gegen neun Uhr ab.« Geschmeidig sprang er auf und wies ihr mit höflich geneigtem Kopf den Weg zur Tür.

Etwas überrumpelt erhob sich Brooke ebenfalls und strich sich den Rock glatt, um Zeit zu gewinnen. Er trieb das Spiel also weiter. Doch sie würde nicht zulassen, dass er so mit ihr umsprang! Auch nicht als die kleine Buchhalterin, für die er sie hielt. Macho! »Ach, übrigens«, konterte sie mit einem aufmüpfigen Unterton in der Stimme, »ich entscheide mich doch eher für die Bank.«

»Eine weise Entscheidung«, nickte Hannigan. Er liebte Frauen, die es etwas subtiler angingen. Bis jetzt hatte er mit seinem orientalischen Charme noch bei jeder Bankangestellten Erfolg gehabt, schon damals in London, aber auch hier in Hongkong. Er lächelte zum ersten Mal.

Es stand ihm gut, fand Brooke. Das Lächeln spannte eine helle Narbe an seiner linken Wange.

Mit einem Mal wurde er wieder ernst. »Es bleibt bei neun Uhr.« Er machte einen Schritt auf sie zu und raunte in die Wolke »Deep Red«, die sie umgab: »Sie werden es nicht bereuen, Brooke.«

Sie konnte seinen Atem spüren. Für einen Augenblick war ihr, als würde er sie berühren, doch dann bewegte er sich an ihr vorbei in Richtung Tür.

Langsam, aber allmählich stieg ein beklemmendes Gefühl in ihr hoch. Die spontane Einladung zu einem gemeinsamen Abend, diese Blicke ... Sie musste ihr Ziel im Auge behalten! Oh John! Hannigan war eine raffinierte Person, das konnte schwierig werden. Und offensichtlich intelligent – noch schlimmer. »Klingt ja vielversprechend«, flötete sie in seinem Rücken und hängte sich ihre Tasche um.

Plötzlich öffnete sich eine schmale Tür in der Wand, und Suzi Long stand lächelnd vor ihnen. Ohne sich noch einmal umzudrehen, folgte ihr Brooke in das angrenzende Büro. Der kurze Blickwechsel der beiden entging ihr ebenso wie Lius versonnener Blick, den er ihren Beinen hinterhersandte.

»Ich nehme an, Sie haben den Job?«, meinte Hannigans Sekretärin und händigte ihr ein Schreiben aus.

Brooke strich sich das Haar aus der Stirn. »Ja, ich denke schon«, antwortete sie, obwohl ihre Unterhaltung mit Liu Hannigan Li alles andere als ein Einstellungsgespräch gewesen war. Nun, ihr konnte es recht sein.

»Alles Weitere erhalten Sie im Personalbüro, Miss Gardner.« Freundlich geleitete die Chinesin Brooke zur Tür, die auf den dezent beleuchteten Flur führte.

Eigentlich war alles prima gelaufen, rekapitulierte Brooke, während sie auf den Lift wartete. Zumindest, wenn man von dem pikanten Detail absah, dass der Direktor der Bank sie nun womöglich für eine abenteuersüchtige, männermordende Buchhalterin hielt. Sie würde heute in irgendeinem Nachtklub einen Gin mit ihm trinken und die Sache, bis auf die Buchhalterin, aufklären, auch wenn man in London eine andere Strategie bevorzugt hätte. Und am nächsten Tag würde sie mit ihrem »Job« beginnen, mit ihrem Auftrag, Liu Hannigan Li zu bespitzeln. Unvermittelt schüttelte sie den Kopf. Niemand konnte der gängigen Vorstellung von einem Direktor der »British Trade Bank« ferner sein als Liu Hannigan Li mit seiner unkonventionellen Aufmachung und seinem geheimnisvollen Lächeln, überlegte sie und betrat den Lift.

Die kleine Chinesin mit den knallroten Lippen überreichte ihr einige Papiere, mit der Bitte, sie am folgenden Tag unterzeichnet wieder mitzubringen. »Um neun Uhr haben Sie einen Termin bei Mrs. Witherspoon, der Personalchefin. Anschließend führe ich Sie durchs Haus.«

Brooke verabschiedete sich von der zierlichen Person, die den Namen »Zhang« trug, schüttelte noch zwei weiteren Büroangestellten, deren Namen sie sich gar nicht erst merken würde, die Hände und verließ das Gebäude. In einem Schnellrestaurant bestellte sie sich einen Hamburger, wenn auch die Blicke der Einheimischen ein grundlegendes Unverständnis erkennen ließen. Doch ein schneller Rundblick durch das Lokal ließ keinen Zweifel an den Stärken des Kochs, die gewiss beeindruckend waren, vorausgesetzt, man konnte sich für Suppen aller Art erwärmen. In einem Kiosk um die Ecke besorgte sie sich einen Plan der öffentlichen Verkehrsmittel und suchte darauf die nächste Haltestelle. Ihre Rückfahrt zum Hotel gestaltete sich als Sightseeingtour. Die seit genau einhundert Jahren über die gleichen Gleise rumpelnde Hongkong Tramway bot interessante Ausblicke auf das Treiben in den Straßen, war aber sicher nicht die schnellste Verbindung. An der Endhaltestelle stieg sie aus und nahm den Bus nach Aberdeen. In ihrem Apartment angekommen, genoss sie in dem winzigen Bad eine lauwarme Dusche und sank daraufhin in einen unruhigen Schlaf.

Ihr Handy weckte sie kurz nach 20 Uhr. Gereizt, erschöpft von den Strapazen des Flugs gegen die Zeit und absolut nicht in der Stimmung für nächtliche Exkursionen, schleppte sie sich ins Bad. Unter Zuhilfenahme sämtlicher Farbtöpfe und Schminktricks gelang es ihr schließlich doch noch, halbwegs etwas aus sich zu machen. Doch erst, als sie in ihr hautenges schwarzes Kleid schlüpfte, gewann sie ihre gewohnte Selbstsicherheit zurück. Jetzt konnte nichts mehr schiefgehen, sagte sie sich und verließ kurz nach neun Uhr ihr Apartment. Wenigstens besaß Hannigan so viel Anstand, nicht herauf in ihre Wohnung zu kommen.

Wie erwartet, saß der Direktor in einem der viktorianischen Plüschsessel im Foyer und blätterte in einer Zeitschrift. Er trug dieselben schwarzen Jeans wie am Mittag, ein schwarzes Poloshirt und eine ebenfalls schwarze Lederjacke. Das schulterlange Haar war glatt zurückgekämmt und im Nacken zusammengebunden.

Als habe er ihr Kommen geahnt, sah er auf. Sein Blick wanderte mit einem Anflug dreister Anerkennung über Brookes perfekten Körper. Von ihrem langen Hals abwärts über die festen Brüste, den flachen Bauch und die von dem engen Kleid betonten Hüften bis hinunter zu den göttlichen Beinen. Langsam und beherrscht, als wolle er diesen Moment auskosten und nicht durch unnötige Hektik zerstören, erhob er sich.

»Hallo, Brooke!«, raunte er, und der Blick aus seinen orientalischen Augen traf sekundenlang den ihren. »Wir sollten uns duzen. Ich bin Liu.«

»Freut mich, Liu.«

Hannigan nickte in Richtung Portal und ließ ihr den Vortritt. Für ein paar Sekunden genoss er den Anblick ihres straffen Pos, der sich unter dem Rand der taillenkurzen Chanel-Jacke verführerisch abzeichnete. Dabei verzichtete er bewusst auf körperliche Nähe. Das gehörte zu seinem Plan.

Eine Ecke weiter, am Rand des British-Baptist-Parks, fanden sie ein Taxi.

»Plast du Hunger?«, erkundigte sich Liu und hielt Brooke die Wagentür auf.

Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie sehr ihr Magen knurrte. »Einen Mordshunger. Ich könnte ein ganzes Pferd verdrücken!« Eigentlich hatte sie nur einen Drink mit ihm nehmen wollen.

»Mit Pferd sieht es schlecht aus. Aber vielleicht hast du Lust auf Bärentatzen, Schlangen, Frösche oder hundertjährige Eier?« Er meinte es ernst.

Brooke zog eine Grimasse. Vielleicht sollten sie doch lieber nur einen Drink nehmen.

Mit einem Lachen, seinem ersten an diesem Abend, gab Liu dem Taxifahrer eine knappe Anweisung. Es ging in nordöstlicher Richtung nach Causeway Bay. Wolkenkratzer moderner Büro- und Wohnviertel bestimmten bald das Bild, und immer mehr Leuchtreklamen in grellen Farben erhellten die Straßen. Hier pulsiert das Leben bis spät in die Nacht, dachte Brooke. Schon vom Taxi aus war zu erkennen, dass die meisten Läden noch geöffnet waren.

»Die beliebteste Einkaufsgegend mit den zweithöchsten Ladenmieten der Welt«, erklärte Liu, der sie aus den Augenwinkeln beobachtete.

»Nach London?«

»Irrtum, nach New York, Fifth Avenue.«

Sein Grinsen quittierte Brooke mit einem charmanten Lächeln. Möglicherweise hatte er recht. Aber London hatte auf dem Wohnungssektor die höchsten Mieten der Welt zu bieten. Und auch sonst gab es einiges, das sie hier bestimmt nicht finden würde.

In der hell erleuchteten Paterson Street hielt das Taxi zwischen den eleganten Schaufenstern von »Gaultier« und »Ives Saint Laurent«. Vor einem offenen Eingang, der sich anhand seiner Dekoration unschwer als Zugang zu einem einheimischen Gourmettempel identifizieren ließ, war eine kleine Menschengruppe versammelt. Es sah aus wie die Schlange vor einem Kino.

»Trotz der riesigen Zahl an Restaurants kommt es häufig zu Schlangen vor den Lokalen, die gerade angesagt sind«, erklärte Liu. Seine zielstrebige Art ließ vermuten, dass er dem durch eine Reservierung vorgebeugt hatte.

Hinter Liu herschreitend, schummelte sich Brooke an den Wartenden vorbei. Ein paar der Jammerlappen strafften sich, doch konnte sich niemand zu einer Verbalattacke entschließen. Nur eine füllige Amerikanerin grunzte ihr wütend hinterher. Als in diesem Augenblick ein Türsteher ein bedauerndes Lächeln in die Menge warf, bahnten sich dramatische Szenen an. Das Grunzen der fülligen Lady wurde bedrohlicher und hörte sich an, als stünde sie kurz davor, Kannibalismus als Option in Betracht zu ziehen.

Im Innern bildeten edle, mit Schildpatt aus gelegte Schnitzereien die einzige Verzierung der Einrichtung aus schwarz gelacktem Holz. Schlichte weiße Lampions erhellten die drei Gasträume dezent und doch ausreichend. Unaufdringlich drang kantonesische Musik aus versteckten Boxen.

Liu wurde zu einem kleineren Tisch geleitet, der sich direkt im Durchgang zum dritten Raum befand. Er zog eine seiner schwarzen Brauen hoch, schüttelte den Kopf und ließ den Geschäftsführer kommen.

Wie exzentrisch, fand Brooke. Das halbe Lokal bekam mit, dass er kurz davor stand, sich zu empören. Sie wäre am liebsten im Erdboden versunken, wollte sich aber nicht entmischen. Der Geschäftsführer kam, doch Liu blieb gelassen. Von Aufregung war keine Spur. Der Mann hatte Stil. Unter unzähligen Verbeugungen führte der schlanke Chinese sie schließlich zu dem einzigen noch freien Tisch im Lokal.

Während Liu die Speisekarte studierte, betrachtete Brooke unter halb gesenkten Lidern seine Hände. Sie waren ihr schon am Mittag in der Bank aufgefallen. Brooke hatte ein Faible für Männer mit schönen, kräftigen Händen. Sie musste an Hughes Hände denken. Wahrscheinlich war sie damals nur ihretwegen mit Hugh zusammen gewesen. Wie würden sich wohl diese hier auf ihrer Haut anfühlen? Auf ihren Brüsten? Und in tieferen Regionen?... Oh oh, das verheißt nichts Gutes, Brooke, was deine Aussichten betrifft, diesen Job mit genügend Distanz zu bewältigen ...

»Was nimmst du?«, riss Liu sie aus ihren Gedanken.

»Hm«, überlegte Brooke laut. »Ich habe Appetit auf Ente. Vielleicht Ente Chopsuey.«

»Ich kann dir Tieban-Ente empfehlen, die auf einer heißen Eisenplatte serviert wird.«

»Ja, warum nicht?«, lächelte Brooke und nahm den zuvor bestellten Jasmintee entgegen.

Liu wählte Meeresfrüchte im Hängewok mit einer Extraportion Bamigoreng und einer Schlangensuppe als Vorspeise. Es dauerte nicht lang, und die dampfenden Gerichte wurden vom Chef des Hauses persönlich serviert. Als alles zu seiner Zufriedenheit auf dem Tisch stand, nickte Liu und entließ den Mann mit einer kurzen Verbeugung. »Kennst du das Chinarestaurant am Piccadilly Circus?«, erkundigte er sich und tauchte einen Hummerchip in eine Schüssel mit Sojasoße.

»Ja, ich denke schon. Von außen.« Zu teuer, nicht ihre Kragenweite. Da sich Liu in London auskannte, musste er wissen, welch exklusives Pflaster das war.

»Es ist das einzige Chinarestaurant im Westen, das sich mit diesem hier messen kann. Du wirst sehen.« Er machte eine einladende Geste.

»Danke.«

Wenig später schon musste sie ihm recht geben. Die knusprige Ente zerging förmlich auf der Zunge, Garnelen, Langusten und anderes Getier hinterließen einen zarten Geschmack nach Knoblauch und duftendem Räucherwerk. Von der Schlangensuppe kostete sie allerdings nicht. Eine Zeit lang schwelgten beide wortlos in den kulinarischen Schätzen Chinas.

Brooke warf als Erste das Handtuch. »Das schaffen wir nie!«, sagte sie resigniert und ließ einen bedauernden Blick über die halb gefüllten Schüsseln schweifen.

Überrascht bemerkte Liu den Schatten in ihrem makellosen Gesicht. Die bekümmerte Miene stand ihr gut. Ihr würde jede Miene gut stehen. Die grünen Augen erinnerten ihn an seine verstorbene Katze. Neben den Traumbeinen waren sie wohl das Ungewöhnlichste an Brooke. »Das sollten wir auch nicht«, beschwichtigte er. »Es gilt als sehr unhöflich, alles aufzuessen.«

Liu tupfte sich den Mund ab, dann orderte er frischen Tee. Der Chef des Hauses eilte herbei und stellte ein Tablett mit mehreren Gläsern in die Mitte des Tisches: Lycheewein und Mao Tai, ein chinesischer Reisschnaps.

»Da dies sozusagen unter ›Geschäftsessen‹ läuft«, meinte Liu, während er den heißen Jasmintee schlürfte, »möchte ich dich nach deinen Erwartungen bei uns fragen.«

Natürlich hatte er sich ihre Unterlagen nach dem Gespräch noch einmal angesehen, überlegte Brooke. Schließlich konnte sie – wenn auch gefälschte – Zeugnisse von der »American Trade Company« und der »Bank of England« vorweisen. In der »Old Lady«, der wichtigsten Bank Englands, hatte sie demzufolge zwar nur als Volontärin gearbeitet, aber immerhin. »Nun, die ausgeschriebene Stelle im Rechnungswesen ist klar definiert ...« Über den Rand ihres Glases hinweg warf sie Liu einen forschenden Blick zu. »Ich würde allerdings gerne mehr Erfahrung in der Depotbuchhaltung sammeln.« Sie pokerte – mal sehen, wie weit sie damit kam. Dagegen sprach, dass sie ihm dort direkt unterstellt wäre ... Sie lächelte ihn an. Die leicht schräg gestellten dunklen Augen in seinem europäischen Gesicht ergaben eine äußerst reizvolle Mischung. Die Zusammenarbeit mit ihm könnte kompliziert werden ...

Liu lächelte unmerklich. Depotbuchhaltung klang gut, die lag in seiner Nähe. Nur ein paar Büros weiter. Er würde sich etwas einfallen lassen, gleich morgen. Auffordernd schob er ihr ein Glas Lycheewein hin. Er selbst griff nach dem Mao Tai. »Cheers!«, flüsterte er.

»Cheers!«, hauchte sie zurück.

Brooke nippte nur am Wein, doch Liu kippte den Schnaps in zwei Zügen hinunter. »Also«, er atmete geräuschvoll aus, dann senkte er die Stimme, »was ist passiert bei der .American Trade Company«? Die Skandalversion, wenn’s geht.«

»Oh, na ja ...« Brooke geriet ins Stottern. »Also eigentlich nicht viel«, winkte sie ab, um Zeit zu gewinnen. »Das Übliche.«

Er starrte sie an wie eine Schlange, die ein Kaninchen zu hypnotisieren hoffte. Offensichtlich wollte er der Sache auf den Grund gehen. Das konnte er haben! Sie zuckte mit den Schultern. »Sexuelle Belästigung.«

»Das dachte ich mir. Und?« Ein schmieriger Bürovorstand oder gar der fette Alte persönlich? Er konnte es ihm nicht einmal verübeln.

Brookes Augen wurden schmal. Mit einer gewissen Genugtuung versetzte sie: »Die Abteilungsleiterin, eine dralle, schmierige Schlampe. Sie griff mir bei jeder Gelegenheit in die Bluse.« Sie entdeckte an sich ein Talent zu geradezu schamlosem Lügen. Vielleicht sollte sie etwas daraus machen ...

Liu klang überrascht. »Es tut mir leid«, beteuerte er und ließ seinen Blick in ihren Ausschnitt gleiten. »Das ist vielleicht kein großer Trost, aber ich kann dir versichern, dass so etwas bei uns nicht Vorkommen wird.«

Nein, denn hier macht es der Chef persönlich, lästerte Brooke im Stillen. Das Grün ihrer Augen flackerte hell. Liu schob ihr ein weiteres Glas hin. Sie fand den Wein recht gut. Je mehr sie davon trank, desto besser schmeckte er ihr. Sie sollte besser bald damit aufhören.

Auch Liu nahm nun ein Glas Lycheewein vom Tablett und lehnte sich zurück. Sich Brooke im Liebesspiel mit einer anderen Frau vorzustellen, fand er äußerst reizvoll. Wie jene den schwarzen Stoff beiseiteschiebt und mit ihrer rosigen Zunge eine feuchte Spur von Brookes Kehle bis zu ihren Brustspitzen zieht, diese umzüngelt und leckt, bis sich knallrote Lippen um die Warzen schließen und zärtlich daran saugen. Wie sich dann Brookes volle Lippen stöhnend öffnen und ihre langen, schlanken Finger im Haar der anderen zu wühlen beginnen ... Seine schwellende Männlichkeit ermahnte ihn, dass er diese Fantasien besser zügeln sollte. Noch hatte er alles unter Kontrolle. Er beobachtete, wie ein Schluck Wein durch ihre Kehle rann, und folgte der Bewegung bis zu den festen Rundungen ihrer Brüste. Wie wohl ihre Warzen beschaffen waren? Nun, er würde sich noch ein wenig gedulden müssen ...

»Gehen wir«, sagte er unvermittelt. »Wir wollen ja noch einen Drink zusammen nehmen – wie ausgemacht.«

»Keine Chance!« Brooke schüttelte entschieden den Kopf. Ihre lange Mähne leuchtete goldfarben im hellen Licht der Lampions.

Sein Blick war immer noch gelassen. Und doch sah Brooke für den Bruchteil einer Sekunde Eigensinn, Launenhaftigkeit und Selbstherrlichkeit darin aufblitzen. »Das könnte aber ein Fehler sein«, sagte er schmunzelnd.

»Also gut«, lenkte sie leicht berauscht ein, »aber nur noch Tee. Heute bin ich wirklich nicht in Form.« Sie war sich schon immer ihrer Grenzen bewusst gewesen.

***

Als sie das Lokal verließen, bemerkte sie, dass sie mit ihren schwarzen Pumps genau so groß war wie er. William Cohen dagegen war eindeutig länger und drahtiger und eigentlich eher ihr Typ.

Ein gelangweilter Türsteher ließ sie zwei Straßen weiter in einen düsteren Hauseingang ein. Wenig später saßen sie einander in einem japanischen Teehaus am Boden gegenüber, umgeben von Bambus und Papierparavents, die sie von den anderen Gästen abschirmten. Platz war kostbar in Hongkong. Der Raum war einfach eingerichtet und fast leer, seine ruhigen, erdigen Farbtöne zwangen zur Konzentration.

Eine aufwendig geschminkte Dame in einem gelbseidenen Iromuji-Kimono brachte einen Blumenstrauß, den sie vor einem einzelnen Bild arrangierte. Die Bewegungen, die sie dabei vollführte, waren so konzentriert und feierlich, dass jeder, der sie beobachtete, verstand, dass ein »Cha no yu« – ein »heißes Wasser für den Tee« – ohne Blumen einfach undenkbar ist.

»Der tiefe Sinn der Teezeremonie«, sinnierte Liu, kaum dass er sich auf dem fest gesteppten Polster niedergelassen hatte, »also das Aufgehen des Einzelnen in die Harmonie des Ganzen, ist hoffentlich nicht das, was wir hier suchen – oder?«

Brooke kicherte in sich hinein. Sie wusste ohnehin nicht, ob es eine gute Idee gewesen war, in dem engen Kleid ein Teehaus aufzusuchen. Aber was soll’s, sagte sie sich und gab es auf, ständig am Saum ihres Kleides zu zupfen. Auch ihre Beine lagerte sie bald ungezwungen und leger. Sehr leger. Die genossenen Mengen an Lycheewein senkten ihre Hemmschwelle bedenklich, und seine unverhohlenen Blicke dorthin tangierten sie nicht einmal. Mochte er doch bis an die Pforte ihres Himmelreiches sehen! Vielleicht sollte sie sich den Spaß erlauben und in der Toilette den Slip ausziehen. Die berühmte Szene in »Basic Instinct« drängte sich ihr auf. Sharon Stone war damit in die jüngere Filmgeschichte eingegangen.

Nachdem die Geisha ein Tablett mit den für den »Cha no yu« nötigen Geräten abgestellt hatte und wieder verschwunden war, lächelte Liu sie an. Es war ein dreistes und zugleich geheimnisvolles Lächeln. »Du bist also hergekommen, um Abenteuer zu erleben. An welche Art von Abenteuer hast du dabei gedacht, Brooke?«

Das Blut schoss ihr in die Wangen. Aus seiner Miene war nicht abzulesen, ob er es ernst meinte oder nicht. Wenn ja, spielte er auf Sexabenteuer an. Was sonst. Vermutlich dachte er, dass sie neugierig auf diverse Fesselungen war, auf die ja alle Asiaten abfahren, vielleicht aber auch auf chinesische Schlittenfahrt oder sogar SM ... Das mit dem Slip ließ sie besser. Bevor ihr Gesicht in einem allzu dümmlichen Lächeln erstarrte, hüstelte sie: »Oh, ich lasse mich gerne überraschen!

Sonst wären es ja keine Abenteuer.«

»Ausgezeichnet! Wir wollen keine Zeit verlieren!« Liu setzte sich zurecht und nahm eine geradezu feierliche Haltung an. »Wir werden heute nur verbalen Sex praktizieren, Brooke. Sex in Gedanken und ...«

»Wie bitte?«, fragte sie etwas verwirrt.

Er lächelte ernst. »Wir reden nur darüber. Sex in Gedanken und mithilfe deiner Vorstellungskraft, wenn du so willst.«

Wollte sie das? Sie wusste es nicht. Sie wollte nicht einmal darüber nachdenken. Ihr war nur klar, dass sie den Mann in diesem Moment ungeheuer attraktiv fand. »Warum ich?«

Oh, er konnte Hunderte von Gründen anführen, sagte aber nur: »Warum nicht du?«

»Nun, man könnte meinen, es spräche einiges dagegen«, antwortete sie zögernd. Aber vielleicht machte er es ja mit jeder Neuen in der Bank so.

»Für mich nicht«, bemerkte er mit unergründlichem Blick.

Also machte er es tatsächlich mit jeder Neuen. Brookes Augen verengten sich zu Schlitzen. Sie starrte an ihm vorbei auf eines der vielen gelben Teelichter, die rund um das Service standen.

Liu lachte. Er wurde von der als Geisha verkleideten Japanerin unterbrochen, die sich zwischen ihnen beiden niederließ und alle Aufmerksamkeit auf die nun folgende Teezeremonie zu lenken versuchte. Bei dem Tempo ihrer Bewegungen und den fortwährenden Verbeugungen würde das Stunden dauern, dachte Brooke. Doch dann brachte sie die Geduld auf, der Frau dabei zuzusehen, wie sie sich nun kniend abmühte, eine stilvolle Teezubereitung zustande zu bringen.

Das mit dem Bambusbesen unter Hinzugabe von drei Löffeln Matcha zu einem erbsengrünen Püree geschlagene heiße Wasser – in Japan ungleich poetischer »Jadeschaum« genannt – schmeckte hervorragend. Nach ein paar Schlucken reichte Liu die Schale an Brooke weiter. Er verneigte sich vor der Geisha und sagte etwas auf Kantonesisch. Die Dame im Kimono verschwand, nicht ohne aber noch zuvor ein Tablett mit kandierten Früchten und eine volle Kanne Sencha zwischen die beiden gestellt zu haben.

Grinsend blickte Liu ihr nach. »Echte Geishas würden mich jetzt damit füttern ...«

»Und hätten auch sonst noch einiges zu bieten«, spöttelte Brooke. »Wie etwa solide Handarbeit...«

»Das nehme ich mal an«, lächelte Liu. »Bestimmt stecken eine gewisse Technik und ... Übung dahinter, die Pulvermischung mit dem Besen so zu bearbeiten, dass sie schaumig wird. Aber darüber verrät Lu Yu, ein Meister der chinesischen Prosa, in seinem ›Chaching‹ leider nichts. In der heiligen Schrift vom Tee schreibt er zum Beispiel über die Reinheit des Wassers oder die am besten geeigneten Teeblätter. Die sind, so versichert er, ›faltig wie der Lederstiefel tatarischer Reiter, gekräuselt wie die Wamme eines mächtigen Bullen, aufgefaltet wie Nebel, die einer Bergschlucht entsteigen, schimmernd wie ein von sanftem Wind berührter See und‹«, seine Stimme wurde eindringlicher, »›feucht und weich wie ...« Sein Blick wurde stechend.

»Ja?« Brookes Wangenrot färbte sich schon eine Nuance dunkler.

wie feine Erde, die der Regen soeben genetzt hat.« Ich sehe schon, Lu Yu ist nicht nach deinem Geschmack. Du liebst Deftigeres.«

»Du denn nicht?« Eine ihrer schmal gezupften Brauen schob sich nach oben und gab Brookes überlegener Miene einen spöttischen Ausdruck.

»Manchmal ja.«

Sie schlürften das heiße Gebräu und musterten einander über den Rand der Becher hinweg, rot-schwarze Raku-Schalen, in denen das grüne Teepulver besonders gut zur Geltung kam. Irgendwann stellte Liu das Porzellan auf das Tablett. Er saß im Schneidersitz, kerzengerade, die Handgelenke locker auf den Knien ruhend.

»Wir werden schrittweise vorgehen«, erklärte er mit leicht belegter Stimme und hielt ihren Blick fest. »Von der Stärkung deines sexuellen Qis durch bewusste Atmung und der Öffnung deiner Chakren über Blockaden lösende Massagen, tantrische Grifftechniken, Karezza, stimulierende Spiele, Shibari und andere Fesselungen bis hin zur völligen körperlichen Ekstase, diesem herrlichen Wahnsinn, der nur einen schreierfüllten Wimpernschlag von der Bewusstlosigkeit entfernt ist.«

Brooke sah ihn an, als hätte er ihr soeben die Geheimnisse der Unsterblichkeit enthüllt. Dabei jagte ihr nicht so sehr, was er sagte, sondern die Art, wie er es sagte, Schauer über den Rücken. Seine Stimme umfasste eine Vielzahl unterschiedlicher Schwingungen, von denen einige die hundert Schmetterlinge geweckt haben dürften, die nun um ihren Nabel flatterten. Ihr Mund war ganz trocken. Und dennoch. Was glaubte er eigentlich? Wollte er sie provozieren?

Sein Blick ließ sie los, aber Brookes grüne Augen, scharf wie Nadeln, waren noch immer auf ihn gerichtet. »Ach ja?«, zischte sie. Es war vielleicht unklug gewesen, den Eindruck zu erwecken, sie wäre allein aus Abenteuerlust hierhergekommen. »Großer tantrischer Meister, falls es dir entgangen sein sollte: Auch in London bumsen wir, was das Zeug hält!«

Um Lius Mundwinkel legte sich ein spöttischer Zug.

»Die Themse rauf und runter«, fügte sie ätzend hinzu.

»Ja. Eben.« Er zog die Schultern zu einer Geste hoch, die alles über den Nahkampf in Englands Betten verriet. »Sie hüpfen nicht mehr ins Stroh, das ist aber auch schon alles. Seit den Zeiten der barbarischen Wikinger, die über die Frauen Englands herfielen, und der um nichts feineren Angelsachsen habt ihr euch auf diesem Gebiet nicht weiterentwickelt. Wir hingegen ...«

»Ja? Vielleicht stehen wir nur nicht auf euren ganzen Hokuspokus!«, unterbrach ihn Brooke und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Ich habe übrigens entschieden etwas gegen Zwangsbeglückung! »

»Mag schon sein, aber ich möchte dir all das zeigen, was du sein könntest – und noch nie warst!« Sein Blick war arrogant und kühn.

»Ich kann mir nicht vorstellen, was ...«

»Ich schon.«

Die kehlige Stimme und der durchdringende Blick seiner dunklen Augen trieben ihr das Blut in die Wangen. Nein, sie würde sich nicht provozieren lassen! Sie räusperte sich. »Ich kenne dich zu wenig«, murmelte sie, und die grünen Augen funkelten hell im Kerzenlicht.

»Das ließe sich ändern.«

»... aber vielleicht bist du zu optimistisch.« Sorgfältig wählte Brookes Hand eine kandierte Lychee von dem Bambustablett.

»Sehe ich so aus?«

Sie lachte. »Nicht die Spur!« Theatralisch schob sie sich die Frucht zwischen die karmesinroten Lippen.

»Dass du keine Jungfrau mehr bist, nehme ich wohl an. Bei deinem ...«

»Alter?«

»Aussehen!« Er grinste. »Diejenigen, die am meisten darüber reden, na, du weißt schon ...« Er machte mit seiner Hand eine matte Geste.

»Ha! Bis jetzt hast ausschließlich du darüber geredet!«

Liu ließ sich nicht beirren. »In der Psychologie nennt man das, soweit ich weiß, ›Kompensationsneurose‹.«

»Also auch noch ein Psychologiestudium, alle Achtung!« Sie biss sich auf die Zunge. Keinesfalls durfte sie den Eindruck erwecken, den Lebenslauf ihres Chefs zu kennen.

Einer seiner Mundwinkel hob sich widerwillig zu einem Lächeln. Dennoch gab er ihr eine perfekte Vorstellung davon, wie ein chinesischer Bastard von einem Mann es anstellte, Unangenehmes einfach zu ignorieren. »Aber hattest du schon einmal einen Orgasmus?« Er meinte es so. Kein Sarkasmus.

Sie musste lachen. Damit konnte er sie nun wirklich nicht provozieren.

»Ich werde dir zu einem Déjà-vu verhelfen, dass du glaubst, du seist nicht von dieser Welt.« Er legte die Fingerspitzen aneinander und betrachtete sie. »Es ist nicht einmal schwierig. Was wir tatsächlich riechen oder fühlen, ist unbedeutend, Brooke. Was uns anturnt, ist das, was wir zu fühlen glauben. Es ist die Fantasie, die uns die größten Emotionen und die aufregendsten Erlebnisse beschert. Denn die Fantasie überflügelt immer die Realität, wie schön oder schrecklich diese auch ist.«

Das alles leuchtete ihr ein. Verdammt!, fluchte Brooke. Hatte er überhaupt schon einmal etwas gesagt, was nicht klug war? Könnte das ein Problem werden? Liu goss den Tee ab und schenkte nach. Entschieden fachmännisch. Gab es etwas, was dieser Mann nicht beherrschte? Im Augenblick hatte sie Schwierigkeiten, sich das vorzustellen, aber insgeheim wünschte sie sich, dabei zu sein, wenn er doch einmal eine Schwäche zeigte. »Es freut mich, dass du es philosophisch siehst.«

Liu schüttelte nur den Kopf. »Du hast Angst, aber die brauchst du nicht zu haben. Nichts geschieht ohne deine Zustimmung.«

Beinahe hätte sie sich verschluckt. »Was soll das denn heißen?«

Die Flammen der gelben Teelichter spiegelten sich in seinen schwarzen Augen. Erlegte seinen Kopf leicht schief. Mehr noch als diese Geste wog der Umstand, dass er schwieg.

»Stehst du etwa auf ... Abartiges? Anormales?«, forschte Brooke und stellte damit klar, dass er gar nicht erst versuchen sollte, sich für sie etwas Perverses auszudenken.

Liu schürzte die Lippen, und Brooke betrachtete seinen Mund. Er war breit, voll und weich; an der Oberlippe sah man eine winzige Amor-Kerbe, dennoch wirkte er ziemlich arrogant. Die Unterlippe schob sich vor wie bei einem verzogenen Jungen, dem man ein Ultimatum gestellt hatte.

»Bei den Papua ist es anormal, verstorbene Verwandte zu begraben, und in England ist es anormal, sie aufzufressen.«

»Wir sind nicht bei den Papua ... »

»... und auch nicht in England!«

»Ja, leider!« Es war ihr einfach so herausgerutscht.

»Leonardo und Newton passten auch nicht in die Norm.«

»Wie auch immer, ich bin jedenfalls nicht hier, um irgendwelche Schweinereien auszuprobieren!« Sie musste wohl deutlicher werden, offensichtlich schien er etwas falsch verstanden zu haben.

»Und ob du das bist! Ohne dich zu berühren, spüre ich, wie sehr du es brauchst. Du bist wie ein brünstiges Tier.«

»Ein ungemein schmeichelhafter Vergleich, Liu. Weißt du, es gibt aber einen Unterschied zwischen wollen und müssen.«

»Du musst.« Das war eindeutig. »Reden wir einmal von deiner Sinnlichkeit. Was macht dich scharf? Ich habe dich beobachtet ...«

»Nicht doch!« Sie drehte den Spieß um. »Was macht dich scharf?«

Liu strich sich über den Hinterkopf, ging aber nicht auf sie ein. »Ich habe deine Zunge beobachtet, wie sie am Rand des Glases Lycheewein entlangfuhr, der dir augenscheinlich schmeckt. Wie du genießt und dabei einatmest. Du reagierst auf alles, alle deine Sinne knistern. Du wartest nur darauf, dass ich dich berühre. Das werde ich morgen tun. Ich werde dich überall berühren, Brooke, aber ich werde dich nicht nehmen.«

»Gesetzt den Fall, es wäre so«, sie verdrehte ihre grünen Augen, »glaubst du wirklich, ich würde um die Gunst irgendeines Machos betteln? Vergiss es!« Bastard! Aber im Prinzip hatte er recht.

Sein Blick war bezwingend. »Was macht dich an, Brooke?«

»Nun«, sie zögerte. »Was möchtest du hören?« Etwas Geiles, antwortete sie im Stillen selbst. Warum nicht? Um Zeit zu gewinnen, steckte sie sich eine knallrote Kirsche in den Mund. »Also. Da war so eine aufreizende Stewardess im Flugzeug. In dem engen Gang hat sie mir ihren knackigen kleinen Hintern unter die Nase gehalten. Ich habe meine Hand unter ihren Rock geschoben und mich an den seidenweichen Innenseiten ihrer Oberschenkel hinaufgetastet. Die glatten, festen Muskeln und ihre sanfte Wölbung machten mich scharf. Zärtlich schob ich den knappen Tanga zur Seite – um zu fühlen, ob sie rasiert war.« Sie warf ihm einen lauernden und doch herausfordernden Blick zu.

»Weiter!«

Brooke zweifelte keinen Augenblick, dass er ihre erfundene Geschichte durchschaute, aber die Vorstellung schien ihn dennoch zu erregen. Sie sah es an dem verräterischen Zucken unter einem seiner Augen in dem ansonsten unbeweglichen Gesicht.

»War sie rasiert?«, flüsterte er heiser.

Brooke nickte. Das Spiel war nicht ohne Reiz.

»Und feucht?«

»Wir sind immer feucht, großer Meister. Andernfalls würden wir beim Gehen quietschen.« Brooke kicherte. »Nein, sie war nass. Richtig nass«, raunte sie. Die Fantasie trieb bereits ihr Spiel. »Ich streichelte über ihre enge, glitschige Spalte ... Und sie rieb sich an mir ...« Plötzlich war der Raum angefüllt mit Lüsternheit. Es war beinahe unerträglich. Brooke schloss die Augen.

Liu beobachtete sie. Ihre Nasenflügel bebten leise, er konnte gerötete Flecken auf ihren Wangen erkennen. »Möchtest du, dass ich dich berühre? Ich wette, du bist genauso nass. Und genauso bereit.«

Natürlich war sie das, sie floss bereits aus! Dennoch schaffte sie es, nüchtern und fast höhnisch über die Lippen zu bringen: »Was lässt dich hoffen, großer Meister?« Sie konnte sich ihm nicht so einfach ausliefern. Noch nicht.

Sein durchdringender Blick aber bohrte sich in sie, drang ihr bis in die Seele. Das Gefühl, dass dieser Mann in die Tiefe ihres Herzens blickte, verunsicherte sie. Er wusste Bescheid, genau wie sie.

»Der Orgasmus ist der religiöseste Moment unseres Lebens, Brooke. Alle anderen mystischen Erregungen sind nur ein ... müder Abklatsch.«

»Ich werde jetzt aber keinen bekommen. Nicht ... auf diese Art. Da kannst du noch so lang reden.«

»Noch nicht.« Liu lächelte weise wie ein Buddha und saß auch wie ein solcher da. »Später einmal wird dir eine Vorstellung wie diese hier genügen.« Mit einer ausholenden Geste schloss er den Teeraum, das Teehaus, mit einem Wort, halb Hongkong ein.

Dann klatschte Liu in die Hände. Die Geisha erschien, und der Zauber war verflogen.

***

»Ich nehme an, du bist frei«, meinte er beiläufig, als sie wieder auf der Straße waren.

Brooke nickte. »Ich habe mich alle paar Monate ver- und wieder enthebt, ich bin erglüht und ...«

»Und du wurdest enttäuscht. Logischerweise.« Trotz des amüsierten Tonfalls war der Ernst in seiner Stimme nicht zu überhören. Ein rotes Taxi näherte sich, und Liu winkte es heran. »Morgen endet das Hongkonger Filmfestival«, sagte er, als er die Wagentür aufriss. »Hast du Lust, mit mir dort hinzugehen?«

Brooke stieg ohne zu antworten ein, und Liu schwang sich ebenfalls in den Wagen. Etwas zu schnell, sodass er gegen sie prallte, bevor sie weiter auf den Nebensitz rutschen konnte. Sein Körper war fest und warm, genau das, wonach sie sich jetzt sehnte.

Wie elektrisiert wich er zurück und gab dem Fahrer die Reverend Cooper Street in Aberdeen an. Dann musterte er Brooke von der Seite. »Wir können aber auch eine kantonesische Oper besuchen, wenn dir mehr an traditioneller Kultur gelegen ist.«

Brooke zog eine Braue hoch, um anzudeuten, dass es noch ganz andere Dinge gäbe, auf die sie sich einigen könnten. Mit einem Mal war sie ziemlich neugierig auf seinen Körper. Liu hingegen machte einen gelassenen Eindruck. Gelassenheit und Disziplin, das waren wohl seine Stärken. Sie war gespannt; mit einem Mal hatte sie wieder Lust auf einen starken Nacken, auf kräftige Muskelstränge, stramme Schenkel und einen breiten Rücken über knapper Badehose. Und unter der Gürtellinie? Cohen, das glaubte sie aufgrund ihrer Erfahrung mit Männern zu wissen, hatte bestimmt solch ein Mordsgehänge wie Jimmy. Und er? Hm. Würde er mit nach oben kommen?

»Ich weiß, was du jetzt denkst, Brooke. Aber der Reiz wird größer, wenn ich jetzt nicht mit hinaufkomme.«

2. Kapitel