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Kevin Marshall hat sein altes Leben hinter sich gelassen. Er ist nun ein Gentleman, trägt die teuersten Anzüge und datet ein Model. Bald wird er in die beste Stadt Deutschlands ziehen: Berlin. Aber ein Auftrag im verschlafenen Ludwigsburg ändert alles. Auf einmal muss er sich mit der heruntergekommenen Favorite-Bräu-Brauerei und, noch schlimmer, Marie Morchelheimer herumschlagen. Marie kann diesen arroganten Schnösel nicht leiden. Schon gar nicht, wenn er versucht, sie zum arbeiten zu bewegen. Marie ist faul, kindisch und stolz darauf, verdammt! Als die beiden sich treffen, fliegen die Fetzen und eine Katastrophe jagt die nächste. Dass sie sich sehr attraktiv finden, macht die Sache nur noch schlimmer. Die Brauerei scheint dem Untergang geweiht, wenn sie nicht lernen, zusammenzuarbeiten. Aber was soll man machen, wenn man mit einem hypersensiblen Muskelprotz, brutalen Naturschützern und perversen Einhörnern zu kämpfen hat?
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Regina Mars
Hopfen und Herz
Impressum
Hopfen und Herz Text Copyright © 2015 Regina Mars
Alle Rechte am Werk liegen beim Autor.
Regina Mars
c/o Block Services
Stuttgarter Str. 106
70736 Fellbach
www.reginamars.de
Lektorat: Kornelia Schwaben-Beicht
http://www.newsbrief.de/
Umschlagfoto: fotogestoeber/Shutterstock.com
Umschlaggestaltung: Regina Haselhorst
Copyright © Regina Haselhorst
www.reginahaselhorst.com
Kevin fand sein Leben perfekt. In Gedanken ging er seine Checkliste durch:
• Schicke Wohnung im angesagtesten Viertel von Stuttgart? Check.
• Bester Job der Welt? Check.
• Atemberaubendes Model als Freundin? Check.
Als er an der Rezeption vorbeiging, spürte er die bewundernden Blicke der Empfangsdamen. Verständlich, dachte er, denn er sah auch noch fantastisch aus. In den Rahmen der riesigen Bilder an den Wänden erblickte er sein Spiegelbild: Er war schlank, aber muskulös, sein Schritt selbstsicher, und seine Krawatte, die über einhundert Euro gekostet hatte, war von Fromage Fatale. Der Anzug saß makellos, und seine dunkelblonden Haare waren frisch geschnitten. Kurz: Er wirkte wie ein Gentleman. Nur die mehrfach gebrochene Nase trübte den Eindruck etwas.
Kevin betrat den Meetingraum mit fünf Minuten Verspätung. Die anderen waren schon da und warteten auf den Chef. Sein Blick fiel auf die Bilderrahmen, hinter deren Glas sich die legendärsten Ausgaben aus zwölf Jahren Workout & Style, dem Magazin für moderne Gentlemen, befanden. Kevin überflog die Headlines: »20 Biere fürs Cardiotraining«, »Echte Männer tragen Anzug« und »25 legendäre Schnitzel«. Er nickte zufrieden. Dies war sein Königreich, hier gehörte er hin.
Der Ressortleiter für Sport und die Sexkolumnistin unterhielten sich in der hinteren Ecke. Alle anderen standen um Stephan herum, der lässig an der Wand lehnte. Er zeigte auf seine Uhr und grinste.
»Kevin Marshall. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.«
Sollte das geistreich sein?
»Wir werden sehen«, sagte Kevin lapidar.
Kevin setzte sich an das Kopfende des Tisches, bevor Stephan den besten Platz belegen konnte. Dieser warf ihm einen schmaläugigen Blick zu, wagte es aber nicht, dazu etwas zu sagen. Sich über Kleinigkeiten zu beschweren, war unmännlich – darüber hatten sie gerade erst einen Artikel gebracht. Kevin hatte Stephan die letzten drei Jobs vor der Nase weggeschnappt. Noch einer, und es würde mit Stephans Ansehen als bester Mann bei Workout & Style schlecht aussehen.
Er setzte sich betont langsam neben Kevin. »Und«, fragte er neugierig, »wie war das Wochenende mit der Süßen?«
Kevin legte sein MacBook auf den Tisch und klappte es auf. Die Präsentation war bereit. »Wir haben gearbeitet.«
»Gearbeitet?« Stephans Augenbraue wanderte seine gebräunte Stirn hoch. »Du hast ein Model als Freundin! Wenn ich eine wie Silvana-Courtney im Bett hätte, würde ich zwei Wochen nicht mehr aufstehen.«
Kevin lächelte. »Hast du aber nicht.«
Stephan stutzte, dann brach er in Gelächter aus. »Der war gut.«
Er schlug Kevin in gespielter Kumpelhaftigkeit auf die Schulter. So hart, dass der fast über den Tisch geflogen wäre. Kevin revanchierte sich mit einem kräftigen Stoß in Stephans Rippen, der weiterlachte, obwohl Tränen in seine Augen traten. Er hätte sich noch vor lauter Wiehern den Kiefer gebrochen, wäre in diesem Moment nicht der Chef hereingekommen. Sofort huschten alle, die noch nicht saßen, auf ihre Plätze.
Der Chef war der Einzige im Raum, der besser gekleidet war als Kevin, und daher auch der Einzige, den er respektierte. Trotz seiner breiten Schultern saß Till-Felix' anthrazitfarbener Anzug perfekt. Gerüchte besagten, Till-Felix ginge bereits auf die fünfzig zu, aber dank Capoeira und entgiftenden Brokkoli-Shakes sah man es ihm nicht an. Statt einer Begrüßung donnerte er seine Faust auf den Tisch.
»Ernährung!«, bellte er. »Was habt ihr?«
Thomas und Uwe sprangen synchron auf.
»Die zehn proteinreichsten Steaks!«, rief Thomas.
»Post-Work-out-Drinks für maximalen Muscle Growth!«, tönte Uwe.
»Proteinriegel unter einem Euro!« Thomas' Stimme überschlug sich.
Till-Felix stöhnte gequält. »Schon wieder dieser Billigscheiß? Wir sind nicht das Rheumadeckenjournal, verdammt! Unsere Kunden trainieren hart und wollen das Beste, zur Hölle!«
Thomas wurde blass, als Till-Felix Uwe den Job gab. So machte ihr Chef das immer. Er ließ zwei Redakteure gegeneinander antreten, und nur einer bekam den Auftrag. Das sollte den Kampfgeist der Mitarbeiter stärken. Kevin trat gewöhnlich gegen Stephan an. Und für gewöhnlich gewann er. Als Uwes Vortrag über Proteindrinks zu Ende war, hallte die Stimme des Chefs erneut durch den Konferenzraum.
»Fashion! Die Flanellhemd-Kollektion von L’umberjacques!«
»Die Weite der Straße!«, rief Stephan. »Ein Motorrad, Sonnenuntergang, die Autobahn, unendliche Weiten ...«
»... außer bei Stau«, sagte Kevin betont lässig.
Stephan wandte sich ihm zu. »Hast du etwa was Besseres?«
»True Manliness!« Kevin schaute Till-Felix an. »Harte Arbeit in einer alten Brauerei, Backsteine, Bierfässer, eine schöne Bierbrauerin ... und ein Motorrad!«
Till-Felix nickte kurz. »Du hast den Job!«
»Ein Motorrad in der Brauerei ... Schon klar!«, murmelte Stephan unzufrieden.
Während Kevin seine Präsentation abhielt, lauschte sein Kollege mit verschränkten Armen und ausdrucksloser Miene. Als Till-Felix den Raum verlassen hatte, beglückwünschten die anderen Kevin. Er nahm es würdevoll entgegen, bildete sich aber nichts darauf ein. Hätte er den Auftrag nicht bekommen, hätten sie sich um Stephan geschart, und Kevin wäre Luft für sie gewesen.
»Du hast den Auftrag? Das ist ja fantastisch!«
Silvana-Courtneys Stimme quietschte in Kevins Ohr. Er hatte bereits damit gerechnet und sein Handy vorsorglich vom Ohr weggehalten.
»Natürlich habe ich ihn.« Er lächelte. »Wenn du zurückkommst, gehen wir groß aus und feiern.«
»Das wäre toll. Oh, ich habe hier einen Schal gesehen, in einer ganz kleinen Boutique, aber sie haben Sachen aus Mailand ...«
»Kauf ihn dir«, sagte Kevin, der wusste, dass sie nichts anderes von ihm erwartet hatte. Er konnte Silvana-Courtney beinahe vor sich sehen, wie sie in ihrem Hotelzimmer in Erfurt saß, die honigblonden Haare zu einem Dutt gezwirbelt. Sie hatte endlich wieder einen Job: Modeln für das Wellnessparadies Erfurt. Trotz ihrer Schönheit verlief ihre Karriere nur schleppend. Kevin musste ganz allein für die gemeinsame Wohnung aufkommen. Aber das war ja kein Problem: Schließlich war er ein genialer Redakteur.
»Das ist so lieb von dir! Ich muss leider los, in einer Viertelstunde geht es weiter. Lieb dich!«
Kevin hätte sicher geantwortet, dass er sie auch lieben würde, aber das Freizeichen kam ihm zuvor. Er liebte sie doch, oder? Kevin schüttelte den Kopf und steckte das Handy weg. Natürlich liebte er sie. Allein ihre Wangenknochen ...
Silvana-Courtney passte perfekt zu ihm – das schöne Model und er, der erfolgreiche Gentleman Kevin Marshall, waren doch ein Traumpaar.
Kevin seufzte und trat an das Fenster seines Apartments. Von hier aus konnte er den Mercedes-Stern auf dem Bahnhofsturm sehen. Stuttgart war ja ganz nett, aber zu nah an seiner alten Heimat. Und je weiter er sich davon entfernen konnte, desto besser.
Berlin! In Berlin könnte er es sicher eine Weile aushalten. Ein Lächeln kräuselte seine Mundwinkel, als er an die fantastischen Modelabels, die dort aus dem Boden schossen, und die kleinen stylishen Cafés mit den zusammengewürfelten Möbeln und den exzellenten Teespezialitäten dachte.
Wenn das Shooting gut läuft, könnte ich mit Till-Felix reden, überlegte er. Der wird mich bestimmt weiterempfehlen. Zudem kannte sein Chef den Redaktionsleiter von Men’s World in Berlin. Die Hauptstadt war für Kevin die einzig annehmbare Stadt Deutschlands. Bevor er dreißig wurde, also in zwei Jahren, musste er es dorthin schaffen!
Er warf sich in seinen original Chateau d’Awesome-Ufosessel von 1962. Sein Blick wanderte zufrieden über die weißen Wohnzimmerwände, die weißgrauen Bilder und die stahlgrauen Designermöbel. Das schmale Regal von Nabubert war fast leer, nur ein paar Bildbände über die Arktis standen dekorativ verteilt auf den Brettern. Die einzigen warmen Farben im Raum waren die seiner Haut und seiner Haare. Perfekt.
Seine Finger trommelten auf die rasiermesserscharfe Lehne des Sessels, während er sich in allen Einzelheiten vorzustellen versuchte, wie es sein würde. Und nach Berlin war New York dran. Definitiv! Das waren sein Ziel und sein Plan, und nichts und niemand würden ihn davon abbringen, Karriere zu machen.
Das Shooting
Kevin kam am nächsten Morgen als Letzter bei der verlassenen Brauerei an. Der Verkehr zwischen Stuttgart und Ludwigsburg war höllisch gewesen. Seine Laune hatte sich immer mehr verschlechtert, je deutlicher er die barocken Kirchtürme hatte sehen können. Zum Glück war die Brauerei weit entfernt vom Ludwigsburger Stadtkern. Er würde bestimmt niemanden treffen, der ihn von früher kannte. Und falls doch, würden die ihn nicht erkennen. Sicher nicht, schließlich hatte er sich völlig verändert.
Kies knirschte unter den Reifen seines BMW Roadsters, als er bremste. Der Weg bis hierhin war eine Zumutung gewesen: ein Schlagloch am anderen. Für die mittlerweile heruntergekommenen Gebäude hatte es sich wohl nicht gelohnt, eine vernünftige Straße zu bauen.
Kevin stieg aus und kniff, von der Sommersonne geblendet, die Augen zusammen. Er setzte seine Ray Ban auf und sah sich um. Der kleine Hof vor der Brauerei war von einer zerfallenden Mauer umgeben, hinter der sich Birken dem heute saphirblauen Himmel entgegenreckten, wo ein Raubvogel seine Kreise zog. Bis auf das Zwitschern der Vögel und das leise Rauschen der Bundesstraße war nichts zu hören.
Die Fotografin, der Beleuchter, die Visagistin und die beiden Models, die vor ihm eingetroffen waren, starrten wie er auf das verfallene Backsteingebäude. Welch trauriger Anblick, dachte Kevin. Das Dach hing durch, und die Schindeln waren gesplittert wie uralte Fingernägel. Aus dem ganzen Elend erhob sich ein roter Ziegelturm, als wolle er nach oben flüchten.
»Wie hast du diesen Laden denn gefunden?«, fragte Nina, die Fotografin, bewundernd. »Das ist genial. So ... retro.«
»Vintage«, korrigierte Kevin sie. »Ich war im Winter mal hier auf dem Weihnachtsmarkt und habe mich auf dem Rückweg verfahren. Der Ludwigsburger Weihnachtsmarkt soll der schönste in ganz Deutschland sein.«
»Und, ist er es?« Ihre Augen blitzten ihn an.
Kein Zweifel, nach dem Shooting würde sie fragen, ob er etwas mit ihr trinken möchte. Aber Kevin wusste, er würde ablehnen.
Er zuckte mit den Schultern. »Für die Provinz vielleicht. Der Christkindlmarkt in München hat mir besser gefallen.«
»Oh, jetzt hast du dich aber ins Abseits geschossen. Ich bin hier aufgewachsen.« Sie zwinkerte ihm zu.
Kevin zögerte einen Moment. Ich hätte Ninas Lebenslauf lesen sollen, dachte er. Nachdenklich betrachtete er ihr Gesicht. Nein, sie hatten nicht dieselbe Schule besucht.
»Aber selbst ich kannte diese Brauerei nicht. Was steht da? Favorite-Bräu? Das kommt mir allerdings irgendwie bekannt vor.«
»Echt? Ich habe noch nie davon gehört«, log er.
»Doch, doch ... jetzt erinnere ich mich: Als ich klein war, haben das immer die Obdachlosen am Bahnhof getrunken.«
Kevin schnaubte verächtlich. »Wirklich ein Zeichen von Qualität.«
Nina kicherte. »Wohl eher von günstigen Preisen. Aber ich habe die Flaschen seit Jahren nicht mehr gesehen. Na, kein Wunder, wenn die Brauerei dichtgemacht hat. Immerhin können wir hier umsonst drehen und müssen niemanden um Erlaubnis bitten.«
Kevin nickte und wandte sich zu den anderen um. »Seid ihr so weit?«
Etwas stimmte nicht. Wieso ließ sich die Tür so einfach aufdrücken? Während seiner Erkundungstour am letzten Wochenende hatte er noch durch ein Fenster kriechen müssen. Das zweite Anzeichen dafür, dass sie möglicherweise ein Problem hatten, waren die Frau und die beiden Männer, die mitten in der Brauerei Karten spielten und Kevin und sein Team entgeistert anstarrten.
»Äh ...«
Die junge Frau erholte sich als Erste. Sie trug Jeans und ein Flanellhemd, aber keins von L’umberjacques. Eher von einem Discounter.
»Kann ich euch helfen, Leute?« Ihre Stimme klang herb und warm zugleich.
Kevin betrachtete sie etwas genauer.
Man hätte sie als umwerfend bezeichnen können, wenn man auf ihren Typ stand. Was er aber nicht tat. Sie hatte mindestens Kleidergröße 40 – für Kevin ein absolutes No-Go –, besonders, da sie recht klein war. Aber ihre kornblumenblauen Augen waren ... ganz nett. Na ja, sehr nett. Sie funkelten wie winzige Juwelen, während sie ihn neugierig ansah. Sie wirkte, als würde sie gerne lachen, als bräuchte ihr herzförmiger Mund nur die geringste Veranlassung, um sich zu einem breiten Grinsen zu verziehen. Dunkle, fast schwarze Locken umrahmten ihr weiches Gesicht. Sie hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden, der gerade im Begriff war, sich aufzulösen. Alles in allem sah sie aus wie eine kurvige Waldelfe.
Kevin wurde bewusst, dass er sie anstarrte. Und dieser Vergleich …
»Hast du etwa gar keine Genehmigung?«, flüsterte Nina ihm zu und löste ihn aus seiner Versteinerung.
»Ich dachte, wir brauchen keine. Der Laden sah verlassen aus«, zischte er zurück. Dann besann er sich auf seine guten Manieren.
»Kevin Marshall.« Er hielt der Schwarzhaarigen seine Hand hin. »Von Workout & Style. Wir wollen hier ein Shooting abhalten.«
»Marie Morchelheimer.«
Ihr Händedruck war fest und ihr Lächeln bezaubernd. Kevin sah ihre Eckzähne glitzern und vergaß für einen Moment, wie stillos sie gekleidet war.
»Haben Sie das mit der Besitzerin abgeklärt?«
Kevin überlegte, zu lügen, aber das wäre zu leicht zu überprüfen. Er schüttelte den Kopf und lächelte bedauernd. »Leider nicht. Ehrlich gesagt, wir dachten, die Brauerei sei verlassen.«
Sie lachte und schaute sich um. »Ja, so sieht’s hier aus, nicht wahr? Vielleicht sollten wir doch mal wieder aufräumen.«
Vielleicht? Kevin warf einen Blick auf die spinnwebenverklebte Decke, die blinden Fenster und die drei verstaubten Metallkessel, jeder so hoch wie er. Überall lagen Bierfässer herum. Was für ein Saustall. Selbst für ein Shooting über »True Manliness« war es hier zu verdreckt.
Er räusperte sich und schenkte ihr das Lächeln, das, wie Silvana-Courtney ihm versichert hatte, sein charmantestes war. »Nun, die Räume sind perfekt für unser Shooting. Wir machen eine Fotostrecke über Flanellhemden von L’umberjacques. Ein deutsch-französisches Label aus Berlin.«
»Nie gehört.« Sie grinste. »Aber hey, kein Problem. Macht so viele Fotos, wie ihr wollt.«
»Haben Sie Workout & Style gesagt?« Die beiden anderen Kartenspieler hatte Kevin fast vergessen. Der jüngere der beiden kam hinter Maries Rücken hervor. »Das les ich jede Woche!«
»Offensichtlich«, sagte Kevin.
Der Typ streckte seine breiten Schultern und strahlte. Er hatte Muskeln wie ein Zuchtbulle. Sein Gesicht war nichtssagend und gewöhnlich. Runde Augen, breite Nase, hängende Stirn. Ideal. Kevin verschränkte die Arme und legte den Kopf schief.
»Hätten Sie Lust, beim Shooting mitzumachen? Dann wären Sie in der nächstens Ausgabe. Wir bräuchten noch jemanden, der im Hintergrund Fässer rollt, fürs ... Ambiente.« Außerdem brauchten sie jemanden, der hier vorab das Chaos beseitigen würde.
»Na klar!«
»Benno, ich weiß nicht ...« Marie sah ihn von der Seite an. »Mit deinen empfindlichen Händen ...«
»Natürlich mach ich das!«, sagte Benno. »Workout & Style ist super. Ich hab schon zehn Kilo Muskelmasse zugelegt, seit dem Growth & Power-Special letztes Jahr. Und alles nur wegen Doktor Health. Kennen Sie ihn?«
»Ja, natürlich. Ich werde ihm ausrichten, dass seine Methode funktioniert«, sagte Kevin. Würde er natürlich nicht tun, denn besagter Doktor war Stephan. »Nun gut, dass wir noch ein paar zusätzliche Muskeln dazubekommen haben.« Kevin schlug Benno auf die Schulter. »Benno ... kann ich du sagen?«
»Na klar!« Benno grinste.
»Benno, du übernimmst die Bierfässer da hinten. Karl hilft dir, sie zu tragen, aber da du dich besser auskennst, leitest du ihn an, ja?«
Kevin nickte dem Beleuchter zu.
»Na klar, kein Problem!« Benno wirbelte auf dem Absatz herum und stapfte auf Karl zu.
Innerhalb einer Stunde war die Brauerei geputzt und aufgeräumt. Kevin hatte sein Team, Benno und den anderen Skatspieler, einen Alten mit einem Bulldoggengesicht, so lange herumgescheucht, bis auch die letzte Spinnwebe vernichtet war. Nur Marie war immer verschwunden, sobald er ihr einen Auftrag hatte geben wollen. Sie musste einen Instinkt dafür haben.
»Gut, legen wir los!«, rief Kevin.
Nina schleppte ihre Ausrüstung herein, und Karl baute die Leuchten auf. Benno joggte auf der Stelle, als würde er sich auf einen Sprint vorbereiten. Die beiden Models zogen sich in einem Nebenraum um, während die Visagistin sich bereit machte, sie zu schminken.
Kevin hatte die beiden Models nur widerwillig genommen. Das Mädel war die Nichte von Till-Felix' Bruder oder so. Jedenfalls war sie eine unerträgliche Zicke. Und leider mit dem männlichen Model, Antoine, zusammen. Der flirtete gern. Sie hatten noch kein Shooting ohne Drama beendet. Nun, kein Problem für Kevin. Er konnte mit ihnen arbeiten. Solange ein paar gute Fotos herauskamen, sollten sie sich streiten, wie sie wollten.
Jetzt, wo es nichts mehr zu tun gab, tauchte Marie plötzlich neben ihm auf. Ihre wunderschönen Augen blitzten. »Und, wie läuft’s?«
»Gut, gut«, sagte Kevin und versuchte, konzentriert zu bleiben.
Das Licht fiel genau im richtigen Winkel durch die frisch geputzten Fenster. Vielleicht konnten sie das noch einfangen. So, wie es auf Maries Schultern fiel, sah es beinahe golden aus.
»Das muss ich Ihnen lassen: So gut sah es hier nicht mehr aus, seit wir neu eröffnet haben.« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Richtig hell.«
»Wahrscheinlich waren Sie zu beschäftigt, um zu putzen?«, sagte er und dachte: eher unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass ich die drei beim Kartenspiel angetroffen habe. Aber solange er in der Brauerei fotografierte, konnte er sich darüber kaum beschweren.
»Eigentlich spielen wir meistens Skat«, sagte sie. »Ist gemütlicher so.«
»Wie bitte?« Hatte er richtig gehört? Kevin schaute Marie an.
»Nun, wir sollen die Brauerei zwar wieder aufbauen, aber das wird eh nix. Also sitzen wir unsere Zeit ab und machen das Beste daraus.«
»Wie bitte?«, wiederholte er, weil ihm im Moment nichts Gescheiteres einfiel. War diese Waldelfe etwa doch ein fauler Brückentroll? »Sie sitzen die ganze Zeit nur rum?«
»Warum denn nicht?«
»Und Sie versuchen nicht mal, Ihren Job zu machen?« Kevin betrachtete sie. War das zu fassen? Unglaublich!
Marie zuckte nur mit den Schultern. »Wie gesagt, das wird eh nix mit dem Neustart. Warum kämpfen, wenn es keinen Sinn hat?«
Dass Nina kam, ersparte ihm eine Antwort. Gott sei Dank. Leider folgte Marie ihm. Sie schien sehr interessiert an dem Shooting.
Sie positionierten Antoine vor den staubigen Bierkessel und knöpften sein Hemd auf. Er spannte seine makellos definierten Brustmuskeln an, bis er den perfekten Winkel gefunden hatte. Die Visagistin schmierte ihm Schmutzflecken ins Gesicht, das sie vorher perfekt geschminkt hatte. Veronelle, das weibliche Model, bekam ebenfalls Schmutzflecken, aber nicht zu viele. Sie trug ein halb durchsichtiges Top und Shorts, die nicht mal die Hälfte ihres Hinterns bedeckten.
Marie prustete los, als sie Veronelles Outfit erblickte, und fragte: »Was werden das noch mal für Fotos?«
Kevin sah Veronelles Augen schmaler werden und wusste, dass er etwas tun musste.
»Das ist ein High-Quality-Fashion-Shooting, das sich großartig in unserem Portfolio machen wird«, erklärte er mit ernster Miene. »L’umberjacques hat bereits den ,Prix de la Fashion nouvelle' in Obermüngerich gewonnen, und die Qualität der Hemden ist ausgezeichnet. Bio und Fairtrade. Mit diesen Fotos werden wir ihnen ein Denkmal setzen. Das Konzept ist: alle Symbole der absoluten Manliness bis zum Punkt der ironischen Brechung forciert.«
»Aha … Ironische Brechung. Schon klar.« Marie blickte auf Veronelles Ausschnitt.
»Ich wusste, dass Sie das nicht verstehen würden.« Kevin wandte sich um. »Antoine, stell dein Bein auf die Kiste und tu so, als würdest du den Bierkessel reparieren. Veronelle, du kniest vor ihm und reichst ihm den Schraubenschlüssel. Gut so. Bieg den Rücken noch ein wenig durch! Ja, genau. Stell dir vor, du würdest sagen: Hier, mein Gebieter!«
Er ignorierte Maries heftiges Kichern und wandte sich an die anderen: »Karl, passt alles? Nina? Dann fangt an!«
Die ersten Fotos wurden akzeptabel. Sie wirkten noch ein wenig verkrampft, aber Antoine lag die Heldenrolle. Veronelle war weniger gut darin, ihn devot anzulächeln, weil sie immer wieder böse Blicke zu Marie hinüber warf. Aber sie hatten auch gerade erst angefangen. Während Karl umbaute, stolzierte Veronelle auf Kevin zu.
»Du machst das großartig«, sagte er, bevor sie zu Wort kommen konnte. »Fantastisch.«
»Ich ...« Sie zögerte. »Nun, ich weiß. Papa hat auch gesagt, dass ich zum Modeln geboren bin. Aber ich kann so nicht arbeiten. Ich will, dass sie rausgeht!«
»Wer?«, stellte er sich dumm.
»Diese Marie. Sie flirtet mit Antoine. Natürlich mache ich mir keine Sorgen wegen der fetten Kuh, aber es stört meine Konzentration.« Sie strich die weißblonden Haare zurück. »Und ich kann keine volle Leistung bringen, wenn meine Konzentration gestört ist.«
»Das verstehe ich«, sagte er betont mitfühlend, tat es aber nicht. »Aber du musst wissen, sie ist die Chefin hier. Ich kann sie nicht einfach hinauswerfen. Okay?«
»Aber ...«
Kevin legte ihr die Hand auf die Schulter und sah ihr tief in die Augen. Das verfehlte nicht seine Wirkung. Veronelles Pupillen weiteten sich, und ihr Atem ging schneller.
»Bitte«, sagte er, und sie errötete.
»Na gut. Aber wenn er noch mal in ihre Richtung schaut, garantiere ich für nichts.«
»Ich weiß, du kannst dich beherrschen.« Kevin intensivierte seinen Blick noch einmal, ihre Wangen färbten sich tiefrosa, dann schickte er sie in die »Umkleide«.
Nina trat neben ihn. »Als Nächstes sollten wir den Shot vor der Bierwand machen.« Sie zögerte. »Meinst du nicht, dass wir die Fässer ein bisschen hoch gestapelt haben?« Sie betrachtete die Wand, vor der fast alle Bierfässer, die sie hatten finden können, aufgebaut waren. Die restlichen standen dekorativ davor. Der Turm reichte beinahe bis zur Decke.
»Ach was. Die sind stabil«, sagte Kevin und wandte sich um. »Ich hole das Motorrad rein.«
Als er die Maschine hereinschob, wurden Maries Augen ganz groß. Sie pfiff durch die Zähne. »Eine Honda NR 750? Nice!«
Kevin stellte die Maschine vor den Bierfässerturm. Sie machte sich gut in Kombination mit den staubig-braunen Fässern. Die Motorhaube mit dem weißsilbernen Schriftzug wirkte so noch glänzender. Perfekt. Antoines rotes Hemd würde herausstechen wie eine Mohnblume in einer grauen Betonlandschaft. Marie sah ihm interessiert über die Schulter. Sie stand nah bei ihm, und ihr Duft stieg in Kevins Nase. Lecker. Was war das? Er konnte sich kaum vorstellen, dass sie Parfum benutzte. Roch sie von Natur aus nach Vanille? Er verscheuchte den Gedanken.
»Wahnsinn, das ist echt eine Siebenhundertfünfziger! Ich hab schon mal eine Goldwing gesehen, aber die noch nie. Es wurden nur zweihundertneunzig Stück davon gebaut. Kann ich sie mal fahren?« Ihre Stimme klang ganz sehnsüchtig.
»Auf keinen Fall«, sagte Kevin bestimmt. Die Maschine war einhunderttausend Euro wert, und sie hatten sie nur ausgeliehen.
»Sicher? Darf ich sie wirklich nicht fahren?«
»Nein.« Verdammt, da war ein Fleck auf dem Tank. »Haben Sie ein Taschentuch?« Er streckte die Hand nach hinten aus.
»Hier, mein Gebieter!«
Sollte das komisch sein?
Sie drückte ihm ein Taschentuch in die Hand, das bereits benutzt worden war. Unmöglich, die Frau! Er überwand seinen Ekel und polierte die Motorhaube damit, bis der Fleck verschwunden war. Als er sich umsah, war Marie ebenfalls weg. Gut. Dafür stand Benno hinter ihm.
»Bin ich jetzt dran? Was soll ich tun? Ich hab schon drei Sätze Klimmzüge gemacht, damit meine Muskeln besser durchblutet werden. Gucken Sie mal!« Bennos Bizeps spannte sich wie ein Wasserballon kurz vorm Platzen.
»Beeindruckend.«
Benno hatte die typischen Pumpermuskeln: riesig, aber nutzlos. Mehr Schein als Sein. Kevin wettete innerlich, dass Benno keine drei Treppenabsätze hochlaufen konnte, ohne aus der Puste zu kommen. Aber was beschwerte er sich? Wenn die Kunden von Workout & Style so aussehen wollten und er damit Geld verdiente ...
»Dann bist du so weit?«
»Na klar!« Benno strahlte.
»Großartig. Du stellst dich hierher und tust so, als würdest du eines der Fässer auf den Stapel heben. Antoine sitzt im Vordergrund auf seinem Motorrad und trinkt Bier, während Veronelle ihm ein Sandwich macht. Verstanden?«
Benno nickte. »Na klar!«
»Gut. Sobald die beiden aus der Maske kommen, legen wir los.«
Wo blieben die eigentlich? Kevin ging durch einen vollgestellten, mit Holz getäfelten Flur zu dem Raum, den sie als Umkleide nutzten. Die Wände des Flures waren mit Eiche verkleidet. Absolut geschmacklos. Verblichene Bilder hingen dort, Gruppenfotos von fröhlichen Bierbrauern und Kutschen mit schweren Pferden. Die Fotos waren offensichtlich hier im Hof der Brauerei gemacht worden. Favorite-Bräu musste einmal ein florierender Betrieb gewesen sein. Vor der Tür mit dem Pappschild »Umkleide« klopfte er. Ein Kichern erklang.
»Wir sind gleich fertig. Bleib draußen!«
Veronelles Stimme. Sie klang, als wäre sie außer Atem. Antoine lachte. Kevin konnte ihn förmlich schwitzen hören. Er knetete seine Nasenwurzel und machte eine mentale Notiz, nie wieder mit diesen unprofessionellen Trotteln zu arbeiten.
»Beeilt euch, wenn ihr bezahlt werden wollt!«, rief er.
Ein Quietschen ertönte. Er verschränkte die Arme und wartete. Stimmen näherten sich: Marie und der alte Typ. Für einen Moment konnte Kevin, der hinter einem Schrank verborgen war, verstehen, was sie sprachen.
»Warum hast du ihnen erlaubt, hier diesen Blödsinn zu fotografieren?«, fragte der Alte. »Das hält uns nur von der Arbeit ab.«
»Als ob wir nach der Partie gearbeitet hätten!« Marie grunzte. Das hätte nicht sexy klingen sollen, tat es aber. »Wir fangen doch nie vor dem Nachmittag an, zu arbeiten. Lass sie halt Fotos machen, dann haben wir was für die Kunst getan.«
»Kunst? Du bist doch nur hinter Blondie her. Schade, dass er dir die kalte Schulter zeigt. Muss ungewohnt für dich sein.«
Blondie? War er damit gemeint?
»Der taut schon auf«, sagte Marie. »Spätestens, wenn ich ihn in der Falle hab.«
»Wer’s glaubt, wird selig. Ich wette fünf Euro, dass du ihn nicht ins Bett kriegst. Warte, machen wir zehn daraus, so sicher bin ich ...«
Dann waren sie zu weit weg, als dass Kevin noch etwas hätte verstehen können. Diese ...
Kevin merkte zu seinem Erstaunen, dass er beleidigt war. Wie konnte sie sich so sicher sein, dass sie ... Hm. Früher, als er noch arm gewesen war, hätte er mit ihr geschlafen und dann die Hälfte des Gewinns verlangt. Aber diese Zeiten waren Gott sei Dank vorbei. Jetzt hatte er Geld. Und eine Wahnsinnsfreundin. Silvana-Courtney. Genau. Er musste sie anrufen, wenn das hier beendet war.
In diesem Moment platzten Antoine und Veronelle aus dem Raum, ein Grinsen auf den geschminkten Gesichtern. »Tut uns total leid!«
Kevin zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts. Zurück am Set, stellte er zufrieden fest, dass wenigstens Nina ein Profi war. Sie hatte die Kamera aufgestellt, und das Motorrad war bereits ideal beleuchtet. Karl lehnte im Türrahmen und rauchte.
Antoine nahm auf dem Fahrzeug Platz. Sofort sah er männlicher aus. Veronelle mühte sich mit dem Sandwich ab, dessen Brothälften unter den Scheinwerfern bereits trocken geworden waren. Kevin öffnete mit seinem silbernen Flaschenöffner eine Bierflasche (kein Favorite-Bräu, zum Glück) und goss es in den bayerischen Maßkrug, den sie im Requisitenlager aufgetrieben hatten. Er reichte Antoine den überquellenden Krug. Die Schaumkrone sah aus wie eine Wattewolke, und ein einzelner Tropfen Kondenswasser rann an der Seite des Behälters herab. Perfekt. Aber wo war jetzt Benno?
»Benno?«, rief Kevin genervt.
Alle Blicke richteten sich auf Benno, der mit gerunzelter Stirn vor einem 10-Liter-Fass stand, das er heben sollte.
»Es ist zu schwer!«, klagte er und zerrte daran.
Also doch. Kevin seufzte.
»Leere es halt aus!«
»Waaas?«, hörte er Marie neben sich fragen. »Soll er das etwa trinken?«
»Natürlich nicht! Kippen wir das Zeug draußen aus.«
»Das Zeug?« Maries herzförmiger Mund sprang entsetzt auf. »Das ist Bier, das wir im Schweiße unseres Angesichts gebraut haben ...«
»Ich bin sicher, dass Sie dabei stark geschwitzt haben«, unterbrach Kevin sie, kippte das Fass und rollte es nach draußen.
Marie lief ihm nach. »Mann, das ist gutes Bier! Sie können es nicht einfach wegkippen.«
»Das ist kein gutes Bier, sondern Favorite-Bräu, und wir sind bereits zehn Minuten im Verzug.« Kevin öffnete den Sicherheitsverschluss am Boden des Fasses. Die schäumende Flüssigkeit lief durch den Staub und versickerte im Boden.
Marie stemmte die Hände in die Hüften und blickte ihn zornig an. »Das hätte man noch trinken können, verdammt!«
»Nicht mal Sie hätten das auf einmal geschafft.«
Jetzt sah sie ihn ungläubig an. Dann legte sie den Kopf schief. »Haben wir ein Problem miteinander, Freundchen?«
»Nur, wenn Sie weiterhin das Shooting behindern.«
Sie kam näher. »Ich? Sie behindern? Das ist wohl eher umgekehrt! Und wer bezahlt das Fass?«
»Keine Sorge, dafür reicht unser Budget gerade noch.«
»Aber ...« Ihre kornblumenblauen Augen wurden zu Schlitzen. »Und wer bezahlt die verlorene Arbeitszeit?«
»Was hält Sie davon ab, zu arbeiten? Legen Sie los! Wir stehen doch nur vor den Bierfässern rum und machen Fotos. Die restliche Brauerei steht Ihnen zur freien Verfügung.«
»Zu gütig!«
Oha, er hatte sie tatsächlich wütend gemacht. Kevin wunderte sich über sich selbst. Sonst verhielt er sich diplomatischer. Aber sonst schloss auch niemand Wetten darüber ab, ihn ins Bett zu kriegen, und nannte ihn »Blondie«.
Das Bier war endlich ausgelaufen. Er schulterte das leere 10-Liter-Fass und ging zurück in die Brauerei. Als er den Raum betrat, stoben die anderen auseinander. Hatten sie nichts Besseres zu tun, als zu lauschen?
»Alle auf die Positionen, aber zackig!«, rief er.
Antoine hüpfte auf sein Motorrad, Veronelle auf die Picknickdecke, und Benno nahm das Fass entgegen. Er hob es, genau im richtigen Winkel. Die drei standen wie Statuen vor der Wand aus Fässern, wie ein lebendes Bild von Kraft, Sexyness und Männlichkeit. Perfekt.
»Nina, leg los!«
»Argh!« Benno krümmte sich mit einem schmerzvoll klingenden Laut zusammen. Das Fass entglitt seinen Händen und krachte auf Antoines Kopf, dann weiter auf die Picknickdecke, wo es die Sandwiches plättete. Veronelle kreischte, sprang zurück und stolperte über ein Kabel.
»Mein Rücken!«, rief Benno.
»Mein Kopf!«, jammerte Antoine.
»Ich glaub, es ist ein Hexenschuss!«, schrie Benno noch lauter.
Zum Glück war der Alte direkt zur Stelle. »Benno, ich hab dir doch gesagt, das ist eine schlechte Idee. Du bist viel zu sensibel, Junge.« Er legte Bennos Arm um seine Schulter und zerrte ihn hoch. »Komm, ich bring dich zum Arzt.«
»Ich wollte doch auf die Fotos. Workout & Style ...«, jammerte Benno, aber der Alte hatte kein Erbarmen und schleppte ihn hinaus.
»Wer hätte gedacht, dass der so empfindlich ist«, murmelte Kevin. Er untersuchte Antoines Kopf. Eine Beule, nichts weiter. Nur die Frisur hatte gelitten, aber die Visagistin war bereits im Anmarsch.
»Benno? Das war vorprogrammiert.«
Kevin drehte sich zu Marie um, die wieder aufgetaucht war. Sie sah ihn vorwurfsvoll an.
»Letzte Woche war er wegen Fußpilz krankgeschrieben. Wegen Fußpilz! Den halben Frühling fällt er wegen Allergien aus und den halben Winter wegen Erkältung. Der Junge ist ein Bazillenmagnet.«
»Das hätten Sie mir früher sagen können«, grollte Kevin.
Marie zuckte mit den Schultern. »Hätten Sie darauf gehört?«
»Natürlich«, log er.
Antoine spürte, dass er nicht mehr im Mittelpunkt stand, und wimmerte leise.