Hyde & Seek: Kase - Layla Frost - E-Book
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Hyde & Seek: Kase E-Book

Layla Frost

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Beschreibung

Auch wenn Harlow Cooper auf den ersten Blick wie die süße Rothaarige von nebenan wirkt, hat sie mehr Geheimnisse, als jedes Tagebuch einer ausgeflippten Teenagerin hergeben würde. Neben ihrem Studium, der Stelle als Praktikantin, den Bemühungen, eine gute Freundin und eine noch bessere Tochter zu sein, verdient sie ihre Brötchen längst nicht mehr als Kellnerin, sondern ... sagen wir mal, ihr Arbeitsoutfit besteht aus Mini-Aufklebern für ihre Nippel und jeder Menge Glitzer. Wenn sie bei all der Aufregung für etwas keine Zeit hat, ist es ein gutaussehender Kerl mit übergroßem Ego, der stets einen lockeren Spruch auf den Lippen hat. Dumm nur, dass sich dieser nicht mehr abschütteln lässt ... In Kase Teo steckt mehr, als man auf den ersten Blick erahnt. Unter seinen Tattoos, den Dreads und hinter den kristallblauen Augen verbirgt sich ein intelligenter Mann, der früh gelernt hat, dass man das Leben nicht für selbstverständlich nehmen darf – und man festhalten muss, was für einen bestimmt ist. In seinem Fall ist das die hübsche Rothaarige, die schon länger all seine Gedanken und Fantasien beherrscht. Nun muss er auch sie davon überzeugen, dass sie zu ihm gehört. Komme, was wolle.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 564

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Hyde&SEEK: KASE

Layla Frost

© Die Originalausgabe wurde 2016 unter dem

Best Kase Scenario (Hyde Series, Band 2) von Layla Frost in Zusammenarbeit mit Hershman Rights Management veröffentlicht.

© 2022 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH

8700 Leoben, Austria

Aus dem Amerikanischen von Jennifer Kager

Covergestaltung: © Sturmmöwen

Titelabbildung: © Estradaanton (Depositphotos)

Redaktion & Korrektorat: Romance Edition

ISBN-Taschenbuch: 978-3-903413-04-7

ISBN-EPUB:978-3-903413-05-4

www.romance-edition.com

Für M

Du bist meine Stütze und mein Sicherheitsnetz. Du hältst mich mit Eiskaffee und Schokolade am Leben und erklärst mich nicht für verrückt, weil ich über die Figuren in meinem Kopf spreche, als wären sie real.

Das ist beeindruckend.

Ich liebe dich wirklich sehr.

1. Kapitel

Stilettos und Neuanfänge

Harlow

Verdammt.

Ich steckte in Schwierigkeiten.

Während ich alles aus meiner Schrottkarre herausholte, warf ich einen Blick auf die Uhr. Ich war gefährlich nah dran, zu spät zu kommen.

Vielleicht will mir das Universum damit etwas sagen.

Ich zögerte eine Sekunde, nahm den Fuß vom Gas, nur um ihn sofort wieder draufzudrücken. Mein armes Auto schlingerte vorwärts und die Reifen quietschten aus Protest.

Der Job war nicht das, was ich wollte, aber ich brauchte ihn. Wenn mir jemand vor fünf Jahren gesagt hätte, dass ich mich als Stripperin bewerben würde, hätte ich gelacht. Vielleicht hätte ich ihn sogar geohrfeigt, um mich dann vor Lachen zu krümmen. Doch da war mein Leben noch in Ordnung gewesen. Damals schlief ich nachts gut und ruhig, und hatte nicht das Gefühl, als würde das Gewicht der gesamten verdammten Welt auf meiner Brust lasten. Doch in fünf Jahren konnte sich viel ändern.

Beispielsweise bin ich auf dem besten Weg, ein Klischee zu werden. Die heilsame Geschichte von der Stripperin mit dem Herz aus Gold, die sich damit das College finanziert.

Als ich auf den Parkplatz des Stripclubs einbog, wollte ich am liebsten auf der Stelle umdrehen und mit heulendem Motor davonrasen. Stattdessen zog ich die Handbremse an, ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken und schloss die Augen.

Vor einem Monat hatte ich in einer Bar hinter dem Tresen gearbeitet, mit gerade einmal achtzehn Dollar in der Trinkgeldbüchse. Ich war morgens mit der Sonne aufgestanden und erst ins Bett gefallen, kurz bevor sie erneut aufging. Das lief über Monate so. Im Durchschnitt hatte ich jede Nacht nur wenige Stunden geschlafen, und das alles für ein paar mickrige Dollar Trinkgeld?

Ich war fertig gewesen. Völlig am Ende. Leider war es nicht leicht, einen Job zu finden, den man neben der Ausbildung nachts ausüben konnte. Und achtzehn Dollar waren zwar nicht viel gewesen, aber immerhin etwas.

An jenem Abend war eine ehemalige Kellnerin mit ein paar Freunden in die Bar gekommen. Während wir uns unterhielten, erzählte mir Becca, dass sie beim Tanzen hunderte von Dollar pro Nacht verdiente.

Hunderte.

Mit einem e.

Plural.

Mehrere Hundert.

Ich hatte das nicht mal in einer Woche geschafft, und sie verdiente so viel Geld in einer einzigen Nacht.

Als mir Becca vorgeschlagen hatte, mit dem Besitzer des Clubs zu sprechen, hatte ich gelacht. Laut. Mitten in ihr Gesicht. Bühnenlichter, die auf meine blasse Haut trafen? Entweder würde ich jemanden blenden oder wie eine verrückte Geisterstripperin wirken. Das passte nicht. Nicht zu mir. Das war auf keinen Fall ich. Bis ich eine Woche später gefeuert worden war.

Das Geschäft lief seit Wochen schleppend, und nachts wurde nicht mehr als eine Person gebraucht, die den Gästen ihre Getränke reichte. Ich stellte mich dabei zwar besser an als meine frühere Kollegin, nur war sie unserem Boss auch auf andere Weise zu Diensten. Sie hatte sich für diesen Job wirklich ins Zeug gelegt. Und ich meine wirklich.

Ich war nicht daran interessiert, mich derart zu verkaufen, und als jemand entlassen werden musste, hatte es mich getroffen.

Schockierend, ich weiß.

Ich hatte mich bei allen möglichen Bars beworben, aber keine gefunden, deren Arbeitszeiten sich mit meinen Tagesplänen vereinbaren ließen. Das war der Grund, der mich zum Wicked führte.

Tief einatmend zwang ich mich, aus dem Auto zu steigen und den Club zu betreten. Es handelte sich dabei um keine Bruchbude in der Nähe eines Flughafens, aber es sah auch nicht wie in einem Musikvideo aus.

Das ist enttäuschend, denn ich könnte wirklich jemanden gebrauchen, der hunderte Dollarnoten auf mich regnen lässt.

»Bist du wegen des Vorstellungsgesprächs hier?«, fragte ein zwielichtiger Typ, als ich mich dem Tresen im hinteren Bereich der Bar näherte, und ließ seinen Blick langsam über mich wandern.

»Äh, ja, ich bin ...«

»Ich bin Eddie, der Besitzer. Bin gleich für dich da«, unterbrach er mich und bestätigte damit, meine schlimmsten Befürchtungen.

Ich versuchte, geduldig und freundlich zu wirken, während ich dastand und Eddie betrachtete. Er sah genauso aus, wie ich mir einen Stripclubbesitzer vorstellte, bis hin zu den geligen Haaren und dem Velours-Trainingsanzug. Die Detailtreue, mit der er sein Berufsklischee verkörperte, erfüllte mich mit Unbehagen. Allerdings musste ich da durch, auch wenn ich momentan nicht glaubte, dass ich es konnte.

Mir innerlich Mut zusprechend, zupfte ich an meiner schwarzen Hose. Ich war mir nicht sicher gewesen, was ich zu einem Vorstellungsgespräch tragen sollte, bei dem ich mich ausziehen musste, aber plötzlich fühlte ich mich sowohl under- als auch overdressed.

»Setz dich«, verlangte Eddie und zeigte auf einen Tisch hinter uns. Als wir uns auf den Stühlen niederließen, breitete sich ein lüsternes Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Also ...«

»Hey, sorry, ich habe die Zeit vergessen«, vernahm ich eine tiefe, raue Stimme, als ein Mann den Raum betrat.

Und was für ein Mann.

Er war mindestens einen Meter achtzig groß und hatte Muskeln; er sah riesig aus. Sein dunkles Haar war kurz rasiert, und die Bartstoppeln in seinem Gesicht betonten seinen kräftigen Kiefer und seine Wangenknochen. Die Ärmel seines hochwertig wirkenden Hemdes waren hochgekrempelt, sodass seine tätowierten Unterarme zu sehen waren.

Auch wenn ich hier nicht arbeitete, war ich versucht, ihm einen Lapdance zu spendieren. Es hätte mich nicht einmal gestört, wenn er dabei nicht mit Geldscheinen um sich warf.

»Ich bin Lars. Du musst Harlow sein«, begrüßte er mich und streckte seine Hand mit einem freundlichen Lächeln aus, das kein bisschen zweideutig wirkte.

Warum haben immer diejenigen kein Interesse, mit denen ich flirten will?

»Das bin ich.« Ich schüttelte seine Hand.

Was ist die richtige Etikette für ein Vorstellungsgespräch in einem Stripclub? Bedanke ich mich dafür, dass sie bereit sind, mich nackt zu sehen?

Zum Glück begann Lars, mir Fragen zu stellen. »Wie alt bist du?«

»Zweiundzwanzig.«

»Hast du schon mal getanzt? Gogo, Poledance, irgendwas?«

»Ich hatte als Kind ein paar Jahre lang Ballettunterricht. Aber nicht so etwas wie das hier, nein.«

Er schenkte mir ein beruhigendes Lächeln, während er sich Notizen auf einigen Papieren machte. »Das ist schon in Ordnung, viele der Frauen haben wenig bis keine Erfahrung, wenn sie anfangen. Allerdings macht jede Art von Tanzen einen Unterschied. Mehr als du denkst.«

Es fühlte sich fast wie ein normales Vorstellungsgespräch an, mit Ausnahme der Poledance-Stangen in unmittelbarer Nähe. Ich frage mich, wie sie diese Dinger so zum Glänzen bringen.

»Hast du irgendwelche hässlichen Tattoos?«, mischte sich Eddie ein. »Schicke Tattoos sind in Ordnung. Aber der Name eines Kerls, eine Tinkerbell, die aussieht, als hätte sie einen Schnurrbart, oder einen anderen Mist, den du dir vielleicht sogar selbst gestochen hast, sind es nicht. Irgendwas Abgefahrenes?«

»Nein, überhaupt nicht.« So sehr ich Tinte liebte, meine extreme Angst vor Nadeln garantierte mir, dass ich Tattoos immer am Körper eines anderen bewundern würde. Bei Lars zum Beispiel. Ob er noch mehr hatte?

»Narben? Dehnungsstreifen? So eine Scheiße?«

Ich schüttelte den Kopf.

Eddie schnippte ungeduldig mit seinem Stift herum, während er mich ansah. »Wirst du in der Lage sein, dein Ding durchzuziehen? Ich will dich nicht einplanen, um dann ohne Tänzerin dazustehen, weil du in letzter Sekunde kneifst. Da drehen mir die anderen Mädchen bei all den Überstunden durch.«

»Nein, ich schaffe das.«

Glaube ich.

Vielleicht.

Gott, ich hoffe es.

»Na gut, das Gespräch ist sinnlos, solange du uns nicht zeigst, was du zu bieten hast.« Großspurig lehnte sich Eddie in seinem Stuhl zurück.

Ich wollte schon abhauen, als Lars aufstand. Sein Gesichtsausdruck wirkte freundlich, entschuldigend und wütend zugleich. Ich war froh, dass die letzte Emotion nicht an mich gerichtet war.

Er zeigte in einen Flur. »Geh den Gang entlang, zweite Tür auf der rechten Seite. Sasha ist dort, sie wird dir helfen, dich vorzubereiten.«

Als ich die Tür erreichte, öffnete ich sie ohne anzuklopfen.

Notiz an mich selbst: Immer, immer an Türen von Stripclubs klopfen.

Immer.

»Entschuldigung«, sagte ich und wandte mich von der halbnackten Frau ab.

»Schatz, ich strippe seit meinem sechzehnten Lebensjahr. Du bist nicht der erste Mensch, der meine Brüste sieht.«

»Natürlich«, murmelte ich. So sehr ich auch glauben wollte, dass ich mit diesem Job zurechtkam, zweifelte ich ernsthaft an mir selbst. Wenn ein perverser Typ und eine Oben-ohne-Braut bereits ausreichten, um mich aus der Fassung zu bringen, war ich mir nicht sicher, wie ich das Nacht für Nacht aushalten würde.

Sasha wandte sich von den Stoffresten und Kostümen ab, die sie durchsuchte. »Entspann dich. Es ist nicht so schlimm, wie es scheint. Und lass dich nicht von Eddie verscheuchen.«

Ich lachte nervös auf. »Ist es so offensichtlich?«

»Oh, Schätzchen, die meisten Mädchen gehen, sobald sie Eddie treffen. Dass du es so lange ausgehalten hast, ist beeindruckend. Aber mach dir keine Sorgen, er ist fast nie hier. Lars hat das Sagen, und er ist ein Gentleman. Er flirtet nie, wird nicht handgreiflich und ist auch kein geldgieriger Sack, verstehst du?«

Erleichterung erfüllte mich, als ich hörte, dass ich Eddie kaum sehen würde und dass Lars kein Wolf im Schafspelz war.

Ich nickte und fühlte mich ein klein wenig besser. »Danke für die Vorwarnung.«

Sasha stand auf und sah mich genau an. Beunruhigend genau. Bevor ich fragen konnte, was los war, drehte sie sich wieder um. »Ich dachte, deine Augen wären nur blau, aber sie sind auch grün.«

»Ja.« Ich deutete auf mein blaues Oberteil mit Rundhalsausschnitt. »Es ändert sich, je nachdem, welche Farbe ich gerade trage.«

»Da habe ich genau das Richtige für dich.« Sie reichte mir etwas, das wie ein Zweiteiler und ein Paar Nippelaufkleber aussah. »Das Smaragdgrün wird dir schmeicheln, und zusammen mit deinem roten Haar solltest du das Glück der Iren auf deiner Seite haben.«

»Ich nehme alles Glück, das ich kriegen kann.« Als ich die Teile auseinanderfaltete, war ich überrascht, wie viel sie abdecken würden. »Ich kann Aufkleber tragen?«

»Die meisten von uns bevorzugen es. Welche Schuhgröße hast du?«

»Neuunddreißig.«

Sie schob die Schuhe in der ersten Reihe zur Seite und zog ein Paar mit den höchsten Absätzen heraus, die ich je gesehen hatte. »Hier, bitte sehr.«

Vermutlich konnte ich nicht einmal darin stehen, geschweige denn tanzen. Wenn ich mir nicht das Genick brechen würde, wäre das ein verflixtes Wunder.

»Äh, danke.« Ich umklammerte die Sachen fest, während sich mein Magen zu drehen begann.

Sasha schenkte mir ein Lächeln und tätschelte meinen Arm auf warme und überraschend beruhigende Weise. »Dieser Teil der Vorstellungsrunde ist einfach. Sie wollen im Grunde nur die Ware überprüfen. Sie werden Musik auflegen und sehen, wie du dich bewegst. Übertreibe es nicht, geh nah an sie heran, aber versuche dich nicht an der Stange, wenn dir die nötige Kraft und das Körpergefühl dafür fehlen. Viele Frauen glauben, sie könnten einfach draufhüpfen und landen gleich wieder auf dem Hintern. Ansonsten, wie bei schlechtem Sex – einfach grinsen und daran denken, dass es in einer Minute vorbei ist.« Lachend begleitete sie mich aus dem Zimmer.

Als ich die Bühne betrat, schaltete ich meine Gedanken aus und ließ meinen Verstand leer laufen. Ich ignorierte die Hitze der Lichter, meine erhöhte Position und all die Blicke, die auf mich gerichtet waren. Stattdessen konzentrierte ich mich auf den Takt der Musik und wiegte meinen Körper im Rhythmus. In meiner Vorstellung befand ich mich auf einer weit entfernten Tanzfläche und war nur eine Tänzerin von vielen. Die ganze Sache verging wie im Flug, und nach kaum einer Minute wurde die Musik unterbrochen.

Oh, verdammt. Sie werden mir sagen, dass ich meinen Geisterarsch nach Hause schleppen soll.

»Du willst den Job?«, fragte Lars. »Ich könnte dir drei Abende in der Woche anbieten, ab morgen.«

Eine ungewöhnliche Mischung aus Furcht und Erleichterung erfüllte mich. Ich beschloss, mich auf Letzteres zu konzentrieren. »Ja, auf jeden Fall. Ich danke dir.«

Als er sich vorbeugte, spannte sich sein Hemd um seine muskulösen Arme, während er etwas auf einer Visitenkarte notierte. »Hier ist die Adresse eines Ladens in der Stadt, in dem die meisten Tänzerinnen ihre Outfits kaufen. Wir sehen uns morgen um acht.« Er nickte mir zu, bevor er den Flur hinunterging.

Einfach so war ich eine Stripperin.

Ich kann das. Ganz und gar. Auf jeden Fall.

Wirklich?

Wie sich herausstellte, konnte ich es tatsächlich.

Als ich zu meiner ersten Schicht ins Wicked zurückkehrte, war ich ein Nervenbündel. Ich dachte, ich würde mich entweder auf jemandes Schoß übergeben oder hinfallen und mir das Gesicht zerschmettern. Beides war nicht geschehen. Was nicht bedeutete, dass ich die anmutigste Verführerin war. Ich musste kreativ werden, wenn meine Absätze abrutschten, und ich war fast immer aus dem Takt. Meine verschwitzten Handflächen garantierten, dass ich nie eine der koketten Berührungen versuchen würde, mit denen die anderen Tänzerinnen ihr Trinkgeld aufbesserten. Dennoch hatte ich nicht erwartet, dass es mir tatsächlich gefallen würde. Es gab kein Drama hinter der Bühne und keine unangenehmen Kunden. Und das Beste war, dass ich den unheimlichen Eddie kaum zu Gesicht bekam.

Ich hatte zwei Auftritte pro Abend, bei denen ich mit einigen der anderen Tänzerinnen zu ein paar Liedern performte. Wenn ich mir Mühe gab, konnte ich das Publikum ausblenden und so tun, als wäre ich mit meinen Freundinnen in einem Club.

Überraschenderweise war der schwierigste Teil die Arbeit danach. Reden war normalerweise meine Stärke. Aber mit Leuten plaudern, die gerade meine Brüste gesehen hatten?

Peinlich.

Ich hatte meine Verlegenheit schnell überwunden, als ich sah, wie viel Geld ich pro Nacht mitnehmen würde. Nach zwei Wochen im Wicked war ich mit meiner Entscheidung ganz zufrieden. Mein Sparkonto freute sich auch.

Als ich nach meinen vier freien Tagen zurückkam, wartete einer der Türsteher an der Hintertür auf mich. Er deutete mit dem Kopf in Richtung Büro. »Lars will dich sehen.«

»Danke«, sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln. Feuer mich nicht. Feuer mich nicht. Feuer mich nicht. Da ich meine Lektion früh gelernt hatte, klopfte ich an.

»Komm rein!«, rief Lars.

Ich öffnete die Tür und trat ein. Nur für den Fall, dass das Ganze schief ging, zog ich meinen Mantel nicht aus. »Hallo, du wolltest mich sprechen?«

Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Hey. Wie geht es dir?«

»Gut.« Es sei denn, ich werde gefeuert, dann nicht so gut.

»Hast du dich inzwischen eingelebt?«

»Ja, die Mädchen waren alle sehr nett.«

»Gut. Hör zu«, begann er, und mir wurde flau im Magen. »Wie wäre es, wenn du eine weitere Schicht übernimmst? Du kannst mit Freitag anfangen, aber ich könnte dir auch Samstag anbieten. Samstags sind wir immer gut ausgelastet, aber freitags ist hier die Hölle los.«

Meine Augen wurden groß. »Wie bitte?«

Maddison, eine der anderen Tänzerinnen, hatte mir bereits erzählt, wie schwer es war, eine Schicht am Wochenende zu bekommen.

»Du bist ein Hit«, sagte er mit einem breiten Lächeln. Er war immer wahnsinnig heiß, aber wenn er lächelte, war es schwierig, sich zu konzentrieren. »Die Leute fragen ständig nach der natürlichen Rothaarigen mit den verdammt langen Beinen. Wir fügen deinen bisherigen Auftritten einen weiteren hinzu, vielleicht nur du und eine andere Tänzerin. Klingt das gut?«

»Ja, auf jeden Fall. Danke.« Bevor ich etwas Dummes sagen oder den Moment ruinieren konnte, verließ ich das Zimmer, um mich umzuziehen.

Es war nicht mein idealer Job, aber das Geld sprach dafür, und es sagte: »Zieh dich aus!«

»Das ist nicht der Kaffee, den ich wollte«, murrte Deborah Swanson, als sie die Kaffeetasse an die Kante des Schreibtisches im Studio schob.

Ich wusste, dass sie ihre Mappe noch einen Zentimeter weiterschieben würde, um sie zum Fallen zu bringen. Und wir wussten beide, dass ich diejenige sein würde, die das Malheur aufwischte.

»Soja-Latte, ein Schuss Vanille, zwei Schuss Karamell, mit aufgeschäumter Milch. Genau wie in deiner Nachricht geschrieben stand.«

»Ich wollte einen Schuss Karamell und zwei Schuss Vanille.« Sie verzog ihr Gesicht und starrte mich so eindringlich an, dass ich erwartete, gleich würden Laserstrahlen aus ihren Augen schießen.

Nach drei Wochen Arbeit im Club hatte sich der Stand meines Bankkontos erhöht und mein Stresspegel gesenkt. Ich schlief fünf glorreiche Stunden pro Nacht, was mich zu einer viel erträglicheren Person für mein Umfeld machte. Trotzdem fiel es mir schwer, die Geduld aufzubringen, mich mit Deborahs üblichem Blödsinn zu beschäftigen, wenn ich nachmittags hier mein Pflichtpraktikum absolvierte.

Ich atmete tief ein und versuchte, mein Temperament zu zügeln. »Okay, ich hole dir einen ...«

»Hol dir deinen Kaffee selbst, Deborah«, unterbrach mich Gary, ihr Co-Moderator. »Sie hat dir besorgt, was du getextet hast. Das hast du also selbst vermasselt. Harlow, kannst du mir die Akte über den Brand in der Sullivan Street aus meinem Büro holen?«

»Natürlich«, sagte ich und eilte aus dem Zimmer.

»Große Überraschung, dass du dich für den Rotschopf einsetzt. Immerhin lutscht sie deinen ...« Ihre Worte verstummten, als ich in den Flur hinaustrat.

Als die Praktikantenstelle frei wurde, hatte ich geglaubt, dass das Universum endlich auf mich aufmerksam geworden war. Natürlich hätte ich es besser wissen müssen.

Ich war darauf vorbereitet, Fakten zu prüfen, zu recherchieren und das Kamera- und Moderatorenteam vor Ort zu begleiten. Selbst die sinnlosen Besorgungen stellten kein Problem dar. Mir war bewusst, dass es sich um eine anspruchsvolle Position handelte. Dass der Job auch erniedringend sein konnte, damit hatte ich nicht gerechnet.

Deborah war die Schlimmste von allen, denn der Spitzname Rotschopf war kaum zu übertreffen, aber sie war nicht die Einzige, die die neuesten Mitarbeiter wie Dreck behandelte. Ich war erst seit ein paar Monaten hier, unter den Praktikanten war ich jedoch mittlerweile die Dienstälteste geworden. Alle anderen hatten die Flucht ergriffen.

Ich schnappte mir die Akte, die ich brauchte, und eilte zurück ins Studio, als Deborah gerade ging.

Danke Gott für kleine Wunder.

Als sie auf den Flur hinauskam, rief sie laut über die Schulter: »Wenn du dich um Gary gekümmert hast, Rotschopf, ist hier ein großer Kaffee verschüttet worden.«

Ich hasse sie.

»Was ist los, Pete?«, fragte ich den Türsteher, der heute Abend Garderobendienst hatte, als ich zur Arbeit kam.

Er hob sein Kinn. »Hey, Legs. Lars will dich sehen.«

Obwohl ich unter dem Namen Flame tanzte, war Legs der Spitzname, den Lars mir gegeben hatte. Die anderen zögerten nicht, mich auch so zu nennen.

Wer hätte gedacht, dass meine Stripper-Nicknames schmeichelhafter sein würden als die aus meinem Hauptberuf?

»Danke.« Ich ging zu Lars’ Büro und klopfte an.

»Komm rein.«

Ich öffnete die Tür und lehnte mich gegen den Rahmen. »Pete sagte, du wolltest mich sehen.«

»Ja«, antwortete er und wandte sich von den Sicherheitsmonitoren ab, die eine Seite seines L-förmigen Schreibtisches einnahmen. »Ich habe deine E-Mail erhalten, in der du um ein freies Wochenende bittest. Alles in Ordnung?«

»Ja, tut mir leid. Nur etwas, das sich in letzter Minute ergeben hat.« Meine beste Freundin Piper würde heiraten. Das stand zwar schon eine Weile fest, aber bisher hatte es keinen Termin für die Feierlichkeiten gegeben. Aus einem simplen Grund: Sie war vor einigen Wochen von einem Verrückten entführt worden und im Krankenhaus gelandet. Da sie eine Vielzahl blaue Flecke davongetragen hatte, wollte sie warten, bis diese vollständig abgeklungen waren. Ausnahmsweise hatte sich ihr Verlobter in Geduld geübt. Zum vielleicht ersten und letzten Mal in seinem Leben.

Auch wenn Jake Piper zuliebe wartete, war Däumchendrehen einfach nicht sein Stil. Gemeinsam mit ihren Müttern und einem Freund der Familie hatte er die perfekte Hochzeit geplant. Alles war für die Trauung vorbereitet. Sobald Piper genesen war, wollte er keine Zeit mehr verschwenden. Ich half ihm sogar dabei, einen Ort für die Flitterwochen auszuwählen – seine einzige Bedingung bestand darin, dass dieser abgelegen war.

Eine Nachricht am frühen Morgen und ein überraschend detaillierter Plan für den Ablauf dieses Wochenendes hatten mich wissen lassen, dass es endlich so weit war.

Lars blätterte in einem Kalender. »Das ist gut. Bist du am nächsten Dienstag wieder da?«

Ich nickte.

Er kritzelte ein paar Notizen auf ein Blatt Papier. »Dann hast du das Wochenende frei.«

»Super, danke.«

Er lächelte. »Man sieht sich, Legs.«

Heiß.

»Glaubst du, sie wissen, dass sie in der Öffentlichkeit sind?«, fragte Ray, Edges Freundin, und wies mit dem Kopf in Richtung des Brautpaares.

Nach der Trauung wurden Fotos gemacht, während das Hotelpersonal Tische aufstellte und Getränke anbot. Elegant gekleidete Kellnerinnen und Kellner schlängelten sich durch den Raum, Tabletts voll himmlischer Hors d’oeuvres in den Händen.

Als ich sah, wie Jake mit seinem Daumen über Pipers Kiefer strich, fühlte ich mich wie ein Voyeur. Es war keine obszöne Berührung – obwohl ich genug von ihren geflüsterten Gesprächen mitbekommen hatte, um zu wissen, dass das, was sie sagten, wahrscheinlich schmutzig war.

Ich lehnte mich zu Ray und schüttelte den Kopf. »Ich glaube, sie haben längst vergessen, dass noch andere Menschen anwesend sind.«

Als ich zur Seite blickte, entdeckte ich Kase, der Jake und Piper ebenfalls beobachtete. Ein kleines, stolzes Lächeln umspielte seine Lippen, bevor er einen großen Schluck von seinem Bier nahm.

»Warum sieht Kase so selbstzufrieden aus?«, fragte ich Ray.

»Weil er das immer ist. Der liebe Gott hat ihn mit so viel Selbstvertrauen gesegnet, dass er sich seine Boxershorts maßschneidern lassen muss, damit dort unten alles passt.«

Meine Augen weiteten sich. »Du machst Witze ... oder?«

»Es würde mich zumindest nichtüberraschen.«

Edge zog Rays Stuhl zurück und küsste sie auf den Kopf. »Woher weißt du, wie gut Kase bestückt ist?«

»Ich habe es einmal gesehen, als er splitterfasernackt an mir vorbeigerannt ist. Er hat versucht, alles abzudecken, aber er hat auch nur zwei Hände.«

Und dabei dachte ich, seine Augen seien das Attraktivste an ihm.

Ich räusperte mich, während ich versuchte, nicht an all seine beeindruckend ansprechenden Körperteile zu denken. »Okay, aber wieso wirkt er mindestens genauso glücklich und stolz wie die Eltern des Brautpaares?«

»Oh, das liegt daran, dass er davon überzeugt ist, Piper und Jake miteinander verkuppelt zu haben. Er gibt pausenlos damit an.«

»Wirklich?«

»Als die Männer Piper kennenlernten, lud Kase sie zu einem Konzert ein, damit Jake und sie sich näherkamen. Als er merkte, dass Jake einen weiteren Anstoß brauchte, bot er Piper an, sie zu ihrem Auto zu begleiten. Er wusste natürlich, dass Jake diesen Part übernehmen würde. Es hat funktioniert, doch dann hat Jake es irgendwie vermasselt und musste es wieder hinbiegen. Und wann immer er sich daraufhin wie ein Arsch verhielt, war es Kase, der ihn wieder zur Vernunft bringen konnte. Also ja, man könnte sagen, dass er die beiden zusammengebracht hat, während manch anderer ...« Rays Gesichtsausdruck wurde plötzlich wütend und traurig zugleich. »... das Gegenteil versucht hatte. Wenn man das weiß, ist es noch beeindruckender, dass wir heute hier sitzen.«

Bei reichlich Wodka hatte Piper erzählt, was mit Z vorgefallen war. Die Entführung, wie er das Vertrauen zwischen ihnen und ihre Freundschaft ausgenutzt hatte, um Jake zu manipulieren und die beiden für immer auseinanderzubringen. Es hatte nicht viel gefehlt und es wäre ihm gelungen.

Wenn ich die frisch Vermählten nun erneut ansah und bedachte, was sie alles durchgemacht hatten, schien die Schönheit ihrer Verbindung noch strahlender zu sein.

Ich schob die düsteren Gedanken beiseite. »Es überrascht mich, dass Kase Amor gespielt hatte.«

»Nicht wirklich. Er ist ein Romantiker«, erwiderte Ray.

Ich brach in schallendes Gelächter aus und schaute sie an, um an ihrem Witz teilzuhaben, war aber ernüchtert, als ich erkannte, dass sie keinen Scherz gemacht hatte. »Warte, du meinst das ernst?«

»Oh ja, todernst.«

»Bist du sicher, dass das nicht nur eine Masche ist, um Frauen rumzukriegen?«

Jetzt war es an Ray, zu lachen. »Er ist ein Charmeur, definitiv. Aber er ist nicht der, für den du ihn hältst.« Sie senkte die Augenbrauen, bevor sie den Kopf zurückwarf und Edges Aufmerksamkeit auf sich zog. »Babe, wie lange ist Kase’ letzte Beziehung her?«

Edge lächelte sie an. »Ich habe sein Tagebuch nicht gelesen und wir veranstalten auch keine Kaffeekränzchen. Aber die letzte, an die ich mich erinnere, ist ein paar Monate her.«

Ich sah erneut zu Kase, der sich an einem der Tische mit ein paar Männern aus der Werkstatt unterhielt. Seine braunen Dreadlocks waren nach hinten gebunden, die Ärmel seines Hemdes hochgeschoben. Selbst aus der Ferne erkannte man seine kristallblauen Augen, sie waren eindringlich schön. Er nahm einen Schluck von seinem Bier und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, als wäre er der König der Welt.

Ich wandte mich wieder an Edge. »Bist du sicher, dass du Monate meinst? Nicht, keine Ahnung, Stunden?« Vielleicht auch nur Minuten.

Edge zuckte mit den Schultern. »Wie ich schon sagte, ich weiß es nicht genau.«

»Ich dachte, er wechselt seine Dates zweimal pro Nacht.«

Sie lachten beide.

»Du kennst Kase offensichtlich schlecht«, sagte Edge schließlich.

»Tatsächlich?«

»Er ist nicht der Typ für One-Night-Stands«, erklärte Ray und überraschte mich damit noch mehr. »Was nicht heißen soll, dass er überhaupt keine hätte. Dennoch ist er ein Romantiker und sucht nach der Einen.«

»Ich habe ihn noch nie mit einer Frau gesehen.«

Ray hob ihr Getränk an. »Ich sagte, Romantiker, von einem glücklichen Händchen war nie die Rede. Warum das plötzliche Interesse? Hast du dich etwa verknallt?«

Ich griff nach meiner Serviette und fummelte mit den Rändern herum. »Wir haben noch nie miteinander gesprochen.«

Sie wackelte mit den Brauen. »Wer hat etwas von einer Unterhaltung gesagt?«

Ich verdrehte die Augen und wünschte mir, ich hätte meine große, neugierige Klappe gehalten. »Ich bin nur überrascht. Er ist anders, als ich erwartet habe.«

Sie sah liebevoll in seine Richtung, und ihre Miene wurde sanfter. »Das hat Kase so an sich.«

Pipers Vater stand auf, um einen Toast auszusprechen, mein Blick blieb jedoch auf Kase gerichtet. Ich war mir nicht sicher, warum ich ihn so faszinierend fand. Bisher hatte er kaum ein Wort mit mir gewechselt. Was in Ordnung war. Immerhin hatte ich ihn ebenso angeschwiegen.

»Lars sucht wieder nach dir, Legs. Und, Achtung, er hat verdammt miese Laune«, sagte Türsteher Pete, als ich am folgenden Freitag zur Arbeit kam.

»Fantastisch«, murmelte ich mit einem schwachen Lächeln. Ich sah im Lokal und in seinem Büro nach, fand Lars aber an keinem der beiden Orte. Ich wollte mich gerade umziehen, als ich bemerkte, dass die Tür zum Getränkelager einen Spalt offen stand. »Hey.« Ich stieß sie auf und verstummte.

Wäre dies ein Zeichentrickfilm, würden mir die Augen aus dem Kopf fallen und mein Unterkiefer auf den Boden knallen.

Lars war im Allgemeinen ein heißer Typ. Lars in einer gut sitzenden grauen Hose und einem schwarzen, eng anliegenden Tanktop war ein Gott. Fasziniert sah ich dabei zu, wie er eine Kiste Schnaps hochhob, als wöge der Inhalt nichts, und beobachtete, wie sich seine Armmuskeln anspannten und immer deutlicher hervortraten.

Er schaute über seine Schulter und lächelte mich an. »Genau die Frau, nach der ich gesucht habe.«

Sasha behielt recht. Lars flirtete nie mit jemandem. Stattdessen sagte er solche Sachen. Dinge, die mein Verstand leicht verdrehen konnte. Und das tat er auch in diesem Moment.

»Fühlst du dich wohl genug für eine private Tanzeinlage heute Abend? Wenn du noch nicht so weit bist, kannst du noch warten.«

Im Wicked durften neue nur mit den erfahrenen Tänzerinnen auf der Bühne stehen, bis sie bewiesen hatten, dass sie mit verschiedenen Situationen umgehen konnten. Wenn jemand kniff oder sich auf der Bühne unsicher fühlte, wo wenigstens noch etwas Distanz zu den Kunden gewahrt blieb, würde sie auf keinen Fall mit einem Einzelauftritt zurechtkommen.

Ich blinzelte die Herzchen in meinen Augen weg und sah ihn freundlich an. »Nein, mir geht es gut. Das ist überhaupt kein Problem für mich.«

Vermutlich.

Wie viel hat Maddison letzte Woche verdient? Dreihundert?

Okay, ja, ich schaffe das.

Lars stellte die Kiste auf das oberste Regal. »Super. Wenn du deine Meinung änderst, sag mir Bescheid, okay?«

»Ja.« Ich wandte mich zum Gehen.

»Harlow, warte.« Er strich mit der Hand über seinen Kopf und hinunter in seinen Nacken. »Tu mir einen Gefallen und bring dieses Inventurzeug für mich zu Sasha an die Bar.«

»Klar.« Ich nahm das Klemmbrett entgegen und mein Blick fiel auf seinen Namen. »Dein Name ist Lars Luthor?«

Er zog sein Hemd wieder an. »Ja, warum?«

Bye, sexy Arme und tolle Tinte. Ich vermisse euch jetzt schon.

»Lars Luthor, wie der weniger böse Bruder von Lex Luthor?«

Als Lars näher kam, kämpfte ich den Drang nieder, einen Schritt zurückzutreten. Im Moment erschien mir der ohnehin schon kleine Raum geradezu winzig.

»Legs«, murmelte er, griff nach einer meiner Haarlocken und zwirbelte sie zwischen seinen Fingern. Seine mitternachtsblauen Augen funkelten, als wäre meine Haarsträhne das Interessanteste auf der Welt, während er auf verruchte Weise seine Lippen verzog. »Wer sagt, dass ich der weniger Böse bin?«

»Gutes Argument«, flüsterte ich und war mir plötzlich sicher, dass er Lex in den Schatten stellen könnte. »Ich, ähm, mache mich besser fertig.«

»Ja, das wäre wahrscheinlich eine gute Idee«, erwiderte er leise. Er ließ mein Haar los, strich mit den Fingern leicht über meinen Kiefer, ehe er seine Hand zurückzog. Dann wandte er sich von mir ab und griff nach einer weiteren Kiste. »Viel Glück heute Abend.«

»Danke«, sagte ich atemlos und eilte aus dem Raum.

Ja, definitiv der Böse.

Obwohl ich nervös war, lief meine erste private Tanzeinlage gar nicht so schlecht. Die Freunde eines Bräutigams, die mit ihm seinen Junggesellenabschied feierten, hatten ihm den Auftritt geschenkt, und er hatte ihnen zuliebe mitgemacht. Während meiner Show hatte er Witze über Stripclubs erzählt und schien nicht zu bemerken oder sich darum zu kümmern, dass ich keine anmutige Verführerin war.

Am schwierigsten empfand ich es, die Überwachungskameras im Raum auszublenden. Den anderen Tänzerinnen zufolge schaute Eddie gerne zu. Was einfach widerlich war, wenn man mich fragte. Er feuerte auch gerne Mädchen. Die Letzte, die er rausgeschmissen hatte, war Becca gewesen, denn er fand, dass ihre Bewegungen nicht den Anforderungen des Clubs entsprachen.

Ich ignorierte die Angst, die mir seit dem Scheitern meines ersten Lapdances mit dem zukünftigen Bräutigam im Nacken saß, und konzentrierte mich auf meinen letzten Auftritt des Abends.

Als ich anschließend aus dem hinteren Bereich des Clubs zurückkehrte, hielt Maddison mich auf. »Ein Kunde wartet in Zimmer zwei auf dich, Flame, und er ist heiß. Was man von meinem nicht behaupten kann. Ich glaube, ich brauche eine Dusche«, flüsterte sie mit einem übertriebenen Schaudern.

»Danke.« Ich öffnete die Tür und kam zum Stehen.

»Hey, Tiny Dancer.«

Mist.

2. Kapitel

Tiny Dancers glitzernde Brüste

Harlow

Als ich das Separee betrat und sah, wer dort auf mich wartete, wusste ich eines ganz genau. Das Universum hasste mich. Nein, nicht nur das Universum. Karma, Schicksal, Kismet und was es sonst noch gab, hatten es auch alle auf mich abgesehen.

Eine andere Erklärung war nicht möglich.

Es gab Tage, an denen ich morgens gut frisiert und mit perfekt sitzendem Make-up aus dem Bett fiel. Kein verschmierter Kajal, keine verklebten Wimpern, kein Lippenstift auf den Zähnen. Außerdem griff ich in den Schrank und zog das ideale Outfit heraus. Und an Tagen wie diesen lief ich keiner Menschenseele über den Weg. Ich verließ das Haus für Besorgungen und draußen herrschte die post-apokalyptische Einöde.

Dann gab es Zeiten, in denen ich nur für eine Kleinigkeit zu dem Laden an der Ecke musste. Ich trug eine schäbige Yogahose und dieses eine T-Shirt, das ich anhatte, wenn ich putzte, kochte, verkatert oder krank war. Jeder besaß so einShirt. In meinen Hausschuhen schlurfte ich durch die Gänge, hatte zerzauste Haare und dank der Cheetos orangefarbene Fingerspitzen. Außerdem hatte ich in der Regel einen Pickel, der an diesem Tag, ähnlich wie das Herz des Grinch, um drei Größen wuchs. Und wie aus heiterem Himmel waren alle da. Jede einzelne Person, die ich je in meinem Leben getroffen hatte, schien zu diesem Augenblick unterwegs zu sein, und sie wollten alle plaudern.

Selbst das war zu ertragen. Im Erdoben versinken, wollte ich erst, wenn man mich in einer peinlichen Situation erwischte. Das passierte mir leider öfters. So wie damals, als ich in einen speziellen Laden für batteriebetriebene Freunde gegangen war, und dem Vater eines Bekannten begegnete. Ich erfuhr viel mehr über seine Neigung, als ich wollte.

Oder als ich mich bei der Mitternachtspremiere von Harry Potter als Hermine Granger verkleidet hatte. Eine Gruppe von Mädchen aus der Schule hatte mich gesehen und Fotos gemacht, die sie schneller teilten, als ich leviosa sagen konnte.

Und, okay, vielleicht war dasselbe noch einmal mit der Basketballmannschaft passiert, als ich mich für die Premiere von Der Hobbit als Gandalf verkleidet hatte.

Vermutlich hätte ich bis zu diesem Zeitpunkt meine Lektion lernen sollen. Nur war mir nicht bewusst gewesen, dass sie mich mit dem Bart erkennen würden.

Aber ein Separee im Wicked zu betreten und zu sehen, dass Kase dort auf mich wartete? Das war eine neue Form der Hölle, die sich das Universum ausgedacht hatte, um mich zu quälen. Im Vergleich dazu erschienen mir alle anderen demütigenden Erfahrungen angenehm. Ich hätte jede von ihnen gerne noch einmal erlebt und sogar elektronische Einladungen dafür verschickt.

»Kase, was machst du denn hier?« Meine Augen weiteten sich. »Bitte sag mir, dass das keine späte Junggesellenparty für Jake ist.«

Kase schenkte mir ein verdammt attraktives Lächeln. »Als würde er in einen Stripclub kommen.«

Pipers Mann war groß und gutaussehend, aber auch ein bisschen einschüchternd. Diesen Aspekt verdrängte ich, sobald ich ihn zusammen mit Piper erblickte. Wäre er im Club gewesen, hätte er wahrscheinlich an der Bar gesessen und ihr eine Nachricht geschrieben. Oder draußen vor dem Eingang mit ihr telefoniert, um sie besser verstehen zu können. Höchstwahrscheinlich wäre er aber auf seinem Motorrad auf dem Weg zu ihr gewesen.

»Sie sind sowieso noch in den Flitterwochen«, erinnerte mich Kase.

Erleichtert stieß ich den Atem aus. »Ach ja. Und was machst du hier?«

Kase gehörte definitiv nicht zu den Menschen, die für einen Lapdance bezahlen mussten. Vor ein paar Wochen war ich zum Hyde gefahren, um Piper zu besuchen. Als ich hineinging, trat Kase gerade aus der Werkstatt. Oberkörperfrei. Die Jeans hingen tief auf seinen Hüften und zeigten definierte Muskeln und goldene, tätowierte Haut. Seine dunklen Dreads waren zurückgekämmt, sein getrimmter Bart lockte meine Finger, und er hatte ein sexy Schmunzeln auf den Lippen. Der Kontrast zwischen seiner dunklen Erscheinung und dem strahlenden Blau seiner Augen machte ihn nicht nur heiß, sondern außergewöhnlich. Es grenzte an ein Wunder, dass ich bei diesem Anblick nicht direkt gegen eine Wand gelaufen war.

Wie üblich hatte er mir zur Begrüßung wortlos zugenickt, bevor er sich einem anderen Gespräch zuwandte.

Als Kase zum ersten Mal das Kinn in meine Richtung gehoben hatte, war ich der Annahme gewesen, dass er mir damit seine unsterbliche Liebe gestand. Für den Rest meines Lebens wollte ich mich in seinen Augen verlieren. Viele hunderte Male später erkannte ich jedoch, dass es nur seine Art war, Pipers verrückte Freundin aus der Ferne kurz hi zu sagen, bevor es wieder bye hieß.

Da wir beide Pipers Freundeskreis angehörten, verbrachte ich oft genug Zeit mit ihm, um zu wissen, dass er witzig und locker war. Piper jedoch schwor, dass er ebenso wütend werden konnte, was beängstigend mitanzusehen sein sollte.

Natürlich glaubte ich ihr.

Schon auf der auslandenden Lederbank sitzend, strahlte er eine unverkennbare Autorität aus. Andere mochten auf eine offensichtlichere Weise knallhart wirken, aber Kase war trügerisch gefährlich.

Er hob eine Augenbraue. »Die eigentliche Frage, Tiny Dancer, lautet: Was tust du hier?«

»Ach, weißt du, ich war zufällig in der Gegend und dachte, ich komme mal rein, um zu sehen, was hier los ist. Was denkst du denn, was ich hier treibe?« Ich machte einen Schritt in den Raum und zuckte zusammen. »Mist.«

»Was ...« Er verstummte, als ich anfing, mit den Hüften zu wiegen.

»Kamera«, murmelte ich und neigte den Kopf leicht zu dem blinkenden roten Licht, das mich von der Ecke aus verhöhnte. Als ich zuvor das Zimmer betreten hatte, war ich nicht in Eddies Blickfeld gewesen, aber nun würde er mich auf seinem Bildschirm gut erkennen können. Er hatte Becca gefeuert, weil sie ihm nicht schmutzig genug geworden war. Wenn ich nur dastand und redete, würde ich im hohen Bogen rausfliegen.

»Kamera?«, hakte Kase mit gerunzelter Stirn nach.

»Ja, der Besitzer hat gern ein Auge auf alles.« Ich fuhr mir mit den Fingern durch die Haare, während ich Kase den Rücken zuwandte und vor ihm in die Hocke ging. Langsam erhob ich mich wieder und ließ die Hände dabei an seinen Beinen hinaufwandern. Dann hakte ich die Daumen in den Bund meines roten Stretchrocks und beugte mich vor, während ich den Stoff Zentimeter für Zentimeter nach unten schob.

Ihm meinen Hintern ins Gesicht zu halten, gehört jetzt zu meinen fünf demütigendsten Momenten. Allerdings immer noch besser, als der Kamera und Eddie diesen Anblick zu verschaffen. Denke ich zumindest.

Ich hoffte, Eddie war zu sehr damit beschäftigt, mich zu beobachten, um zu bemerken, dass Kase nicht so aussah, als würde ihm die Show gefallen.

Stattdessen verengte er argwöhnisch die Augen. »Um sicherzugehen, dass keiner der Kerle zu weit geht?«

In diesem Moment war ich besonders dankbar für die Nippelaufkleber; ich band mein Oberteil auf und warf es hinter mich. »Nein, er ermutigt das. Er sieht nur gerne zu.« Ich presste meine Knie gegen beide Seiten seiner Schenkel und spreizte sie.

»Was zum Teufel?«, knurrte Kase.

Es gibt nichts Besseres, als sich an jemandem zu reiben, der stinksauer ist. Das ist ganz und gar nicht unangenehm.

»Es tut mir so leid«, flüsterte ich, während ich mich an seinen Oberkörper schmiegte und versuchte, den unteren Gefilden nicht zu nah zu kommen. »Er feuert Tänzerinnen, wenn er denkt, dass sie nicht gut genug sind.«

»Bist du sicher?«

Ich nickte und schüttelte erneut mein Haar aus. »Eine frühere Kollegin, die mir das Vorstellungsgespräch verschafft hat, wurde gefeuert, weil sie nicht verrucht genug war.«

»Lars hat sie rausgeworfen?«

Überrascht hielt ich für eine Sekunde inne. »Nein, das war Eddie. Woher kennst du Lars?«

»Eddie schaut in die Kameras? Und feuert Tänzerinnen?«

»Ja.« Auf die Erinnerung hin richtete ich mich auf und schwankte. Meine Knie rutschten auf dem Leder ab und ich fiel versehentlich nach vorne, wobei ich meine Brüste gegen seinen Oberkörper presste. Um meine Balance wiederzufinden, änderte ich meine Position ein wenig und spürte Kase. Hart. Das war beeindruckend.

Vielleicht hat Ray mit den maßgefertigten Boxershorts keine Witze gemacht.

Die ganze Erfahrung war mehr als peinlich, aber in dem Wissen, dass zumindest ein Teil von ihm meine Show genoss, fühlte ich mich seltsamerweise besser. Ich ignorierte, wie sehr mir meine Wirkung auf ihn gefiel, und tanzte so professionell weiter, wie ich konnte.

»Weiß Lars davon?«, fragte Kase nah an meinem Ohr, sodass seine Lippen über meine Haut streiften.

»Keine Ahnung, ich nehme es an.« Mit lediglich einem Hauch Abstand zwischen uns stellte ich die Füße auf den Boden und sank auf die Knie, ehe ich mich wieder erhob. Erneut fuhr ich mit den Fingern durch mein Haar und schüttelte es über meine Schultern. Dabei bewegten sich auch andere Teile meines Körpers.

Als die Musik verklungen war, huschte ich von ihm weg. Ich bückte mich, um meine Kleider zu holen, denn ich musste mich anziehen, um wenigstens die vage Illusion von Normalität aufrechtzuerhalten.

Kase blieb dicht hinter mir stehen und seine Finger strichen über die empfindliche Haut an meiner Seite, während er Geld in meinen Tanga schob. Ich bekam eine Gänsehaut und kämpfte gegen einen Schauer an. Rechtzeitig blickte ich hinter mich, um zu sehen, wie er auf die Tür zuging.

Kase hob seine Hand zu einem leichten Winken. »Man sieht sich, Tiny Dancer.«

Kase

Un-fucking-fassbar.

Ich war kein häufiger Besucher des Wicked, aber alle paar Monate kam ich her, um Lars zu sehen. Obwohl die Tänzerinnen häufig wechselten, sahen sie im Grunde alle gleich aus. Gefärbte Haare, zu viel Make-up, falsche Brüste und Sprühbräune. Gut gemacht, hatte ich nichts gegen den ganzen Mist, wenn sich die Mädels damit wohl fühlten. Es war nur nicht mein Ding.

Ich war verdammt überrascht, als ich an diesem Abend eine echte Rothaarige mit hellem Teint auf der Bühne entdeckte. Meine Überraschung verwandelte sich schnell in eine Mischung aus Wut und Erregung, als die Rothaarige mir nicht mehr ihren hübschen Hintern, sondern ihr schönes Gesicht zuwandte. Ich erkannte sie sofort.

Harlow.

Klug, lustig, höllisch sexy. Der Fluch meiner verdammten Existenz.

Monatelang hatte sie mich gequält, und genauso lange sehnte ich mich schon nach ihr. Ich war ein erwachsener Mann, der so verdammt verknallt war, dass ich kurz davor stand, ihr wie ein Schuljunge einen Zettel zuzuschieben, um sie zu fragen, ob sie mich auch mochte. Ich hatte sogar angefangen, im Flur des Hyde herumzuhängen, um sie zufällig zu treffen, wenn sie Pipe besuchte.

In demselben Freundeskreis zu verkehren, bedeutete, dass sie für mich tabu war. Ich würde es nie riskieren, meine Leute wegen einer beliebigen Frau zu verlieren. Sie waren meine Familie. Meine ’ohana. Harlow war allerdings nicht irgendwer. Da es mir unmöglich war, sie aus meinen Gedanken zu vertreiben, musste es mehr als eine Schwärmerei sein. Ich wollte sie. Alles von ihr. Daran konnte weder Zeit noch Raum noch Verleugnung etwas ändern. Ich hatte es langsam angehen lassen, damit mir die Sache nicht um die Ohren flog, aber das war hiermit vorbei.

Den Song mitpfeifend machte ich mich auf den Weg zu Lars’ Büro, wobei ich mir nicht die Mühe machte, einen Blick auf die anderen Tänzerinnen zu werfen.

Eine verdammt gute Nacht.

Harlow

Als meine Schicht zu Ende war, hielt ich Ausschau nach Kase. Wir mussten uns unterhalten, denn was er heute über mich erfahren hatte, sollte zwischen uns bleiben.

Meine Freunde dachten, ich würde noch in der Bar arbeiten, und ich war nicht begeistert von der Vorstellung, dass sie etwas anderes herausfinden könnten. Ray hatte mir bereits angeboten, im Voodoo, dem Club ihres Mannes, als Kellnerin anzufangen. Piper schlug immer wieder vor, ich solle unserem Freund Rhys in seiner Kneipe unter die Arme greifen, womit sie mir vermutlich nicht nur jobtechnisch helfen wollte. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, Rhys und mich zu verkuppeln.

Obwohl ich ihre Unterstützung zu schätzen wusste, wollte ich nicht, dass mein Arbeitsleben mit meinem Privatleben kollidierte. Wenn ich Fehler machte und dafür gerechtfertigt gefeuert wurde, sollte das nicht unnötig Staub aufwirbeln. Genauso wenig, wenn jemand wegen mir die blöden Schichten übernehmen musste. Nichts davon sollte meinen Freunden zur Last fallen.

Zwischen der Arbeit, der Uni und dem restlichen Trubel in meinem Leben boten mir meine Freunde eine Flucht aus meinem Alltag. Das würde ich nicht aufs Spiel setzen.

Leider, oder vielleicht auch zum Glück, hatte ich Kase in dieser Nacht nicht wiedergesehen.

Nach drei unglaublich hektischen freien Tagen fuhr ich auf den hinteren Mitarbeiterparkplatz des Wicked. Ich stellte das Auto ab, schnappte mir meine Tasche, und als ich aufschaute, entdecke ich Lars draußen vor der angelehnten Tür.

Trotz des eisigen Winterwetters in Massachusetts hatte er die Ärmel seines schwarzen Hemdes hochgekrempelt. Zwischen seinen Lippen steckte eine Zigarette auf diese coole Art, die kaum jemandem gelang. Er wirkte eher bedrohlich als professionell. Vielleicht auch eine Mischung aus beidem, wie ein Auftragskiller oder ein schurkischer Detektiv. Er sah in meine Richtung und winkte mich mit seinem Zeigefinger herbei.

Oh, oh.

Ich stieg aus und zog meinen Mantel fester um mich, während ich auf das Gebäude zuging.

»Du siehst aus wie ein Auftragskiller«, sagte ich, als ich ihn erreichte.

Ein Lächeln erhellte seine Züge, und ein wenig von seiner harten Ausstrahlung verblasste.

»Tut mir leid. Ich plappere immer drauf los, wenn ich aufgeregt bin«, platzte ich nervös heraus.

Perfekt.

»Mache ich dich nervös, Legs?« Seine Stimme war leise, während er mir erneut meine Haare zwirbelte.

»Sehr. Ich denke immer, dass du mich gleich feuern wirst.« Natürlich steckte mehr dahinter, aber das wollte ich ihm nicht verraten.

»Darüber wollte ich eigentlich mit dir sprechen.« Er schnippte an seiner Zigarettenkippe. »Lass uns in mein Büro gehen.«

Meine Handflächen fühlten sich schwitzig an, als ich ihm ins Gebäude folgte und im Geiste alle möglichen Dinge durchging, die ich vielleicht falsch gemacht hatte.

Er entriegelte und öffnete die Bürotür und ließ mich zuerst eintreten. Nachdem er sie hinter uns geschlossen hatte, drehte er sich zu mir um.

»Was ist los?«, fragte ich, als er nicht antwortete. Wenn er mich loswerden wollte, sollte er es hinter sich bringen, damit ich abhauen konnte, bevor es die anderen mitbekamen.

»Gibt es einen Grund, warum Teo will, dass ich dich feuere?«

Irritiert neigte ich den Kopf zur Seite. »Wer?«

»Kase Teo. Er kam am Freitag zu mir und schlug mir vor, dich zu entlassen.« Lars verschränkte die Arme, lehnte sich gegen die Tür und beobachtete mich abwartend.

»Wie bitte? Warum?«

Super, jetzt fehlen mir nur noch wo und wann. Oder ich könnte zur Abwechlsung einen zusammenhängenden Satz bilden, bevor ich arbeitslos werde.

»Das ist genau das, was ich mich gefragt habe. Woher kennst du Teo?«

»Wir haben gemeinsame Freunde. Woher kennst du ihn?«

»Alte Freunde. Schlaft ihr miteinander?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Selbst wenn es so wäre, werde ich dich deswegen nicht feuern.«

»Okay. Trotzdem ist zwischen Kase und mir nichts.«

»Irgendeine Idee, warum er will, dass du gehst?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Ich habe keinen Schimmer. Hat er etwas gesagt?«

»Nein. Nur, dass ich dich gehen lassen sollte.«

Meine Gedanken rasten, während ich herauszufinden versuchte, was ich getan hatte, um Kase zu einer solchen Handlung zu verleiten. Wir sprachen kaum miteinander. Ich wusste, dass er seine Gruppe von Freunden beschützen wollte, aber es war nicht so, dass ich irgendetwas von meinem Drama dort hineinbrachte. Ich bemühte mich wirklich, alles getrennt zu halten.

So sehr ich meine Freunde auch liebte, ich benötigte das Geld. Wenn die Dinge schlecht liefen und ich mich entscheiden müsste, könnte meine Wahl auf den Job fallen. Bei dem Gedanken zog sich meine Brust zusammen.

Lars rückte näher, bis sich unsere Körper fast berührten. Sein Blick wurde dunkler, als er meinen traf »Ich lasse dich nicht gehen.« Mir stockte der Atem, als er hinter mich griff, allerdings nur um mir etwas zu reichen. »Pete sollte heute Abend in der Umkleidekabine arbeiten. Kannst du ihm das aushändigen?«

Unfähig zu sprechen, nickte ich.

Als hätte sich mein perverses Gehirn die Hitze und die Spannung nur eingebildet, trat Lars zurück und reichte mir ein Walkie-Talkie, dann öffnete er mir die Tür. »Danke.«

»Kein Problem«, sagte ich mit dünner Stimme.

»Man sieht sich, Legs.«

Und das tat er. Jedes Mal, wenn wir uns in dieser Nacht im Club in demselben Raum aufhielten, wich sein Blick nicht von mir. Um fair zu sein, könnte er wahrscheinlich dasselbe von mir behaupten.

Erst als ich mich frühmorgens in mein Bett legte und vor lauter Erregung hin und her wälzte, lichtete sich der Lustnebel in meinem Verstand und mir wurde etwas klar:

Kase hatte versucht, mich feuern zu lassen!

Mit Lars’ Worten im Kopf ging ich am nächsten Tag zum Hyde, um mit Kase zu sprechen. Ich hoffte nur, dass ich ihn erwischte, bevor Piper und Jake von ihrer Hochzeitsreise zurückkehrten.

Als ich die Werkstatt betrat, lehnte sich Kase gegen ein Auto, an dem er gerade arbeitete, und lächelte. »Was verschafft mir diese Ehre, Tiny Dancer?«

»Ha ha. Wir müssen reden.«

»Worüber? Brauchst du ein Empfehlungsschreiben?« Er wischte sich die Hände an einem Lappen ab und zwinkerte. »Eine glühende Kritik vielleicht?«

»Shht.« Ich blickte über meine Schulter, um sicherzugehen, dass niemand in der Nähe war, der es hören konnte. Obwohl der Raum leer war, flüsterte ich: »Warum hast du versucht, mich feuern zu lassen?«

»Da du das Wort versuchen benutzt, nehme ich an, dass es nicht geklappt hat«, mutmaßte er und rieb sich über den Nacken.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust, in der Hoffnung, dass es wie ein Schutzschild gegen seine Anziehungskraft wirken würde. »Nein, hat es nicht. Warum hast du das getan?«

Kase sah auf mich herab, jegliche Belustigung war aus seinem Blick verschwunden. »Warum machst du so einen Job?«

»Weil ich mir immer gesagt habe: Ich will mich in Babyöl und Glitzer wälzen und meine glitzernden Brüste fremden Leuten ins Gesicht halten. Ist das nicht einfach nur glamourös?«

Obwohl er mit einem Lächeln kämpfte, blieb er ernst. »Warum?«

»Aus demselben Grund, aus dem die anderen dort arbeiten. Geld.«

»Du brauchst es so sehr, dass du mit deinen glitzernden Titten wackelst?«

»Das geht dich nichts an. Genauso wenig, ob ich gefeuert werden sollte oder nicht. Oder wer von meiner Arbeit erfährt. Also erzähl es bitte keinem.«

Sein Körper verkrampfte sich. »Ich werde unsere Freunde nicht belügen.«

Ich schüttelte den Kopf und berührte ihn am Arm. »Das verlange ich auch nicht. Wenn Piper fragt, antworte ihr ehrlich. Nur sag es ihr nicht einfach so. Bitte?«

Er schwieg eine Minute lang und betrachtete mich. »Bist du in Schwierigkeiten?«

»Nein.« Es sei denn, ich würde meinen Job verlieren.

»Warum brauchst du so dringend Geld?«

Verrückterweise lagen mir die Worte schon auf der Zunge. Spannung machte sich in meinem Magen breit, als ich den Drang bekämpfte, alles auszusprechen. Um endlich die Last mit jemandem zu teilen, die mich jederzeit zu erdrücken drohte. Stattdessen schüttelte ich den Kopf. »Nicht dein Ding, Kase.«

Er hob eine leere Metallölwanne auf und nahm sie von einer Hand in die andere, immer wieder, als wäre sie ein Basketball. Dabei hatte er ein gefährlich charmantes Lächeln auf den Lippen. »Wirklich? So wie ich das gesehen habe, hast du kein Problem jedem deine Dinger zu zeigen.«

Strippen war nicht mein Traumjob, aber es war auch keine schlechte Arbeit. Es war mir keineswegs peinlich, was ich tat, dennoch wollte ich mich nicht mit den unzähligen Folgefragen herumschlagen, die diese Berufswahl mit sich zog. Es ging niemanden etwas an, warum ich im Wicked arbeitete. Ich wusste, warum ich es tat, und ich konnte ruhigen Gewissens in den Spiegel schauen.

Das bedeutete nicht, dass sich Kase’ Worte nicht wie Salz in einer Wunde anfühlten.

Er musste es gemerkt haben, denn er legte die Ölwanne klirrend beiseite und kam auf mich zu. »Scheiße, das war ...«

Ohne ein Wort zu sagen, steuerte ich direkt auf die Tür zu. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich Piper und Jake, doch ich stürmte ungerührt an ihnen vorbei nach draußen.

»Harlow, warte«, hörte ich Kase hinter mir rufen, aber ich war fertig mit ihm.

Ich hob beide Mittelfinger über meinen Kopf. »Leck mich, Kase.«

Ich eilte zu meinem Auto und hoffte, einen dramatischen Abgang hinzulegen. Leider musste ich anhalten und in meiner Handtasche nach meinen Schlüsseln kramen.

Und kramen.

Und noch mehr kramen.

Das war’s. Keine großen Taschen mehr. Ab jetzt muss alles in eine Clutch passen. Die ist groß genug, um mein Telefon, mein Portemonnaie und meine Schlüssel unterzubringen. Und etwas zusätzliches Make-up. Und ein oder zwei Bücher. Und ...

Okay, riesige Tasche, du gewinnst diese Runde.

Als ich meine Schlüssel endlich fand, schaffte ich es gerade noch meine Tür aufzuschließen, bevor mich Kase einholte.

»Harlow, warte.« Er stellte sich ziemlich knapp vor mich.

Mit einem lauten Seufzen sah ich zu ihm auf. »Lass mir bitte etwas Platz, ja?«

»Nein. Das war eine dumme Bemerkung. Es war als Scherz gemeint, aber ...«

»Witze sollen lustig sein?«, fügte ich hinzu, als er nicht mehr weitersprach.

»Ganz genau. Entschuldige. Ich platze immer so raus.«

»Das habe ich bemerkt.«

Er ließ seinen Blick über mein Gesicht wandern. »Du steckst nicht in Schwierigkeiten?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Würdest du es mir sagen, wenn du es wärst?«

Erneut verneinte ich. Kase öffnete seinen Mund, aber ich kam ihm zuvor. »Vermutlich würdest du es auch so herausfinden.«

»In Ordnung.« Er beobachtete mich eine Minute lang und blieb in meiner Nähe. »Ich werde es niemandem sagen.«

Ein Teil der Last fiel von meinen Schultern ab. »Ich danke dir. Würdest du jetzt zur Seite gehen?«

Er trat zurück. »Aber sicher, Tiny Dancer.«

Ich stieg in meinen Wagen, startete den Motor und kurbelte das Fenster herunter. »Wie stehen die Chancen, dass ich dich dazu bringe, mich nicht so zu nennen?«, fragte ich etwas lauter, als er mir den Rücken zuwandte.

»Nicht gut!«

»Das habe ich mir gedacht«, murmelte ich, obwohl ein Lächeln meine Lippen umspielte.

»Was glaubst du, mit wem Lars es hier treibt?«, wollte Maddison wissen, als wir uns nach unserem Auftritt an diesem Abend umzogen.

Ich zuckte mit den Schultern und drehte mich zum Spiegel um, um zu prüfen, ob mein blauer Rock richtig saß und nicht zu viel meines Hintern preisgab. »Keine Ahnung. Warum?«

»Er flirtet nie.« Sie griff in ihren rosafarbenen BH und rückte ihr Dekolleté zurecht. »Er scheint nicht einmal hinzusehen. Nun, er tut es, aber es ist alles professionell. Er sieht nicht hin.«

»Sasha sagte, das sei nicht seine Art.«

»Ist das nicht ... seltsam? Selbst wenn er eine Freundin hat, macht ihn das nicht blind. Es sei denn, seine Liebste arbeitet hier.«

Ich zuckte erneut mit den Schultern. »Vielleicht trennt er einfach Arbeit und Vergnügen.«

Wir betraten den Hauptraum und gingen in entgegengesetzte Richtungen, um mit Kunden zu sprechen. Nach einer Weile blickte ich zur Bar und entdeckte Lars, der aufmerksam die Menschenmenge musterte. Maddison stand ein paar Meter von ihm entfernt und trank ein Wasser.

Schon von Weitem erkannte ich, wie gut sie als Paar zusammen aussehen würden. Maddison war eine große, elegante, sonnengeküsste Blondine, die perfekt zu seiner dunklen Hautfarbe und seinem muskulösen Körperbau passte.

Hm. Vielleicht treiben sie es miteinander und sie wollte nur herausfinden, ob ich etwas ahnte.

»Hey, kannst du das auf dem Rückweg in das Regal neben dem Lager für den Alkohol legen?«, fragte Sasha, als ich ihr am Ende meiner Schicht das Trinkgeld gab. Sie reichte mir ein Klemmbrett.

Gespielt böse zwinkerte ich ihr und Pete zu. »Nun, normalerweise bin ich nicht diejenige, die hier die Sachen in die Regale räumt, aber ich werde es versuchen.«

Keineswegs hatte ich erwartet, dass mir die Arbeit in einem Stripclub gefallen würde, aber sie war nicht schlecht. Wenn ich ausblendete, dass mich jeder Mensch in diesem Laden bereits nackt gesehen hatte – mehr als nur einmal --, machte es mir sogar ein bisschen Spaß.

Als ich das Klemmbrett weglegte, schwang die Tür zum Spirituosenlager auf und ich erschrak.

Lars stand mit der Hand auf dem Türknauf darin und starrte mich an. Obwohl ich ihm nicht den Weg versperrte, bewegte er sich keinen Millimeter. Ich auch nicht.

Nach einer gefühlten Ewigkeit trat ich zurück und zwang mich zu einem Lächeln. »Wir müssen aufhören, uns so zu treffen, sonst fangen die Leute an zu reden.«

»Nach dem, was ich gehört habe, tun sie das bereits.« Er nickte in Richtung der Garderobe der Tänzerinnen.

»Wie ...«

»Pete hat mitgehört.«

Ich hob die Brauen. »Also du und Maddison ...«

»Nein.«

Ich stemmte die Hände in die Hüften. »Gibt es eine Regel für heiße Kerle, die besagt, dass man niemanden seinen Satz beenden lassen darf?«

Lars’ Mundwinkel hoben sich auf eine zufriedene und etwas eingebildete Art. »Du findest mich heiß?«

Ich spürte, wie meine Wangen zu glühen anfingen, und wusste, dass ich wie eine riesige Tomate aussah. »Ganz allgemein betrachtet, könnte ich mir vorstellen, dass einige dich für attraktiv halten.«

Sein Lächeln wurde breiter. »Ja, du findest mich heiß.« Er lehnte sich an den Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Was ich eigentlich ...«

»Lars, wir brauchen dich im Hauptraum, sofort!«, rief Pete vom Flur aus, bevor er sich umdrehte und in die entgegengesetzte Richtung verschwand.

Jegliche Belustigung wich aus Lars’ Gesicht und seine Ausstrahlung wurde gefährlich. »Fortsetzung folgt. Wir sehen uns morgen, Legs.«

Während ich beobachtete, wie er Pete nachfolgte, freute ich mich seltsamerweise auf das, was der Donnerstag bringen würde.

Ich hätte es besser wissen müssen, als optimistisch zu sein.

»Schon wieder? Ernsthaft?«, fragte ich bei meiner nächsten Schicht, als ich den privaten Raum betrat und Kase entdeckte. Ich setzte eine Maske der Freundlichkeit auf und begann sofort zu tanzen, da die Kameria hier drinnen keinen toten Winkel hatte. Mein rotkarierter Rock war der erste, der verschwand und auf einem Lautsprecher landete. Eigentlich hatte ich auf die Kamera darüber gezielt.

»Tiny Dancer.« Er gab einen tadelnden Laut von sich und schüttelte langsam den Kopf. »Ist das die Art, wie man einen zahlenden Kunden begrüßt? Solltest du mich nicht eigentlich mit einem sexy Lächeln bezaubern?«

Ich schenkte ihm ein verschmitztes Grinsen und starrte ihn an. Mein Todesblick verlor etwas von seiner Wirkung, als ich meinen roten Spitzen-BH abstreifte und gegen die nächste Wand warf. »Warum bist du hier?«

»Ich wollte nur Hallo sagen.« Seine Mundwinkel zogen sich nach oben, während er sich zurücklehnte und die Arme auf der Lehne ausstreckte.

Seinen Stellungswechsel nahm ich als Einladung, um mich auf seinen Schoß zu setzen, die Knie außen gegen seine Oberschenkel gepresst. Ich bog den Rücken durch, verlagerte mein Gewicht, drückte mich wieder eng an ihn und fuhr mir immer wieder durch die Haare. So wie ich es auch das letzte Mal getan hatte. Sobald der Song zu Ende war, zog ich mich widerwillig von ihm zurück.

Wie heißt es so schön? Die Zeit vergeht wie im Flug, wenn du dich an einem tätowierten, heißen Mann reibst.

»Was meinen Besuch betrifft«, begann Kase, während ich mich wieder anzog.

»Ja?«, fragte ich und beugte mich vor, um meinen Rock aufzuheben. Ich spürte, wie er hinter mich trat, ehe er ein paar Geldscheine in mein Höschen schob. Seine Hände verweilten an meinen Hüften. Ich richtete mich auf und versuchte, mich zu entfernen, aber sein Griff blieb fest, dann hörte ich seine tiefe Stimme nah an meinem Ohr.

»Ich wollte dich nur wissen lassen, dass Eddie keinen Zugriff auf die Kameras mehr hat.«

»Wie bitte?«, entfuhr es mir, bevor ich meine Stimme senkte. »Warum hast du mir das nicht vorher gesagt?« Ich drehte mich um und funkelte ihn an.

»Und die Show verpassen, Tiny Dancer? Nein, das konnte warten.«

»Du bist ein Arsch.«

»Ich weiß. Bis bald.« Er gab mir einen leichten Kuss auf den Kopf, ehe er das Separee verließ. Die nette Geste überraschte mich und ließ mich für einen Moment erstarren.

Kaum betrat ich den Hauptbereich, um mich wieder an die Arbeit zu machen, fiel mein Blick auf Lars. Lässig lehnte er an der hinteren Wand und nickte zur Seite. Er drehte sich um und ging den Flur hinunter, eindeutig in der Erwartung, dass ich ihm folgen würde.

Tja, Pech gehabt, denn ich befolge keine Befehle. Ich mache, was ich will. Er kann mich nicht mit einer simplen Kopfbewegung herumkommandieren. Ganz und gar nicht. Deshalb bleibe ich noch zehn Sekunden hier stehen, bevor ich zu ihm gehe. Das wird ihm eine Lehre sein.

Nachdem ich meiner inneren Rebellin Luft gemacht hatte, begab ich mich auf die Suche nach Lars und vermutete richtig, dass er in seinem Büro auf mich wartete. Er saß auf der Kante seines Schreibtisches, sein Körper war angespannt und sein Gesichtsausdruck unleserlich.

»Was läuft?«, fragte ich.

»Ich schätze, zwischen dir und Teo läuft was. Letztes Mal hast du das Gegenteil beteuert, dann sehe ich das.« Er deutete auf einen Bildschirm, der die Sicherheitsübertragungen zeigte. Das Bild der Kamera in dem Raum, in dem sich Kase und ich vor wenigen Minuten noch aufhielten, war vergrößert worden und und zeigte Maddison bei der Arbeit.

Diese Sirene. Wieso hat sie mir diesen Hüftschwung noch nie gezeigt?

»Zwischen uns istnichts«, sagte ich auf Lars’ Bemerkung hin.

»Warum war er dann hier?«

»Um mir zu sagen, dass Eddie die Kameras nicht mehr sehen kann. Warum hast du uns das nicht erzählt?«

Er ignorierte meine Frage. »Und dabei musstest du auf seinem Schoß sitzen?«

»Das ist mein Job, Lars. Da du mein Chef bist, weißt du das«, merkte ich an.

»Ja, vielleicht hatte Teo recht und du solltest nicht auf der Bühne arbeiten.«

Das Gewicht auf meinen Schultern begann sich nun auch auf meiner Brust bemerkbar zu machen. »Was?«

»Wie wäre es mit Barkeeping oder Kellnern?«

»Willst du mich feuern?«

»Ich gebe dir nur andere Möglichkeiten.« Er fuhr sich mit der Hand über sein kurzes Haar.