Ich könnte kotzen - Caro Neuhofer - E-Book

Ich könnte kotzen E-Book

Caro Neuhofer

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Beschreibung

Caro Neuhofer, 40 Jahre alt, verheiratet, 2 Kinder, Sozialarbeiterin – das war ihr Leben vor 10 Jahren. Dann begegnet sie Alex, Assistentin der Pflegedienstleitung ihrer neuen Klientin. Ab da wird alles anders. Caro verliebt sich in Alex und gibt ihr altes Leben auf. Die beiden finden sich, entfernen sich voneinander, finden sich wieder. Es ist ein langer Weg bis zum Beginn ihrer Ehe. Doch es lohnt sich – sie sind überglücklich. Dann wird Caro krank und alles ändert sich. Bettina tritt in Caros und Alex' Leben. Sie braucht seelischen Beistand. Alex kümmert sich aufopfernd um sie. Doch was ist mit Caro? Alex entfernt sich von ihr. Caro beginnt, ihre Gefühle und Erlebnisse in einem Tagebuch niederzuschreiben. Wird ihre Ehe nach den guten nun die schlechten Zeiten überstehen?

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Seitenzahl: 307

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2024 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99146-185-2

ISBN e-book: 978-3-99146-186-9

Lektorat: Juliane Johannsen

Umschlagfotos: Wirestock, Naiauss | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Vorwort

… Was schreibt man da. Ich habe noch nie ein Vorwort geschrieben, weil ich noch nie ein Buch geschrieben habe. Dachte nicht, dass ich das könnte. Ich lese sehr gerne, aber die Vorworte habe ich mir immer gespart. Sie vielleicht nicht, also schreibe ich jetzt mal kurz, was ich mir denke, dass man in so einem Vorwort schreiben könnte.

Ich bedanke mich als Erstes recht herzlich, dass Sie dieses Buch in Händen halten und darüber nachdenken es vielleicht zu lesen. Es wird nicht einfach werden für Sie, das kann ich Ihnen schon mal sagen. Vielleicht werden Sie mich für einen vollkommenen Idioten halten, vielleicht kann sich der ein oder andere mit mir identifizieren. Wie auch immer, ich hoffe sehr, dass Sie es bis zum Ende mit mir und meinen schrägen Gedankengängen, meinem Selbstmitleid und meinem Herzschmerz aushalten können. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass es sich lohnen wird für Sie, dieses Buch zu lesen, aber ich hoffe es sehr.

Zur Sicherheit möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass ich alle Namen und Orte in diesem Buch geändert habe, alles, was hier niedergeschrieben ist, basiert jedoch auf Tatsachen. Ich nehme Sie hier mit auf eine Reise durch ein knappes Jahr meines Lebens, und ich hoffe, dass es Sie auf irgendeine Weise berühren oder vielleicht sogar bereichern wird.

Was noch …? Ja. Berühmte Autoren widmen ihre Bücher immer irgendwem. Das finde ich sehr nett. Wie Sie am Ende des Buches vielleicht feststellen werden, krieche ich inzwischen niemandem mehr in den Arsch. Ich widme dieses Buch MIR. Denn nur mir habe ich es zu verdanken, dass ich heute bin, wer ich bin, egal wie man mich an dieser Stelle bewerten mag.

Somit bleibt mir nun nur noch, Ihnen viel Vergnügen zu wünschen.

Das war ich

Vor 10 Jahren war ich eine durchschnittliche Hausfrau, verheiratet mit einem Mann, zwei Kinder. Ein Kleinkind, ein Teenager. 1,62 m groß, 62 Kilo, grüne Augen (das einzig coole an mir). Kein Geschmack, was Klamotten angeht. Zu der Zeit sehr kurze Haare. Aussehen durchschnittlich, Ordnungssinn durchschnittlich, Kochkünste unterdurchschnittlich, Einparken in einem Zug überdurchschnittlich. Alles Durchschnitt. Plan fürs Leben, so weitermachen, bis man in die Kiste kippt, versuchen, für alle anderen das Beste rauszuholen, jedem den Rücken zu stärken, aber nicht zu sehr aufzufallen. Hobbies, singen. Auch durchschnittlich, aber das mit Leidenschaft. Die Art von Frau, die bei einer Zaubervorführung nicht vom Zauberer als Assistentin aus dem Publikum ausgewählt wird, aber immerhin bin ich auch dagewesen. Ich hatte mich zu dem Zeitpunkt gerade im sozialen Bereich selbständig gemacht. Arbeitsverhalten auch durchschnittlich, auch wenn es mir am Anfang so vorkam, als würde ich die Welt verändern. Damals habe ich noch nicht gewusst, dass die Welt bald mich verändern würde und mich durch die schönsten und schlimmsten 10 Jahre meines Lebens katapultieren würde. Aber eins nach dem anderen.

Wie alles begann (wie banal …)

2013 bekam ich eine neue Klientin in einer Art Seniorenresidenz. Ich war so aufgeregt. Der Job war noch neu, die Klientin war neu und anspruchsvoll, etwas, das ich bisher noch nicht hatte. Ich fuhr also hin, um sie kennenzulernen. Ich betrat das Gebäude, und da war sie. Ne. Nicht die Klientin. Alex. Kleiner als ich, etwas mollig, frech, mit einem strahlenden, einnehmenden Lächeln. Kurze Hosen, T-Shirt, kurze Haare, vorne etwas länger. Aber das sah man nicht wirklich, denn sie trug eine Mütze. Ich sollte noch miterleben, dass sie manchmal sogar beim Duschen vergaß, diese Mütze abzunehmen. Sehr nett, dachte ich. Von nun an war sie meine Ansprechpartnerin, wenn es um meine Klientin ging, denn Alex arbeitete dort als Assistenz der Pflegedienstleitung und als Workaholic, der sie war, war sie sowieso immer da. Wenn ich da nur schon gewusst hätte, dass mein Leben nie wieder so sein würde wie vorher.

Ich fuhr alle zwei Wochen zu meiner Klientin, demnach auch zu Alex. Und ich war jedes Mal so aufgeregt und nervös. Da ich nicht die hellste Kerze auf der Torte zu sein scheine, habe ich immer geglaubt, dass ich so nervös war, weil die Arbeit eine Herausforderung war. Nie wäre ich darauf gekommen, dass meine Hände immer so zitterten, dass mir oft die Worte fehlten, weil zu dem Zeitpunkt schon alles verloren war. Ich war verloren. Ich hatte mich Hals über Kopf in Alex verliebt. So ein Mist aber auch. Lange habe ich nicht kapiert, was geschehen war, bis ich eines Tages von einem Besuch bei meiner Klientin/Alex nach Hause fuhr. Bei dem Gespräch vor meiner Abfahrt mit Alex hat sie mir gesagt, dass sie lesbisch sei und sie sei froh, dass mir das nichts ausmache. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich keinen Gedanken daran verschwendet, mit wem Alex wohl in die Kiste hüpfen würde, geht mich ja auch nichts an. Und auf dem Weg nach Hause, ist es mir plötzlich klar geworden. Ich zitterte nicht wegen der Arbeit, wegen der Anforderung, wegen der komplizierten Sachlage, ich zitterte einzig und alleine, weil ich 40-jährige Hausfrau, mich voll und ganz in eine 13 Jahre jüngere Frau verliebt hatte. Prima. Da muss man jetzt erst mal mit klarkommen. Passiert ja auch nicht jeden Tag, ist nichts, was man so einfach wegstecken und abhaken könnte.

Auch ihr schien von Anfang an mehr an mir zu liegen. Sie hat mir immer kleine Geschenke gemacht, kleine Zettelchen zugesteckt, die nach ihrem Parfum rochen. Kaffee mit Kakaopulver in Herzchenform, einen Eisbecher mit Schokoherzen drauf. Ihr unglaublich frecher und charmanter Humor schlug mich in ihren Bann. Ihre Blicke sorgten bei mir für einen Ruhepuls von 200. Wenn sie mich „versehentlich“ berührte, wenn ich ihr eine Zigarette anzündete, blieb mir fast das Herz stehen. Wer würde da nicht schwach werden. Wer könnte dem widerstehen.

Wir hatten dann lange sehr intensiven Kontakt über WhatsApp. Wie Schulkinder. Lächerlich eigentlich, aber uns blieb zu dem Zeitpunkt nichts anderes übrig. Sie war in einer Beziehung, ich war verheiratet und keiner von uns beiden wollte im Grunde seine Beziehung gefährden, aber trotzdem bestand eine magische Anziehungskraft zwischen uns, die immer stärker zu werden schien. Ich sehnte mich nach ihrer Berührung von Tag zu Tag mehr, auch wenn ich furchtbare Angst davor hatte, denn ich hatte keinerlei Erfahrung mit einer Frau. Ja klar, man hat als Teenager mal im Suff mit ’ner Freundin geknutscht, aber das kann man ja jetzt nicht wirklich vergleichen. Nicht mal im Ansatz. Also blieb uns nichts anderes, als diese kindische Art den Kontakt zu halten. Und schon damals war mir klar, wenn sie mich heute fragen würde, ob wir zusammen durchbrennen, ich hätte alles hingeschmissen und gepackt. Wie ein Teenager. Wie ein dummer Teenager. Dumm würde ich mir im Laufe der nächsten Jahre noch öfter vorkommen, aber das wusste ich noch nicht.

Und dann kam der erste Schlussstrich. Ihre damalige Freundin ist durch ihr Handy gegangen und hat unsere Nachrichten gefunden. Hat ihr eine Mords-Szene gemacht, verständlicherweise, und hat ihr verboten den Kontakt mit mir aufrecht zu erhalten. Und gut, wie Alex ist, hat sie sich für ihre Freundin entschieden und den Kontakt zu mir von heute auf morgen abgebrochen. Mit einer knappen Erklärung. Einfach so. Natürlich. Das werfe ich ihr heute auch nicht mehr vor. Das war eben damals so. Aber in dieser Zeit ist mir dann auch klar geworden, dass das definitiv kein Strohfeuer war. Es hat ein ganzes Jahr gedauert, bis ich nicht mehr immer wieder wegen dieses Verlusts geheult hätte. Und es war ja nicht so, dass wir uns nicht trotzdem regelmäßig gesehen hätten, ich hatte ja noch immer meine Betreute in der Einrichtung, in der sie arbeitete. So viel Verantwortungsbewusstsein habe ich dann doch, dass ich den Rest meines Lebens nicht schleifen lasse.

Es vergehen 5 Jahre. Fünf Jahre, in denen ich jedes Mal fast sterbe, wenn ich sie sehe, in denen ich jedes Mal furchtbar verletzt bin, von der Gleichgültigkeit, die sie an den Tag zu legen scheint. In diesen 5 Jahren ist meine Ehe auch zu Bruch gegangen. Ich weiß nicht, wie viel davon meiner Situation zuzuschreiben ist. Fakt ist, mein Ex-Mann hat sich nie etwas zu Schulden kommen lassen, er war immer gut zu mir. Aber er hat mich halt auch alleine gelassen, körperlich wie emotional. Und ich habe oft versucht, mit ihm darüber zu sprechen und Lösungen zu finden, aber letztendlich hat es alles nichts gebracht und eines Morgens habe ich ihn mir so angesehen und ich habe mir gedacht: „Du bist ein anständiger Kerl, aber alt werden kann ich nicht mit Dir, es tut mir leid.“ Und ich habe daraufhin meine Ehe mit ihm beendet, der gemeinsame Sohn wohnt bei mir, besucht seinen Vater aber regelmäßig. Grundsätzlich besteht ein freundschaftlicher Kontakt, er ist wieder mit einer ganz süßen Frau verlobt und ich wünsche ihm alles Glück auf der Welt.

Aber zurück zu mir, uns, wie auch immer. Nach der Trennung hat sich aus irgendeinem Zufall heraus der Kontakt mit Alex wiederhergestellt. Zuerst wieder auf die altbekannte, kindische Art und Weise, schließlich auch durch unverbindliche Treffen. Und ich habe mich die ganze Zeit mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, wieder Gefühle zuzulassen, aber ich bin halt auch nur ein Mensch, und ein dummer noch dazu. Es hat sich herausgestellt, dass Alex auch nicht mehr in der Beziehung war, wir waren beide ungebunden. Und alle Gefühle waren wieder da. Von jetzt auf gleich. Zu 100 %. Wie ein Tsunami. Unerwartet und unerbittlich. Ich liebte diese Frau. Ich war nicht verliebt, ich war nicht neugierig, ich hatte meine Seelenverwandte, meine bessere Hälfte gefunden, mit ihr wäre ich komplett. So mein Plan. Auch sie war begeistert und hat mir ihre Liebe gestanden, aber immer irgendwie mit Vorbehalt. Wir sind zusammen nach Dresden gefahren, wo sie herkam, um ihre Eltern zu besuchen. Und dort hatten wir zum ersten Mal Sex. Und ich kann nicht beschreiben, wie sich das angefühlt hat. In den letzten 5 Jahren hatte ich mir nichts sehnlicher gewünscht als diese Erfahrung mit dieser einen Frau zu machen, und nun war es so weit. Ich war furchtbar aufgeregt, aber auch in einem Maße erregt, wie ich es noch nie vorher gespürt hatte. Jede noch so kleine Berührung war wie eine Explosion, wie ein Feuerwerk und ich muss gestehen, ich habe noch niemals etwas auch nur annähernd so Schönes erleben dürfen. Mein komplettes Weltbild wurde umgeworfen. Ich hatte so viel Zeit verloren, aber ich habe dafür auch alles gefunden, was ich wollte. Restlos alles. Wir machten Pläne, wie es für uns weitergehen könnte. Dann war es an der Zeit wieder nach Hause zu fahren. Sie setzte mich am Parkplatz, wo mein Auto stand, ab und ging. Es war so banal, wie es sich anhört. Sie stieg ins Auto, schaute sich nicht mehr um und fuhr. Und ich stand an meinem Auto und war verwirrt, um es milde auszudrücken. Sehr verletzt und leicht panisch kommt der Sache schon näher. Was war denn jetzt los? Es hat doch alles gut gepasst?

In den folgenden Tagen meldete sie sich kaum. Machte lediglich unverbindliche Aussagen, war abweisend und kühl. Ganz untypisch für sie, wenn man die letzten paar Tage und was passiert war, was besprochen wurde, in Betracht zieht. Und ich war direkt verzweifelt, denn ich hatte keine Lust auf ein Remake von 2013, besonders unter Anbetracht der Tatsache, dass wir jetzt einige Schritte weiter gegangen waren als damals. Ich war bereits wieder hoffnungslos verloren und hatte keine Kontrolle mehr. Und ich hatte absolut keine Lust auf dieses Gefühl. Man kann mit mir über alles reden, aber mal so und mal so, das ist scheiße. Was war denn jetzt schon wieder.

Über kurz oder lang hat sie mir dann erklärt, dass ihr die Situation Angst macht. Ich bin älter, habe ein eigenes Haus, zwei Kinder, das setzt sie unter Druck. Sie weiß nicht, ob sie mir geben kann, was ich brauche. Na ja, hatte ja eigentlich lange genug Zeit, sich darüber klar zu werden, aber gut. Dann ist es so. Wieder schluckte ich meine Gefühle herunter. Spielte ihr Spiel mit, tat, was sie sich wünschte. Der Kontakt wurde geringer, dann wieder intensiver, dann wieder geringer. Irgendwann hat sie gemeint, wie wäre es mit Freundschaft Plus. Wieder so ein Teenie-Konzept. Aber so verzweifelt wie ich war, habe ich natürlich zugesagt. Ich war schon immer gut darin, nach jedem Strohhalm zu greifen, der mir irgendwie Hoffnung bietet. Hoffnung. Was für ein beschissenes Konzept.

Ende August 2018 kam sie zu einem Konzert von mir. Danach war der Plan, dass wir, im Rahmen von Freundschaft Plus nachher zu ihrer Oma nach NRW fahren. Ich absolvierte den Auftritt, wir steigen ins Auto und fahren los. Wir sind gut gelaunt und jeder genießt die Gegenwart des anderen. Sie findet mich irgendwie gut und ich bin hoffnungslos verliebt in sie. Und plötzlich bleibt sie an einem Rastplatz stehen, nimmt meine Hand, sieht mir tief in die Augen und sagt: „Ich habe mich, als ich Dich heute auf der Bühne gesehen habe, richtig und endgültig in dich verliebt. Ich möchte eine ernsthafte Beziehung mit dir, ich möchte es versuchen.“ Das war einer der schönsten Tage in meinem Leben. Ich hatte direkt das Gefühl, all meine Sorgen seien nicht mehr da oder nicht mehr wichtig. Der Wunsch, der mir in meinem Leben am meisten bedeutet hat, ist gerade wahr geworden, jetzt wird alles gut.

War es auch. Lange eigentlich.

Wir haben viel unternommen und Anfang 2019 ist sie bei mir eingezogen. Mein kleiner Sohn hat sie sofort geliebt, mein Großer auch. Das ist ja das Problem mit ihr. Man kann sie einfach nicht nicht lieben.

2019 wurde ich dann von einer ihrer Freundinnen entführt. Sie hat mir gesagt, sie muss mich zu Alex bringen, die müsse mit mir reden. Ich hatte so eine Ahnung, wollte mich aber auch nicht reinsteigern, denn sollte ich mich täuschen, wäre die Enttäuschung nicht ganz so groß.

Wir fahren an den Inn und gehen ein Stück am Wasser. Und dort stand sie. Meine große Liebe. In einem Herz aus Fackeln, Luftballons, ein roter Teppich, Sekt, Blumen, Musik. Das volle Programm. Ich bekomme keine Luft mehr, bin total aufgeregt. Jemand schaltet einen CD-Spieler ein und ich höre wie aus weiter Ferne „love me like you do“, unser Lied. Ich gehe auf sie zu, sie weint, gibt mir die Blumen, fällt vor mir und gefühlt 200 fremden Menschen auf die Knie und fragt mich, ob ich ihre Frau werden will. Natürlich will ich das. Nichts anderes im Leben, aber das. Ein weiterer Tag, der als einer der Glücklichsten meines Lebens in meine Geschichte eingehen wird.

In den nächsten 12 Monaten leben wir zusammen. Wir lieben uns, wir vertrauen uns, helfen uns gegenseitig, sind füreinander da. Sie zeigt mir jeden Tag, wie sehr sie mich liebt. Sie schreibt mir kleine Zettel mit lieben Nachrichten drauf, die ich den Tag über überall finde. Sie bringt grundlos Blumen mit nach Hause. Sie verwöhnt mich und umsorgt mich. Ich habe noch niemals jemanden kennengelernt, der mir so intensiv gezeigt hat, dass er mich liebt, und das täglich. Mit jedem Blick, mit jeder Geste, mit jeder Faser ihres Daseins. Ich dachte nicht, dass es jemanden gibt, der so sein kann, und ich hielt es für äußerst ungewöhnlich, dass ich das Glück haben sollte, so eine Person gefunden zu haben. Wir waren wie eine Einheit. Meistens einer Meinung und wenn wir mal unterschiedlicher Meinung waren, konnte jeder die Ansicht des anderen akzeptieren und so stehen lassen. Wenn wir gemeinsam weg waren, mussten wir nicht aneinanderkleben, um zu wissen, dass wir uns auf den anderen zu jeder Zeit zu 100 % verlassen können. Wir hatten so viel Spaß, haben so viel miteinander gelacht und niemals konnte etwas zwischen uns kommen. Ich erinnere mich noch daran, als sie mir einmal eine Freude mit einer Kerze machen wollte. Aber irgendwo ist sie ja doch auch ein Kerl und hatte das Konzept Dekokerze noch nicht so ganz verstanden. Also was bringt sie mir voller Stolz mit nach Hause? Eine Grabkerze. Was haben wir darüber gelacht. Na gut, die Brenndauer ist unschlagbar, da kann man nicht meckern. Und wir hatten noch so viele Erlebnisse und Situationen, in denen wir einfach nur glücklich waren, uns zu haben. Wir hätten niemals etwas anderes gebraucht, denn wir hatten ja uns. Das war die glücklichste Zeit meines Lebens. So unerwartet und intensiv, so voller Liebe und Leidenschaft. So voller Zuversicht in die Zukunft, voller Hoffnung und Leben.

2020 haben wir dann in Dresden standesamtlich geheiratet. Im engsten Familienkreis. Die Krönung unserer bisherigen Beziehung. Beide waren wir zuversichtlich, dass das die richtige Entscheidung ist und dass wir uns ein Leben lang haben werden.

Doch der Teufel liegt im Detail. Und wer hoch oben ist, wird tief fallen. Auch wenn ich das damals niemals für möglich gehalten hätte.

Der schleichende Tod

Dann wurde ich krank. Das muss so kurz nach unserer Hochzeit gewesen sein. Aber ich wusste es damals noch nicht. Ich war immer nur noch müde. Wenn ich während des Tages meinen Kopf auf eine Tischplatte gelegt hätte, wäre ich direkt eingeschlafen. Nur noch erschöpft und ausgelaugt. Und meine Lust auf Sex wurde auch immer weniger. Das hat mich entsetzt, ich habe es nicht verstanden. Auch an Alex ging diese Wendung nicht spurlos vorüber. Zuerst hat sie mir einfach Zeit gegeben und gehofft, dass es sich wieder ändert. Aber je länger es dauerte, umso schlimmer wurde es für uns beide. Für mich, weil ich ihr unbedingt geben wollte, was ihr so sehr fehlte, und nicht verstand, warum ich es nicht konnte, für sie, weil sie die Leidenschaft vermisst hat und von mir keine Erklärung bekam, warum das so ist. Ich wusste immer, dass ich meine Frau genau so sehr liebe wie am ersten Tag. Aber ich konnte es ihr nicht mehr zeigen. Wir haben oft darüber gesprochen und sie wollte etwas haben, mit dem sie was anfangen konnte. Eine Aussage wie zum Beispiel: „Du bist mir zu dick, ich finde Dich nicht mehr anziehend.“ Dann hätte sie sich hingesetzt und einen Diätplan gemacht, abgenommen und das Problem wäre gelöst gewesen. Aber das war ja leider nicht das Problem. So leicht würde es uns das Schicksal nicht machen. Ich konnte ihr nichts Greifbares anbieten, mit dem sie arbeiten konnte, sie hatte es nicht in der Hand. Genauso wenig wie ich selbst. Und es hat mich innerlich aufgefressen, dass ich nicht einfach anders handeln konnte oder ihr eine schlüssige Erklärung bieten konnte. Es hat mich so unglaublich traurig gemacht, zu sehen, wie meine Frau unter der Situation leidet und wie sehr sie dadurch verletzt wird. Aber ich hatte da selbst noch keine Antworten. Also haben wir so weitergemacht. Sie hat mir Raum und Zeit gegeben. Aber innerlich hat sie da wohl schon angefangen, sich von mir zu entfernen. Hat eine Schutzmauer um sich aufgebaut, um nicht so von mir verletzt zu werden, immer und immer wieder. Das ist ja auch nur verständlich unter den Bedingungen.

Im August 2021 bin ich dann richtig krank geworden. Ich hatte Fieber, Kopf und Gliederschmerzen, meine Muskeln haben nicht mehr mitgespielt und ich hatte Wassereinlagerungen in den Beinen. Mir fielen die Haare aus und mein Herz raste, ich hatte Herzrhythmusstörungen. Wenn ich abends im Bett lag, habe ich geatmet, als hätte ich gerade einen Halbmarathon absolviert. Dabei war ich kurz vorher nur die Treppe hochgegangen. Was war das denn für ein Scheiß. Also bin ich zum Arzt gegangen. Etwas, was ich nicht gern tue. Aber in dieser Situation hatte ich wirklich Angst, denn das waren Symptome, die ich bisher nicht kannte. Wenn man plötzlich seinen Körper nicht mehr unter Kontrolle hat, dann ist das furchtbar. Letztendlich hatte ich Angst um mein Leben. Und mein Arzt war einfach super. Er hat sofort alles abgecheckt, mich zu 4 verschiedenen Spezialisten geschickt und eine Woche später hatte ich das Ergebnis. Autoimmunerkrankung, Schilddrüsenüberfunktion, Morbus Basedow. Was für ein Scheiß. Es gäbe eine medikamentöse Therapie, die würde ein Jahr dauern und dann müsse man sehen, ob alles wieder im Lot sei. Ich habe in kürzester Zeit 5 Kilo abgenommen, obwohl ich für drei gefressen habe (die einzige positive Nebenwirkung der Erkrankung). Und meine Frau war immer noch da. Hat mir immer noch gesagt, dass sie mich liebt und hinter mir steht, dass wir das gemeinsam schaffen. In all dem Tumult habe ich damals nicht direkt daran gedacht, meinen Arzt zu fragen, ob das mit dem Sex auch mit der Erkrankung zu tun hat, daher haben wir, was das angeht, weiter im Trüben gefischt. Wir waren bei zwei Paartherapeutinnen, keine konnte uns weiterhelfen. Denn niemand wusste, wo das Problem eigentlich liegt, weil wir uns ja über alles liebten. Na ja, ich Alex schon, sie heimlich still und leise mich immer weniger. Wieso habe ich es die ganze Zeit nicht gemerkt, dass ihre Liebe langsam stirbt? Natürlich haben wir über das Problem gesprochen, aber nach wie vor konnte ich ihr keine Antwort auf ihre Frage geben. Wie dumm …

Im Frühjahr dieses Jahres habe ich dann doch daran gedacht, meinen Arzt mal zu fragen. Klar, hat er gemeint, deine Hormone sind aus dem Lot. Libidoverlust sei zwar eher eine Folge einer Schilddrüsenunterfunktion, aber sie sei auch bei Überfunktion zu finden. Herrührend von der absoluten Abgeschlagenheit und Schlappheit, bis hin zu depressivem Verhalten, ist ein Libidoverlust auch hier durchaus möglich und in meinem Fall auch klar festzustellen. Gott sei Dank. Ich hatte eine Antwort. Gleichzeitig merkte ich auch selbst, dass sich die Dinge langsam änderten, ich hatte zu dem Zeitpunkt die Tabletten schon ein halbes Jahr genommen und die Blutwerte hatten sich schon deutlich verbessert. Ich ertappte mich ab und zu dabei, wie ich meine Frau ansah und mir vorstellte, wie sie wohl schmeckt. Wie sie die Augen schließt und stöhnt, wenn ich sie am Hals küsse. Aber es war so lange her, dass ich irgendwelche Anstalten gemacht hatte sie zu verführen, ich hatte erst den Mut nicht. Und wenn ich es dann mal versuchte, ganz subtil, hat sie mir zu verstehen gegeben, mit ihrer Körpersprache, dass sie dazu nicht bereit sei. Dann haben wir darüber gesprochen. Sie hat gemeint, sie habe sich anders arrangiert. Sie liebt mich über alles, aber das Thema Sex ist im Moment so weit weg von ihr, dass sie es nicht von heute auf morgen umsetzen und wieder Sex mit mir haben kann. Nun war es an mir, die Situation zu akzeptieren und ihr Zeit zu geben. Natürlich tue ich das. Ich liebe meine Frau und ich möchte sie nicht verlieren. Die ganze Zeit habe ich mich darauf verlassen, dass sie ihren Weg wieder zu mir finden wird und dass alles wieder gut wird. Wie dumm von mir. Hätte ich nur damals schon gewusst, wie weit sie eigentlich schon von mir weg war. Wie blauäugig und dämlich kann man sein.

Mein Geburtstag

Am 31.03.22 wurde ich 50 Jahre alt. Alex hat dafür gesorgt, dass „unsere Freunde“ mich in der Nacht vom 30. Auf den 31. um Mitternacht überraschen. Ich habe mich sehr gefreut, als plötzlich alle vor der Tür standen, gratulierten und auf einen Drink reinkamen. Alex hatte vor dem Haus lauter Bilder von mir aufgehängt und eine Puppe gebastelt, die mich darstellen sollte. Mit roten Haaren, ’nem Hund im Schoß und ’ner Tasse Kaffee auf dem Beistelltisch. Einfach unglaublich.

Ich bin kein großer Freund von Feiern, denn ich habe nicht viele Freunde. Hunde sind mir bessere Freunde als Menschen, was ich später noch eindrucksvoll vermittelt bekommen werde. Aber meine Frau wollte mir eine Freude machen. Also haben wir uns dazu entschieden, groß zu feiern. In dem Lokal, in dem wir eigentlich nochmal heiraten wollten, bevor Corona kam. Ca. 45 Leute waren da. Alles „unsere Freunde“. Wir hatten einen DJ. Und gutes Essen. Und ich hatte meine Frau. Sie hat mir wieder einen großen Strauß Rosen geschenkt und eine lange Rede darüber gehalten, wie sehr sie mich liebt, wie sehr sie auf mich stolz ist und wie sehr sie sich darauf freut, ihr restliches Leben mit mir zu verbringen. Alle haben geweint vor Rührung. Vor allem Alex. Gäste waren neidisch, weil sie auch gerne so eine Liebe in ihrem Leben haben wollen würden. Alles ganz emotional und ich bin drauf reingefallen. Denn danach war alles vorbei. Gefühlt von heute auf morgen. Einfach aus. Und ich habe die ganze Zeit nicht gemerkt, wie eng es für uns wird, bin lachend in die Kreissäge gelaufen. Wie gesagt, die Hellste war ich ja noch nie.

Ein neuer Mensch

An dem Abend, als wir meinen Geburtstag gefeiert haben, haben wir auch zum ersten Mal engen Kontakt mit Bettina gehabt. Bettina ist eine sehr hübsche, feurige Frau. Sie ist charmant und lustig. Hat aber auch sehr viele Probleme, denn sie befindet sich in einer aussichtslosen Situation, die mit ihrem Ex, seiner Neuen und ihrem Arbeitsplatz zu tun hat. Und wir sind beide drauf reingefallen. Meine Frau weiß das nur bis heute nicht. Aber ich. Die liebe Bettina. So verzweifelt, anlehnungs- und hilfsbedürftig. Natürlich haben wir sie in der kommenden Woche zum Brunch eingeladen, damit sie sich mal so richtig auskotzen kann. Bei uns beiden, die wir doch zwei Felsen in der Brandung sind und für jeden anderen da sind. Nur für uns irgendwie nicht mehr. Und es hat sich eine Beziehung entwickelt. Zwischen uns dreien. Nicht sexuell, aber mehr als unausgeglichen. Wir haben uns immer gegenseitig Sprachnachrichten geschickt. Wenn Bettina eine Nachricht an Alex geschickt hat, hat sie sie auch gleichzeitig an mich geschickt und andersrum, damit sich niemand ausgeschlossen fühlt. Enge Kiste, aber kann man machen. Und ich merkte immer noch nicht, wie mir meine Frau immer mehr entgleitet. Wir sind dann oft zu Bettina gefahren, um uns ihre Not anzuhören. Immer ging es nur um sie. Und immer mehr hat meine Frau angefangen zu leuchten, wenn sie sich sahen. Es entstand immer mehr Nähe zwischen den beiden und immer mehr Distanz zwischen mir und meiner Frau. Und seit April konnte mir meine Frau dann nicht mehr sagen, dass sie mich liebt. Ganz im Gegensatz zu ihrer feurigen Rede, die sie noch an meinem Geburtstag für mich gehalten hat. Alles weg. Aber Bettina wird geliebt. Das wird ihr auch gesagt von meiner Frau, in meinem Beisein. Da wird Händchen gehalten, Bettina wird massiert, während ich ihren Hund streichle. Da wird für sie gekocht, da werden Blumen für sie gekauft. Und die Nachrichten, die man sich immer gegenseitig zugeschickt hat, die werden weniger. Der Kontakt entwickelt sich immer mehr zu einem Kontakt zwischen meiner Frau und Bettina. Bis heute sagt meine Frau, dass da nie etwas war und auch keine romantischen Gefühle bestehen. Aber trotzdem ist das alles schon schlimm genug und es hat mich furchtbar verletzt. Und ich habe mich zurückgezogen. Jeden Tag ein bisschen mehr. Leider habe ich es in der Zeit nicht geschafft, meine Frau weniger zu lieben, dann wäre das, was jetzt folgt, etwas einfacher für mich gewesen, aber so ist es nun mal, wenn man sich vor Liebe zum Affen macht, ich bin sicher, da geht es nicht nur mir so.

Und dann ging er los. Der Anfang vom Ende. Oder wie Alice Cooper sagen würde, „welcome to my nightmare“.

31.07.2022

Ich schreibe das hier, weil ich versuchen muss, alles aus mir rauszubekommen, auch wenn das wahrscheinlich nicht funktionieren wird, weil es mich sonst zerreißt.

Heute ist der große Tag, Alex fährt am Abend alleine zu Bettina. Ich kann es nicht fassen, dass sie das tut, obwohl sie weiß, dass ich damit überhaupt nicht klarkomme.

Bettina. Alex liebt sie, würde alles für sie tun, verschlingt sie mit den Augen, wenn wir sie sehen, redet nur noch von ihr. Seit 4 Monaten geht das nun schon so und ich kann nicht mehr. Aber die Tatsache, dass sie heute auf eigenen Wunsch alleine zu ihr fährt, bringt mich um. Wie kann sie das tun. Ich fühle mich, als ob ich nicht mehr wichtig bin. Mir kann sie erklärterweise nicht mehr sagen, dass sie mich liebt. Bettina sagt sie schon, dass sie sie liebt. Wie soll ich mir da vorkommen. Ich soll nicht mitfahren, weil sie Bettina alleine besser helfen kann, als wenn ich dabei wäre. Ich bin also unwichtig und ich kann nichts, ich bin unerwünscht, das dritte Rad am Wagen, überflüssig. Wie immer. Und es ist ihr total egal, dass ich jeden Tag deshalb fast zusammenbreche. Ich würde Sachen in den falschen Hals bekommen. Ich bin also auch noch schuld, wenn es mir wegen der Situation schlecht geht, müsste halt einfach alles anders sehen und nicht so zickig sein. Ja, ich weiß, dass ich nichts wert bin und nichts kann, dass ich unwichtig bin und es grundsätzlich egal ist, wie es mir geht. Alex findet Lee, meinen großen Sohn, und meine Mutter scheiße, weil sie nur kommen, wenn sie was brauchen, weil es ihnen immer egal ist, wie es mir geht. Und jetzt ist es ihr auch egal. Sie hasst es, dass die anderen mir mit dem Verhalten weh tun, und jetzt tut sie es selber und zuckt dabei nicht einmal mit der Wimper. Hauptsache, Bettina geht es gut. Natürlich. Die arme Bettina. Und was ich an der Sache auch hasse, ich mag Bettina eigentlich sehr. Sie kann gar nichts für diese Situation. Es sind die Entscheidungen meiner Frau, im Zusammenhang mit ihr, die mir jeden Tag wieder das Herz brechen. Und inzwischen kann ich den Namen Bettina nicht mehr hören, ich kann mich nicht dazu bringen, ihr irgendeine Nachricht zu schicken, ich könnte kotzen, wenn das Gespräch auf sie kommt, was es unweigerlich jeden Tag tut. Und sie kann gar nichts dafür. Aber ich packe das alles einfach nicht mehr. Diese Gleichgültigkeit mir und meinen Gefühlen gegenüber, Hauptsache der Bettina wird geholfen. In einer Zeit, wo sich herauskristallisiert, dass meine Probleme daher kommen könnten, dass ich schon immer vermittelt bekommen habe, dass ich und meine Gefühle unwichtig sind, dass ich nichts kann und nichts bin, in genau dieser Zeit, gibt mir meine Frau zu verstehen, dass es egal ist, wenn ich leide, Hauptsache, Bettina geht es gut. Dass ich nicht mitkommen soll, denn ich bin ja keine Hilfe und nur im Weg. Ich weiß ja jetzt nicht, wie man sich das noch irgendwie so hindrehen kann, dass was Positives dabei herauskommt. Hauptsache, den anderen geht es gut. Alex mit ihrem Helfersyndrom mit ihrer neu auserkorenen Hilfsbedürftigen, Bettina, weil Alex ihr bis zum Anschlag in den Arsch kriecht und ALLES für sie tun würde. Jederzeit. Egal ob die Alte daheim hockt und sich die Augen aus dem Kopf heult. Ist ja nicht so wichtig. Ist eh nur zickig und funktioniert nicht so, wie Alex das gerne gehabt hätte. Sorry. Bin also mal wieder im Weg. Tja. Motto meines Lebens. Und dann muss ich durch mein Leben wandern und allen suggerieren, dass ich alles im Griff habe und mir die Sonne aus dem Arsch scheint. Muss meinen Job, einen wichtigen Job im sozialen Bereich, im Griff haben und allen anderen bei der Bewältigung ihrer Probleme helfen. Muss für meine Kinder da sein und auch Alex gegenüber so tun, als ob alles schick wäre, weil sonst bin ich ja zickig und kriege die Dinge in den falschen Hals. Klar. Wie immer, bin ich schuld. Mich würde mal interessieren, wie andere diese Situation einordnen würden. Ich denke nicht, dass irgendwer sagen würde: „Mensch Caro, jetzt stell dich doch nicht so an.“ Kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Mich würde auch Folgendes interessieren. Ich lerne eine tolle, maskuline Lesbe kennen, die den Arsch voller Probleme hat. Und ich will ihr helfen. Ich spreche vor Alex monatelang immer nur von ihr. Will immer zu ihr fahren, mach mir ’nen Kopf, will Tag und Nacht für sie da sein, sage immer wieder, dass ich sie liebe und sie ein ganz besonderer, wichtiger Mensch in meinem Leben ist, und sage dann zu Alex, ich will da alleine hinfahren, sie soll nicht mit. Im Leben kommt sie damit nicht klar, wenn sie was anderes behauptet, dann lügt sie, um das Thema abzuwürgen und die Situation, die sie erzeugt, nicht reflektieren zu müssen, denn das ist es, was sie will, alles für Bettina, und nichts soll sie davon abhalten, scheiß auf die Konsequenzen. Aber im Leben nicht, würde sie die Situation andersrum akzeptieren. Ist ja schon schlimm genug, wenn Martin, mein Ex-Mann, ’ne SMS schickt, weil er wissen will, wie es am Wochenende mit Bastian, meinem Kleinen, läuft. „Was will er denn schon wieder, ist er schon wieder am Jammern, was braucht er denn immer von Dir, kann er dich nicht in Ruhe lassen“. Das reicht schon, dass sie auf 180 ist und ich mich rechtfertigen muss. Aber nein, was sie mit Bettina treibt, das ist völlig normal und sollte von mir unhinterfragt so hingenommen werden. Kann ja eigentlich gar nicht sein. Ich weiß, dass ich mich hier auch extrem reinsteigere. Ich habe furchtbare Verlustängste. Das ist mir klar. Aber mir kann keiner sagen, dass ich nicht auch einen Grund habe, das nicht ganz normal zu finden, dass ich keinen Grund habe, emotional zu reagieren. Und ich habe keinen Bock mehr. Wie soll das denn noch weitergehen. Bettina ist jetzt seit 6 Monaten in dieser Situation, trotz intensiver Gespräche hat sich nichts geändert. Es gibt meiner Meinung nach nichts, was Alex, Mutter Theresa, hier noch machen könnte, insbesondere dann nicht, wenn alles, was dabei passiert, das ist, dass unsere Beziehung in Gefahr gerät. Aber das nimmt sie billigend in Kauf, denn Bettina ist wichtiger als ich und als unsere Beziehung. Das ist eigentlich extrem heftig und ich denke die wenigsten Menschen würden sich das so gefallen lassen. Aber da bin halt ich. Ein Arschloch vor dem Herrn, das diese Frau über alles liebt und nicht verlieren möchte. Und wie immer schlucke ich, auch wenn ich daran kaputt gehe. Und ich habe unglaubliche Angst vor der Zukunft. Ich weiß nicht, wo das noch hinführen wird. Wird das ein Dauerzustand, dass Alex Bettina über mich stellt? Wird es sogar so weit führen, dass die zwei was miteinander anfangen? Immerhin hat Alex auch was mit mir angefangen, als es mit ihrer damaligen Freundin gerade nicht so gut lief. Wäre also nicht das erste Mal, dass sie ein Ventil sucht und auch findet. Aber natürlich kann ich ihr das nicht so sagen, denn dann bin ich wieder die Böse und bin zickig und habe wieder Dinge in den falschen Hals bekommen. Wie immer. Bin ja doof und meine Gefühle und Ängste sind irrelevant und sowieso total übertrieben. Und es ist ein so immenser Kraftaufwand durchs Leben zu gehen, jeden Tag, und nicht einfach zusammenzuklappen. Hatte tatsächlich in letzter Zeit schon Situationen, wo mir die Beine weggeklappt sind, weil mein Körper keinen Bock mehr hatte. NEIN. Sag ich keinem. Dann würde ich ja wahrscheinlich nur ein Hypochonder sein, der durch solche Fake-Situationen die Aufmerksamkeit wieder auf sich lenken will, weg von der heiligen Bettina. Wäre ja furchtbar. Wie kindisch. Ne. Kindisch bin ich nicht. Alles andere wohl schon. Unwichtig und ein Versager und zickig und so weiter. Das schon. Natürlich, denn dann ist es einfacher, dann müsste Alex nicht auch ihre eigenen Aktionen und den wirklichen Antrieb für ihre Bettina-Affinität hinterfragen. So kann sie sich einfach heiter weiter anlügen und tun, was sie will, ohne Rücksicht auf Verluste. Schön für sie. Kacke für mich. Aber das ist ja nicht wichtig. Ist ja klar. Ich geh dann mal jetzt lustig tanzen. Ist ja auch schön. Und wenn ich heimkomme, dann ist keiner da, weil Alex ist ja bei Bettina und will nicht, dass ich noch nachkomme. Prima. Ich freu mich schon. Und ich frage mich dann die ganze Nacht, wie das mit uns dreien weitergehen kann. Und wenn Alex nach Hause kommt, werde ich wieder in einem total emotionalen Ausnahmezustand sein. Aber da bin ich ja dann selber dran schuld. Ist ja mein Problem, wenn ich mir das so zu Herzen nehmen, wenn meine Frau eine andere Frau über mich und unsere Beziehung stellt. Ich Schaf.