Ich lass mich doch nicht verarzten! - Norbert Peter - E-Book

Ich lass mich doch nicht verarzten! E-Book

Norbert Peter

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Beschreibung

Darf ich zu Risiken und Nebenwirkungen auch den Apotheker fragen, ohne dass der Arzt beleidigt ist? Kann man Mediziner, die nicht mit einem reden, von ihrer Schweigepflicht entbinden? Wenn Ärzte Götter in Weiß sind, sind Patienten dann nicht zumindest Götter mit heruntergelassener Hose? Werden wir nicht im Laufe unseres Lebens alle irgendwann zu Patienten? Und sind uns die Ärzte dieser Welt nicht eigentlich dafür zu Dank verpflichtet? Wir geben unser Bestes, krank zu sein - sollen die Mediziner auch ihr Bestes geben, uns wieder gesund zu machen! Patient Claus Schönhofer, Allgemeinmediziner Ronny Tekal und Patientenflüsterer Norbert Peter lösen den Kommunikationsknoten zwischen Arzt und Patient und beantworten auf satirisch-humorvolle Weise die alles entscheidende Frage: Wie holen wir das Optimum aus unserem Arzt?

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Seitenzahl: 214

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Norbert Peter / Ronny Tekal / Claus Schönhofer

ICH LASS MICH

DOCH NICHT VERARZTEN!

Medizinsatire

Norbert Peter

Ronny Tekal

Claus Schönhofer

ICH LASS MICH

DOCH NICHT

VERARZTEN!

Medizinsatire

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Quellen:

Seite 132: Prof. Dr. Matthias Schrappe u. a.: Agenda Patientensicherheit 2007, Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V., Witten, Seite 5

Seite 161: Bernhard Ludwig; Günther Payr: Anleitung zum Lustvoll Leben: 10in2; Verlag: Ludwig, Bernhard, 2010

Seite 177: Bernd Michael Kranich (2008) in: http://www.serienjunkies.de/news/aerzteserien-greys-19177.html)

Seite 177: Antoni Trilla, British Medical Journal, 21. Dez. 2006; 333: 1291–1293)

Seite 189: FAZ, Institut für Demoskopie Allensbach in: http://www.gw.bcv.org/hosting/bcv/website.nsf/urlnames/gw_rbbconference/$file/Ergebnisbericht_BK_03.pdf

Seite 214: http://www.medunigraz.at / 16997

1. Auflage 2013© 2013 by Braumüller GmbHServitengasse 5, A-1090 Wienwww.braumueller.at

Umschlagfotos: Daniela KlemencicIcon „Stethoskop“ nach rajeevkamal / vecteezyISBN der Printausgabe: 978-3-99200-087-6

ISBN E-Book: 978-3-99200-088-3

INHALT

0  ANFANG

Wenn ich das gewusst hätte, wär ich gar nicht erst krank geworden!

Wer heilt, hat recht!

Wie Sie das Beste aus Ihrem Arzt herausholen

Ärztinnen, Frauenärzte, Ärztefrauen und Ärztinnenmänner

1  DOKTORSPIELCHEN

Die Hürden vor der Audienz beim Arzt

Die liebe Not mit der Notaufnahme

Die Qual im Spital

Hausbesuche

2  DR. SELTSAM

Das Schweigen der Ärzte

Mein Arzt ist fett, raucht und säuft!

Die 6-Stunden-Woche

Arzt im Dienst

Zu 110 Prozent inkompetent

Fremder Arzt – guter Arzt?

Schein und Wirklichkeit oder: Frau Doktor hat ein Tattoo

3  ÄRZTE SIND ANDERS. PATIENTEN AUCH.

Wer zahlt, schafft an!

Der dumme Patient

Du versichert krank?

Placebo mit Nebenwirkungen?

4  DIAGNOSE UND ANDERE IRRTÜMER

Ein Leiden – tausend Therapien?

Der Wievielte von hundert bin ich in der Statistik? Teil 1

Der Wievielte von hundert bin ich in der Statistik? Teil 2

Die Kunst, Fehler zu machen

Von dem Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Teil 1

Von dem Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Teil 2

Wo ein Au, da auch ein Weh!

Wer nichts mehr isst, lebt länger

5  KEINE PANIK

Keine Panik vor der Nadel

Keine Panik vor der Geburt

Keine Panik vor dem Ausziehen

Keine Panik vor der Diät

Keine Panik vor den Beipacktexten

6  DR. WER?

Dr. Google

Dr. Brinkhouse

Dr. Fogorvos

Dr. Doolittle

Dr. Beauty

Dr. Feng und Mr. Shui

7  INTIMZONE

Sexunfälle und andere Peinlichkeiten

Fast nur für Frauen

Erotische Gefühle

Kuckuckskinder und Hurenböcke

8  SCHLUSS

Sitz, Platz, braver Arzt!

Danke!

0 AN

FANG

WENN ICH DAS GEWUSST HÄTTE, WÄR ICH GAR NICHT ERST KRANK GEWORDEN!

Wir Patienten haben in unserer Beziehung zum Arzt von Haus aus die Arschkarte gezogen. Denn: Wir sind krank! – Oder zumindest leidend. Wir haben in jedem Fall irgendein Problem, das nur ein Mediziner lösen kann, und befinden uns damit in einer Abhängigkeitsposition.

Vergleichbar dem ungleichen Machtverhältnis zwischen uns und Berufsgruppen wie Automechaniker oder Installateure. Wir müssen froh sein, überhaupt repariert, verrohrt oder eben behandelt zu werden, und nehmen ohne Widerspruch alles hin. Das ist keine gute Basis für eine Beziehung.

Ich halte es wie der „Übertreibungskünstler“ Thomas Bernhard: „Ich hasse Ärzte … Wir gehen hin, weil uns die Blase weh tut, und er schaut uns in die Ohren. Wir sagen, es schmerzt im rechten Knie. Er klopft uns die Brust ab. Zehn Minuten siebenhundert Schilling. Das sind die Ärzte. Wir bitten einen Hinweis, Hilfe. Aber sie weisen auf nichts hin, helfen nicht … Entweder sind die Ärzte größenwahnsinnig oder hilflos, in jedem Fall schaden sie den Kranken, wenn diese nicht selbst die Initiative ergreifen.“

Wir wollen mehr von unserem Arzt. Schließlich wäre er nichts ohne uns Patienten. Wie machen wir ihm bloß klar, dass er nicht unser Vorgesetzter ist, dem wir für unser Gesundwerden zu danken haben, sondern dass er uns zu danken hat, dass wir krank sind?

Wir geben unser Bestes, krank zu sein. Soll er auch sein Bestes geben, uns wieder gesund zu machen. Die Frage lautet: Wie holen wir das Beste aus unserem Arzt heraus?

Claus Schönhofer, Patient

WER HEILT, HAT RECHT!

Das Bild des reichen und schönen Arztes, der sich von seinen Patienten anbeten lässt, gehört zunehmend der Vergangenheit an. Das hätte man mir aber ruhig schon vor dem Medizinstudium sagen können. Wir haben es heute alles andere als leicht, wir mühen uns mit uneinsichtigen Patienten und knausrigen Kassen ab und müssen auch noch nett und „partnerschaftlich“ sein. Auf der anderen Seite ist es für Patienten nicht immer leicht, das ärztliche Handeln zu verstehen. Das verstehen wir ja oft selber nicht.

Dieses Buch soll Aufschluss darüber geben, warum Ärzte vom Mars sind und Patienten nicht einparken können. Warum wir Ärzte so ticken, wie wir eben ticken – um zu begreifen: Ärzte sind nichts anderes als ganz normale Götter.

Ronny Tekal, Arzt

WIE SIE DAS BESTE AUS IHREM ARZT HERAUSHOLEN …

Ich bin der Arzt, der eigentliche. Ich habe zwar nicht Medizin studiert, dennoch wirke ich heilend – auf den Prozess zwischen Arzt und Patienten.

Ich könnte aber weder für die eine noch für die andere Seite Partei ergreifen. Fast wie ein Fähnchen im Darmwind. Agieren nach dem Motto: Kommunikation gelungen, Patient tot – und Arzt auch, von mir aus. Das könnte ich.

Aber ich will Anteil nehmen. Schon mein Vorbild John F. Kennedy formulierte 1963: „Ich bin ein Berliner!“ und drückte damit seine Solidarität mit der Bevölkerung im Westflügel der Berliner Krankenhäuser aus. In diesem Geist sage ich: „Ich bin ein Patient!“

Norbert Peter, Patientenflüsterer

ÄRZTINNEN, FRAUENÄRZTE, ÄRZTEFRAUEN UND ÄRZTINNENMÄNNER

Wenn der Patient zum Arzt geht, dann verstehen wir allgemein darunter, dass eine kranke Frau oder ein kranker Mann Hilfe bei einem weiblichen oder männlichen Mediziner sucht. Da in diesem Buch etwa hunderttausendmal die Wörter „Patient“ und „Arzt“ fallen, haben wir im Sinne der besseren Lesbarkeit darauf verzichtet, jedes Mal „der Patient / die Patientin“ und „der Arzt / die Ärztin“ zu schreiben. Und sollte trotzdem da oder dort „Patientin“ und „Ärztin“ stehen, dann, weil es ganz einfach sinnvoll ist. Zum Beispiel beim Thema Gynäkologie. Bei der vorwiegend weiblichen Klientel ist es durchaus angebracht, von Patientinnen zu sprechen. Oder wenn es inhaltlich einen wesentlichen Unterschied macht, etwa wenn man von einer Frauenärztin oder einem männlichen Frauenarzt behandelt werden will. Das korrekte Spezifizieren des Geschlechts ist im üblichen Sprachgebrauch ohnehin schon schwer genug. Mit Frauenarzt ist ja nicht die Frau Doktor gemeint, sondern der Facharzt für Frauenheilkunde. Hingegen meinen wir mit „Ärztefrauen“ die Ehefrauen von Medizinern. Aber wie sagt man dann zu den Ehemännern der Ärztinnen? „Ärztinnenmänner“?

Sind Sie jetzt verwirrt?

Wir auch.

Trotzdem wünschen wir allen Leserinnen und Lesern viel Vergnügen mit diesem Buch.

1 DOK TOR

SPIEL CHEN

DIE HÜRDEN VOR DER AUDIENZ BEIM ARZT

DER TERMIN

Besuch in der Arztpraxis. Wir reden jetzt nicht davon, dass wir einen teuren Privatarzt aufsuchen. Als Privatpatient hätten wir uns einen Termin aussuchen können. „Jetzt gleich, in einer halben Stunde?“ Das geht sich für uns leider nicht aus, weil wir da noch beim Friseur sind. „Würde es Ihnen um 18 Uhr passen oder lieber morgen um neun?“

Wir hätten einen Termin ausgemacht, der unseren sonstigen Tagesplan nicht zu sehr durcheinanderbringt. Wir wären zur vereinbarten Zeit erschienen, wären im geschmackvoll eingerichteten Vorzimmer des feudalen Herrschaftshauses aus dem vorletzten Jahrhundert von der freundlichen, jungen Assistentin aus dem gerade mal vorletzten Jahrzehnt herzlich begrüßt worden. Sie hätte uns gebeten, einen Moment Platz zu nehmen, die Frau oder der Herr Doktor würde uns sofort sehen. Noch ehe wir uns entscheiden könnten, welches der einladend auf dem Tisch neben dem bequemen Sofa platzierten Hochglanzmagazine wir am liebsten durchblättern würden – Hochseejachten? Die schönsten Wellness-Resorts der Welt? Italienische Vogue? Golf auf Hawaii? –, käme schon die liebenswürdige Einladung, einzutreten.

Zwar hat Gott uns alle vor den Ärzten gleichgemacht. Gleich krank oder gleich gesund. Allerdings hat er uns nicht mit den gleichen finanziellen Mitteln ausgestattet, um die gleiche medizinische Betreuung erfahren zu können. Wenn wir uns nicht zu den privilegierten Privatversicherten zählen dürfen, dann reden wir davon, dass wir als ganz normaler Kassenpatient eine ganz normale Arztpraxis in einem ganz normalen Plattenbau besuchen. Wir haben keinen Termin. Nicht, weil wir am Telefon nicht um einen gebeten hätten. „Zurzeit können wir keine Termine vergeben. Es ist gerade sehr viel los. Vielleicht in drei Wochen?“ Nun juckt aber der Ausschlag gerade jetzt besonders. Oder das Ohrensausen ist schon unerträglich. In drei Wochen werden wir uns die Haut vom Leib gekratzt oder der Tinnitus wird uns endgültig in den Wahnsinn getrieben haben. Nein, so lange können wir nicht warten. „Na gut, dann kommen Sie zwischen 14 und 15 Uhr. Aber es kann ein wenig dauern.“ Wie lange? „Das kann ich nicht sagen. Zwei Stunden vielleicht. Oder auch länger.“ Wir sind versucht zu fragen, ob wir dann nicht gleich erst zwei Stunden später kommen sollen. Tun es aber nicht, wir wollen es uns ja mit der ohnehin schon ruppigen Vorzimmerdame nicht verscherzen.

Dass Patienten nicht gerne warten, ist dem Arzt durchaus bewusst. Ärzte warten übrigens auch nicht gerne. Und in der Warteschlange an der Supermarktkassa rutscht ihnen mitunter ein „Ich bin Arzt, lassen Sie mich durch!“ über die Lippen.

Doch eine Säugetierart, die freiwillig täglich zwei Stunden im Stau steht und sich bereitwillig am Eingang eines Erlebnisparks einen Vormittag lang die Füße in den Bauch steht, sollte mit Kritik etwas zurückhaltender sein. Schließlich geht es hier um etwas Elementares, es geht um die Gesundheit. Und die konsumiert man nicht im Vorbeigehen, es bedarf einer gewissen spirituellen Grundeinstellung, die sich durch das kontemplative Warten einstellt. Das weihnachtliche Prinzip der Vorfreude gilt auch hier.

Vorweg: Sprechstundenhilfen sind auch Menschen. Das wollen wir nicht vergessen!

Was dem Wirtschaftsverbrecher der Anwalt, dem Immobilienbesitzer der Wachdienst und dem tätowierten Rechtsausleger der Bullterrier, das ist für den Arzt die Sprechstundenhilfe. Eine Mischung aus Manager, Untergebener und Schutzmaßnahme, des Öfteren auch der Ehepartner, sitzt im Vorfeld der Heilungsmaßnahmen. Bevor man sich also im herzlichen Lächeln des distinguierten Weißkittels erwärmen darf, muss man schnarrende Befehle und Unfreundlichkeit über sich ergehen lassen. Da schiebt sich doch tatsächlich ein Mensch zwischen meine gesundheitlichen Probleme und den Arzt. Aber hier ist Achtsamkeit geboten: Diese Person wurde vom Arzt ausgesucht und ist sein verlängerter Arm. Es wäre also durchaus überlegenswert, die weihnachtlichen Zuwendungen an den Wünschen der Sprechstundenhilfe zu orientieren. Da könnte ein Früchtetee mit Zimt und Pfirsicharoma eine bessere Investition sein als eine Kiste mit feinsten Havanna-Zigarren.

Neben diversen Varianten der Korruption bietet sich noch die Methode des Verständnisses an. Die Sprechstundenhilfe steht tatsächlich oft unter großem Druck, sie wird aufgerieben zwischen den Wünschen des Arztes auf der einen Seite („Der letzte Patient spätestens eine halbe Stunde vor Schluss!“) und den Patienten auf der anderen („Meine Tochter fiebert und kotzt – und zwar jetzt!“). Versuchen Sie es daher mit ehrlichem Verständnis, und unter Umständen spüren Sie die Folgen ehrlicher Dankbarkeit. Dann nämlich, wenn Sie noch schnell zum Doktor reinschlüpfen dürfen, während der fluchende „Nur schnell ein Rezept“-Abholer auf den nächsten Tag verwiesen wird.

DIE ANMELDUNG

13.30 Uhr. Wir sind lieber früher da, vielleicht können wir ja ein paar andere Patienten ausbremsen. Auf dem Flur vor der Praxis warten bereits etwa zehn Patienten, die UNS ausgebremst haben. Wären wir doch bloß eine halbe Stunde eher da gewesen! Die Prozedur des Anmeldens bei der Arzthelferin dauert eine gefühlte Ewigkeit. Viele der Patienten vor uns sind der deutschen Sprache nicht mächtig, was der Geduld und der Freundlichkeit der Arzthelferin abträglich ist. Die Gespräche zwischen ihr und den Patienten sind nicht zu überhören. So erfahren wir ungewollt, dass die Frau, die uns eben noch die Klinke in die Hand gegeben hat, einen nässenden Hautausschlag irgendwo in der Körpermitte hat und der wohlgenährte Mann direkt vor uns seit Tagen an Blähungen leidet. Wir wollen einen Schritt zurück machen. Geht aber nicht, denn hinter uns drängen die nächsten geschätzten einhundert Heilungsuchenden. „Nehmen Sie im Wartezimmer Platz, Sie werden aufgerufen.“

„Soziale Übermenschen“, also jene unter uns, die das Mutter-Teresa-Gen in sich tragen, haben’s leichter. Stellen Sie sich vor, dass die anderen Menschen vor der Ordinationstür keine Konkurrenten um die medizinische Zuwendung des Gottes in Weiß sind, sondern kranke Mitmenschen, die Hilfe brauchen. Freuen Sie sich, wenn jemand endlich zum Doktor darf, und zwinkern Sie dem Glücklichen aufmunternd zu. Besonders traurigen Gestalten und Menschen, die offensichtlich das Potenzial in sich tragen, Sie anzustecken, überlassen Sie sogar den Vortritt. Wenn jetzt jemand meint, dass man auf diese Art auch bis zu 24 Stunden in einer Ordination verbringen kann, dem sei gesagt, dass Mutter Teresa in Kalkutta sogar ein halbes Jahrhundert unter Leprakranken wirkte. Ob sie letztlich zum Arzt reindurfte, bleibt ungeklärt.

TAKTIK IST DIE HALBE WARTEZEIT

Einmal im Wartezimmer, ist die Chance, noch am selben Tag behandelt zu werden, sehr gering. Eigentlich sind wir ja nur wegen einer Kleinigkeit hier, die in wenigen Minuten erledigt sein sollte. Aber das denken sich viele andere Wartende auch, was sie und uns dazu veranlasst, sich strategisch günstig noch VOR der Tür zum Wartezimmer zu postieren, um möglichst als Erster Kontakt mit dem hoffentlich bald eintreffenden Arzt aufnehmen zu können.

Hier fängt allerdings auch das Dilemma für den Arzt an. Immerhin bergen wartende Patienten Sprengpotenzial, und der Gang eines Arztes durch seinen Wartebereich gleicht einem Spießrutenlauf.

Nicht wenige Mediziner entwickeln klinisch relevante Panikattacken beim Gedanken an die paar Meter vom Eingang zum geschützten Arbeitsbereich. Denn in der Wartezone treffen nicht nur die zornigen Blicke der Patienten auf einen Arzt, der eine akademische Stunde zu spät erscheint. Es besteht für ihn auch die Gefahr, von einem mitgebrachten Röntgenbefund akut die Sicht verstellt zu bekommen, über ein Gehgestell zu stolpern oder von zwei Seiten gleichzeitig auf die Freizeitkleidung angehustet zu werden. Das macht uns Ärzten Angst.

Und Angst ist ein schlechtes Heilmittel. Deshalb wäre es sehr rücksichtsvoll, wenn die Patienten zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir unsere weiße Rüstung angelegt haben, mit ihren Anliegen warten könnten. Das vorzeitige Anbringen eines Anliegens („Desiderio praecox“) ist ein Leiden, das eher das Gegenteil bewirkt.

Denn Ärzte (Typ 1), die zu einem bestimmten Zeitpunkt so aussehen, als ob sie nicht reden wollen, wollen zu einem bestimmten Zeitpunkt auch nicht reden. Da kann man sich ein Bein abhacken, angeschaut wird es erst, wenn der Arzt bereit und der Patient an der Reihe ist. All jene Ärzte, die ihren Patienten keinen Wunsch abschlagen können (Typ 2) und sich all den vorzeitigen Anliegen widmen, bekommen nach kürzester Zeit ein saftiges Burn-out. Und die Vertretung übernimmt dann wieder Typ 1. Um diesen Konflikten vorzubeugen, versuchen die Ärzte, die Patienten im Wartezimmer von sich fernzuhalten. Das nennt man Prävention.

Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder Sie arrangieren sich mit dem Wartezimmer oder Sie vermeiden es. Es gibt auch andere Orte, um sich Ärzten vorsichtig zu nähern: Theaterfoyers, Jachtklubs oder mit ganz hoher Dichte: Spitalskantinen. Wer es schafft, zu Ärzten Freundschaften aufzubauen, kann die formellen Strukturen einer klassischen Arzt-Patient-Beziehung hinter sich lassen. Aber wollen Sie das wirklich? Einem Arzt nahe kommen? Sie könnten entdecken, dass Ihr Gegenüber kein Halbgott in Weiß ist, der jede Krankheit heilen kann. Und vielleicht steckt unter dem weißen Kittel ein Mensch, den Sie gar nicht an sich heranlassen wollen …

Dann also doch besser das Wartezimmer. Aber bewahren Sie sich Ihre Individualität.

Wer sagt denn, dass Sie sich in die Rolle des lästigen Patienten mit der Nummer 314 einfügen müssen? Sie sind der Regisseur Ihres Lebens! Wählen Sie die Rolle, die Ihnen genehm ist. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt: Vielleicht sind Sie ja Steuerfahnder, der herausfinden will, ob die hässlichen Gemälde, die im Warteraum hängen, tatsächlich von Wert sind; ein Autor, der Medizinskandale recherchiert, oder ein Undercover-Agent, der herausfinden will, wer im Wartezimmer das nächste Attentat auf den Arzt plant. Hat die Sprechstundenhilfe nicht so eine seltsame Tasche unter ihrem Schreibtisch?

DAS WARTEZIMMER – VORHOF ZUR HÖLLE

Nach einer schroffen Aufforderung, den Gang frei zu halten und sich BITTE ins Wartezimmer zu begeben, betreten wir den Vorhof zur Hölle. Etwa dreißig Menschen drängen sich auf fünfzehn Stühlen. Wo sind die alle hergekommen? Es waren doch gerade mal zehn Leute vor uns bei der Anmeldung. Sind die womöglich von gestern übrig geblieben? Argwöhnische Blicke begegnen und mustern uns. Als Neuankömmling sind wir ein potenzieller Feind für die bereits Wartenden. „Du kommst sicher nicht vor mir dran!“ In dieser feindseligen Atmosphäre suchen wir uns einen Platz. Aber wo? Stellen wir uns zu der Frau mit den drei hustenden Kindern? Oder nehmen wir den einzig freien Stuhl neben dem leichenblassen Mann? Warum ist ausgerechnet dieser Stuhl noch unbesetzt? Gleich neben der Tür zum Behandlungsraum wären auch noch ein paar Quadratzen-timeter frei. Aber wir verwerfen diese Option gleich wieder, denn die Blicke der anderen sagen deutlich: „Komm ja nicht auf die Idee, dich vordrängen zu wollen! Ab nach hinten, in die letzte Ecke!“

Entspannen Sie die Situation: Grüßen Sie laut und deutlich und freundlich! Wenn der Gruß nicht eindeutig ist (zu leise, nur Richtung Sprechstundenhilfe), dann fühlen sich die anderen nicht angesprochen und reagieren eher nicht. Wenn kein freundlicher Gruß zurückkommt, dann verzagen Sie nicht. Die Situation ist für alle Beteiligten neu, viele haben Angst, sich zu blamieren. Aber die meisten fühlen wie Sie: Sie wünschen sich eine angenehme Atmosphäre, die Begegnung mit Menschen, den Austausch von Erfahrungen und, nicht vergessen, wir sind beim Arzt: das Reden über die Krankheit, die eine Belastung darstellt.

Jene, die überhaupt nicht für Ihre Freundlichkeiten zu gewinnen sind, weil sie zu fokussiert bei ihrer Krankheit und ihrem Leiden sind, benötigen vielleicht Hilfe: Besorgen Sie ein paar Stimmungsaufheller und verteilen Sie diese. Von A wie Anis-Fenchel-Bonbons bis Z wie Zwetschkenknödel reicht die Palette der legalen Freudenspender.

LESESTOFF

Wir suchen nach etwas, mit dem wir uns für die nächsten Stunden beschäftigen können. Hoffnungsvoll entdecken wir einen kleinen, wackligen Tisch mit Zeitungen. Nein, keine Zeitungen, es sind Werbebeilagen von Zeitungen aus dem vorletzten Jahr. Und Informationsbroschüren zur Zeckenimpfung.

Auch Kassenärzte wollen die Wartezeit ihrer Kundschaft so angenehm wie möglich oder besser gesagt so sinnvoll wie möglich gestalten. Daher ist es nicht wirklich zielführend, die neuesten Ausgaben hipper Gazetten auf den Tischchen zu drapieren. Eine Arztpraxis ist ja kein Frisiersalon. Und der medizinische Bildungsauftrag des Arztes hört schließlich nicht bei der Ordinationstür auf. So ist es sinnvoller, wenn Broschüren über Cholesterin, Diabetes und kardiales Ausdauertraining im Lektüreangebot stehen. Zugegeben, manchmal rutschen auch etwas ältere Exemplare darunter. Aber es kann auch interessant sein, sich über Schwindsucht, Pocken oder die Englische Krankheit bei Seeleuten zu informieren.

Generell müssen wir jedoch gestehen, dass wir uns nicht allzu viele Gedanken über den Lesestoff machen. Und meist wird schlicht der Postkasten entleert und der Inhalt auf den kleinen Beistelltisch im Wartezimmer gekippt. Da kann es schon vorkommen, dass Patienten mit dem aktuellen „Journal of Gastroenterology and Hepatology“ genauso wenig anfangen können wie mit dem Werbeprospekt für Ultraschallgeräte oder mit der zweiten Mahnung einer Erotik-Hotline.

Aktives Zeitmanagement, können Sie sich das vorstellen?

Sie gehen ja nicht zum ersten Mal zum Arzt und wissen, dass das dauern kann. Nehmen Sie entsprechendes Material mit: ein Rätselheft für eine halbe Stunde, den Kommentar Ihres Steuerberaters zu Ihrer letzten Steuererklärung für eine Stunde und für Wartezeiten jenseits einer Stunde dieses Buch. Die ungefähre Wartezeit erfragen Sie am besten bei der Dame hinter dem Desk. Wenn Sie damit rechnen, keinen Sitzplatz zu bekommen, um in Ruhe lesen zu können: Ein schlichter, tragbarer Falthocker kostet bei eBay 2,99 Euro.

PARANOIA

Wenn keines der dargebotenen Druckwerke unser Interesse weckt, lesen wir den Text auf einem der Poster auf der Tür des Wartezimmers. „Gesundenuntersuchung kann Ihr Leben retten. Ihr Arzt gibt Ihnen gerne einen Termin.“ Wir müssen schmunzeln. Nach gefühlten viereinhalb Stunden wird „Der Nächste!“ aufgerufen. In der Zwischenzeit haben sich weitere zehn Patienten in das Wartezimmer gezwängt. Wir haben sie natürlich sofort gemustert und ihnen mit strengen Blicken zu verstehen gegeben, dass sie ja nicht auf die Idee kommen sollen, sich vorzudrängen! Und an den Platz bei der Tür braucht ihr erst gar nicht zu denken! Wir wissen, was ihr vorhabt!

Paranoia ist offenbar ansteckend. In kürzester Zeit sind auch wir mit den (Wahn?-)Vorstellungen einer Verschwörung infiziert. Jeder Patient, der die Praxis betritt, stellt eine Bedrohung dar. Unsere Sinne sind geschärft, unsere Abwehrreflexe in Alarmbereitschaft. Mit Argusaugen überwachen wir den Gang vor dem Wartezimmer. Vor der zweiten Tür zum Behandlungszimmer, durch die die Arzthelferin ein und aus geht, um dem Arzt die Patientenblätter zu bringen, droht die meiste Gefahr. Dort stehen mehrere Menschen auffällig unauffällig herum. Jedes Mal, wenn die Assistentin die Tür öffnet, recken diese ihre Köpfe in die Öffnung, um mit dem Arzt Blickkontakt aufzunehmen – in der Hoffnung, von ihm vorzeitig aufgerufen zu werden. Offenbar Stammkunden oder Freunde des Mediziners. Das sind die Schlimmsten!

Es ist kein großes Geheimnis, dass man als Privatpatient nicht nur früher einen Termin bekommt, sondern auch vor Ort rascher drankommt. Dies hat unter anderem damit zu tun, dass wir Ärzte nur ungern in Erklärungsnotstand geraten. Denn regt sich ein Kassenpatient über die lange Verweildauer im Wartezimmer auf, so können wir auf das marode Gesundheitssystem, die schlechte Honorierung und die Zwei-Klassen-Gesellschaft als solche verweisen. Diese Argumentation ist nachvollziehbar und der Arzt wird zum glaubhaften Komplizen im Kampf um Gerechtigkeit. Bei Privat- und bar zahlenden Patienten, die Ärzte im niedergelassenen Bereich brauchen wie einen Bissen Gänseleberpastete, können diese Gründe nicht ins Rennen geführt werden. Um sich einer fruchtlosen Diskussion zu entziehen, lassen wir sie einfach etwas früher rein. Nicht ganz fair, nicht sehr sozial, aber durchaus praktikabel.

Zur Beruhigung der kochenden Patientenseele hängen Zettel im Wartebereich, die Auskunft darüber geben, dass der Aufruf der Patienten ausnahmslos „in der Reihenfolge des Eintreffens“, „abhängig vom Schweregrad der Erkrankung“, „bevorzugt bei besonders heiklen Fällen“ sowie „nach Lust und Laune“ erfolgt. Derart formulierte Hinweise nehmen überengagierten Patienten bereits im Vorfeld den Wind aus den Segeln und vermitteln ein gewisses Maß an Unübersichtlichkeit.

WER WAR DER LETZTE?

Wie können wir die Konkurrenz wohl am effizientesten unschädlich machen? Sollen wir „Feuer!“ rufen? Oder auf die Toilette gehen, um dann nicht mehr in die Hölle zurückzukehren, sondern sich auch vor der zweiten Tür aufzupflanzen? Ein Blick in die Runde zeigt, dass sich alle anderen Wartenden dasselbe denken. Die Anspannung ist unerträglich. Wer wird den ersten taktischen Schritt wagen? Die Frau dort drüben hat die Zeitschrift „Stadlpost“ vom März 2001 weggelegt, obwohl sie sie noch nicht fertig gelesen hat. Der Mann links hat das Handy, mit dem er seit Stunden spielt, plötzlich in die Jacke gesteckt. Eines der hustenden Kinder muss dringend aufs Klo. Wenn die Mutter jetzt mit allen drei Gören verschwindet, bleibt sie sicher bei der zweiten Tür stehen und wird es mit der Mitleidsmasche versuchen. Drei kranke Kinder à zehn Minuten Behandlungszeit, das macht gleich mal eine halbe Stunde länger warten. Sollen wir jetzt lossprinten Richtung Toilette? Der Stress ist nicht mehr auszuhalten. Wir vergessen völlig, warum wir eigentlich hier sind. Haben wir Fieber oder Bauchweh? Egal, der Arzt wird es schon herausfinden. Ein neuer Patient betritt das Wartezimmer. „Wer war der Letzte?“ Gute Frage, mein Freund. Brav hinten anstellen und geduldig warten wie wir alle.

Man kann davon ausgehen, dass wir keinen Patienten länger warten lassen wollen als unbedingt notwendig. Und nur die wirklich abgebrühten Ärzte legen bei knackevollem Wartezimmer rasch noch ein kleines Powernapping ein. Natürlich könnten die Abläufe in einer Praxis immer etwas optimiert und mit einem ausgefeilten System die Wartezeit verkürzt werden. Doch wenn dann kaum mehr ein Patient im Vorzimmer hockt, ist das auch wieder verdächtig. Dies legt nämlich nicht den Verdacht nahe, dass das System so ausgefeilt ist, sondern lässt Zweifel aufkommen, ob der Arzt wirklich so begehrt und damit qualifiziert ist. Denn von erfolgreichen Medizinern erwartet man eine große Fangemeinde. Und mit vollen Wartezimmern ist es gut stinken.

Ein Großteil des Problems liegt in der Bezeichnung der Räumlichkeit: Wenn eine Örtlichkeit schon „Wartezimmer“ heißt, kann damit nichts Positives assoziiert werden. Also benennen Sie die Lokalität um! Finden Sie einen Namen, der die Menschen fröhlich stimmt.

„Raum der Erwartung“ ist eine Spur besser, beinhaltet aber immer noch das böse „W“-Wort. „Freudenzimmer“ ginge in eine erfreuliche Richtung, könnte allerdings als Teil eines Freudenhauses fehlinterpretiert werden. „Raum der Vorfreude“ nützt die Möglichkeit einer Neudefinition auf eine sehr sinnliche Weise aus.

Der Duft von Weihnachtskerzen und Adventgebinden liegt in der Luft, wenn man sich nach dem Klingeln des Christkindes sehnt, das die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum verspricht. Hier hätte der Arzt Gestaltungsmöglichkeiten: Einschlägige Duftkerzen sind schnell angezündet. Um keine pietätlosen Gedanken zu erzeugen, würde ich auf einen Kranz verzichten und stattdessen Tannenzweige verteilen. In einer als beglückend erlebten Situation verharrt der Patient gerne und anschließend darf er mit einem seligen Lächeln vom „Raum der Vorfreude“ in das Gefilde der ärztlichen Wahrnehmung vordringen, wo er statt der Geschenke sich selbst auspacken darf …

DIE LIEBE NOT MIT DER NOTAUFNAHME

DAS WEEKEND-PHÄNOMEN

Es ist ja nicht so, dass wir absichtlich in der Nacht oder am Wochenende krank werden oder uns verletzen. Aber irgendeine bösartige Schicksalsfügung lässt uns ausgerechnet am Samstag spät in der Nacht mit dem Kopf durch die Klotür einer Disco rennen und schmückt uns mit einer klaffenden Platzwunde am Scheitel.

Und wann zwickt der Bauch so sehr, dass wir von Koliken gebeutelt werden? Richtig: in der Nacht. Vornehmlich in der von Samstag auf Sonntag.