Ich liebe, was ist - Byron Katie - E-Book

Ich liebe, was ist E-Book

Byron Katie

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  • Herausgeber: Arkana
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Das lang erwartete neue Buch der weltbekannten spirituellen Lehrerin.

Byron Katie ist eine der bedeutendsten spirituellen Lehrerinnen der Gegenwart. In ihrem Klassiker „Lieben was ist“ stellte sie ihre revolutionäre Methode „The Work“ vor, die Millionen von Menschen als einfache und doch hochgradig wirksame Technik der Selbsterforschung nutzen. Im lang erwarteten neuen Buch „Ich liebe, was ist“ schließt Byron Katie endlich an ihr Hauptwerk an. Diesmal steht sie selbst im Mittelpunkt: Indem sie ausgewählte Passagen aus dem Diamant-Sutra, einem buddhistischen Schlüsseltext aus dem ersten Jahrhundert n. Chr., aus ihrem Erleben heraus erläutert, verbindet sie in einzigartiger Weise tiefe Erkenntnisse zur östlichen Weisheitslehre mit ihrem eigenen Leben. Herzerwärmende, weise und humorvolle Anekdoten geben uns einen faszinierenderer Einblick in den Alltag einer Erwachten und zeigen, wie wir allen Umständen, ob vermeintlich gut oder schlecht, mit umfassender Akzeptanz und Liebe begegnen können.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 442

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Byron Katie

mit Stephen Mitchell

ICH LIEBE,WAS IST

Freiheit finden in einer Welt des Leidens

Mit einer Neuübertragung des Diamant-Sutravon Stephen Mitchell

Aus dem Englischen von Sandra Blersch

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel »A MIND AT HOME WITH ITSELF« bei HarperOne, einem Imprint von HarperCollins Publishers, LLC.
© 2017 Arkana, München in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München © der Originalausgabe Byron Kathleen Mitchell und Stephen Mitchell Lektorat: Anne Nordmann Umschlaggestaltung: ki 36 Editorial Design, München Umschlagmotiv: © Brie Childers Satz und Layout: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling ISBN 978-3-641-21234-6V002
www.arkana-verlag.de

Für dich

Inhalt

Vorwort von Stephen Mitchell

Über die Untersuchung

Über das Diamant-Sutra

Über diese Ausgabe des Diamant-Sutra

1 Der kosmische Witz

2 Die Verneigung vor einem Sandkorn

3 Der leuchtende Moment

4 Geben ist Empfangen

THE WORK IN AKTION: »Dave hat mich nicht beachtet«

5 Alltägliche Buddhas

6 Verstand ist alles, Verstand ist gut

7 Im Gewöhnlichen zu Hause sein

8 Die höchste Form der Großzügigkeit

9 Liebe kehrt um ihrer selbst willen zurück

10 Die Untersuchung leben

11 Kritik als Geschenk

12 Wie man einer Katze das Bellen beibringt

THE WORK IN AKTION: »Meine Mutter greift mich an.«

13 Die Welt jenseits der Namen

14 Es gehört uns nichts

15 Die Heimkehr

16 Alles geschieht für dich, nicht gegen dich

17 Ein Leben ohne Trennung

18 Freiheit ist, wenn man Gedanken nicht glaubt

THE WORK IN AKTION: »Sophia hört nicht (auf mich).«

19 Unvorstellbarer Reichtum

20 Der perfekte Körper

21 Nichts zu verlieren

22 Die Beseitigung von Müll

23 Dankbarkeit kennt kein Warum

24 Die Ursache allen Leidens

THE WORK IN AKTION: »Daniel hält seine Versprechen nicht ein.«

25 Gleichwertige Weisheit

26 Ein Buddha im Haus

27 Der Raum zwischen den Gedanken

28 »Putz dir die Zähne!«

29 Transparent sein

30 Eine vollkommen freundliche Welt

THE WORK IN AKTION: »Glenn trinkt wieder.«

31 Die wahre Natur von allem

32 Den Traum lieben

Anhang

Wie man The Work macht

Danksagung

Über die Autoren

Kontakt

Vorwort

Ich liebe, was ist handelt von Großzügigkeit. Wie können wir nicht nur gelegentlich, sondern jeden Tag, bis ans Ende unseres Lebens, großzügig sein? Das ist ein scheinbar unerreichbares Ideal – was aber, wenn es doch möglich ist? Was, wenn Großzügigkeit genauso selbstverständlich werden kann wie das Atmen? Das Buch zeigt, wie es geht. Aufgeschlossenheit und der Wille, alle aufkommenden belastenden Gedanken zu untersuchen, ist alles, was dafür notwendig ist. Wenn wir verstehen, wer wir hinter unserer verwirrten Denkweise wirklich sind, entdecken wir in uns eine ungezwungene und anhaltende Großzügigkeit. Sie ist unser Geburtsrecht.

Byron Katie Mitchell (jeder nennt sie Katie) spricht aus ihrer innersten Erkenntnis heraus. Ihre Methode der Selbstuntersuchung, die sie »The Work« nennt, ist eine Art erweiterte Achtsamkeit. Wenn wir The Work machen, bleiben wir nicht nur unseren Stress, Wut, Trauer und Frustration auslösenden Gedanken gegenüber wachsam, wir hinterfragen sie auch, und dadurch verlieren diese Gedanken ihre Macht über uns.

»Bedeutende spirituelle Texte«, sagt Katie, »beschreiben das Was – also was es bedeutet, frei zu sein. The Work ist das Wie. The Work führt dir vor, wie du jeden Gedanken, der dir diese Freiheit vorenthält, identifizieren und untersuchen kannst. The Work ermöglicht dir den direkten Zugang zum erwachten Geist.« Mit dem Buch Ich liebe, was ist wirst du die Welt mit den Augen eines in der Realität erwachten Menschen sehen, den leuchtenden Moment erkennen und eine Gnade erleben, in der es keine Trennung gibt und das Herz vor Liebe überfließt.

Für Leser, die noch nie etwas von Byron Katie gehört haben, hier einige Hintergrundinformationen: Mitten in einem gewöhnlichen amerikanischen Leben – zwei Ehen, drei Kinder, eine erfolgreiche Karriere – geriet Katie in eine zehn Jahre dauernde Abwärtsspirale voller Depressionen, Platzangst, Selbsthass und suizidaler Verzweiflung. Sie trank im Übermaß, und ihr Ehemann brachte ihr Tonnen von Eis und Kodein-Tabletten, die sie wie Süßigkeiten verspeiste, bis sie schließlich mehr als 90 kg wog. Sie schlief mit einem .357-Magnum-Revolver unterm Bett. Jeden Tag betete sie darum, am nächsten Morgen nicht wieder aufzuwachen, und nur wegen ihrer Kinder nahm sie sich nicht das Leben. Während der letzten beiden Jahre dieses Martyriums konnte sie das Haus kaum noch verlassen und blieb tagelang in ihrem Schlafzimmer, ohne sich auch nur zu duschen oder die Zähne zu putzen. (»Wozu soll das gut sein?«, dachte sie. »Es bringt sowieso alles nichts.«) Schließlich, im Februar 1986, begab sie sich im Alter von 43 Jahren in ein Rehabilitationszentrum für Frauen mit Essstörungen – die einzige Einrichtung, deren Kosten ihre Versicherung zu übernehmen bereit war. Die anderen Bewohnerinnen hatten solche Angst vor ihr, dass sie ein Zimmer unterm Dach zugewiesen bekam und die Treppe nachts mit einer Falle versehen wurde. Man befürchtete, sie würde nach unten kommen und den anderen etwas Fürchterliches antun.

Nach etwa einer Woche im Rehabilitationszentrum machte Katie eines Morgens eine lebensverändernde Erfahrung. Während sie auf dem Fußboden lag (sie meinte, es nicht wert zu sein, in einem Bett zu schlafen), krabbelte ihr eine Kakerlake über den Knöchel und den Fuß entlang. Sie öffnete die Augen, und plötzlich waren ihre Depressionen und Ängste sowie all ihre quälenden Gedanken verschwunden. »Während ich am Boden lag«, so Katie, »wurde mir klar, dass es – als ich schlief, also noch vor der Kakerlake auf dem Fuß sowie vor jeglichen Gedanken und vor jeglicher Welt – nichts gab, nichts gibt. Das war der Geburtsmoment der vier Fragen von The Work.« Ein Gefühl der Freude überkam sie. Die Freude hielt an – stunden-, tage-, monate- und schließlich jahrelang. Als sie nach Hause zurückkehrte, erkannten ihre Kinder, die in beständiger Angst vor ihren Ausbrüchen gelebt hatten, sie kaum wieder. Ihre Augen hatten sich verändert. »Das Blau war so klar, so schön geworden«, sagt ihre Tochter Roxann. »Wenn man hineinsah, konnte man erkennen, dass sie unschuldig wie ein Baby war. Sie war von morgens bis abends glücklich, und das jeden Tag. Dabei schien die Liebe im Übermaß aus ihr herauszufließen.« Meistens schwieg sie und saß stundenlang am Fenster oder draußen in der Wüste. Ihr jüngerer Sohn Ross sagt: »Vor der Veränderung war ich nicht in der Lage, ihr in die Augen zu schauen. Danach konnte ich nicht damit aufhören.«

Es dauerte Jahre, bis Katie über ihren Zustand sprechen konnte. Ihr Bewusstsein stand mit nichts Äußerlichem in Zusammenhang; sie hatte nie spirituelle Bücher gelesen oder von irgendwelchen spirituellen Gepflogenheiten gehört. Sie ließ sich einzig von ihren eigenen Erlebnissen leiten, und alles, was sie brauchte, war die in ihr lebendige Untersuchung der Gedanken.

Katies Wiedergeburt war von radikalerer Art als das von William James in Die Vielfalt religiöser Erfahrung dokumentierte Wandlungserlebnis. So radikal, dass sie tatsächlich alles über das Menschsein wiedererlernen (aus ihrer Sicht eher »lernen«) musste: im Raum-Zeit-Gefüge zu funktionieren, die Realität in Substantive und Verben runterzubrechen, um mit Menschen kommunizieren zu können, sowie vorzugeben, Vergangenheit und Zukunft seien real. Die Wirkung war insofern genau das Gegenteil von einer üblichen Bekehrungserfahrung, als dass Katie keinen religiösen Glauben annahm. Ihre Klarheit ließ keinen einzigen Glauben mehr zu und brannte sämtliche religiöse Vorstellungen gemeinsam mit allen anderen Gedanken nieder. Nach ihrem Erwachen spürte Katie – war sie – weiterhin die kontinuierliche Gegenwart der Liebe in Form derer sie erwacht war. »Ich hatte das Gefühl, allein das Aussprechen meiner Freude würde das Dach des Rehabilitationszentrums – des ganzen Planeten – zum Zerbersten bringen. Dieses Gefühl habe ich noch immer«, sagt sie.

Im Laufe dieses ersten Jahres kamen ihr inmitten der riesigen Freude immer wieder Glaubenssätze und Konzepte in den Sinn, derer sie sich mithilfe der Untersuchung annahm. Oft ging sie allein in die wenige Blocks hinter ihrem Haus im kalifornischen Barstow gelegene Wüste hinaus und hinterfragte all diese Gedanken.

Jede mir in den Sinn kommende Überzeugung – wobei »Meine Mutter liebt mich nicht« die schwerwiegendste war – explodierte mit der Wucht einer Atombombe in meinem Körper, und ich spürte ein Beben, Kontraktionen und die anscheinende Vernichtung des Friedens. Manchmal flossen bei dieser Überzeugung auch die Tränen und mein Körper versteifte sich. Für einen Außenstehenden hat das womöglich so ausgesehen, als wäre ich vom Scheitel bis zur Sohle verärgert oder traurig. Doch in Wirklichkeit fühlte ich weiterhin dieselbe Klarheit, den Frieden und die Freude wie damals auf dem Boden des Rehabilitationszentrums, als ich ohne »Ich« und ohne Welt erwachte. Die Überzeugung wurde schwächer und löste sich im Licht der Wahrheit dann ganz auf. Das Beben des Körpers rührte von einer Anhaftung an die Überzeugung her, was sich in Form eines unangenehmen Gefühls bemerkbar machte. Dieses Unbehagen machte mir unwillkürlich klar, dass der Glaubenssatz nicht wahr war. Nichts war wahr. Das klare Bewusstsein dessen ging mit einem wunderbaren Humor, mit einer herrlichen, glückseligen Freude und Begeisterung einher.

Katie setzte die Untersuchung ungefähr ein Jahr lang fort, bis alle Überzeugungen und Konzepte niedergebrannt waren. Sie prüfte die Methode im Laboratorium ihrer eigenen Erfahrung. Dabei legte sie einen enorm hohen Maßstab an die Plausibilität des Ganzen. Sie hinterfragte rigoros jeden Gedanken und jedes mentale Ereignis, das sie aus der Balance zu reißen drohte, und alles, was eine ihren Frieden und ihre Freude schmälernde Reaktion auslöste, und zwar so lange, bis sie dem Gedanken mit Verständnis begegnen konnte und er so seine Macht verlor. »Ich will nur das, was ist«, sagt Katie. »Alle auftretenden Vorstellungen als Freund zu betrachten, erwies sich als meine Freiheit. The Work beginnt und endet genau da: in mir. The Work zeigt, dass du alles ganz genauso lieben kannst, wie es ist. Sie zeigt dir auch exakt wie.« Am Ende dieser Vorgänge, im zweiten Jahr ihres Erwachens, war nur noch Klarheit übrig.

Bald nachdem Katie aus dem Rehabilitationszentrum nach Hause zurückgekehrt war, verbreitete sich die Nachricht über eine »Erleuchtete«, und manche Leute fühlten sich von ihr und ihrer Freiheit magnetisch angezogen. Als immer mehr Menschen sie aufsuchten, gelangte Katie zu der Überzeugung, dass diese Leute, wenn überhaupt, nicht ihre persönliche Anwesenheit brauchten, sondern eine Methode, mit der sie eigenständig zu dem gelangen konnten, was sie selbst erkannt hatte. The Work ist die Verkörperung der in ihr erwachten wortlosen Untersuchung. Sie hatte sie gelebt und geprüft, nun formulierte sie sie sozusagen in Zeitlupenform, damit andere sie anwenden konnten. In den letzten gut dreißig Jahren hat The Work Millionen von Menschen auf der ganzen Welt geholfen, sich selbst von Stress, Frustration, Wut und Traurigkeit zu befreien.

Ich liebe, was ist wird strukturiert durch das Diamant-Sutra, einen der bedeutendsten spirituellen Texte der Welt. Das Sutra ist eine längere Meditation über Selbstlosigkeit. Selbstlos ist im gewöhnlichen Sprachgebrauch ein Synonym für großzügig und bedeutet »eher zum Wohle einer anderen Person, als zum Wohle seiner selbst zu handeln«. Seine wörtliche Bedeutung lautet jedoch »ohne das Selbst«, was sowohl »kein Selbst haben« als auch »Erkennen, dass es so etwas wie ein Selbst nicht gibt« heißt. Da der Versuch, sein Selbst loszuwerden, genauso unmöglich erscheint wie der Versuch, vor seinem Schatten davonzulaufen, könnte man meinen, die zweite Bedeutung sei nur ein spirituelles Denkmodell. Mit etwas Übung in der Überprüfung oder in der Meditation wird jedoch sichtbar, dass in Wirklichkeit das »Selbst« und nicht »kein Selbst haben« das Denkmodell ist. Allen Bemühungen zum Trotz ist es unmöglich, in der Realität etwas auszumachen, das diesem Nomen gleichkommt. Für den klaren Verstand gibt es dem Sutra zufolge kein Selbst und keinen anderen, und sobald du diese Wahrheit verstanden hast, weicht die Selbstsucht grundlegend. Je mehr dein Selbstgefühl im Angesicht dieses Bewusstseins verschwindet, umso großzügiger wirst du. Dies stellt die wesentliche Wahrheit dar, die uns das Sutra in all ihren Varianten bewusst machen möchte.

Eine meiner Aufgaben als Mitautor dieses Buches bestand darin, ein Gleichgewicht zu finden zwischen dem, was für Katie gilt, und dem, was für ein großes Publikum verständlich ist. Diese Aufgabe musste scheitern, obwohl ihr das Konzept des »Scheiterns« fremd ist. »Das Diamant-Sutra«, schrieb sie mir per E-Mail, während sie einen Meter von meinem Sessel entfernt auf der Couch saß, »schreit nach einem Bewusstsein jenseits dessen, was artikuliert werden kann. Das Sutra versteht es durch das Verneinen von allem, was gesagt werden kann, die Wahrheit auf einfachste Weise zu demonstrieren. Ich mache meine schriftlichen oder mündlichen Kommentare, und du formst und bereinigst sie, damit sie sich so nah wie möglich an meine leibhaftigen Erfahrungen annähern. Trotzdem sind diese Worte Lügen. Du hast einen harten Job, mein Liebster. Ich bin der Floh, den du versuchst zu hüten.«

Ich habe den Job des Flohhüters genossen. Dort, wo es so aussieht, als nähmen Katies Worte sich selbst ernst, bin ich gescheitert. Erfolgreich war ich dort, wo die Worte klingen wie Katie selbst: klar, liebevoll, witzig, großzügig, modern und auf hilfreiche Art alarmierend.

Ich habe einige Geschichten von Katie in dieses Buch aufgenommen, die aus dem ersten Jahr nach ihrem Erwachen in der Realität stammen. Dies hat den Nachteil, dass sie auf »die Frau« – wie Katie es nennt – hinweisen, also auf die Person Byron Katie. Sie selbst tut das nicht häufig, weil sie es nicht für nötig hält. Ich musste diese Geschichten mithilfe meiner aufrichtigen Faszination aus ihr herauskitzeln. Sie hier aufzunehmen, hat nämlich den Vorteil, dass die Wahrheiten des Diamant-Sutra damit lebendiger und persönlicher werden. Die Geschichten mögen für manche Leser verwirrend, ja sogar beängstigend sein. Sie mögen den Eindruck erwecken, dass Katies Erlebnis eine Art Nervenzusammenbruch war und daher abzulehnen wäre. Aber so wild manche auch klingen, sie handeln im Wesentlichen von einer Frau, die durch einen ekstatischen Versuch-und Irrtum-Prozess eine tiefe, ausgeglichene geistige Gesundheit erlangt hat.

Bisher gibt es nur sehr wenige Texte, die aus der innersten Erfahrung tiefer Selbsterkenntnis heraus geschrieben wurden. Von den alten Meistern sind uns nur Skizzen und pointierte Aussagen überliefert: »Als er die Pfirsichblüten sah«, heißt es in alten Schilderungen, oder: »Als die Tür auf sein Bein krachte und es brach«; »wachte er plötzlich auf.« Über den Zusammenbruch und die Veränderung der Welt des erstaunten Suchers wird nichts gesagt. Auch über die Nachwirkungen dieser Erfahrungen gibt es kaum etwas. Zudem ist ein Erwachen ohne Vorbereitung sehr selten. Es gibt meines Wissens nur ein Beispiel aus dem zwanzigsten Jahrhundert, das in der Tiefe mit Katies Erlebnis zu vergleichen ist: das des indischen Weisen Ramana Maharshi. Ramana beschrieb die Nachwirkungen seines Erwachens ziemlich detailliert, aber da er so etwas wie ein Mönch war und in einer Kultur lebte, in der solche Art von Erlebnissen anerkannt und verehrt wurden, verlief seine Integration ohne Probleme. Einige Menschen brachten ihm Nahrung und Kleidung, und ansonsten ließen sie ihn im Zustand des Samadhi (tiefe Konzentration) allein. Er blieb auf seinem Berg. Er musste nicht in eine Familie zurück, Auto fahren oder in einem Supermarkt einkaufen gehen. (»Das musste ich auch nicht«, sagt Katie).

Das üblichere Erwachen, das durch eine intensive Meditationspraxis ausgelöst wird, verläuft um einiges schlagartiger, nämlich in Form eines Geistesblitzes, der einem großen Mut verleiht und das Leben in gewissem Maße bereinigt. Wenn sich diese transformierende Einsicht setzt, fühlt man sich im Anschluss daran heftig gebeutelt. »Es ist nicht so, dass ich nicht voller Freude wäre«, ließ der künftige Zen-Meister Tung-shan seinem Lehrer gegenüber nach der Öffnung seines inneren Auges verlauten. »Es ist eher so, als ob ich nach der Perle im Scheißhaufen gegriffen hätte.« Möglicherweise folgen danach noch weitere Einsichten, mehr Klarheit und noch mehr durch karmische Rückstände ausgelöste Plackerei. Diese Erlebnisse sind außergewöhnlich, und jede Einsicht stellt eine wertvolle Perle dar, für die man gerne seinen gesamten Besitz hergeben würde. Sie sind allerdings nicht sehr ungewöhnlich. Was passiert aber bei einem absoluten Durchbruch? Durch Katies Geschichten erfahren wir mehr.

Die Entzauberung des Begriffes Erleuchtung ist einer der Vorteile von Katies Kommentaren. Warum heißt es im Diamant-Sutra, es gäbe so etwas wie Erleuchtung nicht? Warum sagte Zen-Meister Huang-po: »Erleuchtung ist die Erkenntnis, dass es keine Erleuchtung gibt?« Katies klare Worte machen es deutlich. Sie sagt:

»Erleuchtung ist ganz einfach eine unbeschwertere Art, die Welt zu erleben. Wenn du beispielsweise glaubst, die Welt sei unfreundlich, und du durch die Untersuchung entdeckst, dass sie in Wirklichkeit freundlich ist, wirst du selbst freundlicher, freier, weniger depressiv und weniger ängstlich. Ich benutze das Wort Erleuchtung nicht, um damit irgendeinen erhabenen Bewusstseinszustand zu bezeichnen, sondern vielmehr um damit die sehr machbare, bodenständige Erfahrung des Verstehens stressiger Gedanken zu beschreiben. Früher glaubte ich zum Beispiel den Gedanken ›Meine Mutter liebt mich nicht‹. Nachdem ich ihn überprüft hatte, erkannte ich, dass er nicht wahr war. Ich schaute mir die Folgen an, die aus dem Glauben daran resultierten (wie dieser Glaube sich auf meine Gefühle und Handlungen auswirkte), und erkannte, wer ich ohne ihn wäre. Ich kehrte ihn in die entsprechenden Gegensätze um und fand lebhafte Beispiele dafür, wie die Umkehrungen wahr sein konnten. Ich war in Bezug auf diesen Gedanken erleuchtet, und er bekümmerte mich nie wieder. Es ist sehr wichtig, das zu verstehen. Die Menschen meinen, Erleuchtung sei eine Art mystisches, transzendentales Erlebnis, aber das ist nicht so. Sie liegt dir so nahe wie dein quälendster Gedanke. Wenn du einen Gedanken glaubst, der nicht der Realität entspricht, bist du verwirrt. Wenn du diesen Gedanken überprüfst und erkennst, dass er nicht wahr ist, bist du in Bezug auf ihn erleuchtet. Du bist von ihm befreit. In diesem Augenblick bist du frei wie Buddha. Dann folgt der nächste stressige Gedanke, den du entweder glauben oder hinterfragen kannst. Das ist für dich die nächste Gelegenheit zur Erleuchtung. So einfach ist das Leben.«

Katies Geschichten handeln von einer völlig unvorbereitet in der Realität erwachten Person. Sie hatte sich weder danach gesehnt, noch hat sie dafür geübt, ja, sie wusste noch nicht einmal, was das war. Sie und auch kein anderer aus ihrem Umfeld konnte einordnen, was da geschah. Sie wusste nur eines: Ihr Leben hatte sich komplett verändert. Eine paranoide Frau mit Platzangst und Selbstmordgedanken war plötzlich fröhlich und gelassen und verfügte über eine Methode, die sie in diesem Zustand verankerte und nicht in die Welt der Täuschung zurückkehren ließ. »Ich fand heraus, dass ich litt, wenn ich meine Gedanken glaubte«, sagt Katie, »und dass ich nicht litt, wenn ich sie nicht glaubte, und das trifft auf alle Menschen zu. Freiheit ist so einfach. Ich fand heraus, dass das Leiden jedem freigestellt ist und entdeckte eine immerwährende Freude in mir, die nicht einen einzigen Moment mehr von mir wich. Diese Freude wohnt in jedem, immer.«

Sie hatte keine Erinnerung an ihr früheres Leben und begegnete der Geschichte ihrer Familie vollkommen angstfrei. Dann erschienen plötzlich ihr Ehemann und ihre Kinder wie aus dem Nichts im Rehabilitationszentrum. »Dieser große Fremde soll mein Ehemann sein? Ich habe diese drei jungen Menschen noch nie zuvor gesehen. Das sollen meine Kinder sein? Okay.« Sie fing wieder ganz von vorne an. Es gab weder einen Lehrer noch eine Tradition, die ihr bei der Erklärung der Geschehnisse helfen konnten. Sie musste alles selbst ergründen. Gesellschaftliche Normen waren ihr fremd. Sie überlegt deshalb auch nicht, ob die Leute sie für verrückt hielten, wenn sie einer unbekannten Person auf der Straße begegnete und sich ihr berauscht von Liebe näherte, und auch dann nicht, wenn sie ein fremdes Haus betrat, da sie wusste, dass alles ihr gehörte. Nach dieser ursprünglichen Erfahrung gab es keine Einschränkung mehr. Allerdings erfolgte ein Prozess der schrittweisen Anpassung. Sie lernte ihre Begeisterung zu regulieren, und auch wenn ihr klar war, dass Worte Lügen waren, lernte sie den Gebrauch von »ich« und »du«, »Tisch« und »Stuhl«.

Diese Geschichten führen uns auch vor, wie radikal die Einsichten des Diamant-Sutra sind. Wenn der Autor des Sutra sagt, es gäbe kein Selbst und keinen anderen, redet er keinen Unfug. Und er meint auch nicht einfach, alles sei miteinander verbunden. Er meint wortwörtlich, so etwas wie das Selbst gäbe es nicht – das »Selbst« ist nichts weiter als ein mentales Konstrukt, so wie die augenscheinliche Realität aller Dinge um uns herum (und eigentlich auch in uns). Die Geschichten von Katie zeigen, wie es aussehen und sich anfühlen kann, wenn man diese Wahrheit im tiefsten Kern seines Seins entdeckt. So wild wie die Bewusstseinsform äußerlich betrachtet auch scheinen mag, innen drin bewegt sie sich in vollkommener Harmonie – wie wenn ein Boot freudig den Fluss hinuntertreibt – kein Träumer, nur der Traum (und nicht mal der).

Über die Untersuchung

Wenn Katie in den folgenden Kapiteln das Wort Untersuchung verwendet, meint sie konkret The Work. The Work besteht aus vier Fragen und aus den – wie sie es nennt – Umkehrungen, mit denen man das Gegenteil dessen erfahren kann, was man glaubt. Die Fragen lauten:

Ist das wahr?

Kannst du absolut sicher sein, dass das wahr ist?

Wie reagierst du, was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?

Wer wärst du ohne den Gedanken?

Diese Fragen erscheinen zunächst recht theoretisch. Die einzige Möglichkeit richtig zu verstehen, was sie bewirken, besteht darin, sie selbst anzuwenden. Man kann aber auch schon dadurch, dass man anderen dabei zuschaut, wie sie die Fragen anwenden, einen ersten Eindruck von ihrer Kraft bekommen. Auf Katies Website, thework.com/de, gibt es viele Videos von ihr, in denen sie The Work mit Menschen macht. Wenn die Fragen ehrlich beantwortet werden, werden sie lebendig. Sie spiegeln Wahrheiten in uns wider, die wir von außen nicht sehen können. (Im Anhang befindet sich eine Anleitung, wie man The Work macht. Weitere Erläuterungen finden sich auf Katies Website sowie in ihrem Buch Lieben was ist.)

The Work wird mitunter als Selbsthilfe bezeichnet, doch sie ist weitaus mehr: Selbsterkenntnis. Wenn wir einen stressigen Gedanken hinterfragen, erkennen wir, dass er unwahr ist. Wir sehen ihn uns nach dem Ursache-Wirkung-Prinzip an und finden dabei ernüchternd detailliert heraus, welchen Schmerz und welche Verwirrung der Glaube daran verursacht; dann schauen wir in den »leeren Spiegel«, also in die Welt jenseits unserer Geschichte über sie, und wir sehen, wie unser Leben ohne den Gedanken wäre; schließlich erleben wir des Gegenteil dessen, was wir so fest geglaubt hatten, und finden konkrete Beispiele dafür, inwiefern das jeweilige Gegenteil wahr ist. Wenn ein Gedanke gründlich untersucht ist, hat er keine Macht mehr, uns leiden zu lassen, und schließlich verschwindet er völlig. »Ich lasse meine Gedanken nicht los«, sagt Katie. »Ich begegne ihnen mit Verständnis. Dann lassen sie mich los.«

Über das Diamant-Sutra

In Sanskrit lautet der Titel des Sutra Vajracchedikā Praj¯nāpā ramitāS¯utra was »Diamantspaltende Vollkommenheit der Weisheit« bedeutet (»diamantspaltend« deshalb, weil die Weisheit dieses Schriftstücks eine derart hochkomprimierte und diamantharte Form hat, dass Zweifel damit genauso abgeschnitten werden können, wie ein Diamant Glas durchtrennt). Gelehrte gehen davon aus, dass das Sutra ca. 350 n. Chr. verfasst wurde, obwohl es gemäß der üblichen Konvention der Mahayana-Schriften die Form eines Dialogs mit dem historischen Buddha aufweist, der der Überlieferung nach von 563 bis 483 v. Chr. lebte. Nach seiner Übersetzung ins Chinesische 401 n. Chr. verbreitete es sich in Ostasien und wurde in vielen Schulen des Buddhismus, vor allem im Zen, beliebt. Es gibt eine chinesische, per Holztafeldruck hergestellte Ausgabe des Sutra aus dem Jahr 868. Sie befindet sich nun im British Museum und ist das älteste gedruckte Buch der Welt, 586 Jahre älter als die Gutenberg-Bibel.

Obwohl das Sutra aus Dialogen besteht, ist es kein literarischer Text, es weist beispielsweise nicht den Charme von Platos Dialogen auf. Das Sutra besteht aus gebetsmühlenartigen Dialogen. Wenn eine Aussage jedoch wichtig ist, ist sie auch eine Wiederholung wert. Der Autor hat nicht die Absicht, uns zu beeindrucken oder zu unterhalten, er versucht nicht, interessant oder clever zu sein. Er möchte, dass wir uns der Realität bewusst werden und für den Fall, dass wir etwas beim ersten Mal nicht verstanden haben, wiederholt er es auch ein zweites, ein drittes und ein viertes Mal.

Das Sutra war in Zen-Kreisen aufgrund einer Geschichte über Hui-neng, den sechsten Zen-Patriarchen, der als junger Mann ein ungebildeter Holzfäller war, besonders berühmt. Eines Tages, als er vor einem Laden stand, den er gerade mit einer Fuhre Feuerholz belieferte, hörte er einen Mönch das Sutra aufsagen. Bei den Worten »Entwickle einen Verstand, der nirgendwo verweilt«, öffnete sich ihm der Verstand. Nachdem er zum Zen-Meister geworden war, lobte er bzw. eine fiktive Version seiner selbst das Diamant-Sutra in den höchsten Tönen: »Buddha hat diese Rede speziell für sehr intelligente Schüler gehalten. Sie ermöglicht es dir, das Wesen des Verstandes zu erkennen. Wenn du erkennst, dass die Weisheit dem eigenen Verstand innewohnt, brauchst du nicht auf irgendwelche spirituellen Autoritäten zurückzugreifen, da du durch kontinuierliche Meditation deine eigene Weisheit nutzen kannst.«

Der Text ist radikal und subversiv, er untergräbt seine eigenen Aussagen und lässt nicht zu, dass der Leser es sich mit einem spirituellen Konzept bequem macht, nicht einmal bei einer präzisierten Vorstellung wie dem »Nicht-Selbst«. Genau wie die Untersuchung der Work verweist auch er uns immer wieder auf den nirgendwo verweilenden Verstand.

Es gibt eine weitere berühmte Zen-Geschichte über das Diamant-Sutra:

Te-shan, ein großer Gelehrter des Diamant-Sutra, hörte von einer ehrfurchtslosen Glaubenslehre, genannt Zen, die »eine spezielle Überlieferung außerhalb der Sutren« lehrte. Voller Empörung ging er in Richtung Süden, um die Ketzerei zu vernichten. Als er bei der Straße nach Li-chou ankam, hielt er an, um sich bei einer alten Frau, die an einem Straßenstand Hirsebällchen feilbot, einen Imbiss zu kaufen. Die alte Frau sagte: »Euer Hochwürden, was sind das für Bücher in Eurem Karren?« Te-shan sagte: »Meine Notizen und Kommentare zum Diamant-Sutra.« Die alte Frau sagte: »Meinem Vernehmen nach besagt das Diamant-Sutra: ›Der vergangene Verstand ist unbegreiflich, der zukünftige Verstand ist unbegreiflich und der gegenwärtige Verstand ist unbegreiflich‹. Welcher Verstand möchte den Imbiss haben?« Te-shan war verblüfft und konnte nicht antworten. Nach einigen Augenblicken fragte er: »Gibt es einen Zen-Meister hier in der Nähe?« Die alte Frau erwiderte: »Meister Lung-t’an wohnt eine halbe Meile von hier entfernt.«

Te-shan ging zu Lung-t’ans Tempel und befragte ihn bis weit in die Nacht hinein. Als es langsam spät wurde, sagte Lung-t’an: »Du gehst jetzt am besten ins Bett.« Te-shan verbeugte sich vor dem Meister und öffnete den Vorhang, um zu gehen, aber es war stockdunkel. »Es ist dunkel draußen«, sagte er. Lung-t’an zündete eine Kerze an und reichte sie ihm. In dem Augenblick, als Te-shan sie gerade nehmen wollte, blies Lung-t’an sie aus. In diesem Moment erfuhr Te-shan ein plötzliches Erwachen.

Am nächsten Tag trug er seine Notizen und Kommentare zum Diamant-Sutra vor den Dhama-Tempel, hielt eine Fackel hoch und sagte: »Obwohl ihr mit den tiefgründigsten Lehren meisterhaft umgeht, ist es, als platziere man ein einzelnes Haar in der Weite des Weltalls. Obwohl ihr alle Wahrheiten der Welt gelernt habt, ist es, als ließe man einen Wassertropfen in eine tiefe Schlucht fallen.« Dann zündete er seine gesamten Schriften an, verbeugte sich vor Lung-t’an und ging.

In Ich liebe, was ist verkörpert Katie sowohl jene ältere Frau, welche diese fundamentale Frage stellt, als auch den Zen-Meister, der die Kerze ausbläst – die kleine Flamme, die versucht, die allgegenwärtige Dunkelheit zu erleuchten.

Wenn du meinst, du hättest durch dieses Buch einige Wahrheiten begriffen, wirst du später vielleicht voller Freuden feststellen, dass der Hauch ihrer Worte sie wie Kerzen einer Geburtstagstorte ausgelöscht hat. »Glaube nichts von dem, was ich sage«, sagt Katie oft. »Prüfe es selbst. Einzig die Wahrheit, die du für dich entdeckst, ist wichtig, nicht meine.«

Über diese Ausgabe des Diamant-Sutra

Ich lese kein Sanskrit, und die Version in diesem Buch ist keine Übersetzung, sondern eine interpretierende Adaption. Bei der Erstellung habe ich mich auf bereits vorhandene englische Übersetzungen gestützt, besonders auf die von Edward Conze, Thich Nhat Hanh, Bill Porter (Red Pine), A. F. Price und Mu Soeng.

Zahlreiche zeitgenössische Leser befanden das Diamant-Sutra als undurchdringlich. (Einer meiner aufrichtig suchenden Freunde hat es vier Mal in vier verschiedenen Übersetzungen zu lesen versucht. Er kam nie weiter als bis zum sechsten Kapitel.) Daher dachte ich, es könnte lohnenswert sein, den Dialog in einer einfachen, für den Laien verständlichen Sprache wiederzugeben, ihn von seinen esoterischen Fallstricken zu befreien und ihn so lebendig werden zu lassen, dass jeder von seiner tiefgründigen Weisheit profitieren könnte. Der ursprüngliche Text weist sogar noch mehr Wiederholungen auf. Die komplizierten Formulierungen habe ich vereinfacht. Wann immer möglich, habe ich die Betonung vom Metaphysischen auf das Hier und Jetzt verlagert. Meine Absicht war es vor allem, einen Text zu schaffen, der das klare Licht des Buddha-Verstandes ausstrahlt.

1 Der kosmische Witz

Mithin hörte ich: Buddha verweilte einst in einer Gemeinschaft von zwölfhundertfünfzig Mönchen in Shravasti in Anathapindikas Garten im Jeta-Hain. Früh am Morgen, zur Essenszeit, zog er sein Gewand an, nahm seine Schüssel, ging in der Stadt Shravasti von Haus zu Haus und bettelte für sein Mahl. Nachdem er fertig war, kehrte er in den Garten zurück und aß. Dann legte er sein Gewand und seine Schüssel beiseite, wusch seine Füße und setzte sich.

Ich komme aus einer kleinen Wüstenstadt in Südkalifornien, in der die Leute meinen, Buddha sei der fröhliche, dicke Typ, dessen Statue man in chinesischen Restaurants begegnet. Erst als ich Stephen, meinen Ehemann, kennenlernte, erfuhr ich, dass der dicke Typ Budai ist, der chinesische Gott des Glücks. Buddha ist der Dünne, erklärte er mir, der mit dem heiteren Lächeln auf dem Gesicht. Ich respektiere, was Stephen sagt, aber für mich ist Buddha weiterhin auch der Typ mit dem dicken Bauch. Er hat nämlich den Witz verstanden, und der Witz ist: Alles ist ein Traum – das gesamte Leben, alles. Nichts ist jemals, nichts kann je sein. Denn der Moment, in dem etwas augenscheinlich ist, ist vorbei. Das ist wirklich höchst amüsant. Jeder, der den Witz versteht, hat das Recht zu lachen, dieses wunderbare Ganzkörper-Lachen, bei dem der Bauch wackelt.

Man kann es auch so sagen: Für mich bedeutet das Wort Buddha reine Großzügigkeit: feinsinnige, freudige Großzügigkeit ohne links und rechts oder oben und unten oder möglich und unmöglich – eine natürlich fließende Großzügigkeit nach dem Erwachen in der Realität. Großzügigkeit ist, was von dir übrig bleibt, nachdem dir klar geworden ist, dass es so etwas wie ein Selbst nicht gibt. Es gibt nichts zu wissen, und es gibt niemanden, der das weiß. Woher weiß ich das dann? Das ist lustig!

Das Diamant-Sutra beginnt mit dem einfachen Akt des Bettelns. Ich war sehr berührt, als ich hörte, dass Buddha um Essen gebettelt hat. Da er verstand, wie das Universum funktioniert, wusste er, es würde immer für ihn gesorgt sein. Er betrachtete sich selbst nicht als erhabenes, überirdisches Wesen oder gar als spirituellen Lehrer. Er weigerte sich, als jemand Besonderes behandelt zu werden, als jemand, dem man Nahrung bringt und der von seinen Studenten bedient wird. In seinen Augen war er ein einfacher Mönch und seine Aufgabe war, jeden Morgen hinauszugehen und um Essen zu betteln. Er brauchte auch nur eine Mahlzeit am Tag. Seine Weisheit führte ihn zu beliebigen Häusern, wobei er sich nicht fragte, ob die Familie ihm etwas zu essen geben würde oder nicht. Er hatte verstanden, dass das Universum immer freundlich war – er verstand es so gut, dass er wortlos jedem Hausbesitzer seine Schüssel hinhalten und ruhig auf ein Ja oder Nein warten konnte. Sagte der Hausbesitzer nein, empfing er das Nein mit Dankbarkeit, denn Buddha war klar, dass das Privileg, ihn mit Essen zu versorgen, einer anderen Person zustehen würde. Auf die Nahrung kam es nicht an. Er brauchte sie nicht. Er musste sich nicht am Leben erhalten. Er gab Menschen einfach eine Gelegenheit, großzügig zu sein.

Stephen erklärte mir weiterhin, das Wort Mönch bedeute »jemand, der allein ist«. Ich liebe das, da wir in Wirklichkeit alle allein sind. Jeder Einzelne ist immer der Einzige überhaupt. Es gibt keine anderen! Mönch ist meines Erachtens keine Beschreibung für jemanden, der in ein Kloster eingetreten ist, sondern die ehrliche Beschreibung eines jeden – von mir und auch von dir. Meinem Verständnis nach ist ein wahrer Mönch jemand, der begreift, dass es kein Selbst gibt, das es zu schützen oder zu verteidigen gilt, sondern jemand, der weiß, dass er kein bestimmtes Zuhause hat und er deswegen überall zu Hause ist.

Als ich 1986 in der Realität erwachte, erkannte ich, dass all mein Leiden daher rührte, dass ich mich dem widersetzte, was war. Ich war jahrelang stark depressiv gewesen und hatte der Welt die Schuld an all meinen Problemen gegeben. Nun erkannte ich, dass meine Depression nichts mit meiner Außenwelt zu tun hatte. Sie war in meinem Glauben über sie begründet. Mir wurde klar, dass ich litt, wenn ich meine Gedanken glaubte, und dass ich nicht litt, wenn ich sie nicht glaubte, und dass dies auf alle Menschen zutrifft. Freiheit ist so einfach.

Als ich an jenem Morgen die Augen öffnete, hatte ich auf einmal kein Zuhause mehr, keine Familie und kein Selbst. Nichts davon war mehr real. Obwohl ich Katies Gedächtnis besaß und mir zur Orientierung ihre Geschichte herannehmen konnte, wusste ich nichts. Die Leute erklärten mir: »Das ist ein Tisch«, »Das ist ein Baum«, »Das ist dein Ehemann«, »Das sind deine Kinder«, »Das ist dein Haus«, »Das ist mein Haus«. Weiterhin erklärten sie mir: »Nicht alle Häuser gehören dir« (was mir absurd vorkam). Am Anfang musste man Katies Namen, Adresse und Telefonnummer auf einen Zettel schreiben, damit ich ihn in ihrer (meiner) Tasche bei mir führen konnte. Ich hielt Ausschau nach Orientierungspunkten und behielt sie wie Brotkrumen im Sinn, damit ich meinen Weg zu dem zurückfand, was die Leute mein Haus nannten. Alles war so neu, dass es für mich selbst bei einer Entfernung von fünf Blocks in einer kleinen Stadt, in der ich aufgewachsen war, nicht einfach war, meinen Weg zurück zu finden. Aus diesem Grund begleiteten mich hin und wieder Paul, der Mann, der angeblich mein Ehemann war, oder eines meiner Kinder.

Ich war ständig in Ekstase. Es gab kein »Meins« oder »Deins«. Ich konnte mich an nichts binden, da ich für nichts einen Namen hatte. Oft, wenn ich mich verlaufen hatte, ging ich auf andere Menschen zu und fragte: »Weißt du, wo sie wohnt?« (In jenen frühen Tagen war es mir nicht möglich, das »Ich« auszusprechen. Es lag wohl außerhalb meiner Integrität und war eine Lüge, die ich nicht über die Lippen brachte.) Ausnahmslos jeder war freundlich. Menschen spüren Unschuld. Wenn ein Baby am Straßenrand ausgesetzt werden würde, würden die Leute es hochnehmen, sich um es kümmern und versuchen, sein Zuhause zu finden. Ich ging tatsächlich in jedes Haus und meinte, es sei meines. Ich öffnete die Tür, spazierte hinein und war jedes Mal schockiert, wenn keiner wusste, dass allen alles gehört. Die Menschen gingen jedoch sehr sanft mit mir um; sie lächelten und waren nicht verärgert. Manche lachten so, als hätte ich etwas Lustiges gesagt, und andere erklärten mir: »Nein, das ist unser Haus«, nahmen mich behutsam an der Hand und führten mich zur Tür.

Morgens stieg ich immer unmittelbar nach dem Aufwachen aus dem Bett, zog mich an und machte einen Spaziergang durch die Straßen. Ich fühlte mich stark zu Menschen hingezogen. Vor dem Hintergrund, dass »ich« kurz zuvor noch paranoid gewesen war, unter Platzangst gelitten und andere so sehr wie mich selbst gehasst hatte, war das sehr seltsam.

Manchmal ging ich auf Fremde zu, im Wissen, dass sie ich selbst waren – sozusagen noch mal ich –, umarmte sie oder nahm ihre Hand. Das fühlte sich für mich völlig natürlich an. Wenn ich in den Augen der Menschen Angst oder Unbehagen sah, entfernte ich mich. Wenn nicht, unterhielt ich mich mit ihnen. Die ersten Male erzählte ich ihnen, was ich sah: »Ich bin du, du bist ich, wir sind alle eins!« Es gibt nur einen! Aber schnell bemerkte ich eine Unstimmigkeit darin. Es kam mir vor, als ob ich den Leuten etwas aufdrängte. Die Worte fühlten sich nicht natürlich an und konnten kein Gehör finden. Manche Leute schienen zu mögen, was sie in mir sahen, lachten und waren zufrieden damit; sie schienen sich auch nicht großartig darum zu kümmern, dass meine Aussagen keinen Sinn ergaben. Andere Menschen sahen mich wiederum an, als wäre ich verrückt. Mir fiel auch auf, dass ich mich nicht wohlfühlte, wenn ich nicht die ganze Wahrheit sagte. Aus diesem Grund formte ich mit meinen Fingern eine Null und sagte: »Es gibt nichts! Es gibt nichts!«. Allerdings hatte ich bei diesen Worten dasselbe Gefühl, wie wenn ich den Menschen erzählte, es gebe nur eine(n). Also hörte ich auch damit auf.

Die Wahrheit ist, dass es nichts gibt. Selbst »Es gibt nichts« ist eine Geschichte über etwas. Die Realität ist noch davor. Ich bin auch davor [vor der Geschichte], vor dem Nichts. Es lässt sich nicht in Worte fassen, und sobald ich darüber spreche, bewege ich mich von der Wahrheit weg.

Rasch erkannte ich, dass das Verständnis, zu dem ich gekommen war, sich nicht aussprechen ließ, und doch war es gleichzeitig so einfach und offensichtlich für mich. Meine Worte klangen wie folgt: Raum und Zeit existieren nicht wirklich. Wissen abzugeben, ist alles. Es gibt nur Liebe. Doch diese Wahrheiten fanden kein Gehör.

Ich verbrachte Monate damit, in den Straßen von Barstow, wo ich lebte, spazieren zu gehen. Ich befand mich in ständiger Glückseligkeit und im Rausch einer derart hellen Begeisterung, dass ich mich wie eine wandelnde Glühlampe fühlte. Hin und wieder kam mir zu Ohren, dass mich die Leute »die Erleuchtete« nannten, und spürte, wie ich dadurch von anderen Menschen getrennt wurde. Irgendwann verlagerte sich diese Ausstrahlung – auch wenn sie (bis zum heutigen Tag) geblieben ist – nach innen und mein Aussehen wurde immer gewöhnlicher. Solange es noch ungewöhnlich und unausgeglichen gewesen war, war es für die Menschen von geringem Wert.

Stephen erzählt mir, dass Künstler sich Buddha oft mit einem Heiligenschein vorstellen. Allerdings entstammt das Licht, das aus Buddha und aus anderen, die ihm gleich sind, herausstahlt, aus einer inneren Glut. Eine solche Ausstrahlung entwickelt sich, wenn man sich absolut wohl in seiner Haut fühlt und man verstanden hat, dass die Welt aus dem Kopf heraus geboren wird. Buddha hat all die Gedanken durchschaut, die das Erleben der Dankbarkeit untergraben würden. Wenn er betteln geht, ist sein Empfinden des Empfangens von solch einer Tiefe, dass genau darin die Gabe liegt. Das ist Nahrung jenseits der Nahrung. Zurück im Jeta-Hain lässt er sich mit seinen Gaben nieder, isst sein Mahl, spült die Schüssel der unbegrenzten Möglichkeiten, wäscht seine Füße und setzt sich dann still hin, voller Bereitschaft, nicht wissend, ob er etwas sagen wird oder nicht, ob die Menschen ihm zuhören oder nicht, gelassen, dankbar, ohne irgendeinen Beweis einer Welt vor oder nach diesem Moment: als der Gespeiste, der Unterstützte, der Genährte sitzt er jenseits dessen, was durch Nahrung versorgt werden kann. Und so, still sitzend, kann der Verstand sich mittels dem augenscheinlich anderen hinterfragen und sich selbst ohne Vergangenheit und Zukunft, im namenlosen Selbst verweilend, mit Verständnis begegnen, in einem Selbst, das nicht existieren kann, im strahlendem Nicht-Selbst.

***

Du sagst, das Leben sei ein Traum. Was bringt dich dazu, zu anderen nett zu sein, wenn sie nur Figuren in deinem Traum sind?

Ich liebe alles, was ich denke. Daraus folgt, dass ich jeden liebe, den ich sehe. Das ist ganz natürlich. Ich liebe die Figuren meines Traums. Sie sind da als mein eigenes Selbst. Meine Aufgabe als Träumerin ist wahrzunehmen, was mich im Traum verletzt und was nicht, und Lieblosigkeit tut immer weh. Ich vernehme im Traum auch Buddhas Stimme, das Gegenmittel, den Segen, den Ausweg und das darin enthaltene unfehlbare Bewusstsein.

Du sagst, nach deinem Erwachen mussten die Leute dir erklären: »Das ist dein Ehemann«, »Das sind deine Kinder«, und du hättest keine Erinnerung mehr an sie gehabt. Kamen die Erinnerungen später zurück?

Ich stellte plötzlich fest, dass ich aus heiterem Himmel mit Paul verheiratet war. Die Frau, die ihn 1979 geheiratet hatte, war gestorben, und etwas anderes lebte hier drin. Ich erkannte ihn nicht und wusste buchstäblich nicht, wer er war. Die Damen im Rehabilitationszentrum brachten diesen großen Mann herein und erklärten mir: »Das ist dein Ehemann.« Er war mir vollkommen fremd. Ich schaute ihn an und sprach zu mir selbst: »Das auch noch, [lieber] Gott? Das ist mein Ehemann? O.k., alles klar.« Ich gab mich vollkommen dem hin, was war, und war damit verheiratet, war es. Man konnte sagen, dass das, was in Katies Körper an die Oberfläche getreten war, noch nie mit irgendjemandem verheiratet gewesen war. Und als man mir sagte, »meine« Kinder würden kommen, erwartete ich Babys. Ich bin nicht auf die Idee gekommen, dass meine Kinder Teenager beziehungsweise Anfang zwanzig sein könnten. Ich ging davon aus, man würde mir zwei- oder dreijährige Kleinkinder bringen. Als die Kinder kamen, schaute ich dann nur dabei zu, wie sich der Traum entfaltete. Sie kamen mir nicht anders als andere vor. Ich wusste keinen Grund, weshalb ich sie nicht als »meine« akzeptieren sollte und lebte einfach die Geschichte. Liebe gibt nach. Sie begegnet sich in sämtlichen Formen, bedingungslos.

Ich habe es immer den Menschen selbst überlassen, ihre Beziehung zu mir zu definieren, das heißt, wer sie glaubten zu sein und für wen sie mich hielten. Die Erinnerung an Paul und die Kinder kehrte nie zurück. Das war nicht notwendig. Sie lieferten mir ihre Geschichten, und ich sah vier verschiedene Frauen zusammengefasst in »mir«. Zu der Zeit gab es noch eine Art Echo, einen Schatten der Erinnerung, als sie begannen, mich zu definieren. Wenn ich sie überhaupt irgendwie erkannte, dann in Form einer Essenz, einer weit entfernten Hintergrundmusik. Sie füllten die Geschichte auf. Sie liebten ihre Geschichten über mich. Sie fragten: »Erinnerst du dich an die Zeit, als …? Weißt du noch, als wir … und du dieses sagtest und ich jenes tat?«, und so erfuhr ich eins nach dem anderen, obwohl es niemals wirklich geschehen war. Ich begann in ihren Geschichten zu leben, und das war für mich in Ordnung.

Etwa sieben Monate lange wurde ich von den Leuten definiert. Mir war völlig fremd, was von dem, was wir Katie nennen, übrig war, und trotzdem trug ich ihre Schatten und ihre Erinnerungen, zumindest manche davon. Es war, als ob ich ihren Fingerabdruck besaß und gleichzeitig wusste, dass er nicht zu mir gehörte. Es war alles ihre Geschichte. Ich war nur das Selbst, das sich selbst erkannte – oder genauer gesagt: das »Selbst«, das sein Nicht-Selbst erkannte.

Du sagtest, du hättest nach deinem Erlebnis kein Gespür mehr für »mein« und »dein« gehabt. Wie unterscheidet sich das von dem Weltverständnis eines Babys? Geht es beim Erwachsenwerden nicht auch darum, eigene Grenzen zu entwickeln und zwischen »mein« und »dein« zu unterscheiden«?

Ich wachte ohne das Gefühl einer mich herunterziehenden Identität in einem Bett auf, und das war in Ordnung, eben weil es so war. Neben mir lag augenscheinlich ein Mensch, und das war auch in Ordnung. Es stellte sich heraus, dass ich Beine hatte, die mich zur Tür hinaustrugen, und auch das war in Ordnung. Ich lernte die Gepflogenheiten dieser Zeit und dieses Ortes durch meine sechzehn Jahre alte Tochter Roxann kennen. Wenn ich einen roten und einen blaue Strupf anzog lachte Roxann mich aus, und wenn ich in meinem Pyjama aus dem Haus ging, lief sie mir hinterher und hielt mich zurück. Aha, okay, dachte ich dann, kein Pyjama in der Öffentlichkeit. Wir tun das hier nicht. Sie nahm mich bei der Hand (gesegnet sei ihr Herz) und erklärte mir alles, immer wieder. Wie sollte sie meinen Tränen die selige Liebesaffäre ansehen, die ich mit dem Leben führte? Was kümmerten mich die Namen dafür? Waren wir im Supermarkt, hielt sie geduldig inne, zeigte auf etwas und erklärte mir: »Das ist eine Suppenschüssel. Das ist eine Flasche Ketchup.« Sie brachte mir die Dinge bei, wie eine Mutter sie einem kleinen Kind beibringt.

Also ja, einerseits war ich wie ein Baby. Andererseits war ich aber sehr praktisch veranlagt, sehr effizient. Ich konnte sehen, an welchen Stellen die Menschen mit ihren stressigen Gedanken nicht weiterkamen, und wenn sie es wirklich wollten und der Untersuchung dieser Gedanken gegenüber offen gegenüberstanden, konnte ich ihnen zeigen, wie sie ihre Misere damit auflösen konnten. Anfangs war meine Kommunikation etwas wild, doch ich lernte, klarer zu werden.

Manchmal sage ich, Grenzen sind etwas Eigennütziges. Wenn du klar in deinem Ja beziehungsweise deinem Nein bist, brauchst du keine Grenzen. In den frühen Tagen wollten ein paar Männer mit mir schlafen. Sie glaubten, sie würden durch den Sex mit mir erleuchtet werden. Auch wenn ich die Ehrlichkeit dieser liebenswerten, irregeleiteten Männer mochte, lautete meine Antwort: »Danke fürs Fragen und nein. Dadurch findest du nicht, wonach du suchst«.

Aber ist ein »Nein« denn keine Grenze? Zum Beispiel: »Nein, ich werde nicht mir dir schlafen?«

Mit jedem Nein sage ich ja zu mir selbst. Es fühlt sich für mich richtig an. Andere brauchen nicht zu raten, was ich möchte oder nicht, und ich muss ihnen auch nichts vormachen. Wenn man ehrlicherweise ja beziehungsweise nein sagt, ist es ein Kinderspiel, ein Leben in Freundlichkeit zu führen. Die Menschen kommen und verlassen mein Leben, ob ich nun die Wahrheit sage oder nicht, und je nachdem kann ich entweder alles oder nichts gewinnen. Ich lasse mich nicht rätselnd oder schuldig zurück.

Wenn beispielsweise ein Mann Sex mit mir haben möchte, muss ich keine Entscheidung treffen, um ihm zu antworten. Ich bin verheiratet und monogam. Das »Nein« liegt mir bereits lächelnd auf den Lippen. Diesem Mann mache ich damit in Wirklichkeit das größtmögliche Geschenk: meine Wahrheit. Das kann wie eine Grenze betrachtet werden. Wenn Grenzen jedoch mit Einschränkungen oder einer Einengung gleichgesetzt werden, passt das nicht zu meinem Gefühl. Für mich fühlt es sich integer an. Ich baue hier nichts auf; es ist etwas, das bereits für mich aufgebaut ist. Neinsagen ist kein Akt der Selbstsucht, sondern ein Akt der Großzügigkeit, sowohl mir selbst als auch dem anderen gegenüber.

Du sagst, du seist im Freudenrausch gewesen, als du die Wahrheit entdecktest, dass es kein Selbst und keinen anderen gibt. Bist du immer noch von Freude berauscht?

Freude kommt ins Gleichgewicht, trotzdem bleibt sie immer gleich.

Wie stehst du dazu, dass Buddha um Nahrung bettelt? Kannst du dir vorstellen, weder Geld noch ein Dach über dem Kopf zu haben wie ein Mönch, der in Bezug auf sein Essen von anderen Leuten abhängig ist?

Ich bin vollkommen abhängig! Wenn Menschen kein Gemüse anbauen, gibt es kein Gemüse in den Läden. Wenn Menschen mich oder meinen Mann nicht bezahlen, kann ich nichts zu essen kaufen.

Buddha bittet nur um das, was ihm bereits gehört. Er leidet niemals Hunger und dennoch bittet er großzügigerweise um Nahrung. Er weiß, wann und wonach er fragt. Er weiß, was er isst, nämlich genau das, was du ihm gibst und nicht mehr. Ich bin immer frei von Hunger bis zu dem Augenblick, wenn das Essen da ist. Ich werde immer perfekt und genau rechtzeitig mit der richtigen Nahrung versorgt, die mir aus Güte geschenkt wird. Wenn du mir etwas zu essen gibst, danke ich dir aus deinem eigenen Selbst heraus, nicht durch Worte, und wenn du mir nichts zu essen gibst, danke ich dir auch; und wie es so mit der Liebe ist, wirst du vielleicht in einer anderen Zeit und mit einem anderen Bewusstsein bereit dazu sein, die einzige Nahrung, die des Essens wert ist, zu dir zu nehmen – das, wonach wir alle hungern und was ich dir aufrichtig anbiete: dem zu dienen, was dient.

Großzügigkeit ist das, was von dir übrig bleibt, nachdem dir klar geworden ist, dass es so etwas wie ein Selbst nicht gibt.

2 Die Verneigung vor einem Sandkorn

Dann stand der Mönch Subhuti mitten unter den Versammelten auf, entblößte seine rechte Schulter, kniete sich auf sein rechtes Knie, faltete die Hände in Verehrung und wandte sich an Buddha. »Wie erlesen umsichtig du bist, Herr! Du bist immer um das Wohlergehen deiner Schüler besorgt und so freigiebig mit deinen Lehren. Herr, wenn aufrichtige Männer und Frauen Erleuchtung suchen, was sollen sie tun und wie sollen sie ihren Verstand kontrollieren?«

Buddha sagte: »Das ist eine ausgezeichnete Frage, Subhuti. Wenn aufrichtige Männer und Frauen Erleuchtung suchen, ist es unbedingt erforderlich, dass sie ihren Verstand kontrollieren. Hör zu und ich erkläre dir wie.«

Subhuti sagte: »Bitte tu das, Herr. Wir hören alle zu.«

Subhuti steht auf und drückt mit allerschönsten Gesten seine Verehrung für Buddha aus. Aus der Sicht Buddhas ist jeder erwacht, also ist Buddha (»der Erwachte«) einfach ein Wort sowohl für ihn als auch für Subhuti, und es ist ebenfalls ein Wort für jeden einzelnen Mönch im Publikum. Der anschließende Dialog findet zwischen Buddha und Buddha statt. Das innere Selbst begegnet sich selbst. Genauer gesagt: Da ist kein Selbst und dieses Nicht-Selbst begegnet sich selbst. Es gibt keinen anderen und dieser Nicht-Andere begegnet dem Nicht-Selbst.

Manchmal nähern die Leute sich mir mit einer ähnlichen Verehrung, und ich weiß, dass es dabei nicht um mich persönlich geht. Nach öffentlichen Veranstaltungen kommen sie zu mir, wenn sie sehr gerührt sind oder sie mit Hilfe von The Work etwas Tiefgreifendes und Bedeutungsvolles begriffen haben. Sie nähern sich mir mit leuchtenden Augen und gefalteten Händen und manchmal knien sie sich hin oder verbeugen sich. Ich weiß, wie Verehrung sich anfühlt, und liebe es, dass sie sie erleben. Die Frau »Byron Katie« zu erkennen bedeutet einfach, dass sie ihr eigenes wahres Wesen erkennen. Es gibt in dieser Gleichsetzung kein »Mich«. Es ist ihre eigene Erkenntnis, sie gehört ihnen und als diese Erkenntnis bin ich begeistert. Ich verneige mich innerlich immer vor allem und vor jedem, weil ich weiß, dass etwas Geringeres als das Getrenntsein bedeuten würde. Wenn jemand sich vor mir verneigt, bin ich das, was sich verneigt, und das, vor der man sich verneigt. Beides sind die gleichen Positionen. Nichts daran hat etwas mit meiner Person zu tun.

Es wäre auch kein Unterschied, wenn ich mich in Verehrung vor einem Sandkorn verneigen würde. Ich lasse mich hineinfallen und verschmelze. Auf diese Weise erlebe ich Verehrung; das Selbst in Vertrautheit mit … ich kann es kaum sagen »das Selbst in Vertrautheit mit sich selbst.« Es ist einfach das Selbst, in Vertrautheit. Es ist die wahre Vertrautheit, ungeteilt. Es gibt nichts außerhalb von ihr und nichts in ihr.

Demut bedeutet, dem Sand, dem Staub, dem Klang des gerade Gehörten eine solche Verehrung zu zeigen. Wären wir bei vollem Verstand, würden wir allem auf der Welt Ehre erweisen, denn alles ist Buddha. Genau das bedeutet Erkenntnis. Man kann niemals begreifen, was Erkenntnis ist. Der Gedanke, dass wir irgendetwas erkennen, ist nicht wahr. Er ist mindestens eine Gedankengeneration von der Wahrheit entfernt. Dies ist ein schöner Moment der Gnade, dennoch ist da die Identifikation mit einem Jemand, der erkannt hat. Sobald du hinter den Schmerz – und letztendlich hinter die Freude – der Hingabe gelangst, entdeckst du etwas, das jenseits deiner Identifikationsfähigkeit liegt, und größte Dankbarkeit überfällt dich.

Subhuti sagt, Buddha sorge sich um das Wohlergehen seiner Schüler. So geht es mir auch, obwohl ich niemanden als Schüler betrachte. Für mich gibt es nur Freunde. Ich bin allerdings besorgt, wenn sie besorgt sind, und diese Sorge ist die einzige Sorge, die mir geblieben ist. Wenn sie mich fragen: »Wie soll ich die Untersuchung praktizieren?«, »Was ist, wenn mir ein stressiger Gedanke immer noch wahr vorkommt, wenn ich ihn hinterfragt habe?«, erkenne ich in ihnen mein eigenes verwirrtes Selbst und die Katie, für die ich mich früher gehalten habe – leiderfüllt und ohne Ausweg. Ich würde diesen Menschen alles geben, was ich habe. Ihre Fragen sind genauso notwendig wie die Schüssel zum Betteln. Sie werden zur Erleuchtung des Verstands benötigt. Sie sind der erleuchtete Verstand, der Feuer fängt. Wenn niemand etwas fragt, mache ich mir auch keine Sorgen um ihr Wohlergehen, denn ich weiß, dass es jedem vollkommen gut geht, egal, welches scheinbare Leiden er gerade durchmachen mag.

Subhuti stellt Buddha eine Frage – eine sehr gute Frage. Es gibt Männer und Frauen, die auf authentische Weise über sich selbst hinauswachsen möchten, und aufrichtige Männer und Frauen, die nicht mehr leiden möchten. Ich war eine von ihnen, ohne es zu merken. Ich probierte aus, was passierte, wenn ich auf Gedanken wie »Ich will«, »Ich brauche«, »Ich sollte nicht«, »Ich sollte« nicht reagierte. Ich sah eine Welt jenseits dieser augenscheinlichen Erfordernisse und stellte fest, dass keines von ihnen wahr war. Keiner dieser Gedanken konnte der Untersuchung standhalten.

Du kannst das leicht für dich selbst überprüfen, indem du über einen Zeitraum von vierundzwanzig Stunden nur eine Mahlzeit zu dir nimmst. Wenn deine Nahrung in diesen vierundzwanzig Stunden nur aus einer kleinen Schüssel Reis besteht, sagt der Ich-weiß-Verstand vermutlich: »Das ist zu wenig. Ich habe immer noch Hunger. Ich bin schwach. Ich werde krank. Ich werde sterben.« Wenn du aber jedem Gedanken mit der Frage »Ist das wahr?« begegnest, offenbart sich dir das Leben. Irgendwann stellst du fest, dass jeder deiner Gedanken mit einem Fragezeichen aufhört und nicht mit einem Punkt. Dann ruhst du in der unendlichen Erleuchtung des Ich-weiß-nicht-Verstandes.