1.
Durch sie gestört — er war gerade dabei, das Mädchen fertigzumachen — ging der Killer wortlos auf die alte Frau los, die hereingekommen war, um zu
sehen, was nebenan vorging. Er packte sie, als wäre sie eine Fuhre Müll von letzter Woche, und schleuderte sie mitten in ihre Standuhr, die direkt
hinter der Wohnungstür stand, dabei setzte er Kräfte ein, von denen nicht einmal er gewusst hatte, dass er sie besaß. Er sah, dass es gut funktioniert hatte: sie starb durch den Aufprall. Nach dem
splitternden Krachen, das ihr Körper beim Zerschmettern der Uhr verursacht hatte — das schreckliche, plötzliche Zerbersten, Blut spritzte in das Innere der Standuhr —, seufzte sie noch einmal und hauchte ihr Leben aus. Der Laut, als sie starb,
den Kopf in der Uhr verborgen, erstickte jeden anderen Laut in der Wohnung.
Jedenfalls hörte der Killer nichts. Gut eine Minute lang stand er teilnahmslos da, wie
gebannt, geistesabwesend und entstellt durch Ekstase und Erregung, ausgelöst durch die beiden Morde, die er gerade verübt hatte. Es war eine lange, öde Zeit, für die er sich entschädigen musste; Monate, mitleidlos aneinandergereihte Tage und Nächte, angefüllt mit scheußlichen, harten Kämpfen, eisernem Training und Strafen. Es hatte Nächte gegeben, in denen er — seine Hände hielten die schwarzen Fensterrahmen umklammert — durch sein zerbrochenes Fenster in die Nacht von College Hill hinaus gejammert
und geschrien hatte, dabei hatte er sich gefragt, ob er jemals wieder in Aktion
treten werde.
Was sein zweites Opfer an diesem Abend betrifft: Betty Carstairs war
sechsundachtzig, und so starb sie in jener Nacht. Sie hatte sich niemals
wirklich gefragt, ob sich ihr langes und mühsames Leben gelohnt, ob es tatsächlich überhaupt irgendeinen Sinn gehabt hatte. Aber sie hatte zumindest angenommen,
dass sie ein Recht auf ihren eigenen Körper hatte, ihn hingeben oder verweigern konnte, solange er noch ansehnlich war,
und dass sie weiter in ihm leben durfte, sogar als er es nicht mehr war. Sie
hatte zwei Kriege miterlebt, in beiden hatte sie den Verlust ihr Nahestehender
Menschen akzeptieren müssen, das bringen Kriege so mit sich. Sie hatte weniger Angst vor den
Bombardements gehabt als vor dem Nachdenken darüber, warum so viele jener Menschen, die ihre persönliche Welt bildeten, offenbar willkürlich umkommen sollten und warum sie sich jedes Mal Geduld ab verlangen sollte — und sie auch aufbrachte —, wenn ihr Mann, der schon seit langem tot war, in ihren Körper eingedrungen war — denn sie war Schottin und niemals besonders scharfsinnig gewesen. Nur Spaziergänge hatten ihr wirklich Freude bereitet. Und dann, als sie schließlich ernsthaft herzkrank geworden war und wusste, dass sie am Ende war, fragte
sie sich, wenn sie mal keine Schmerzen hatte, verwundert, warum sie sich so ängstlich und allein fühlen musste.
Nun, jetzt war sie ermordet worden, in ihrer eigenen Uhr, das war’s dann wohl. Das war das erbärmliche und traurige Ende von Betty Carstairs. Später, nach der Autopsie wurde sie den Dieselflammen eines Londoner Krematoriums übergeben, ein geschnitzter Engel, der einen Augenblick durchs Feuer ging, preisgünstig arrangiert durch ihren Großneffen Valerian, der ein paar Leute kannte und der mit einem Kumpel durch die
Wohnung gegangen war, direkt nachdem wir fertig waren. Dabei hatte er solche
Sachen aufgelesen, die er in zwei ihrer Koffer nach Chelsea schaffen konnte.
Fortschritte bei den Ermittlungen waren ihm scheißegal.
Hier war also einer dieser vielversprechenden Burschen, die glauben, von allem
eine Ahnung zu haben. Er ahnte aber nicht, dass ich ihn später mal ins Gefängnis bringen würde, indem ich ihm einen anderen Fall in die Schuhe schob, was ihm dann zwei
Jahre einbrachte. Irgendwie mochte ich Valerian nicht. Warum, war mir scheißegal.
Jedenfalls war das Bettys Ende in unserer Welt.
*
Als er wieder zu sich kam, sah der Killer geistesabwesend zur Uhr; sie war für ihn bedeutungslos. Er atmete schwer, war angespannt, bereit zu weiteren Taten,
und es war enttäuschend und beunruhigte ihn, dass es in der Wohnung jetzt so still war. Er fuhr
mit dem Handrücken über seine Lippen; überzogen mit einer Kruste aus Anstrengung und Begierde, öffneten sie sich klebrig. Sie öffneten sich lustvoll, nur wusste er das nicht.
Die Vorderseite der Standuhr zeigte eine Ansicht der Themse, Windsor Castle im
Hintergrund; der Fluss sah aus, wie er 1810 ausgesehen haben musste. Es war
eine einfache Uhr. Sie war nie wertvoll gewesen, jetzt war sie nur noch ein Trümmerhaufen. Ganz gleich, aus welchem Grunde sie hier auch gestanden, welches Können auch ihre Herstellung verlangt haben mochte — die römischen Ziffern auf dem weißen Emaillezifferblatt, die Flussszene — jetzt war all das zerstört. Ohne das staubige Glas, das der Killer zerschmettert hatte, war jedes Detail
jenes kleinen Ruderbootes ziemlich deutlich zu sehen, das auf ein separates
Kupferstück gemalt und dann mit dem Antriebsrad des Sekundenzeigers verzahnt worden war, mit dem es sich drehte. Die
drei Zeiger der Uhr — Stunden-, Minuten- und Sekundenzeiger —, das winzige Boot und die beiden Menschen darin, das alles war so angefertigt
worden, dass es das Verstreichen der Zeit so anzeigte, wie es zu jener Zeit
erfahren wurde — langsam und unabänderlich. Aber jetzt war auch das vorbei — der Zeiger war von der Welle abgebrochen, der dünne Stahl aus der Halterung gerissen.
Doch die Zeit, die immer streng konstruiert und formal über das Zifferblatt geschritten war, hatte sich, obwohl sie jetzt aufgehalten
wurde, nicht wirklich verändert; denn das gemalte Ruderboot, eins von denen, die sie auf der Themse
Perfect nannten, war immer noch da, ruhte weit hinten auf dem Fluß, der dem Wechsel der Gezeiten unterworfen war. Dieses schaukelnde Spielzeug beförderte ein Miniatur-Paar aus vergangenen Zeiten über das Zifferblatt, einen Jungen und ein Mädchen. Beide saßen dort, einander bis in alle Ewigkeit anblickend, jeweils einen Arm über ein Ruder gelegt. Ein Liebespaar, das sich mit so inniger Liebe in die Augen
sah, die auch durch hundertachtzig Jahre nicht verwischt werden konnten.
Allerdings waren die abblätternden Gesichter nicht mehr ganz klar zu erkennen — entweder weil der kleine Pinsel sie nicht ganz eingefangen hatte oder weil die
Sonne unterging oder weil der Maßstab zu klein war — jedenfalls konnte man die Umrisse der Liebenden nur teilweise wahrnehmen. Aber
die bewegungslosen Ruderblätter wurden immer noch in die weißen, schnörkeligen Wellen getaucht, das Boot lag in der langsamen Flussströmung — und wenn die Uhr wieder hätte in Gang gesetzt werden können, dann hätte das Boot seine träumende Fracht zum Ticken der Uhr wieder befördert, sie im Takt des Pendels hin- und hergewiegt. Doch das war jetzt für immer vorbei. Denn die Kraft des Killers war so gewaltig gewesen, dass Betty
Carstairs Kopf durch die Tür der Uhr geschossen war und sie in zwei Teile zertrümmert hatte, und das ließ sich nicht mehr rückgängig machen.
Dann, nach einer scheinbar langen Pause, löste sich plötzlich das Gewicht der Uhr und fiel auf Betty Carstairs Kopf. Als Reaktion
darauf strebte das ganze Gehäuse der Uhr bedenklich nach außen, und das spitz zulaufende Oberteil glitt langsam aus den Fugen und krachte
auf Betty Carstairs Beine, so dass sie, nachdem dieser neuerliche Krach vorüber war unter Holz und Glas begraben lag. Auch rundherum hatte es eine große Schweinerei gegeben. Da waren zum Beispiel die Scherben ihres Nachtgeschirrs,
das sie gerade zum Badezimmer getragen hatte, als sie im anderen Zimmer den
Krach gehört und hinein gesehen hatte, er hatte es ihr in dem Augenblick aus der Hand
geschlagen, als er sie tötete. Und dann der Gestank. Er hielt sich die Nase zu. Denn wenn es etwas gab,
was der Killer verabscheute, dann war es der Geruch der Pisse anderer Leute.
Außerdem war da ihr Blut. Alles, was er getan hatte, löste sich in widerwärtige, kleine Details auf: zum Beispiel hatte sie in ihrer letzten Zuckung ihre
obere Zahnprothese halb durch die Lippen gespuckt, was ihr das Lächeln einer Verrückten verlieh, die ein schlechtes Theaterstück kritisiert.
Jetzt hielt sich der Killer die Hände vor den Mund. Es war kalt in der Wohnung, und er blies kräftig gegen seine Finger. In einem vergoldeten Spiegel betrachtete er seine
Lippen, für die er eine Leidenschaft hatte, und er war hocherfreut zu sehen, dass sie
genauso voll und rot waren wie immer, darauf vorbereitet, jede Frau anzuziehen.
Nur mit seinen Händen war er unzufrieden. Trotz der Handschuhe, die er für einen Augenblick auszog, waren die Handflächen von dem Abflussrohr der Regenrinne gezeichnet, das er erklommen hatte. Sie waren trocken und rostfarben,
und das passte nicht zusammen. Schnell zog er wieder die Handschuhe an: »Es ist verdammt kalt hier!« kreischte er. »In diesen beschissenen Baracken gibt’s die verdammte Heizung wohl nur zum Spaß.« Mit dem Zeigefinger drohte er dem Raum, als hätte dieser Anstalten gemacht, sich zu wehren. Aber das sekundenlange Vergnügen, das er empfunden hatte, als er sich um die Alte gekümmert hatte, war schon vorüber: sie war abgemeldet, und wer würde auch nur eine verschissene grüne Banane gegen sie eintauschen? Die alte Vettel hatte den Fehler begangen, ihre
dämliche Nase ins Wohnzimmer zu stecken, um zu sehen, was der Lärm sollte, als er das Mädchen fertigmachte. Sonst hätte er nicht mal gewusst, dass sie überhaupt existierte. Aber sie hatte zu viel gesehen. Logisch. Er konnte es sich
nicht leisten, Grannie am Leben zu lassen, und außerdem hasste er es, unterbrochen zu werden, wenn er sich ganz seiner Arbeit
widmete, das hatte auch dazu beigetragen, dass die alte Kuh abtreten musste.
»Es wird Zeit, dass du dich aus dem Staub machst«, sagte er laut. Seine Stimme prallte wie ein Schrei von der Wand zurück.«
Doch da wir schon mal vom Schreien reden, das Mädchen hatte sich fast die Seele aus dem Leib geschrien, diese dumme, kleine Nutte — aber schließlich hatte sie immer übertrieben, egal, worum es ging, erinnerte er sich — und es war gut, sie los zu sein. Aber er begann sich wirklich zu fragen, ob er
die gegenwärtige Situation in den Griff bekommen würde. Er wusste, dass er sich irgendwie reinigen musste, um sauber rauszukommen.
Aber obwohl er wusste, was ›rauskommen‹ hieß, wusste er nicht, was ›sauber‹ bedeutete, so dass er einen Augenblick vor einer Art Problem stand. Er hatte
keine Vorstellung von dem Begriff ›Schuld‹. Er gehorchte nur seiner Kraft, den Eingebungen. Er konnte diese Eingebungen nicht in
Worte fassen, sondern setzte sich fast automatisch in Bewegung, wenn die
Eingebungen es ihm befahlen. Und es war diese Unberechenbarkeit, die ihn so gefährlich machte. Geräuschlos drehte er sich auf superdünnen Sohlen um; für den Job hatte er ein leichtes Paar brandneuer Wettkampfschuhe angezogen. Wenn
er irgendwie an Frauen dachte, versetzte ihn das sofort in einen vitalen, fast
krankhaften Zustand und erfüllte ihn mit dem dringenden Wunsch, sich selbst durch Wichsen zu bestrafen. Prüfend schlug er gegen seinen Schwanz, der noch vom letzten Mal schmerzte. Vor
kurzem hatte er ihn während des Trainings raffinierter verletzt, weil er nicht wollte, dass dieser
freche (weil offensichtlich von ihm unabhängige) und aufgeblasene Teil von ihm ihn bei der Arbeit störte; mit der Zeit würde er ihn langsam ermorden. Aber so wie er jetzt auftauchte (so wie ein Bulle
beim Verhör auftauchte), bedeutete es, dass das Ding bald wieder ziemlich lang sein würde und dass es wie immer zur Rechenschaft gezogen werden musste. Er berührte es, fühlte, dass es blutete, und überließ es vorübergehend sich selbst, indem er es zurück in seine Sporthose steckte. Dann ging er ins Zimmer zurück, wo die Leiche des Mädchens lag.
Er lehnte sich gegen den Türpfosten, sein schwarzes Haar bildete einen intensiven Kontrast zur leblosen,
gelben Wand. Von dort aus musterte er seine Hauptarbeit, warf nur einen
schnellen Blick in den Spiegel, um seine Augen zu bewundern, in denen sich die
gestillte Gier widerspiegelte. Er musste zugeben, dass sie — als er sich dem feierlichen, absurden Ritual, sich selbst zu fragen, ob es wahr
sei, unterzogen hatte — ziemlich schrecklich aussahen. Niemals erkannte er die Wahrheit über seine Augen, denn er war es gewohnt zu glauben, dass ihr beherrschendes
Starren einzigartig sei; doch tatsächlich waren sie überhaupt nicht so, wie er sie sich vorstellte. Sie waren weit davon entfernt.
Waren überhaupt nicht anziehend, so wie er sie sich vorstellte, sondern fielen anderen
als Augen auf, die Jahrhunderte zuvor gewalttätig vernichtet worden waren, und außerdem hatten sie eine Art Überzug, der ihnen den ausdruckslosen Blick verlieh, den man in den Augen von
Toten sieht.
Während er auf das hinunterschaute, was er angerichtet hatte, flüsterte er: »Du hättest etwas ordentlicher sein können, Kumpel — wirklich viel ordentlicher.«
Natürlich war niemand da, um ihm zu antworten, und es war wieder keine Frage, dass
er recht hatte.
Wohlgemerkt, das Zimmer hatte sowieso schon schlimm genug ausgesehen, schon
bevor er dort gewütet hatte. Der hohe, eisige, alte Raum, in dem er stand, war durch Vernachlässigung und die verlorenen Kämpfe seiner Bewohner zu dem verkommen, was er jetzt war: ein verfallendes,
dreckiges Relikt schimmelnden Putzes, mit Tapeten, die durch die Feuchtigkeit
zu Boden rutschten — tatsächlich war es dort so kalt und feucht, dass der Atem des Killers als Nebel
auftauchte und bewegungslos in der feindseligen Luft hing, bis er schließlich langsam von ihm weg zur Wand waberte, so wie schlechte Witze aus dem Mund
einer Comic-Figur kommen.
Zwei schmuddelige Betten, auf denen Teller mit Resten von Mahlzeiten lagen,
standen in fünfzig Zentimeter Entfernung voneinander, jeweils bedeckt mit indischen
Steppdecken aus rotem Gobelinstoff, der mit kleinen aufgenähten Glasperlen verziert war, und in der Lücke zwischen diesen Betten, auf einem schmierigen Teppich, hatte er Suarez
niedergestreckt. Dort lag sie, die linke Seite ihres Kopfes war halb
abgetrennt, und ihre linke Brust, exakt vom Brustkorb geschnitten, war vorn aus
dem tief ausgeschnittenen Kleid gerutscht und lag nicht weit von ihr entfernt,
teilweise in ihrem Blut, teilweise im BH.
»Yeah, das war wirklich Scheiße, nicht wahr?« schrie der Killer. »Ein richtig tolles Abschlachten! Das hättest du besser machen können, mein Freund — unglaublich viel besser, nicht wahr, du Scheiß-Amateur?«
Ja, das hätte er natürlich, doch er war total ausgeflippt, als sie eine Hand ausgestreckt hatte, um
mit ihm zu reden. Sie begann zu sagen: »Ich liebe dich trotzdem.« Aber nur die Erwähnung des Wortes in Verbindung mit seinem Vorhaben machte ihn krank, so dass er
ungeduldig die Schneide der Axt in die Schulter des Arms geschlagen hatte, der sich ihm entgegengestreckt hatte. Wie ein Musikliebhaber
verfolgte er hingebungsvoll den Klang des sauberen Stahls, als dieser den
feuchten, roten Knochen spaltete. Aber die Wunde hatte sie natürlich schreien und jammern lassen, so dass es für ihn schwieriger geworden war, sie in die Position zu bringen, in der er sie
bei seinem Hauptschlag haben wollte — und außerdem blutete es zu früh, während er sich wie jeder Liebhaber Zeit lassen und langsam den Höhepunkt erreichen wollte. Aber, verdammt noch mal, warum sollte er sich
andererseits das anhören, was sie zu sagen hatte, wenn er nur Erleichterung von seiner rasenden
Erregung suchte, den reinen Duft ihres Blutes in seiner Nase wahrnehmen wollte, sein Gesicht,
seinen Mund, seinen Schwanz in sie stoßen wollte?
Und darum, übererregt durch ihre Angst und ihre mitleidsvollen Versuche, ihm auszuweichen,
ließ er die kurze, solide Feuerwehraxt, die er in der vor Wut und Erregung
schwitzenden Hand hielt, auf sie niedersausen, gab aber dem Mädchen den Bruchteil einer Sekunde, den die Klinge bis zu ihr brauchte, Zeit,
sich zu drehen — und obwohl sein Trick fehlschlug, schien er sich zu beruhigen. Mit einem
leichten Lächeln sagte er zu ihr (indem er einen Akzent der Midlands imitierte, weil er
sich an eine Gelegenheit in Nottingham erinnerte, wo das sehr gut geklappt
hatte): »Lass uns ganz ruhig sein, wollen wir uns nicht beruhigen?« Wie ein Pferdeknecht, der sich einer aufgeregten, jungen Stute besänftigend nähert, versuchte er, sie zu beruhigen, indem er zerstreut und freundlich vor sich
hin murmelte. Doch sie wollte die Axt nicht akzeptieren, als er sie ihr wieder
zeigte, sie ihrem weißen Nacken rituell präsentierte — so dass er sie am Ende mit einem seiner weitausholenden, schnellen Hiebe
erledigen musste. Die dumme, kleine Nutte versuchte immer noch, ihm zu
entkommen, trotzdem es nichts mehr gab, wohin sie gehen konnte. Sie erzählte ihm wieder und wieder, dass sie ihren Frieden mit der Welt gemacht habe, was ihn herrlich in Rage brachte — durch die Panik, in die er sie versetzt hatte, erreichte er, dass sie über den Läufer zwischen den beiden Betten stolperte, und das gab einen erstklassigen
Kampfplatz ab, denn dort fiel sie mit dumpfem Knall zu Boden. Aber etwas später, als sie es schließlich geschafft hatte, sich wieder aufzurichten, hatte sie ihren dummen, kleinen
Kopf in einer für ihn vollkommen falschen Stellung, so dass er irgendwie zu verwirrt war, um ihr
den Kopf sauber abzuschlagen, ihn einzupacken und zu verschwinden. Und jetzt
sieh dir dieses verdammte Zimmer an, eine Sauerei, Scheiße! Weder das Blut, das überall war, noch der Gestank ihrer Eingeweide in dem eiskalten Raum regten ihn
so auf wie die Schweinerei, die er mit ihr veranstaltet hatte. Sie war traurig
anzusehen. Die verschiedenen Teile von ihr, die überall herumlagen, hinterließen in ihm ein Gefühl der Leere, am liebsten hätte er die ganze Szene gestrichen und noch einmal von vorn angefangen.
Natürlich würde er sich dafür bestrafen — doch in der Zwischenzeit, whow!
Am Ende machte er sich über sie her, doch dabei biss er sich fast die Oberlippe ab. Der Schmerz, den er
empfand, der Zustand, in dem er war, machte es ihm nicht leicht. Trotzdem, als
er in College Hill die Tür hinter sich zugeknallt und seine Tasche auf die Schulter gehievt hatte, dann
die South Circular Road entlanggehastet war, war er ziemlich sicher gewesen,
dass er es schaffen würde, sie zum Schluss richtig kriegen würde. Ja, natürlich, es war schmerzhaft für ihn zu kommen, aber blick nur hinunter, dann siehst du, dass es geklappt hat!
Es war verdammt hart gewesen, und er hatte sich weit über sie beugen und das Fleisch wegreißen müssen, aber als die Erleichterung kam, konnte man im wahrsten Sinne des Wortes
sehen, wo er sie bespritzt hatte. Mein Gott, welche Potenz er immer noch hatte!
Und dann, als er sie zum ersten Mal angegriffen hatte, als seine Axt einfach so
in ihren rechten Arm fuhr, fast wie zufällig — und sie hatte geschrien und geblutet, wich ihm aus wie eine kleine Braut, während sie sich an ihre klaffende Wunde klammerte, die ihn schon erregt hatte und
wie ein Schwein quieken ließ —, und dann tanzten die beiden fast wie Liebende geschwind herum, vor und zurück, prallten gegen Möbel und andere Sachen. Er war einfach gehobener Stimmung, so dass er wieder zu
ihr auf den Boden und noch einmal ihr Blut lecken musste, dann starrte er in
ihre Wunden, die er sanft mit den Fingern öffnete, um zu sehen, wo sein Sperma geblieben war und wie er und sie sich
vereinigt hatten, dabei flüsterte er ihr Liebesworte zu, denn sie lebte noch. Dann, als er endlich genug
hatte, zog er sie zu sich herauf, ihr blutendes Gesicht an seins und erzählte ihr: »Ich bin jetzt fertig, Dora, das war’s, Liebling.« Und er schnitt ihr mit der falschen, stumpfen Seite der Axt die Kehle durch, während sie sich an ihren verstümmelten Arm klammerte wie ein schlechter Schwimmer an den Rand des Pools, und
dabei starrte er auf die Spermaflecken auf ihrem neuen Kleid. Dann, nachdem sie
gestorben war, enthauptete er sie träge, aber da sie nicht mehr reagieren konnte, langweilte ihn das Spiel ziemlich.
Doch bald erwachte sein distanziertes Interesse: machten diese Leute nicht außergewöhnliche Geräusche, wenn man es richtig anpackte? Mein Gott, ja, das war noch etwas aus
seinen Erinnerungen — heute Nacht hatte er wirklich gesiegt! Es war mehr ein gurgelndes Quäken als ein wirklicher Schrei, was sie von sich gaben; und dann gab es einen
leisen Laut, der wie ein Keuchen klang, als sich der Hals in lächelnde, triefende Lippen verwandelte. Das Geräusch klang so, als hätte sein Vater ein Huhn geköpft, nur viel lauter.
Jetzt wich er zentimeterweise und einer Ratte nicht unähnlich — unerschrocken, aber vorsichtig — zu der Stelle am Fenster zurück, wo er seine Schultertasche liegengelassen hatte, und dort lauschte er, aber
in den Wohnungen war kein Laut zu hören. Als er aus seiner alten Adidas-Tasche einen Fetzen Stoff zog und damit
begann, seine Axt abzuwischen, achtete er darauf, sich nicht zu schneiden. Mein
Gott, war die scharf! Die Stille in den Wohnungen überraschte ihn überhaupt nicht, denn sie lagen in einem erstklassigen Wohngebiet, wo die großen Immobilienfirmen wirklich nur sehr wenige Häuser vergessen hatten und wo sie den Alten und Reichen etwas boten, denen es
egal war, welche Mieten und Abgaben sie zu zahlen hatten, solange sie dafür nicht von Arbeitslosen, ethnischen Minderheiten, Behinderten oder ähnlich störenden Personen belästigt wurden. Da die Bewohner von Empire Gate von unangenehmen Dingen nichts wissen wollten, konnte
sich der Killer tatsächlich mehr oder weniger wie zu Hause benehmen. Genau wie Axel’s servants lebte The Times von diesen Bewohnern, und die sklavische
Notwendigkeit Zeitungen an sie verkaufen zu müssen, die jenseits ihrer intellektuellen und anderen Ambitionen lagen,
bedeutete, dass die wirklich dreckige Wäsche nur auf irgendeinem Hinterhof oder sonst wo landete, wo all diese
widerlichen Dinge auch hingehörten. Denn Empire Gate war eine Adresse für tatterige, alte Millionäre, deren Brieftaschen zu den Säulengängen und Fassaden ihrer Häuser passten. Darum war das ganze Viertel schon am frühen Abend wie ausgestorben, und es waren keine Taxis zu finden, außer für gewisse Treffen, die in den japanischen und arabischen Hotels stattfanden,
deren Türsteher die Wagen für ein Trinkgeld riefen. Die Wohnung, in der der Killer jetzt war, war von Betty
und Billy Carstairs für neunundneunzig Jahre gemietet worden, als sie während der risikoreichen Tage des Jahres 1940 geheiratet hatten (zu Zeiten, als
vernünftige Menschen, so wie sie es wieder in dieser Straße gab, nirgends zu finden waren, weil sie vor deutschen Bomben Angst hatten und ›bedauernd nach Kanada gezogen‹ waren, wie die Formulierung damals lautete, bis die armen, dummen Bastarde, die
geblieben waren, die Kohlen aus dem Feuer geholt hatten). Betty Carstairs
Wohnung war deshalb die einzige in dem Block, die die Sanierer wegen der langjährigen Vermietung gezwungenermaßen hatten auslassen müssen.
Außerdem lag sie eingepfercht zwischen den Botschaften zweier verrückter Länder, deren Revolutionen mit den Abendzeitungen kamen und gingen — aber wer kümmerte sich schon darum? Es gab ja die gute, alte britische Polizei, nicht wahr?
Und die kostet genug!
In der Zwischenzeit stand der Killer frierend in der Wohnung, seine Gegenwart
wurde von den Bewohnern nicht wahrgenommen — was für ein Glück für ihren Schlaf, der von Träumen von der konservativen Partei, erpresserischen Ex-Schwiegertöchtern und ähnlichem geplagt wurde. Dank seiner jüngsten Aktivitäten fühlte er sich zum Platzen voll, endlich mal ein hungriger Mann mit einem vollen
Bauch mitten in diesem Haufen selbstsüchtiger, alter Leute am Ende ihres Lebens, in dem sie nie etwas anderes getan
hatten, als ihr Geld zu investieren und den Kopf einzuziehen. Er kannte diese
Sorte Leute, denn er hatte sie mehrere Wochen lang von dem verwilderten Garten
aus beobachtet und konnte sich den Aufschrei vorstellen, der durch ihre Reihen
gehen würde, wenn dies hier entdeckt werden würde. Und zweifellos würde es bald entdeckt werden — denn es war regnerisch und ziemlich warm, und unpräparierte Leichen machten auf ihre Verwesung in Kensington ganz sicher genauso
schnell aufmerksam wie in College Hill.
Der Killer wusste, dass er jetzt besser verschwinden sollte, aber er brachte es
nicht fertig, sofort zu gehen. Wie hätte er es ertragen können, einem wahren Fest an frischem Blut wie diesem hier so nachlässig den Rücken zuzuwenden, als würde er einfach ein Bier ablehnen? In seinen Augen besaß diese Szene — ihre Fleischfetzen, ihr Blut überall — alle Attribute einer Hochzeit. Soeben hatte man sie gefeiert. Er, der Bräutigam, hatte gerade rituell ihr Blut getrunken, war darin herumgetrampelt und
hatte auf Stücke ihres warmen Fleisches onaniert, sie so endlich besessen. Nein, es war keine
Frage, er konnte seine Braut nicht einfach so zurücklassen — das wäre eine Beleidigung gewesen! Hinzu kam, dass die Zwangsvorstellung einer
Hochzeit auf ihn wirkte wie fließendes Wasser auf einen vor Durst sterbenden Mann — schließlich alles perfekt zu machen bildete einen wichtigen Teil seines Nervenkitzels.
Jetzt, nach den Monaten der Vorhölle in College Hill, die er wie eine aus dem Verkehr gezogene Fledermaus, die
sich im Winter im Schlaf mit dem Kopf nach unten an einen Balken klammert,
verbracht hatte, war er wieder aktiv geworden. Als er sich in der Wohnung
umsah, das Blut sah, die Leichen der beiden Frauen, ja, da fühlte er sich wie ein verheirateter Mann, wie das Oberhaupt einer Familie, das
von den Frauen richtig versorgt worden war, reichlich gegessen und getrunken
hatte, gut bedient worden war und jetzt eine Zigarette genoss, während man auf den Kaffee wartete. Worauf er jetzt wirklich Appetit hatte, war
eine Tasse Schokolade mit Sahne. Wie andere Mehrfachmörder auch setzte er die negative Sprache des Todes einfach in ein Verlangen nach
Nahrung um. Der Abend war beinahe ein Meisterstück, so dass er sich zum Schluss wirklich wie der kräftige, ausgepumpte, junge Liebhaber fühlte — für den er sich halten musste —, der vorsichtig aus dem Bett stieg, um den Kühlschrank zu plündern, während die Frau schlief. Nicht einen Augenblick glaubte er, dass er erwischt werden könnte, und er hätte jede Belehrung oder Bestrafung für seine abendlichen Taten so verächtlich abgelehnt wie ein Mann, dem man wegen eines Ficks mit einer Gefängnisstrafe drohen würde.
Natürlich gab es da eklatante Unterschiede.
Alles wäre gut gewesen (wirklich herrlich, sagte er sich), wenn er bei dem Mädchen nur nicht alles durcheinander gebracht hätte. Natürlich machte er sich nicht über das Mädchen selbst Gedanken (sie gehörte ihm), sondern über etwas mehr Verworreneres. Irgendwie war der Abend schiefgelaufen. Er war
nicht hundertprozentig befriedigt, und seiner Meinung nach war das die Schuld
des Mädchens: es lag an ihrer dummen Halsstarrigkeit, an ihrem Versuch, ihn davon
abzubringen, das zu tun, was er mit ihr machen musste. Denn der Killer war
wirklich wie der schlimmste Soldat, den jede Armee fürchtet: er empfing Befehle von oben, egal woher, die buchstabengetreu ausgeführt werden mussten. Er hatte dem niemals entrinnen können. Er hatte nicht die Fähigkeit zur Analyse (er glaubte, dass er seinen Begierden gehorchte, wenn er das
Mädchen umbrachte, denn er war wirklich ein As der Torheit, dieser mordende Narr).
Jedenfalls, irgendein Hirn hatte er. Das musste er ja, als eine Art
ein-Mann-Armee. Er war der Stratege im Hauptquartier — aber er war genauso der Mann im Schützengraben mit der Granate und dem Gewehr. Der Killer glich einem verrückt gewordenen Angestellten, der eine Waffe hatte, deren Handhabung er durch
einen schrecklichen Zufall erlernt hatte. Indem er sie benutzte, fühlte er sich nützlich, irgendwie half es ihm, seine einzigartigen, kleinen Erschütterungen loszuwerden, so dass er spätabends in sein kaltes, kleines Zuhause zurückkehren konnte — nachdem er eiskalt und logisch dem Plan gehorcht hatte, den er von irgendwoher
erhalten hatte. Zuhause rieb er sich die Hände und lächelte seine Frau mit einer Wärme an, die er aus der Freude über die großartige Ordnung zog, die in seinen Akten herrschte, was nur anderen absurd
vorkam. Die Bedürfnisse anderer bedeuteten solchen Leuten nichts. Für solche Menschen ist nur eins wichtig: der von oben vorgelegte Plan muss, egal
welchen Inhalt er hat, buchstabengetreu ausgeführt werden, egal, was es kostet. Das ist der einzige Orgasmus, den so ein Mensch
jemals erleben wird. Denn jeder autoritative Plan sichert die Existenz
derjenigen, die keinen haben, darum lieben und kämpfen so viele. Wenn man das ausführt, was einem gesagt wird, verschafft einem das heutzutage sogar einen Scheck
am Ende des Monats. Killer oder Angestellter — wenn man tot geboren wird, ist das Leben sowieso nichts wert. Diese unglücklichen Menschen (Killer, Angestellte, irgendwie gestörte Leute) wären lächerlich, wenn sie nicht so viel Schaden anrichten würden. Und weil wir über sie lachen, weil wir den Fernseher ausstellen, wann immer sie dort
erscheinen, und so weiter — deshalb richten sie Schaden aus einer Verzweiflung heraus an, die sie sich nicht eingestehen können.
Der Killer war gedanklich jetzt an einem Punkt in seinem Innern angelangt — blickte auf den blutbesudelten Boden hinunter, auf die Leiche des Mädchens —, wo ihn sein Selbstverständnis (auf das er ungeheuer stolz war) irgendwie beunruhigte. Er fühlte, dass irgendetwas in ihm seine Aufmerksamkeit auf die falsche Seite der
Stahltür lenken wollte — ein Wesen, das hungerte, ausgeschlossen und ignoriert wurde. Natürlich war er es selbst, aber er hatte nicht die Fähigkeit, das zu erkennen. Er hatte immer ernsthafte Probleme mit sich auf
praktisch jedem Niveau gehabt und würde sie auch weiterhin haben, denn er war nicht in der Lage, irgendein Problem
als solches zu identifizieren. Er erkannte ein Problem nicht als Problem, genau
wie die Bewohner einer Irrenanstalt, die aus diesem Grund in der Anstalt sind.
Sie selbst sind das Problem, und es ist für sie zu groß, um es zu lösen — diese Sucht, diese undefinierbare Traurigkeit, der plötzliche Verlust der Gefühle oder der wilde Wunsch zu töten oder die Nase eines anderen abzureißen oder in einen überfüllten Zug zu scheißen. Nun, wenn man keine Ahnung hat, was ein Problem ist, dann ist es äußerst unwahrscheinlich, dass man es lösen kann. In diesem Fall zeigte der Killer das klassische Syndrom der
Langeweile: er klammerte sich buchstäblich an das Leben, indem er sich nicht an sein Leben erinnerte — oder besser, indem er sich genau an die Gegenwart und überhaupt nicht an die Vergangenheit erinnerte. Das bot ihm, aber nur ihm, die
Illusion des Lebens. Jeder, der herausfand, dass es in Wahrheit nichts weiter
als eine Illusion war, musste verschwinden, und das war der Moment, in dem der
Reißverschluss der Sporttasche aufgezogen wurde. Der einzige Weg, wie er diese Lücke füllen und überhaupt existieren konnte, war sein genaues Gegenwartsgedächtnis und die fehlenden Erinnerungen an die Vergangenheit, was ihm die Illusion
des Lebens vermittelte, während er geistesabwesend litt und Leid verursachte. Jedenfalls gab es keine Möglichkeit, dass er sich änderte, und schon gar nicht, dass sich sein Zustand irgendwie besserte — denn wie kann jemand hoffen, aus einer Situation befreit zu werden, die er überhaupt nicht versteht?
Langweiler und Killer sind fast das gleiche. Langeweile und Verzweiflung erklären die meisten Morde. Killer töten, weil sie zu viel Energie dafür aufwenden, auf eine Art und Weise höflich zu sein, wie es normale Menschen niemals sind. Die meisten Killer sind bürgerlicher Herkunft oder, noch schlimmer, wurden im Arbeitermilieu gezwungen, bürgerliche Verhaltensweisen nachzuahmen. Während meiner ganzen Zeit im Al4 habe ich nicht einen einzigen anregenden Killer
getroffen, und wenn man dort keinen trifft, dann bezweifle ich stark, dass man
irgendwo sonst einen trifft.
Dieser Killer hatte sehr, sehr ernste sexuelle Probleme, deren Ursprung er natürlich nicht kannte, da er nicht in der Lage war, sie zu analysieren. Ein Teil
seiner Schwierigkeiten äußerte sich (wenn es dabei nur geblieben wäre!) in dem abgrundtiefen, doch unbewussten Hass, den er gegen das Körperteil hegte, über das er, obwohl es mit ihm verbunden war, keine Kontrolle hatte: seinen
Schwanz. Aus diesem Grund hatte er schon in sehr jungen Jahren angefangen, ihn
zu bestrafen — tatsächlich seit er beim ersten Mal, als er von einer Frau herausgefordert wurde,
versagt hatte. Er hatte ihn wie ein platter Reifen im Stich gelassen, als er
ihn zum ersten Mal mit fünfzehn ausprobieren wollte, in diesem ersten, gefürchteten Augenblick im Leben eines jungen Mannes, als, durch die hartnäckige und völlige Weigerung hochzukommen, ihm ein Teil seines Körpers bewies, dass er nicht das überlegene Wesen war, für das er sich immer gehalten hatte. Ganz im Gegenteil: dieser schlaffe, doch
lebendige kleine Teil von ihm baumelte mit einer negativen, doch
kontrollierenden Überheblichkeit gegenüber der Situation schlaff gegen seine Oberschenkel — so wie es seitdem immer gewesen war — zwinkerte ihm mehr oder weniger hinterhältig zu und forderte ihn heraus, etwas dagegen zu unternehmen. Schließlich hatte er ihm so einen kräftigen Schlag versetzt, dass er vor Schmerzen schrie und das Mädchen vor dem negativen Glanz seiner Impotenz floh, darum war das erste
Strafblut, das er vergossen hatte, sein eigenes gewesen. Das Wesen, das er
schon zu besitzen glaubte, eilte vernünftigerweise aus dem Zimmer und aus jenem billigen Hotel in der Caledonian Road.
Er machte den Fehler und weinte mit dem nächsten Mädchen, nachdem er, psychisch wie betäubt, fast ein Jahr gewartet hatte. May war fett und trug eine Brille, deren Gläser ständig beschlagen waren — ihre sehr wenigen Freunde nannten sie Preshy, ihre vielen Feinde Fleshy, seit
sie als Klatschmaul bekannt war und schon eine ordentliche Tracht Prügel bezogen hatte, weil sie über die falschen Leute hergezogen hatte. Ihr neuer Fehler bestand darin, etwas
mit diesem Sportsfreund anzufangen, denn trotz seines guten Aussehens wollte
ihn sonst niemand, aber sie war scharf auf einen Fick. Doch nach und nach
bemerkte sie, dass dieses gute Aussehen bei näherer Betrachtung irgendwie verschwand, außerdem musste sie bald mit anderen Problemen fertig werden, zum Beispiel mit
seinen plötzlichen Wutausbrüchen, die sie in dieser Form noch nie erlebt hatte. Ihr eigenes Problem war,
dass sie hinterhältig war und Ärger provozierte, und sich dann zurücklehnte und ihn genoss. Sie war zu dumm, um jemals zu erkennen, dass er sich in
den Kneipen, in die sie gingen, nur deshalb ruhig und gesittet benahm, weil er
zu verstehen versuchte, was normales Benehmen bedeutete, indem er — aus dem gleichen Grund und mit der gleichen Intensität — wie ein schlechter Schauspieler die Leute um sich herum beobachtete, um das zu
kopieren, was er niemals werden würde.
Als sie sich jedenfalls beide nach einem Abend mit reichlich Bier zum ersten Mal
auf einem Hotelbett wiederfanden, entledigte sie sich erfahren ihres BHs und
ihres schwarz gepunkteten Slips und schleuderte ihre flachen Schuhe mit dem Fuß in eine Ecke. Halbbekleidet fingen sie an zu fummeln, aber das Vorspiel schien
ihr furchtbar lange zu dauern, und es deprimierte sie. Er tat ihr immer noch
leid, aber physisch veranlassten sie seine Bemühungen, sich von ihm zurückzuziehen. Sie dachte, dass es in einem Desaster enden werde, wenn der Kerl
nicht bald mal zur Sache käme, und er ist so langweilig — doch da sie dumm war, war sie auch naiv und hatte keine Ahnung, womit sie
buchstäblich spielte, sie hatte keine Ahnung, wie wichtig es ihm war, sie zu erobern.
Ihre Ignoranz war wirklich sehr gefährlich — tatsächlich war sie tödlich, denn als er nach Stunden in der Dunkelheit weinend zusammenbrach und
klagte, dass er es trotz stundenlanger, schweißtreibender Bemühungen nicht schaffte, beging sie einen schwerwiegenden Fehler. Sie schwang sich
von der Matratze und ließ ihn abblitzen, weil sie erschöpft und unbefriedigt war und die Nase voll davon hatte, sich unter ihm abzukämpfen.