Idol - Gib mir deine Liebe - Kristen Callihan - E-Book

Idol - Gib mir deine Liebe E-Book

Kristen Callihan

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Beschreibung

Ein Sturm, ein Rockstar und ein Kuss, der alles verändert

Kurz vor einem Schneesturm will Stella Grey noch schnell ihre Vorräte aufstocken. Doch ein attraktiver Unbekannter reißt sich die letzte Packung Eis unter den Nagel. Eins ist klar: Ohne das Minzeis mit Schokoladensplittern wird Stella das Unwetter nicht überstehen. Und so greift sie zu einer drastischen Maßnahme: Sie küsst den Fremden und lenkt ihn damit ab, sodass sie mit dem Eis fliehen kann. Wer hätte schon ahnen können, dass es sich bei dem Überrumpelten um Jax Blackwood, Sänger und Leadgitarrist der erfolgreichen Rock Band Kill John, handelt? Und dass ausgerechnet er sich als Stellas neuer Nachbar entpuppt?

"Ein sehr emotionales Buch. Wenn einer sein Happy End verdient hat, dann ist es Jax!" SMEXY BOOKS

Band 3 der "VIP"-Reihe von NEW-YORK-TIMES-Bestseller-Autorin Kristen Callihan


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Seitenzahl: 731

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Inhalt

TitelZu diesem BuchAnmerkung der AutorinMotto12345678910111213141516171819202122232425262728293031323334EpilogDanke!DanksagungDie AutorinDie Romane von Kristen Callihan bei LYXImpressum

KRISTEN CALLIHAN

IDOL

Gib mir deine Liebe

Roman

Ins Deutsche übertragen von Anika Klüver

Zu diesem Buch

New York steht kurz vor einem Schneesturm, und Stella Grey will vorher noch ihre Vorräte aufstocken. Zu den Oreos muss es das Minzeis mit Schokosplittern sein – unbedingt! Doch ein attraktiver Fremder hat den gleichen Gedanken und reißt sich dreist die letzte Packung unter den Nagel. Verzweifelte Situationen erfordern verzweifelte Maßnahmen, und so lässt sich Stella zu einer tollkühnen Aktion hinreißen: Sie küsst den Unbekannten und stibitzt ihm das Eis. Was sie nicht weiß: Bei dem Überrumpelten handelt es sich um keinen Geringeren als Jax Blackwood – Sänger und Leadgitarrist der erfolgreichen Rockband Kill John. Und ausgerechnet der ist jetzt auch noch ihr neuer Nachbar! Ein sehr lästiger Nachbar, der es nicht lassen kann, sie daran zu erinnern, dass sie ihm noch eine Packung Eis schuldet, aber auch weitere Küsse als Bezahlung akzeptieren würde. Stellas Lösung: ihm aus dem Weg gehen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn nichts an Jax lässt sich ignorieren – nicht seine Art, sie zum Lachen zu bringen, nicht seine Dunkelheit, die ihre Verlorenheit widerspiegelt, und schon gar nicht die Tatsache, dass allein sein Blick ihr Herz schneller schlagen lässt. Beide glauben nicht an die ewige Liebe, und doch bedeuten sie einander sehr schnell sehr viel. Sie könnten alles füreinander sein – wenn sie sich einander öffnen und sich genug vertrauen …

Anmerkung der Autorin

John (auch bekannt als Jax) ist ein Überlebender. Er leidet unter Depressionen und Angstzuständen. Vor Jahren versuchte er, Selbstmord zu begehen. Das wird in diesem Buch nicht beschrieben, doch es hat den Lauf seines Lebens verändert und prägt die Art und Weise, wie er die Beziehung mit Stella erlebt.

Ich habe Johns Geschichte aufgeschrieben, weil ich unter anderem zeigen wollte, dass Menschen, die an psychischen Krankheiten leiden, nicht nur niedergeschlagen und verzweifelt sind. Oftmals sind es extrem intelligente, talentierte, witzige und charismatische Leute. John stellt keine Ausnahme dar. Hoffentlich werden Sie ihn ebenso sehr lieben, wie ich es tue.

Dieses Buch liegt mir besonders am Herzen, weil ich genau wie John schon mit Depressionen und Angstzuständen zu kämpfen hatte. Es ist schwierig, über dieses Thema zu reden, doch je mehr ich mich anderen gegenüber öffne, desto mehr erkenne ich, dass ich nicht allein bin. So viele leiden im Stillen. Das muss nicht sein. Es gibt Menschen, die helfen wollen.

Ich habe mein Bestes versucht, um dieses Thema so respektvoll und realistisch wie möglich zu behandeln. Und obwohl ich mich von geschulten Testlesern und Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, beraten ließ, ist mir klar, dass gewisse Stellen auf jeden anders wirken können. Jegliche Fehler liegen in meiner Verantwortung.

Zum Schluss möchte ich noch Folgendes sagen: Wenn Sie leiden, nehmen Sie bitte Kontakt zu jemandem auf – zu einem Freund, zu einem Familienmitglied, zu einem Arzt oder zu einem Therapeuten. Es jemandem zu erzählen mag sich schwierig anfühlen, aber es kann eine ganze Menge bewirken und letztendlich den Unterschied ausmachen.

Alles Liebe,

Kristen

»Wenn meine Augen meine Seele zeigen könnten, würde jeder weinen, wenn er mich lächeln sähe.«

Kurt Cobain

1

Stella

Ein Mann verfolgt mich. Da bin ich mir zu neunundneunzig Komma fünf Prozent sicher. Obwohl ich deswegen ausflippen sollte, finde ich es momentan eher faszinierend. Ich werfe einen Blick über die Auslage mit den Bioäpfeln, um den fraglichen Verfolger zu betrachten. Er ist groß, schlank und durchtrainiert – zumindest lässt das der straffe Sitz seines Mantels auf seinen breiten Schultern vermuten. Seine Gesichtszüge sind gleichmäßig, und er hat eine ausgeprägte Kieferpartie. Sein Haar ist schokoladenbraun und seine Haut gebräunt. Schokolade und Erdnussbutter. Lecker.

Ich verkneife mir ein Schnauben. Man sollte niemals Essen einkaufen gehen, wenn man hungrig ist, sonst sieht plötzlich alles lecker aus. Und okay, vielleicht bin ich mir zu achtzig Prozent sicher, dass er mich verfolgt. Man muss sich nur mal die Fakten anschauen: Dieser megaheiße Kerl ist in jedem Gang aufgetaucht, in dem ich gewesen bin, aber er scheint nicht der Typ zu sein, der Leute verfolgt. Dafür wirkt er irgendwie zu selbstbeherrscht, so als würde er sich große Mühe geben, nicht bemerkt zu werden. Viel Glück dabei. Dieser Kerl hat eine Ausstrahlung, die nichts mit seinem Aussehen zu tun hat, sondern eher so etwas wie reine Anziehungskraft ist. Sie ist so stark, dass er mir irgendwie bekannt vorkommt, was einfach nur lächerlich ist. Wenn ich ihm schon mal begegnet wäre, würde ich mich an ihn erinnern, weil er so unglaublich heiß ist.

Verfolgt er mich? Das Urteil steht noch aus. Ich muss ihn weiter beobachten.

Mein potenzieller Verfolger schaut auf. In seiner großen Hand hält er einen rosigen Apfel der Sorte Honeycrisp. Genau diese Sorte habe ich eben erst in meinen Einkaufskorb gelegt. Ich erhasche einen Blick auf jadegrüne Augen unter ausdrucksstarken dunklen Brauen. Dann wende ich mich schnell ab. Mein Herz pocht heftig, weil er mich auf frischer Tat ertappt hat.

Nein, er verfolgt mich definitiv nicht. Kerle wie er schauen Frauen wie mich nie an. Sie bevorzugen große, dünne Göttinnen mit einem perfekten Körperbau oder zierliche, elfenhafte Wesen mit großen Augen und einem kecken Lächeln. Sie achten nicht auf Frauen, die lediglich mit einer durchschnittlichen Größe, einem durchschnittlichen Gewicht und einem durchschnittlichen Aussehen gesegnet sind. Ich sollte es wissen. Kerle wie er übersehen mich schon mein ganzes Leben lang. Das fing bereits in der ersten Klasse an, als Peter Bondi allen Mädchen hinterherjagte, um sie zu küssen – mit Ausnahme von mir.

Die Erkenntnis, dass man das einzige Mädchen ist, das die Jungs so eklig finden, dass einen nicht mal der Popelesser der Klasse anrühren will, ist ziemlich schrecklich. Die Erinnerung daran, wie ich all die anderen Mädchen dabei beobachtete, wie sie kreischend wegliefen, während der küssende Peter in der Pause hinter ihnen herjagte, schmerzt immer noch ein wenig.

Nicht dass ich das Recht hätte, mich zu beschweren. Ich habe auch ein paar gute Eigenschaften: reine Haut – was immer ein Pluspunkt ist – und recht anständige Lippen. Mom nannte mich immer Bardot, nicht weil ich wie die Schauspielerin aus den Sechzigern aussehe, sondern weil sie fand, dass ich einen Mund wie sie habe. Bienenstichlippen nannte meine Mom sie, was wirklich schmerzhaft und scheußlich klingt. Außerdem bin ich mit seidigem, rotgoldenem Haar gesegnet, das sich sanft kräuselt.

Mittlerweile liebe ich mein Haar – und ich habe bis zu meinem neunundzwanzigsten Lebensjahr gebraucht, um das sagen zu können, ohne zu befürchten, dass ich eitel klingen könnte. Manche Männer sehen das Haar und erwarten mehr von meinem Gesicht. Sie erwarten umwerfende Schönheit, nicht durchschnittliche Attraktivität. Woher ich das weiß? Genau das hat man mir das ein oder andere Mal gesagt. Autsch. Und natürlich gehören zu meinem Haar Sommersprossen. Männer lieben sie entweder oder sie hassen sie.

Ehrlich gesagt ist es wahrscheinlicher, dass ich verschrobene Comicleser anziehe. Kerle mit weichen Körpern und einem scharfen Verstand. Für mich ist das in Ordnung. Persönlichkeit ist mir wichtiger als Muskeln. Damit will ich sagen, dass sich dieser umwerfende Kerl vermutlich fragt, warum ich ständig dort bin, wo er ist. Denn er ist auf keinen Fall an mir interessiert.

Ich schüttle angesichts meiner Paranoia den Kopf und mache mich auf den Weg in den Gang mit den Keksen. Die Regale sind traurigerweise ziemlich leer. Schneezilla, wie die Medien den Sturm nennen, ist auf dem Weg hierher. Da März ist und die New Yorker gerade angefangen haben, den Frühling zu genießen, freut sich niemand über den überraschenden Sturm. Und wenn echte Stadtbewohner mit der Möglichkeit konfrontiert werden, dass die Läden tatsächlich schließen könnten, bricht Panik aus. Die Leute haben sich mit notwendigen Dingen wie Toilettenpapier, Brot, Wasser und Junkfood eingedeckt.

Die Sache mit dem Brot habe ich nie verstanden, denn niemand scheint je etwas zu kaufen, das man auf das Brot schmieren könnte. Es gibt immer noch jede Menge Erdnussbutter und Marmelade in den Regalen. Was machen diese Leute mit ihrem Brot, wenn ein Notfall eintritt? Kauern sie sich neben ihre Stapel aus Toilettenpapier und essen trockenes Brot, bis Hilfe eintrifft?

Was auch immer der Fall ist, hier in den Keksregalen gibt es nur noch ein paar Tüten mit Schokokeksen und eine einsame Packung doppelt gefüllter Oreos. Keine Sorge, meine kleinen doppelt gefüllten Schätzchen, ich werde ein gutes Zuhause für euch finden. Ich schnappe mir die Packung und will sie gerade in meinen Korb legen, als Mr Erdnussbutter und Schokolade um die Ecke kommt. Schon wieder?

Er macht lange Schritte, gerät aber ins Stocken, als er mich entdeckt. Er zieht ganz leicht die Augenbrauen hoch, so als würde auch er denken: Du schon wieder? Dann wirft er einen Blick auf die Oreos in meiner Hand und presst seine schönen Lippen zu einer flachen Linie zusammen. Ja, seine Lippen sind schön. Sie sind gut geformt, breit, nicht zu voll und nicht zu schmal, sondern genau …

Herrgott, ich begaffe seinen Mund. Und er starrt mich an.

Für einen Augenblick scheint die Zeit stillzustehen, so als wären wir Revolverhelden in der Schießerei am O. K. Corral. In diesem Augenblick flammt Hitze in meinem Bauch und zwischen meinen Beinen auf. Entsetzt wende ich mich ab und laufe davon. Wie ein Feigling. Weil ich spüre, dass ich erröte. Es ist schon schlimm genug, zweimal beim Starren ertappt zu werden. Aber noch schlimmer ist es, buchstäblich mit der Hand in der Keksdose erwischt zu werden.

Mein großzügig proportionierter Hintern ist mir nur allzu bewusst, als ich davoneile und dabei an der grinsenden Werbefigur einer Keksfirma vorbeilaufe. Ich ärgere mich über meine Befangenheit, also werde ich langsamer und setze meinen Hintern in Szene, indem ich ein wenig zusätzlichen Schwung in die Bewegung lege.

Dieser kleine Showdown hat mich aus dem Konzept gebracht. Hastig besorge ich mir Tampons und ein neues Duschgel. Dann mache ich mich auf den Weg in den Gang mit der Eiscreme. Ich habe Pläne und dafür brauche ich Kekse, Karamellsoße und mein Lieblingseis: Minz-Schokolade.

Als ich um die Ecke biege, komme ich schlagartig zum Stehen. Der große, dunkelhaarige Fremde mit dem anklagenden Blick öffnet gerade den Tiefkühlschrank mit der Eiscreme und greift nach dem letzten …

»Sie werden nicht das Minzeis nehmen!« Es ist keine Frage.

Er hält inne und zieht erneut die Augenbrauen hoch, dieses Mal ein bisschen höher als vorhin. Er wirkt auch insgesamt ein wenig empörter. Gott, diese Augen. Sie sind grün wie die Sünde und von unglaublich dichten Wimpern umgeben. Mädchenwimpern. Aber sonst ist an ihm nichts mädchenhaft. »Und was passiert, wenn ich es doch tue?«

Ein kleiner Schauer jagt über meine Haut. Er hat nichts mit der eisigen Luft zu tun, die aus dem Tiefkühlschrank weht. Er hat einen ganz leichten britischen Akzent, der nur ansatzweise durchkommt und kaum wahrnehmbar ist. Und seine Stimme? Wow. Sie ist wie Sex und verschwitzte Laken oder heiße Karamellsoße auf zerbröselten Keksen.

Beim nächsten Mal muss ich wirklich etwas essen, bevor ich einkaufen gehe. Ich sollte zur Kasse gehen und mich auf den Heimweg machen.

Aber hier steht das Minzschokoladeneis auf dem Spiel. Ich stapfe durch den Gang, wobei mir nur allzu bewusst ist, wie sich mein Körper durch die beengten Platzverhältnisse schiebt, um näher zu ihm zu gelangen. Mist, dieser Kerl haut einen echt um. Er besteht aus unwiderstehlichen Pheromonen und einem wütenden, schwelenden Blick. Ich wappne mich gegen den Ansturm.

»Ich freue mich schon den ganzen Tag auf dieses Eis.« Und es ist die letzte Packung. Herrgott. Was ist nur mit diesem Laden los? Waren heute schon sämtliche Einwohner der Stadt hier, um ihn zu plündern?

Mein Gegenüber mit dem schwelenden Blick verlagert sein Gewicht und bewegt seinen schlanken Körper näher an mich heran. »Ich habe mich auch darauf gefreut.« Er legt die Hand um den Deckel der Packung.

Auf gar keinen Fall. Oh, der Wettkampf beginnt, Kumpel.

Ich schnappe mir den Boden der Packung. »Sie wollen sich nicht zwischen eine Frau und ihre Eiscreme stellen, Freundchen.«

Er zieht die Brauen zusammen. Gott, er kommt mir wirklich bekannt vor. Nicht auf eine »Oh, wo bist du mein ganzes Leben lang gewesen?«-Weise. Es ist eher im Sinne von: »Warst du kürzlich in den Nachrichten? – und bitte sag mir, dass man nicht über dich berichtet hat, weil du ein möglicher Mordverdächtiger bist«. Sexy Mörderbiest? Klar. Er wirkt definitiv wie ein böser Junge.

Sein dunkles Haar ist an den Seiten kurz, aber oben auf dem Kopf länger. Die wirren Strähnen fallen ihm in die Augen und verheddern sich dort mit seinen irre langen Wimpern. Ich verspüre den verrückten Drang, ihm die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Aber das tue ich nicht.

Sein Blick lässt mich vollkommen erstarren. Du meine Güte, er ist herrisch und absolut selbstsicher. Er strahlt die Art von Arroganz aus, die einem vermittelt, dass er es gewohnt ist, immer seinen Willen zu bekommen. Meine Wahrnehmung von ihm verändert sich erneut, und ich frage mich, ob er ein reicher Kerl ist, der sich unter das gemeine Volk gemischt hat. Sein grauer Pullover besteht aus Kaschmir, und auch wenn sein Mantel und seine Jeans abgetragen sind, sind sie zu gut geschnitten, um Stangenware aus einem Kaufhaus zu sein. In meinem Beruf habe ich mit genug wohlhabenden Männern zu tun gehabt, um hochwertige Kleidung zu erkennen, wenn ich sie sehe.

Er ist entweder reich oder wirklich gut darin, Schnäppchen in Secondhandläden zu machen. Und er kommt mir immer noch seltsam bekannt vor. Ich kann nicht genau sagen warum, und es ist komisch, es nicht zu wissen. Normalerweise bin ich Expertin darin, Menschen zu lesen. Aber dieser Kerl passt einfach nicht in die grundlegenden Kategorien.

Seine Stimme nimmt einen harten Tonfall an. »Sie haben die Oreos, Schätzchen. Ich nehme die Eiscreme.«

Ich presse mir meine wertvollen Vorräte dichter an die Seite. »Die Oreos brauchen die Minze, um vollständig zu sein.«

»›Die Minze‹?« Er lacht kurz auf. »Reden Sie ernsthaft von Eiscreme, als wäre sie eine Art Superkraft?«

»Sie hat zweifellos die Kraft, mich glückselig zu machen.«

Wieder zieht er auf diese herrische Weise die Augenbraue hoch. »Und das soll mich davon überzeugen, sie Ihnen zu überlassen?« Etwas in seinem Blick verfinstert sich, und ich verspüre einen unerwünschten Ausbruch von Hitze auf meiner Haut. »Was ist, wenn ich auch ein wenig Glückseligkeit erleben will?«, murmelt er, und seine Stimme ist dunkel und sexy wie heiße Schokolade.

Oh, er ist gut. Vermutlich bringt er mit dieser schmelzenden Stimme viele Frauen um ihre Eiscreme.

»Tja, das ist Pech für Sie. Auf dieser Eiscreme steht mein Name.« Ich zerre daran, doch sein Griff wird fester und die Packung bewegt sich nicht.

Er lehnt sich dichter an mich heran, und ich erhasche einen Hauch von Seifenduft und Zitronenhonig. »Wenn Sie denken, dass Sie diese Eiscreme bekommen werden, sind Sie verrückt Knöpfchen.«

»Knöpfchen?«

»Sie haben mich schon verstanden.« Dann grinst er und deutet mit einem Nicken in Richtung der anderen Eissorten. »Lassen Sie die Packung los und nehmen Sie sich das Fürst-Pückler-Eis dort drüben. Denn diese Eiscreme hier gehört mir.«

Das ist lächerlich. Ich streite mich nie mit Fremden. Und schon gar nicht mit heißen Kerlen. Normalerweise hätte ich einen Witz über den Mangel an Eiscreme in einem Schneesturm gemacht, dem Fremden einen schönen Abend gewünscht und mich dann auf den Weg gemacht. Ein Konflikt ist nie eine Lösung. Und doch stehe ich jetzt hier und führe mich wie eine Verrückte auf. Dieses Wissen hält mich allerdings nicht davon ab zu knurren: »Ich. Will. Die. Minze.«

Er ist mir so nah, dass ich die kleine Narbe direkt unter seinem linken Auge sehen kann, die halb von seinen langen Wimpern verdeckt wird. Diese Wimpern sind echt unfair. »Keine Chance, Knöpfchen.«

Er nennt mich schon wieder Knöpfchen. Ich habe keine Ahnung, was das bedeutet, aber ich werde jetzt nicht nachgeben. Meine Ehre steht auf dem Spiel.

Keiner von uns bewegt sich. Ich starre ihn an. Er starrt mich an. Auf diese Weise kann ich ihn perfekt lesen. Es ist so leicht wie Atmen.

Komm schon, Knöpfchen. Versuch’s ruhig.

Du denkst also, dass ich dir das Eis nicht abnehmen kann?

Ich weiß, dass du es nicht kannst.

Die Arroganz dieser kleinen stillen Erwiderung geht mir echt auf die Nerven. Stella Grey mag eine durchschnittliche Frau mit wildem Haar und einem Hintern sein, der zu viele Kekse gesehen hat, aber sie ist kein Weichei. Ich ignoriere die Tatsache, dass ich angefangen habe, von mir selbst in der dritten Person zu denken, ebenso, wie ich meine vernünftige Seite ignoriere, die schreit: »Nein! Tu das nicht!« Ich nehme den sprichwörtlichen Fehdehandschuh auf.

Dann stelle ich mich auf die Zehenspitzen und setze zum Todesstoß an.

Und küsse ihn.

John

Es haut mich um. Mit einem Kuss. Und es war nicht mal ein richtiger, leidenschaftlicher Kuss. Nur ein flüchtiger Schmatzer. Schnell und heimlich. Ich hatte kaum Zeit zu reagieren, da war er auch schon wieder vorbei und sie war weg. Aber während dieses kurzen Kontakts war ich voll und ganz davon eingenommen. In diesem einen seltsamen Augenblick war jeder Muskel in meinem Körper angespannt und mein Herz pochte wie wild in meinem Brustkorb. Ich spürte ihre weichen Lippen, die nachgaben und sich an meine schmiegten, sowie ihren warmen Atem, als sie keuchte. Genau wie ich.

Ich keuchte. Was. Zum. Teufel?

Das seltsame Gefühl, das mit dieser Erfahrung einhergeht, macht sich in mir breit und prickelt auf meiner Haut. Es ist das Ende eines beschissenen Tages, vor dem eine beschissene Woche, ein beschissener Monat und ein beschissenes Jahr lagen. Umgeben von so viel Elend bin ich angenehm taub geworden. Ich existiere in einer Welt, in der es weder Höhe- noch Tiefpunkte gibt. Für mich funktioniert das. Das Gleiche gilt für die Durchführung einfacher Aktivitäten, die normale Leute unternehmen. Für kurze Zeitabschnitte benehme ich mich wie ein gewöhnlicher Kerl. Heute Abend kaufe ich Lebensmittel ein, bevor der Sturm die Stadt erreicht. Mir gefällt, wie normal das ist.

Doch diese Normalität ist nun zerschlagen, und ich stehe da und starre mit offenem Mund in die Richtung, in die meine küssende Banditin verschwunden ist. Ganz schwach nehme ich die eiskalte Luft aus dem Tiefkühlschrank wahr, die mein Ohr und meine Wange taub werden lässt. Ich sollte mich bewegen. Aber meine Aufmerksamkeit wird von einer weiteren Empfindung gefesselt. Eine, von der ich gedacht hatte, dass ich sie verloren hätte. Sie sorgt dafür, dass mein Blut heftig und heiß durch meine Venen gepumpt wird und mein Atem unregelmäßig und schnell geht, so als würde ich nach einem anstrengenden Sprint plötzlich abrupt anhalten.

Mein Schwanz ist hart. Und der Auslöser dafür war lediglich ein Küsschen auf die Lippen von einer unscheinbaren Frau. Wieder frage ich mich: Was. Zum. Teufel?

Nun ja, sie ist nicht vollkommen unscheinbar. Vor meinem geistigen Auge kann ich immer noch die schwungvollen Bewegungen ihres Hinterns sehen, dieses prallen, runden Hinterns, der sich auf attraktive Weise gegen den Stoff eines engen schwarzen Rocks schmiegte, während sie sich von mir entfernte. Ein schwarzer Rock, schwarze Leggins, schwarze Kampfstiefel, rotes Haar.

Gott, dieses Haar. Egal wie durchgeknallt diese Frau offensichtlich ist, ihr Haar ist umwerfend. Ihr Haar war mir bereits aufgefallen, als sie in den Laden kam. Ein Rotschopf. Das Haar dieser Durchgeknallten ist von einem schimmernden Rotgold, das an die Farbe eines brandneuen Pennys erinnert. Eine üppige Mähne aus seidigen, lose fallenden Locken, die sich um ihr unscheinbares Gesicht ringeln wie ein Strahlenkranz.

Es war beinahe ein Schock für mich, als sie sich zum ersten Mal in meine Richtung drehte und ich sie in ihrer ganzen Pracht erblickte. Ihr Haar weckt bei einem Mann Erwartungen. Man erwartet Sex und Sünde. Nicht große Augen und Sommersprossen auf einer zuckersüßen Knopfnase. Ich hätte definitiv nicht mit einem sexy Gruftimädchen mit Puppengesicht gerechnet. Sie ist eine Mischung aus dem typischen Mädchen von nebenan und Wednesday Addams.

Ich schüttle leicht den Kopf und versuche, mich zusammenzureißen. Ihr Aussehen spielt keine Rolle, denn diese Frau ist eine mordlüsterne Irre. Warum hat sie mich geküsst? Worüber haben wir uns noch mal gestritten?

Ich werfe einen Blick auf meine eiskalte, leere Hand. Richtig. »Die Minze.«

Ich verziehe meine kalten Wangen zu einem Grinsen. Der Punkt geht an Knöpfchen.

Ich lasse die Tür des Tiefkühlschranks zufallen und nehme die Verfolgung meiner Eiscreme auf.

Sie steht bereits in der Schlange an der Kasse und versucht, sich eine verirrte Strähne ihres schimmernden Haars hinters Ohr zu schieben. Ihre Wange ist auf attraktive Weise gerötet und wird noch röter, als ich mich ihr nähere. Mit ihren weißen Zähnen kaut sie auf ihrer vollen Unterlippe herum, an die ich mich nur zu gut erinnere.

Als ich sie jetzt sehe, erinnere ich mich auch an den aufblitzenden Schock in ihren Augen, als sie mich küsste. So als könnte sie selbst nicht glauben, was sie getan hat. Ich bin noch nie einer Person begegnet, die ich leichter durchschauen konnte. Ich kann förmlich sehen, wie sich diese verrückten kleinen Zahnrädchen in ihrem Kopf drehen, als ich hinter sie schlendere und meinen Korb mit einem lauten Knall auf das Ende des Kassenbands stelle.

Sie rechnet zweifellos mit einer Auseinandersetzung. Und das macht sie eindeutig nervös. Interessant, wenn man bedenkt, dass sie vorhin nicht nachgeben wollte. Eben habe ich mich noch gefragt, ob sie mich verfolgt, womit sie sich definitiv disqualifiziert hätte. Eine Stalkerin kann ich nicht gebrauchen. Doch dann warf sie mir in der Obst- und Gemüseabteilung einen warnenden Blick zu, der dazu führte, dass ich diese Theorie verwarf. Nein, diese Frau will eindeutig nichts mit mir zu tun haben.

Sie hebt die Nase, als würde sie etwas Unangenehmes riechen. Doch sie würdigt mich keines Blickes. Oh nein, Knöpfchen zeigt mir die kalte Schulter. Ihre blasse Hand ruht auf meinem Minzeis mit Schokosplittern, als würde sie befürchten, dass ich es ihr wegschnappen könnte. Ha.

Ich grinse wieder und bewege mich absichtlich viel zu dicht an sie heran. Dann starre ich auf ihren Nacken und auf die cremefarbene Haut, die direkt über ihrer abgenutzten dunkelblauen Bomberjacke sichtbar ist. Ihre Augen sind ebenfalls dunkelblau. Ich verspüre ein plötzliches Verlangen, sie noch einmal zu sehen und ihren herausfordernden Blick auf mir zu spüren.

Komm schon, Knöpfchen, schenk mir deinen trotzigen Blick. Mir ist so verdammt langweilig. Ich fühle mich so taub.

Ich bewege mich noch dichter an sie heran. Nun bin ich ihr nah genug, dass ihr kecker Hintern meinen Schritt streifen würde, wenn sie tief genug einatmen würde. Die Vorstellung sorgt dafür, dass mir allerlei weniger reine, aber sehr viel bessere Ideen in den Kopf kommen. Seltsam, dass diese merkwürdige Frau überhaupt irgendeinen Einfluss auf mich hat. Ihr Haar macht mich definitiv an. Ich habe nur einen Blick darauf geworfen und mir sofort vorgestellt, wie es über meinen harten Schwanz gleitet. Aber sie ist viel zu niedlich für mich. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie mir den Schwanz eher abbeißen als ihn liebkosen würde.

Mit diesem entsetzlichen Gedanken im Kopf verlagere ich mein Gewicht ein wenig nach hinten und mustere die Einkäufe, die sie mit abgehackten, ruckartigen Bewegungen aus ihrem Korb auf das Förderband lädt. Abgesehen von den Damenhygieneartikeln ist fast alles, was sie in ihren Korb gelegt hat, mit meinen Einkäufen identisch. Acht Äpfel der Sorte Honeycrisp, zwei Becher isländischer Joghurt mit Vanillegeschmack, Biomüsli – die Sorte mit den Cranberrys –, Büffelmozzarella, Kirschtomaten, italienisches Brot und ein Mittelstück geräucherter Speck. Es sind exakt die gleichen Sachen. Sie hat sich Oreos geholt. Ich wollte Oreos. Und vergessen wir nicht »die Minze«.

Was zum Teufel hat das zu bedeuten? Wenn sie mich nicht verfolgt und ich zugeben kann, dass ich fast die ganze Zeit über einen Schritt hinter ihr war, wie haben wir es dann geschafft, exakt die gleichen Dinge zu kaufen?

Das ist echt seltsam.

Ich mustere sie erneut. Ich bin ein wenig verärgert und zugegebenermaßen verblüfft, dass ich mir ihrer Anwesenheit extrem bewusst bin. Ist das Anziehungskraft? Ich bin mir nicht sicher. Selbstbewusste Frauen ziehen mich an. Frauen, die absolute Kontrolle ausstrahlen. Okay, normalerweise suche ich mir willige Bräute, die mich anschauen, als wäre ich eine leckere Süßigkeit. Wenn es um Sex geht, bin ich oberflächlich. Verklagt mich doch.

Diese Frau schleicht durch die Gegend, als würde sie versuchen, mit ihrer Umgebung zu verschmelzen. Bis zu dem Augenblick, in dem wir uns gegenüberstanden. Da veränderte sie sich plötzlich. Sie richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf mich und ließ mich nicht aus den Augen. Es war atemberaubend. Elektrisierend. So etwas habe ich so lange nicht mehr gespürt, dass ich das Gefühl zuerst fast nicht erkannt hätte.

Seltsam. Und sie hat offensichtlich keine Ahnung, wer ich bin. Was mir gefällt. Sehr. Obwohl mich nicht jeder erkennt, wissen die meisten Leute in meinem Alter, wer ich bin. Das gilt jedoch nicht für die Minzeisdiebin.

Ich lasse den Blick über sie wandern und weiß, dass sie es spürt. Das kommt mir entgegen, denn es macht sie wütend.

Ihre Gesichtszüge sind eigentümlich. Die Nase ist ein bisschen zu groß, und die runden Wangen passen nicht so recht zu dem eckigen Kinn. Und dann sind da noch die Sommersprossen. Sie sind wie Zimtzucker über ihre Nase und ihre Wangen gestreut. Sie sind gerade dunkel genug, um aufzufallen und dafür zu sorgen, dass man sie zählen und vielleicht mit dem Finger ihre Muster nachziehen will. Ich mochte Sommersprossen noch nie. Sie lenken zu sehr ab.

Sie hat sogar zwei auf ihren Lippen. Das ist definitiv eine Ablenkung.

Aber ihre Augen will ich unbedingt noch einmal sehen. Die Schuld, die in ihnen liegt. Weil sie schuldig ist. Sie steht da, zappelt ein wenig herum und bewacht aufmerksam ihr Essen. Sie ignoriert mich vollkommen. Niedlich.

Ich bleibe dicht hinter ihr und rage über ihr auf wie ein schlechtes Gewissen. Ihre runden Wangen laufen dunkelrosa an, was sich mit den zimtfarbenen Sommersprossen beißt. Ich bringe sie gerne durcheinander, auch wenn ich es nicht tun sollte. Ich kann nicht mal sagen, warum es mir so gefällt, aber da ich stets meinen Instinkten folge, tue ich das auch jetzt.

Die Kassiererin wirft mir einen bösen Blick zu. Zu Recht. Ich bin ein großer Mann, der sich viel zu dicht an eine Frau herandrängt, die allein unterwegs ist.

Ich lächle die Kassiererin an. »Wir kennen uns.«

»Nein, tun wir nicht«, sagt die kleine Eiscremediebin und macht sich nicht die Mühe, sich umzudrehen.

Ich lehne mich vor, und sofort erfüllt der Duft von Mädchenshampoo und einer aus der Fassung gebrachten Frau meine Nase. »Ah, wie kannst du das nur sagen, Knöpfchen? Schließlich küsse ich nicht jeden Tag eine Frau und überlasse ihr dann meine Eiscreme.«

Knöpfchens ganzer Körper scheint zu beben, während sie zwischen Flucht oder Kampf hin- und herschwankt. Ich wette, dass sie sich für die Flucht entscheidet, denn sie ist schon einmal abgehauen. Doch dann richtet sie ihren dunkelblauen Blick plötzlich auf mich. »Ich habe Sie geküsst. Und es war meine Eiscreme.«

Ihre? Ich ziehe eine Augenbraue hoch, während sie rot anläuft. Netter Versuch, du kleine raffinierte Diebin.

Sie zieht ebenfalls eine Augenbraue hoch, um zum Gegenschlag auszuholen. Wer hat die Minze denn jetzt, du Trottel?

Es ist schon ziemlich beeindruckend, wie es ihr gelingt, das Wort »Trottel« so deutlich mit einem bloßen Blick zu kommunizieren. Die Kassiererin reicht Knöpfchen ihr Wechselgeld, und sie dreht sich um, um zu gehen. Das Wissen, dass sie nun aus meinem Leben verschwinden wird, hinterlässt bei mir ein beunruhigendes Gefühl von Verlust.

»Wie heißt du?«, frage ich, weil ich es wissen muss. Vermutlich hat sie einen niedlichen und kecken Namen.

Sie hält inne. »Tut mir leid, ich rede nicht mit Fremden.«

Ich lache bellend. »Klar, du küsst sie nur.«

Küss mich noch mal, dann werde ich dafür sorgen, dass wir uns richtig gut kennenlernen.

Nein. Ich will diese Tussi nicht küssen. Sie ist eine verklemmte Zicke. Vermutlich schließt sie beim Sex die Augen und stellt im Geiste ihren Einkaufszettel zusammen – während sie von einem weiteren Ansturm auf das Minzeis mit Schokosplittern träumt. Sie ist eine böse Diebin, die gute Sachen stiehlt und dafür gesorgt hat, dass ich nun während des Schneesturms nichts zum Naschen habe. Mist, ich sollte zurückgehen und mir das verdammte Fürst-Pückler-Eis holen. Aber ich hasse den Teil mit Erdbeergeschmack. Warum stellen die diesen Mist überhaupt her?

Ich schüttle frustriert den Kopf und konzentriere mich auf Ms Minze. Sie schmunzelt nun in meine Richtung und weiß sehr gut, dass ich keine süßen Leckerbissen bei mir habe. Plötzlich verspüre ich den kindischen Drang, sie an den Haaren zu ziehen oder ihr in den Hintern zu kneifen. Meine Entscheidung könnte so oder so ausfallen.

Das ist versaut und seltsam, Jax.

»Willst du mir wirklich nicht deinen Namen verraten, Diebin?«

»Wie lautet denn Ihr Name?«, schießt sie zurück, als hätte ich keinen.

»John.« Das ist sowohl die Wahrheit als auch eine Lüge. Ich grinse breit. »Und deiner? Ich brauche etwas, das ich der Polizei für ihren Bericht nennen kann.«

Mit hoch erhobenem Kopf schnappt sie sich ihre Einkaufstüten, bleibt dann aber noch mal stehen, um die Oreos herauszuholen – die letzte Packung, die sie sich gesichert hat, bevor ich sie erreichen konnte – und sie auf das Förderband zu knallen.

»Geben Sie den Bullen ein paar Kekse. Vermutlich werden sie Hunger haben, nachdem sie sich Ihr endloses Gejammer anhören mussten.« Damit stapft sie davon. Nun schwingt sie den Hintern nicht hin und her, sondern marschiert wie ein Soldat, was dazu führt, dass ich schon wieder lachen will.

»Ist das alles? So gehen wir jetzt also auseinander?«, rufe ich ihr hinterher.

Die Kassiererin schaut mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Ich muss ihr zustimmen. Denn für einen unbesonnenen Augenblick denke ich tatsächlich darüber nach, Knöpfchen hinterherzulaufen, um herauszufinden, ob ich sie noch ein wenig mehr aus der Fassung bringen kann – trotz meiner Vermutung, dass sie im Bett ziemlich zugeknöpft ist, oder vielleicht gerade deswegen. Ich stehe auf Herausforderungen.

Aber ich kann niemals vergessen, wer ich bin. Das lässt sich ebenso wenig ändern wie meine Augenfarbe. Was auch immer geschehen mag, ich bin und bleibe Jax Blackwood: Berühmt, weil ich der Leadsänger und Gitarrist der Band Kill John bin. Und berüchtigt, weil ich vor zwei Jahren versucht habe, mir das Leben zu nehmen. Jede Frau, mit der ich zu tun habe, wird diese Dinge über mich erfahren. Und von dem Moment an wird dieses Wissen alles zwischen uns überschatten. Ruhm und Schmach sind bestens dafür geeignet, Beziehungen oberflächlich zu halten. Auf diese Weise ist es mir lieber. Sex ist einfach nur Sex. Er ist unterhaltsam, leicht und verschafft allen Beteiligten Befriedigung.

Ms Minzeisdiebin ist eindeutig nicht der Typ für eine schnelle Nummer. Da bin ich mir sicher. Obwohl mir das Wortgefecht mit ihr mehr Spaß gemacht hat, als ich in den vergangenen Monaten hatte, würde ich diesen Augenblick lieber frisch und rein halten, anstatt ihn dadurch zu beflecken, dass ich mit ihr Sex habe, um mich dann aus dem Bett zu rollen, sobald ich fertig bin. Ich schaue ihr hinterher, während sie davongeht, und reibe über die vertraute leere Stelle in meiner Brust. Manche Dinge sollen einfach nicht sein.

2

Stella

Aus irgendeinem nervigen Grund fühlen sich meine Einkaufstüten unglaublich schwer an. Der kalte, harte Klumpen dieser verdammten Minzeiscreme mit Schokosplittern knallt mit jedem Schritt gegen meinen Oberschenkel. Ich unterdrücke die Gedanken an zornige grüne Augen und ein spöttisches Grinsen, während ich mein Wohnhaus betrete. Der Eingangsbereich ist feucht und riecht immer nach schimmeligen Leitungsrohren, aber der rissige schwarz-weiß geflieste Boden und die staubigen Messingarmaturen bieten mir vertraute Behaglichkeit.

Ich kann mich wirklich verdammt glücklich schätzen, dass ich eine bezahlbare Wohnung in der Stadt habe. Das rufe ich mir immer wieder ins Gedächtnis, während ich mein Essen fünf Stockwerke hochschleppe und meine Schritte dabei auf den eisernen Treppenauftritten widerhallen. Es gibt einen Fahrstuhl, falls man das Risiko eingehen will. Nachdem ich einmal drei Stunden lang in dieser winzigen Kabine festgesteckt habe, steht mir nicht der Sinn danach, mein Glück so bald noch mal zu versuchen.

Als ich mein Stockwerk erreiche, will ich nichts essen – ich will mich einfach nur im Bett zusammenrollen und schlafen. Meine Wohnung liegt am Ende des Flurs. Hier oben riecht es nicht nach Schimmel, sondern nach Staub und altem Putz. Ich war elf, als mein Dad mich herbrachte. Ich hatte schreckliche Angst und vermisste meine Mutter so sehr, dass ich vor Schmerz kaum atmen konnte. Doch sie war tot, und mein Vater – der praktisch ein Fremder für mich war – war die einzige Familie, die ich noch hatte. Ich hielt mich dicht an seiner Seite, während er mich durch den Flur zu der kleinen Einzimmerwohnung führte, die unser Zuhause sein würde.

Damals war mein Bett ein kleines Gestell hinter einem Vorhang. Dad schlief auf der Ausziehcouch, wenn er zu Hause war. Manchmal war er tagelang weg und tauchte dann plötzlich wieder auf, als wäre das nichts Besonderes. Als wäre es vollkommen normal, ein Kind sich selbst zu überlassen. Er bezeichnete das immer als Lektionen im »Abhärten«.

Nun ist er endgültig fort, und die kleine Wohnung fühlt sich praktisch wie ein Palast an. Ich vermisse meinen Dad nicht. Es gibt Tage, an denen ich ihn regelrecht hasse. Aber das scheint mich nicht davon abzuhalten, mich zu fragen, wo er ist. Ich will sein Gesicht noch ein einziges Mal sehen, wenn auch nur, um ihn dafür zu verdammen, dass er mich im Stich gelassen hat. Also warte ich hier in dieser mietpreisgebundenen Wohnung, die auf den Namen meiner verstorbenen Großtante läuft. Hier drückt der Hausmeister ein Auge zu, genau wie er es für meinen Dad getan hat – solange ich ihm jeden Monat ein paar Hundert Dollar zustecke.

Deswegen halte ich auch abrupt inne, als ich den weißen, offiziell wirkenden Umschlag entdecke, der an meine Tür geklemmt ist. Mein Herz gerät aus dem Takt, als ich ihn dort vor der ungleichmäßigen schwarzen Farbe der Tür hängen sehe. Ich öffne den Umschlag nicht, als ich in der Wohnung bin. Stattdessen konzentriere ich mich darauf, meine Einkäufe wegzuräumen, meine Klamotten aus- und meinen Schlafanzug anzuziehen und mein Haar zu bürsten. Ich tue alles, um nicht diesen Umschlag anschauen zu müssen.

Erst als ich die Anspannung in meinem Nacken nicht mehr ertragen kann, reiße ich ihn schließlich auf. Meine Finger werden kalt und meine Welt wird gleichzeitig ein wenig kleiner und sehr viel leerer. Mein Mietshaus wird in ein Gebäude mit Eigentumswohnungen umgewandelt. Wenn ich tatsächlich meine verstorbene Großtante Agnes wäre, hätte ich die Möglichkeit, mir eine dieser neuen Wohnungen zu kaufen. Allerdings bin ich nicht Agnes und ich habe keine sechshundertfünfzigtausend Dollar, die ich benötigen würde, um mir meinen kleinen Teil von Manhattan zu kaufen.

»Es geht immer nur um die Lage«, murmle ich und zerknülle das Schreiben.

Die ganze unschuldige Freude, die ich nach dem Flirt mit einem heißen Kerl empfunden hatte, ist verpufft. Schon bald werde ich obdachlos sein. Die letzte Verbindung zu meinem Dad wird durchtrennt sein. Ich weiß nicht, warum mich das kümmert. Er war ein mieser Vater. Und doch kann ich jetzt nur auf der abgenutzten Couch sitzen, die er einst sein Bett nannte, auf den Boden starren und mich so verdammt einsam fühlen, dass mein ganzer Körper zittert.

Instinktiv will ich aufstehen und mich schnurstracks in die vertraute Sicherheit von Hanks Flughafen begeben. Ich brauche Raum. Ich will den Boden tief unter mir und den blauen, blauen Himmel über meinem Kopf sehen. Aber der Himmel ist aufgrund des herannahenden Schneesturms wolkenverhangen und grau. Und man sollte nie fliegen, wenn man emotional abgelenkt ist.

Also sitze ich hier allein fest und habe keine Möglichkeit, dieser neuen Realität zu entkommen. Ich kann aufgeben und mich vom Leben überrollen lassen. Ein Teil von mir will das tun.

Stattdessen greife ich nach meinem Handy und tätige ein paar Anrufe.

John

Wenn man seinen Traum lebt, fühlt sich nichts real an. Das ist schon immer mein Problem gewesen. Ich hatte nie etwas Verlässliches, woran ich mich festhalten konnte. Ja, ich habe meine Musik, die Band, den Ruhm, aber das alles erdet mich nicht. Das alles sorgt nur dafür, dass ich mich vom Leben berauschen lasse. Ich lebe für diesen Rausch, für die Augenblicke auf der Bühne, in denen ich mich unverwundbar fühle und glaube, alles tun zu können. Nichts auf dieser Welt schlägt dieses Gefühl. Die Musik ist meine Seele, und wenn ich spiele, bin ich unsterblich.

Aber man kann nicht sein ganzes Leben für einen einzigen Augenblick leben. Und der Absturz aus dieser unmöglichen Höhe schmerzt.

Wie soll man weitermachen, wenn man so tief gefallen ist, wie es nur geht? Indem man einen winzigen Schritt nach dem anderen macht. Zumindest sagt das meine Therapeutin. Man muss jeden Tag einen Schritt machen. An manchen Tagen wird sich das banal anfühlen. Und an anderen wird es eine regelrechte Qual sein.

Wegen einer Routineuntersuchung zum Arzt zu gehen fällt in eine Kategorie, die irgendwo zwischen Qual und Banalität liegt. Aber wenn man beinahe gestorben wäre, respektiert man seine Gesundheit plötzlich ein bisschen mehr. Also bin ich jetzt hier und sitze auf einem unbequemen Stuhl im Wohnzimmer meiner Privatärztin. Denn auch wenn ich so etwas Banales wie eine Routineuntersuchung über mich ergehen lassen muss, bin ich immer noch ich. Und der Ruhm verlangt nach vollkommener Anonymität, wenn man zum Arzt geht.

Dr. Stern lässt mich nicht warten. Sie betritt das Zimmer mit einem freundlichen, aber nichtssagenden Lächeln, das sie einem vermutlich während des Medizinstudiums beibringen. »Hallo, Jax. Wie geht es Ihnen?«

»Ganz gut. Mein Hals schmerzt ein wenig, aber das ist nach einer Tour immer so.« Wenn man jeden Abend singt, macht sich das irgendwann bemerkbar. Ich habe so viel verdammten Tee mit Honig und Zitrone getrunken, dass mir das Zeug mittlerweile aus sämtlichen Poren quillt.

Sie schürzt die Lippen, was mich misstrauisch werden lässt. »Warum setzen Sie sich nicht auf die Couch? Dann schaue ich mir das mal an.«

Ich nehme Platz und lasse zu, dass sie meinen Hals begutachtet und betastet. »Haben Sie irgendwelche anderen Probleme? Schmerzen oder Beschwerden in anderen Bereichen?«

»Anderen Bereichen?« Ich runzle die Stirn, und mein Herz schlägt ein wenig schneller, auch wenn ich nicht weiß, warum. Etwas an ihrer vorsichtigen Miene stört mich. »Nein. Warum?«

Sie tritt einen Schritt zurück und greift nach einer Aktenmappe, die auf einem Beistelltisch liegt. »Ich habe Ihre Laborwerte erhalten.«

Da ich neuerdings beschlossen habe, verantwortungsvoll zu sein, lasse ich mich nun unter anderem regelmäßig auf sexuell übertragbare Krankheiten testen. Ich schäme mich zuzugeben, dass ich mich in jüngeren Jahren nicht wirklich darum gekümmert habe. Aber ich will verdammt sein, wenn ich jetzt Schindluder mit meiner Gesundheit treibe. Trotzdem gefällt mir der Ausdruck in Sterns Augen nicht.

»Okay«, sage ich vorsichtig.

Dr. Stern starrt mich sehr lange an. »Wie es scheint, haben Sie eine Chlamydieninfektion, Jax.«

Blut rauscht in meine Ohren. »Was? Nein. Was?«

Sie wirft einen Blick auf meine Krankenakte und schaut dann wieder mich an.

»Aber ich benutze Kondome«, beharre ich. Ich klinge nun ein wenig panisch, und meine Haut fängt an zu kribbeln. »Jedes. Mal.« Was das angeht, bin ich verflucht vorsichtig. Ich vertraue sogar nur meinen eigenen Kondomen. Abgesehen von der Bedrohung durch Krankheiten würde ein winziges Loch ausreichen und schon könnte ich eine Frau mit Kind am Hals haben. Und das wird nicht passieren.

»Leider«, sagt Dr. Stern, »kann man sich Chlamydien auch durch Oralsex zuziehen.«

Ich starre sie an.

Dr. Sterns Tonfall ist mitfühlend. »Die Infektion befindet sich in Ihrem Rachen, Jax. Was Sinn ergeben würde, wenn Sie sich durch Oralsex angesteckt haben. Die Schmerzen, die Sie verspüren, sind ein Symptom. Zum Glück haben wir die Infektion früh entdeckt.«

Oral? Ich habe es einer Tussi mit dem Mund besorgt und sie hat mir eine sexuell übertragbare Krankheit angehängt? Mein Magen rebelliert. »Rachen? Man kann eine sexuell übertragbare Krankheit im verdammten Rachen bekommen?«

»Es ist weniger verbreitet, aber ja.«

Wo zum Teufel war ich, als wir das im Sexualkundeunterricht durchgenommen haben? Vermutlich habe ich die Stunde geschwänzt. Das kommt davon, wenn man seine Jugend verschwendet. Ich zwicke mir in den Nasenrücken und versuche, mich zu beruhigen.

Dr. Stern redet immer noch. »Verspüren Sie während des Wasserlassens ein Brennen? Haben Sie Schmerzen oder Missempfindungen in den Hoden?«

»Was? Nein.« Ich setze mich aufrechter hin. »Nein, nichts davon. Meinem Schwanz geht es gut.«

Sie schenkt mir ein geduldiges Lächeln, das mich fast in den Wahnsinn treibt. »Trotzdem wäre es besser, wenn ich eine vollständige Untersuchung durchführen würde.«

»Eine vollständige Untersuchung?« Sofort bin ich alarmiert.

Sie blinzelt nicht mal. »An Ihrem Penis und Anus, damit ich …«

»Oh, verdammt.« Ich fahre mir durchs Haar. Das darf doch wohl nicht wahr sein.

Dr. Stern legt mir eine Hand auf die Schulter. »Das Gute ist, dass man diese Infektion leicht behandeln kann. Ein Antibiotikum sollte das Problem schnell beheben.«

Was toll ist, aber sie hat vor, meinen Schwanz zu betasten und mir in den Hintern zu leuchten. Ich zucke zusammen und reibe mir übers Gesicht. »Verdammt noch mal.« Ein weiterer Gedanke überkommt mich, und ich muss mich beinahe übergeben. »Oh verflucht, ich werde meine letzten Sexualpartnerinnen kontaktieren müssen, oder?«

Ein schwarzes Loch der Demütigung öffnet sich vor mir, als sie nickt. »Das wäre verantwortungsvoll von Ihnen, Jax.«

Und ein PR-Albtraum aus der Hölle. Die Öffentlichkeit hat mich schon seit zwei Jahren genau im Blick, weil ich der Kerl bin, der versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Die Leute fragen sich, ob ich es erneut versuchen werde. Was ich jetzt denke. Ständig diese Fragen. Ständig beobachten sie jede meiner Handlungen. Und nun werden sie sich auch noch mit Sexwitzen über mich lustig machen. Ja. Ich bemitleide mich. Und es ist mir egal. Denn ich weiß, dass ich es Scottie und Brenna erzählen muss.

»Mist, Mist, Mist.«

»Das kommt alles wieder in Ordnung, Jax.«

Oh, diese Ironie. Jedes Mal wenn mir das jemand versichert, passiert etwas anderes, um mich wieder zu Boden zu stoßen.

Sie hat diesen Blick aufgesetzt, mit dem Ärzte einen bedenken, wenn sie wollen, dass man sich wegen seines Lebenswandels schlecht fühlt. »Wann hatten Sie zum letzten Mal sexuellen Kontakt mit jemandem?«

»Vor etwa einem Monat.« Ehrlich gesagt war es nicht mal besonders gut, weder für mich noch für meine Partnerin. Und ich bin endlich aufgewacht und habe erkannt, dass ich bezüglich dieser sinnlosen Affären vielleicht mal auf die Bremse treten sollte.

»Mmm … Tja, die Inkubationszeit variiert zwischen ein paar Tagen und ein paar Monaten. Allerdings zeigen sich die Symptome normalerweise etwa ein bis drei Wochen nach der Infektion. Ich würde sagen, dass Sie mit Ihrer letzten Partnerin anfangen und sich von dort aus vorarbeiten.«

Ich werde mir nicht die Mühe machen, ihr die Anzahl der Partnerinnen zu verraten, die ich in dieser letzten Woche damals hatte. Ich fahre erneut mit einer Hand über mein Gesicht und halte dann inne. Entsetzen überkommt mich.

»Doc, letztens hat mich eine Frau in einem Lebensmittelladen geküsst.« Ah, das waren gute Zeiten. Sofort blitzt vor meinem inneren Auge das Bild der niedlichen kleinen Minzeisdiebin auf, die mit aufreizenden Bewegungen davongeht. Dann blinzle ich, damit es verschwindet.

Sie kämpft sichtlich gegen ein Lächeln an. »Warum überrascht mich das nicht?«

Seltsamerweise überrascht es mich immer noch. Ich werde ständig angebaggert. Aber diese Angebote sind immer ein wenig direkter. Würdest du gerne vögeln? Ja, bitte, klar, toll. Die Minzeisdiebin hat mich geküsst, um mich abzulenken. Dafür bewundere ich sie immer noch.

»Die Sache ist die: Ich weiß nicht, wer sie war. Was ist, wenn …« Oh verdammt, ich kann der Minzeisdiebin nicht gegenübertreten und ihr sagen, dass sie sich auf eine sexuell übertragbare Krankheit untersuchen lassen soll. »Könnte ich sie …«

»Nein, Jax«, fällt mir Dr. Stern ins Wort. »Man kann Chlamydien nicht durchs Küssen übertragen. Auch nicht durch das Teilen von Getränken. Das funktioniert nur durch sexuelle Aktivitäten wie Penetration oder Oralverkehr.«

Erleichtert lasse ich die Schultern nach unten sacken. »Tja, das ist gut.«

Dr. Stern tätschelt erneut sanft meine Schulter. »Ich werde Ihnen einen Moment geben, damit Sie sich einen Kittel anziehen können, und dann fangen wir an.«

Richtig, die Untersuchung. Großartig. Einfach großartig.

Stella

Wenn ich schlafe und mein Telefon klingelt, gehe ich normalerweise nicht dran. Da mein Telefon jedoch unter meiner Wange liegt und mich sein schrilles Klingeln gerade fast zu Tode erschreckt hat, bin ich ein wenig geneigter, den Anruf entgegenzunehmen.

Ich fummele herum, um das verdammte Ding zum Schweigen zu bringen, und schaffe es, mir einen Schlag ins Gesicht zu verpassen, bevor ich die Taste finde, um den Anruf anzunehmen.

»Verfl… Hallo?«

Am anderen Ende herrscht eine ganze Weile lang Stille. Es ist die Art von Stille, die deutlich macht, dass am anderen Ende zwar jemand dran ist, derjenige aber noch darüber nachdenkt, ob er sprechen soll oder nicht.

Seufzend rolle ich mich auf den Rücken. »Sie haben mich fluchen gehört, oder?«

Das ist nicht gut, da das meine geschäftliche Telefonnummer ist und manche potenziellen Kunden ohnehin schon nervös genug sind.

Jemand räuspert sich, und dann spricht endlich ein Mann mit einer Stimme, die wie frische Bettlaken klingt. »Spreche ich mit Ms Grey?«

Tja, hallo, James Bond. Ich reibe meine Wange und setze mich auf. »Ja, hier ist Ms Grey. Die meisten Leute nennen mich Stella. Was kann ich für Sie tun?« Mist, das war echt elegant. Du willst wie Dad reden und klingst dabei wie ein Trottel, Stells.

Der Bond-Typ sieht das eindeutig ähnlich. Er gibt einen zweifelnden Laut von sich. »Mein Name ist Mr Scott. Ich habe Ihre Kontaktinformationen von Aaron Mullins erhalten.« Der zweifelnde Laut erklingt erneut und dieses Mal wirkt er stärker. »Er sagte, dass Sie eine verlässliche Person seien und an einer Haustierbetreuung interessiert sein könnten.«

Oh Mist. Der Traumjob. Gestern Abend erwähnte Aaron, ein alter Kunde, das als einfache Lösung für mein aktuelles Problem mit der Obdachlosigkeit, dem ich mich stellen muss, wenn in drei Wochen mein Untermietervertrag ausläuft.

»Ja«, platzt es aus mir heraus. »Katzenbetreuung, richtig? Aaron meinte, Sie würden nach jemandem suchen, der das langfristig übernehmen kann. Zwei Monate, oder?«

»Eigentlich sind es vier. Mein Kunde wird eine längere Reise unternehmen und will das Tier nicht mitnehmen.«

Der Kerl ist unterkühlt, so viel kann ich sagen. »Tja, es wäre sehr viel besser für … Tut mir leid, wie heißt die Katze?«

Eine weitere Pause entsteht. Dann räuspert er sich. »Stevens.«

»Die Katze heißt Stevens?« Das klingt wie der Name eines Butlers. Das überrascht mich nicht. Der Kerl am Telefon hört sich an wie ein Typ, der einen Butler haben würde.

Außerdem klingt er verärgert. »Ja.«

Etwas huscht am Rand meines Verstands herum. Und dann lächle ich. »Sie meinen wie Cat Stevens? Der Musiker?« Ich verkneife mir ein Kichern.

»Ich bin überrascht, dass Sie von dem Mann gehört haben«, sagt Mr Scott trocken. »Ich wäre davon ausgegangen, dass er nicht in das Interessengebiet Ihrer Altersgruppe fällt.«

»Aufgrund meines Berufs mache ich es mir zur Aufgabe, eine Menge Fakten zu kennen, von denen die meisten in der heutigen modernen Gesellschaft nutzlos sind.« Argh. Ernsthaft, halt einfach den Mund, Stells. Du wirst diesen Kerl noch vergraulen.

»Und was genau machen Sie beruflich, Ms Grey?«

»Ich bin gewissermaßen eine Alleskönnerin.« Manche würden sagen, dass mich das zu einer planlosen Faulenzerin macht. Aber ich habe es mit einem normalen Job mit regelmäßigen Arbeitszeiten versucht. Das hat für mich nicht funktioniert.

»Das sollte nützlich sein. Einmal die Woche kommt eine Haushälterin vorbei, also wird von Ihnen nicht erwartet, dass Sie putzen. Allerdings ist da noch der Goldfisch.«

»Faszinierend.« Ich stehe aus dem Bett auf und gehe ins Bad, um einen Blick in den Spiegel zu werfen. Du meine Güte, so zerzaust war mein Haar lange nicht mehr. »Wie heißt er?«

»Hawn«, sagt er.

»Wie Han Solo?«

»Nicht Han. Hawn. Das schreibt sich H-A-W-N.«

Ich will mir gerade die Haare aus dem Gesicht streichen und halte mitten in der Bewegung inne. »Goldie Hawn?«

Mr Scott seufzt, während ich lache.

»Heiliger Strohsack«, bringe ich zwischen meinem Gelächter hervor. »Wer ist Ihr Kunde?«

Mr Scotts Stimme ist jetzt eisig, und ich kann die Kälte regelrecht spüren. »Die wichtigste Anforderung dieser Stelle besteht darin, dass die Privatsphäre meines Kunden unter allen Umständen gewahrt werden muss.«

»Ähm … okay. Dann werde ich vermutlich ablehnen müssen, Mr Scott.« Was deprimierend ist. Aaron hat mir erzählt, dass zu dem Job ein kostenloses Zimmer inklusive Verpflegung in einem Penthouse in Chelsea gehöre. Da ich bald obdachlos sein werde, wäre das sehr praktisch gewesen.

Eine weitere Pause entsteht, und ich habe so langsam das Gefühl, dass er vollkommene Zustimmung erwartet hat. »Nur damit ich das richtig verstehe: Sie haben ein Problem damit, die Privatsphäre meines Kunden zu respektieren?«

»Nein. Ich würde nicht mal im Traum daran denken, in sie einzudringen. Aber wie ich schon sagte, habe ich noch ein paar Nebenjobs. Manchmal besuchen mich andere Kunden.«

Stille macht sich zwischen uns breit.

»Kunden?« Der zweifelnde Tonfall ist zurück.

»Es ist nichts Illegales oder Anrüchiges.« Ich erzähle Mr Scott von meiner Arbeit. Die Stille am anderen Ende der Verbindung wird noch schwerer. Ich komme mir immer dämlicher vor, während ich mich diesem Mann erkläre, der praktisch ein Fremder für mich ist. »Sie sehen also«, beende ich meine Ausführungen, »dass ich Haustiere zwar liebe und mich gerne für Ihren Kunden um sie kümmern würde, aber meine anderen Jobs deswegen nicht vernachlässigen kann.«

Mr Scott brummt, und dann ist seine Stimme plötzlich wieder ganz steif und herrisch. »Mr Mullins ist ein alter Freund meiner Frau. Er hat Sie mir wärmstens empfohlen …«

Das sollte er auch. Er war einer meiner ersten Kunden, und ich habe ihm einen guten Dienst erwiesen. Aber ich halte den Mund. Schließlich schütze ich die Privatsphäre meiner Kunden ebenso sehr.

»Meine Frau vertraut auf sein Urteilsvermögen, und ich vertraue auf das Urteilsvermögen meiner Frau. Sofern Sie zustimmen, Ihre Kunden lediglich in die Gemeinschaftsräume zu lassen, bin ich bereit, in Bezug auf Besucher ein Auge zuzudrücken. Zusätzlich zu Unterbringung und Verpflegung enthält das Angebot eine finanzielle Vergütung.« Er nennt einen Betrag, der dafür sorgt, dass ich auf den kalten Badezimmerboden sinke.

Mit diesem Betrag und der Tatsache, dass ich mir monatelang keine Gedanken um die Miete machen müsste, könnte ich ein gewaltiges finanzielles Polster ansparen. Ich könnte mir endlich das Auto kaufen, das ich brauche, und müsste mich nicht mehr auf den Zug verlassen, um nach Long Island zu gelangen. Und ich müsste Hank auch nicht mehr bitten, mich jedes Mal vom Bahnhof abzuholen. Ich müsste mich nicht mehr um jeden Job bemühen, der sich ergibt. Ich könnte ein wenig durchatmen.

Mr Scott redet immer noch. »Sie müssen sofort einziehen, weil ein Sturm im Anmarsch ist und mein Kunde bereits die Stadt verlassen hat.«

Ach ja, der Schneesturm. Er wird heute Abend hier sein.

»Das ist kein Problem. Ich brauche nicht lange, um zu packen.« Meine Wohnung kann ich nächstes Wochenende ausräumen.

»Sehr gut. Innerhalb der nächsten Stunde wird Ihnen ein Kurier in Ihrer Wohnung ein Päckchen mit Anweisungen zustellen.«

Wow. Das nenne ich mal effizient. »Ich werde darauf warten.«

»Eine Sache noch. Das Penthouse liegt direkt neben einer anderen Wohneinheit, mit der es sich eine Wand teilt. Beide Wohnungen gehören meiner Firma. Sollten Sie irgendein … Problem mit Ihrem Nachbarn haben, würde ich es zu schätzen wissen, wenn Sie mich direkt kontaktieren würden, bevor Sie sich bei dem Bewohner melden.«

Okay … Das ist wirklich seltsam.

»Sie klingen fast so, als würde es auf jeden Fall Probleme geben, Mr Scott. Gibt es etwas, das ich über meinen neuen Nachbarn wissen sollte?« Zum Beispiel, ob er oder sie ein messerschwingender Psychopath ist. Und was zum Teufel soll das überhaupt bedeuten? Probleme? Was für Probleme? Legt diese Person Feuer, wenn man sie verärgert? Schaut sie Pornos bei voller Lautstärke? Was ist das für ein Mensch?

»Er neigt dazu, häufig zu verreisen. Höchstwahrscheinlich werden Sie nicht mal bemerken, dass er da ist, Ms Grey«, sagt Scott ruhig. »Es ist lediglich eine Vorsichtsmaßnahme. Sie haben Ihre Kunden, ich habe meine. Meine benötigen ein Maximum an Privatsphäre, das ist alles.«

So langsam frage ich mich, ob seine Kunden internationale Verbrecher sind. Aber jemand, der seine Haustiere nach Berühmtheiten benennt und auch noch Wortspiele daraus macht, kann kein vollkommen schlechter Mensch sein. Was den Nachbarn angeht – der, den man nicht stören darf –, werde ich mich wohl einfach auf Mr Scotts Wort verlassen müssen.

Außerdem gibt es wichtigere Dinge, um die ich mir Gedanken machen muss, wie zum Beispiel das Leben in einem Penthouse und eine Katze namens Stevens.

3

John

Hier zu bleiben war ein Fehler. Schon nach den ersten Berichten über den herannahenden Schneesturm hätte ich in ein Flugzeug steigen und die Stadt verlassen sollen. Ich hätte in meine Wohnung in London gehen können. Oder in den Süden, wo es warm und sonnig ist. Ein oder zwei Wochen an irgendeinem Strand zu verbringen, Bier zu trinken und eine willige Frau zu vögeln wäre genau das Richtige gewesen.

Aber nein, ich musste mich ja allein hier einsperren, wo mir nur die Stille Gesellschaft leistet. Für längere Zeit allein zu sein tut mir nicht gut. Manche würden das vielleicht als Schwäche bezeichnen. Für mich ist es einfach nur ein Aspekt meiner Persönlichkeit. Wenn ich zu lange allein bin, können meine Gedanken leicht in eine düstere Richtung wandern.

»Zum Teufel damit.« Ich reibe mir die Augen und trete zur Fensterfront. Ich sehe lediglich verschwommenes weißes Chaos und kann gerade so erkennen, wie sich der Schnee am unteren Rand des Fensters auftürmt. Plötzlich überkommt mich das Gefühl, vollkommen verloren zu sein, und ich lege eine Hand auf die kalte Glasscheibe. Rein vom Verstand her weiß ich, wo ich bin – in New York City in einem Penthouse im Wert von dreißig Millionen Dollar, das ich mir von meinem Taschengeld gekauft habe. Ich bin der König der Welt, was?

Ein König, der es nicht ertragen kann, in der Stille herumzugeistern.

Mit einem Schnauben wende ich mich vom Fenster ab. Ich habe Hunger und sollte etwas essen. Den Kühlschrank anzustarren hilft nicht. Ich kann nur an das Minzeis mit Schokosplittern denken, das mir entwischt ist. Ein Lächeln zupft an meinen Mundwinkeln.

Ich kann diesen süßen, keuschen Kuss, den mir meine Minzeisdiebin gegeben hat, immer noch spüren. Libby, Sophie und Brenna sind die einzigen Frauen in meinem Leben, die mich nicht wie einen verehrten Gott oder einen traurigen Fall behandeln, der jeden Moment durchdrehen könnte. Aber sie sind im Grunde genommen ein ungezogener Haufen Schwestern, die sich ständig in meine Angelegenheiten einmischen. Ich hatte fast vergessen, wie es sich anfühlt, mit einer Frau zu reden, die nicht weiß, wer ich bin.

Diese seltsame Eisdiebin, der ich den Spitznamen Knöpfchen verpasst habe, hat wie eine Kriegerin um ihr Eis gekämpft. Sie war wirklich verflucht niedlich. Und an diesem Punkt bin ich in meinem Leben mittlerweile angekommen – mich in einem Lebensmittelladen mit einem verrückten Rotschopf zu streiten macht mir mehr Spaß, als in einen Club zu gehen oder eine Party mit lauter berühmten Leuten zu besuchen.

Ich lache leise in mich hinein und versuche mir vorzustellen, was passiert wäre, wenn ich sie gebeten hätte, etwas mehr Zeit mit mir zu verbringen. Nicht um zu vögeln, sondern um gemeinsam zu Abend zu essen, einen Film zu schauen und uns das Eis zu teilen. Grundschulkram.

Das Konzept hat so wenig mit meinem Leben zu tun, dass ich es mir nicht mal richtig vorstellen kann. So was würde ich ohnehin niemals tun. Nicht, wenn dahinter das Risiko lauert, den Klatschzeitungen Material zu liefern. Ich bin, wer ich bin, und in meinem Leben ist kein Platz für zufällige Freundschaften mit fremden Frauen.

Man sollte sich an die Leute halten, die man kennt. Diese Lektion habe ich schon sehr früh gelernt – und zwar auf schmerzhafte Weise.

Ich schlage die Kühlschranktür zu und ziehe mein Handy hervor. Auf mich warten mindestens fünfzig Textnachrichten.

Hey, Babe, bist du in der Stadt? Würde dich gerne wiedersehen!

Ich denke immer noch an unsere gemeinsame Nacht. Ich brauche dich dringend.

Jax, du bringst meine Welt zum Beben.

Ich höre auf, durch die Nachrichten zu scrollen, und drücke stattdessen auf Löschen. Innerlich ist mir plötzlich ganz kalt, und meine Haut fühlt sich klamm an. Ich erinnere mich an keine einzige dieser Frauen, und das kommt mir tragisch vor. Ich liebe Frauen. Wirklich. Ich liebe ihre Weichheit, ihren Geruch, den Klang ihres Gelächters, das Gefühl, das mich überkommt, wenn ich in sie eindringe. Ich liebe Sex. Vögeln ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens, ein Stresskiller – und eine Möglichkeit zu vergessen. Und obwohl ich es in letzter Zeit langsamer habe angehen lassen, war die Gelegenheit für schnellen Sex immer da, falls ich ihn brauchte.

Jetzt ist diese Option vollkommen verschwunden. Sie wurde mir durch ein paar einfache Testergebnisse genommen. Ich habe andere nie aufgrund ihrer sexuellen Vergangenheit beurteilt. Einer meiner Mentoren infizierte sich in den späten Achtzigern mit HIV. Er überlebte und geht offen damit um, und das finde ich verflucht mutig. Also warum kann ich dann nicht dieses Gefühl abschütteln, dass ich unrein bin? Ich schäme mich. Auf meiner Haut klebt das schmutzige, falsche Gefühl des Versagens.

Den Verlust spüre ich ebenfalls. Aber nicht so stark. In letzter Zeit fällt es mir immer schwerer, mich mit Sex abzulenken. Mein Verstand drängt sich immer wieder in den Vordergrund.

Als ich das letzte Mal mit einer Frau zusammen war, hatte ich kaum angefangen, als mich schon das schlechte Gewissen piesackte. Machte sie sich irgendwelche Hoffnungen? Hatte sie Träume? Ging sie davon aus, dass ich sie am nächsten Tag anrufen würde? Und wenn ich es nicht tun würde, würde sie das verletzen? Mein Schwanz wurde so schnell schlaff wie ein Luftballon nach der Begegnung mit einem Dartpfeil. Letztendlich besorgte ich es ihr mit dem Mund, damit sie keine Fragen stellte. Und als ich ging, fühlte ich mich schmutzig und billig und war wütend auf mich selbst.

Gott, das muss die fragliche Frau gewesen sein. Ich bin dem eigentlichen Sex aus dem Weg gegangen und hab als Quittung Chlamydien bekommen.

Ich lache schnaubend, aber es klingt nicht humorvoll. Ich muss diese Frau darüber informieren und kann mich nicht an ihren Namen erinnern. Ich kann mich, was sie betrifft, an gar nichts mehr erinnern, abgesehen von der Tatsache, dass sie pinkfarbene Haare hatte und im Intimbereich gewachst war.

»Mist.«

Also werde ich so bald nicht mehr nach einer schnellen Nummer suchen. Weswegen ich hier jetzt ganz allein hocke. Und das ist nie gut für mich.

Ich greife erneut nach dem Handy und rufe Killian an. Es tutet und tutet, und ich habe keine Ahnung, wie spät es dort ist, wo Killian sich gerade aufhält. Deswegen lege ich jedoch nicht auf.

Er geht dran und klingt wach. »Was gibt’s, J.?«

»Erklär mir noch mal, warum du und Libby für vier Monate nach Australien ziehen musstet. Denn diese Ausrede, dass ihr sehen wollt, wie sich das Wasser in der Toilette beim Spülen in die andere Richtung dreht, kaufe ich euch nicht ab.«

Killian lacht. »Libby hat sich in das Land verliebt, als wir Scottie besucht haben.«

»Besucht ist hier das entscheidende Wort. Verdammt, Scottie ist doch schon längst wieder in New York. Und jetzt seid ihr in Australien.«

Ich gebe mir Mühe, mich nicht im Stich gelassen zu fühlen, aber es fällt mir schwer.

»Was soll ich sagen? Libby und ich wollen die Südhalbkugel erkunden. Und ich versuche, tagelange Flüge zu vermeiden, während wir das tun. Das gestaltet sich deutlich einfacher, wenn wir eine Weile hierbleiben.«

So ist unser Leben – wir können einfach monatelang verschwinden und uns amüsieren, ohne uns Sorgen machen zu müssen. Kill John hat gerade eine lange Welttournee hinter sich, und momentan schreiben wir keine neuen Lieder, sondern »tanken neue Kräfte«, wie Whip es ausdrücken würde. Das bedeutet, dass die Jungs alle herumvögeln und sich amüsieren, damit wir uns nicht gegenseitig umbringen, wenn wir schließlich wieder zusammenkommen, um wieder von vorne anzufangen.

Zu grübeln wirkt kleinlich. Und doch bin ich nun hier und grüble. »Ich sage ja nur, dass du mich endlich davon überzeugt hast, aus meiner absolut tadellosen Wohnung auszuziehen …«

»Deiner Omawohnung«, fällt er mir ins Wort.

»Ich habe sie von meiner Großmutter geerbt.«