Ihr Geheimnis - Samantha Cole - E-Book

Ihr Geheimnis E-Book

Samantha Cole

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Beschreibung

Bleiben würde bedeuten, ihr beider Leben zu riskieren. Fliehen würde bedeuten, ihr Herz zurückzulassen…
Auf der Flucht vor korrupten Bullen und Drogen-Dealern hetzt Moriah von Stadt zu Stadt, Bundesstaat zu Bundesstaat, kämpft um ihr Leben und ist ihren Verfolgern immer einen Schritt voraus.
KC ist auf einem zweiwöchigen Urlaub von der Marine, als er im Strandhaus seines Onkels ankommt und auf eine schöne junge Frau trifft, die eine Pistole auf ihn richtet.
Als die beiden widerwillige, vorübergehende Mitbewohner werden, bietet KC an, Moriah in Selbstverteidigung auszubilden. Aber wird KC, als die Vergangenheit Moriah einholt, das Netz aus Lügen akzeptieren, in das sie verstrickt ist? Und kann Moriah ihm ihr Leben anvertrauen?

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Seitenzahl: 280

Veröffentlichungsjahr: 2024

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MALONE-BRÜDER: IHR GEHEIMNIS

MALONE BRÜDER

BUCH EINS

SAMANTHA COLE

Übersetzt vonSABINE BURMESTER

Ihr Geheimnis

Copyright ©2016 Samantha A. Cole

Alle Rechte vorbehalten.

Suspenseful Seduction Publishing

Ihr Geheimnis ist ein fiktives Werk. Namen, Personen, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten sind entweder der Phantasie der Autorin entsprungen oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen lebenden oder toten Personen, Ereignissen oder Orten ist rein zufällig.

Titelseite von Samantha Cole

Übersetzt von Sabine Burmester

KI-BESCHRÄNKUNG: Die Autorin untersagt ausdrücklich die Verwendung von Teilen dieser Publikation, einschließlich Text und Grafiken, für das Training von Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) zur Generierung von Text oder Grafiken, einschließlich und ohne Einschränkung von Technologien, die in der Lage sind, Werke im gleichen Stil oder Genre wie dieses veröffentlichte Buch zu generieren.

Die Autorin behält sich alle Rechte zur Lizenzierung der Nutzung dieses Werks für das generative KI-Training und die Entwicklung von Sprachmodellen für maschinelles Lernen vor.

Kein Teil dieses Buches darf ohne Genehmigung vervielfältigt, gescannt oder in gedruckter oder elektronischer Form verbreitet werden. Bitte beteiligen Sie sich nicht an der Piraterie von urheberrechtlich geschütztem Material und unterstützen Sie diese nicht, um die Rechte der Autorin zu verletzen. Kaufen Sie nur autorisierte Ausgaben.

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Bücher von Samantha Cole

Über Die Autorin

KAPITELEINS

Durch das Fenster des Mini-Markets sah Moriah Jensen, wie der schwarze Escalade mit Nummernschild aus Illinois die Hauptstraße der schicken kleinen Stadt herunterrollte. Sie zog an ihrer Baseball-Kappe, damit ihr Gesicht verdeckt wäre, wenn sie sich hinter dem Zeitschriftenständer links der Eingangstür versteckte. Der Fahrer und die beiden Passagiere des Fahrzeugs hatten ihre Fenster heruntergekurbelt, während sich ihre Köpfe in alle Richtungen drehten. Es war offensichtlich, dass sie nach jemandem suchten . . . na gut, nicht nach irgendjemandem—sie suchten nach ihr.

Mist. Wie hatten sie sie erneut gefunden? Sie befand sich mitten in Ohio, in irgendeiner Kleinstadt, die zu klein war, um ihren eigenen Walmart zu haben. Sie lag weit entfernt von der pulsierenden Metropole, die Chicago war. Wie konnten sie darauf kommen, ausgerechnet in dieser Stadt nach ihr zu suchen? Das konnte nicht wahr sein. Sie war so vorsichtig gewesen, blieb immer unter dem Radar, benutzte einen Aliasnamen und ließ ihre Bankkarte unbenutzt. Sie hatte einen Namen ausgewählt, der ihrem eigenen glich, Maura Jennings, damit sie sich nicht verraten und ihren fiktiven Namen überhören würde.

Ihre Führerschein- und Ausweiskarte! Scheiße! Sie hatte ihre echte Karte gestern dem Polizeibeamten gegeben, als die Studentinnen, die sie mitgenommen hatten, auf dem Weg in die Stadt einen Unfall mit Blechschaden verursacht hatten. Moriah war nicht in der Lage gewesen, dem Unfallort zu entfliehen, weil sich der Vorfall direkt vor einem Polizeiauto ereignet hatte. Nachdem ihr der Beamte die Karte zurückgegeben hatte, durfte sie gehen, und sie dachte, damit sei die Sache erledigt. Aber auf diese Weise mussten die Männer im Escalade sie wohl gefunden haben.

Verdammt! Sie musste sorgfältiger sein, und sie musste bei der ersten Gelegenheit herausfinden, wie sie an eine gefälschte Karte mit ihrem Aliasnamen kommen könnte, eine, die der Prüfung durch einen Polizeibeamten standhalten konnte. Es wäre besser, wenn man sie überhaupt nicht anhalten würde, aber es lief eben richtig dumm. Und Fehler wie diese konnten sie in den Knast bringen oder, schlimmer, sie umbringen.

Sie blickte im Laden umher und war dankbar als sie sah, dass niemand auf sie achtete. Die Jeans und das fade T-Shirt, die sie trug, waren nichts, womit sie auffallen würde. Hoffentlich würde sich niemand daran erinnern, sie gesehen zu haben, wenn die Männer hier hereinkämen und Fragen stellten. Sie schob den Gurt ihrer großen Reisetasche höher auf die Schulter, während sie beobachtete, wie das Fahrzeug zwei Häuserblöcke weiter an der Ampel links abbog. Als es außer Sichtweite war, zog sie ihre Kappe weiter ins Gesicht, verließ den Laden und eilte quer über den Parkplatz in die entgegengesetzte Richtung.

Die Tasche und ihr Rucksack fühlten sich mit jedem Schritt schwerer an und hinderten sie daran, so schnell zu rennen, wie sie wollte. Aber sie konnte keines der beiden Gepäckstücke zurücklassen—sie brauchte das Geld, die Waffe und die paar Klamotten, die sie vor ihrem Aufbruch aus Chicago noch schnell eingesteckt hatte.

Die Mädchen, die sie als Anhalterin mitgenommen hatten, hatten sie letzte Nacht an einem alten Motel ein paar Häuserblöcke weiter abgesetzt. Mit der nahegelegenen Bushaltestelle war es ideal für sie, sich noch auszuruhen, bevor sie ein Ticket irgendwohin weit weg von hier und von Chicago kaufen würde. Sie machte sich jetzt in diese Richtung auf und, da sie nicht gesehen werden wollte, lief sie weitgehend auf der Rückseite der Gebäude und hinter allen anderen Dingen, die sich zum Verstecken eigneten, entlang. Ihr Herz raste jedes Mal, wenn sie hinter ihren Verstecken hervorkommen musste, und sie betete, dass sie es lebend aus dieser Scheiß-Stadt schaffen würde. Sie wusste, dass diese Männer kein Problem damit hätten, sie umzubringen, um das zu kriegen, was sie wollten.

Zwanzig Minuten später kauerte Moriah hinten im Bus in Richtung Pittsburgh, Pennsylvania, und dort würde sie ein anderes Ticket nach Gott-weiß-wohin kaufen. Solange der Bus sie möglichst weit wegfuhr, war es ihr egal. Sie hatte nichts weiter, um das sie sich Sorgen machen müsste—nichts, außer ihrem eigenen Leben.

* * *

Als er sich leise vorwärtsbewegte, mit hellbrauner und dunkelbrauner Bemalung im Gesicht–den gleichen Farben wie sein Tarnanzug–war der Mann in dem Gelände um ein kleines Dorf südlich der irakischen Stadt Mossul herum fast unsichtbar. KC Malone, Lieutnant der US-Marine, lag nur etwa fünfunddreißig Meter hinter einem baufälligen Gebäude, wo zwei Piloten der US-Armee gefangengehalten wurden. Das Gebäude, nur etwas größer als eine Tikihütte, war eines von acht noch stehenden Bauwerken in dem ansonsten zerstörten und verlassenen Dorf, das jetzt von ISIS-Truppen besetzt war. Die Männer waren nach dem Abschuss ihres AH-64-Apache-Hubschraubers vor sechs Wochen als Geiseln genommen worden, aber ihr jetziger Standort befand sich von der Absturzstelle weit entfernt, da sie von den Rebellen mehrere Male verlegt worden waren. Vor weniger als sechsunddreißig Stunden konnte der CIA-Geheimdienst ihre Position jedoch endlich genau bestimmen. Mitglieder des SEAL-Team-Six wurden ausgesandt, die Männer zu befreien, bevor sie erneut verlegt oder–als Vergeltung für die kürzliche Ermordung eines hochrangigen ISIS-Führers–getötet werden würden.

Es war zwei Minuten vor Null Vierhundert, und das gesamte Camp von dreiundzwanzig Terroristen lag im Tiefschlaf, außer drei Wächtern, die so aussahen, als wollten sie es ihren Kameraden verzweifelt gerne nachtun. KC und sein Team waren mit dem Fallschirm in einer Landezone abgesprungen, die ungefähr drei Meilen entfernt lag, und hatten sich dem Dorf in Tarnausrüstung genähert. Die letzten zwei Stunden hatten sie in ihrem Versteck verharrt und warteten darauf, dass die Wächter der morgendlichen Müdigkeit erliegen und einnicken würden. Die anderen fünfzehn Mitglieder des Teams waren strategisch um das Dorf herum verteilt und warteten darauf, dass KC den Startschuss geben würde. Anführer Tobias Anderson III befand sich zu seiner Linken und war bereit, die Geiseln mit ihm zu befreien. Der Rest des Teams würde für Deckung und Ablenkung sorgen. Ein Unterstützungsteam wäre in zwei Minuten mit dem Helikopter zur Stelle, falls die Sache aus dem Ruder laufen sollte. Der original Blackhawk-Hubschrauber blieb ebenfalls in der Nähe und stand bereit, das Team mit seiner geborgenen Menschenladung aufzulesen.

KC scannte das Gebiet ein letztes Mal durch seine Nachtsichtbrille, sah auf die Uhr und tippte dann auf das Mikrofon auf seinem Kopfhörer. »Es kann losgehen!

Er musste an sich halten, nicht loszuglucksen, als er die leise Antwort durch seinen Kopfhörer vernahm: »Jetzt geht der Ärger richtig los!«

Eine halbe Sekunde später explodierte ein Munitionslager auf der anderen Seite des Camps, das in einer donnernden Flammenwand aufging. Die Terroristen, die im Militärjargon auch Tangos heißen, strömten total verwirrt über das gesamte Gelände und ließen sich zu Boden fallen, als sie von allen Seiten mit automatischem Gewehrfeuer beschossen wurden. KC und sein Anführer erreichten schnell die Hinterseite des Gebäudes, in dem sich die Geiseln befanden, und schlichen zum Vordereingang.

Die ISIS-Rebellen versuchten verzweifelt, das Feuer auf den unsichtbaren Feind zu erwidern, der sich im Dunkel der Nacht versteckt hielt. Diejenigen, die noch lebten, waren zu sehr damit beschäftigt, in Deckung zu gehen, um zwei Männer zu bemerken, die den einfachen Holz- und Ziegelbau betraten. KC eilte zu dem nächstgelegenen Mann, der auf dem Boden lag. Obwohl der Pilot mit Schmutz und Dreck bedeckt war, konnte der Lieutnant noch die Überreste des Fluganzuges der US-Armee erkennen. Der Mann schien schwach, aber bei Bewusstsein. »Captain Nichols?« Als der Mann nickte und sich seine Augen ungläubig und hoffnungsvoll weiteten, fuhr der SEAL scherzhaft fort: »U.S.-Marine, wir sind hier, um Ihre jämmerlichen Ärsche zu retten, Sir. Sind Sie in der Lage zu rennen?«

Der ausgemergelte Captain nickte erneut und ließ sich von seinem Retter auf die nackten Füße helfen. »Ich glaube schon.«

»Wo ist Lieutenant Fisher?«

»Da drüben«, antwortete Nichols und zeigte auf die südwestliche Ecke des schmutzigen Fußbodens. »Er wurde gestern ziemlich schlimm zusammengeschlagen, war die ganze Nacht über immer wieder bewusstlos.«

KC griff hinter sich, wo ein Paar Kampfstiefel und schwarze Socken an seinem Gürtel befestigt waren, und reichte sie Nichols. »Hier, schnell! Ziehen Sie sie über. Ich dachte mir, dass Sie sie brauchen würden; habe auch ein Paar für Fisher, aber der wird wohl nicht rennen können.«

KC eilte zu dem bewusslosen Mann, der nahe der Rückwand lag, und untersuchte ihn in aller Eile. Er dankte Gott, dass er noch atmete und einen schwachen Puls hatte. Da er ihn nicht zu Bewusstsein bringen konnte, zog er ihn hoch, warf ihn sich über die Schulter und trug ihn im Feuerwehrgriff, als wäre er ein drei Kilogramm schwerer Kartoffelsack. Er gab Nichols ein Zeichen, sich zu Anführer Anderson zu begeben, der groß und schwer an der Tür stand—die Augen und die Waffe nach draußen gerichtet, um Deckung zu geben. Malone informierte den Rest seines Teams über Kopfhörer, dass die Geiseln befreit und sie bereit wären, in Richtung des Abholpunktes aufzubrechen. »Kommt in die Hufen, Jungs, damit wir von hier verschwinden und Vorsprung gewinnen können.«

Der Lärm des Gewehrfeuers, der aus der Dunkelheit um das Camp herum ertönte, schwoll sofort an. Anderson, Nichols und zuletzt KC, der Fisher trug, traten aus der Hütte heraus und verschwanden so schnell wie möglich und in absoluter Stille über eine nahegelegene Anhöhe. KC hatte keine Probleme, den bewusstlosen Mann auf seinem Rücken über das unwegsame Gelände zu tragen. Der Lieutenant wog nach der überstandenen Tortur kaum noch fünfundsechzig Kilo. Ungefähr fünfzig Meter entfernt trafen sie auf zwei weitere SEALs in Tarnausrüstung. Einer übernahm die Leitung und führte die Gruppe an, während der andere Mann und Anderson das Schlusslicht bildeten, um dafür zu sorgen, dass ihnen niemand folgte. Obwohl es noch dunkel war, legte sich die Luftfeuchtigkeit wie eine nasse Decke um die Männer, und obwohl das SEAL-Team an miserable Zustände wie diese gewöhnt war, waren die Geiseln aufgrund der erlittenen Tortur und Unterernährung geschwächt. Anderson musste mehrmals nach Nichols greifen, wenn der Captain stolperte.

Drei Minuten, nachdem sie die erste Anhöhe überwunden hatten, gab KC’s Team Entwarnung, und er gab diese an das Unterstützungsteam der Armee im Stützpunkt weiter. In seinem Kopf zählte er dreißig Sekunden ab, und dann explodierten die verbliebenen Tangos und das Dorf unter einem gewaltigen US-Luftangriff. Gleichzeitig holte der letzte des Teams die anderen ein. Ein paar Minuten später erschien der Hubschrauber, der sie aus dieser Hölle fortbringen würde, und landete ein halbes Fußballfeld weiter entfernt. Das Team näherte sich in geduckter Haltung und kletterte mit den beiden befreiten Soldaten an Bord; dann hob der große Militärvogel vom Boden ab. Der gut eingeübte Lande- und Startvorgang hatte nicht mehr als neunzig Sekunden gedauert.

KC ließ seine Blicke schweifen und überprüfte sein Team—alle waren vollzählig und wiesen keine Anzeichen von Verletzungen auf. Die Geiseln lebten und waren in Sicherheit. Lieutenant Fisher wurde bereits vom Teamarzt versorgt und zeigte Anzeichen, das Bewusstsein wiederzuerlangen. Gott sei Dank! Es war eine weitere erfolgreiche Mission gewesen. Er wünschte, alle würden so reibungslos ablaufen, aber das wäre wie beten, dass der Himmel einstürzen soll. Es gab keine Garantien in seinem Geschäft. Je älter er wurde, umso mehr zeigte sich die Wahrheit dieser traurigen Tatsache.

Captain Nichols, der neben ihm saß, tippte KC auf den Oberarm. »Nicht, dass ich undankbar über unsere Rettung wäre, aber die Armee wird die Marine beim nächsten Football-Spiel trotzdem furchtbar in die Pfanne hauen.«

»Das bezweifle ich, Sir. Hooyah!«

In der Hubschrauberkabine brach ein Chor von Hooyahs aus, gefolgt von erleichtertem Gelächter, das der allgemeinen Erleichterung der Männer entsprang, die es sich in ihren Sitzen für den langen Flug zurück zum militärischen Stützpunkt bequem gemacht hatten. KC schloss die Augen und freute sich darauf, nach Hause zurückzukehren, wo er vier Wochen lang seinen wohlverdienten Urlaub verbringen würde.

* * *

»Was meinst du, du kannst sie nicht finden? Es handelt sich um eine miese, beknackte Kleinstadt ohne einen beschissenen Walmart. Wie groß kann so ein bekloppter Ort wohl sein?«

Leo Simmons zuckte unter der Schimpftirade über sein Handy zusammen. Er hatte alles versaut und Hernandez gab ihm die Chance, seinen Fehler wieder auszubügeln. Wenn er die alte Schlampe und das Geld nicht finden würde, dann war er so gut wie tot, wenn ihn der Drogendealer in die Hände bekam. Fliehen wäre sinnlos, weil der Mann Verbindungen in den gesamten USA hatte. Vielleicht könnte er es bis über die kanadische Grenze schaffen oder runter bis Mexiko, bevor sie ihn schnappten. Aber er sollte besser Susans Schwester finden und ihr eine Kugel in den Kopf jagen für das, was sie ihm … nun, nicht wirklich ihm, aber seinem Boss weggenommen hatte.

Als Hernandez sein Geschimpfe unterbrach, um Luft zu holen, versuchte Simmons ihn zu beschwichtigen: »Der Typ im Motel sagte, dass sie schon weg ist. Wir haben den Busbahnhof überprüft und sind dann die Hauptstraße hoch- und runtergefahren. Sie war nigends zu sehen, aber wir versuchen es weiter.«

»Das würde ich dir verdammt nochmal auch raten. Du hast es versaut. Sieh zu, wie du es wieder hinkriegst!«

Der Anruf wurde jäh beendet, und er wollte das Telefon am liebsten gegen die Mauer des Mini-Markets werfen, in dessen Nähe sie geparkt hatten. Die Schlampe musste hier irgendwo sein. Ein Bulle hatte letzte Nacht irgendwo in dieser hinterwäldlerischen Stadt ihren Ausweis überprüft. Sie war scheinbar mit ein paar Mietzen in einen Unfall verwickelt gewesen. Simmons und zwei von Hernandez’ Lakaien waren die ganze Nacht über hierher gefahren, aber die blöde Schlampe war nirgends zu finden. Sie konnten nicht einmal das Auto der Mietzen finden, um diese nach ihr zu fragen.

Frustriert kickte eine Flasche auf dem Parkplatz vor sich her, als er zurück zum Cadillac ging, wo seine Kumpel für diesen Trip auf ihn warteten. Er ließ sich auf den Rücksitz fallen und knallte die Tür zu. »Lasst uns nochmals herumfahren. Die Schlampe muss hier irgendwo sein.«

KAPITELZWEI

Schwer seufzend stellte KC den Motor seines Wagens auf der Auffahrt des Strandhauses seines Onkels ab. Das kleine, blaue Cottage war mit weißen Verzierungen geschmückt und verfügte über einen urigen Witwenpfad. Es lag direkt hinter den Dünen der malerischen Küste. Das Häuschen mit seinen drei Zimmern auf den Outer Banks mit Blick über den Atlantischen Ozean lag am Rande einer verschlafenen Kleinstadt namens Whisper in Nord-Carolina. Die Stadt war eher eine kleine, verschworene Gemeinschaft, wo jeder jeden kannte, als ein geschäftiger Touristenort. Nicht, dass dies für KC in irgendeiner Weise wichtig wäre. Er brauchte nur einen Platz zum Pennen, wenn er gerade nicht dabei war, ›die Welt zu retten‹, wie sein Onkel Dan es jedem stolz auf die Nase band.

Whisper, ungefähr neunzig Minuten südlich seines stationierten SEAL-Teams in Little Creek, Virginia, gelegen, war der perfekte Ort, um runterzukommen und seinen Körper und Geist wieder aufzutanken. KC war so erschöpft, dass er nicht wusste, ob er es kräftemäßig von seinem Fahrzeug bis zur Hintertür und zu seinem Schlafzimmer schaffen würde, bevor er sofort in den Schlaf fallen würde. Mit einem tiefen, reinigenden Atemzug zwang er sich, die Autotür zu öffnen, nach seiner Segeltuchtasche zu greifen und sich auf den Weg zur Veranda zu begeben. Er liebte den Geruch von Salzwasser—frisch und scharf. Es war einer der Gründe, warum er bei der Marine war und nicht in einem anderen militärischen Zweig.

Der andere Grund war der Eindruck, den ein SEAL-Mitglied der Marine außer Dienst vor vielen Jahren auf KC bei einem Karrieretag seiner High School gemacht hatte. Er sah den stolzen, stählernen Blick in den Augen des Mannes, als er das intensive Training und die Hingabe beschrieb, die von allen SEALs gefordert wurde, und KC wusste in diesem Augenblick, dass er das gleiche erleben wollte. Mit der Unterstützung seines Onkels meldete er sich unmittelbar nach seinem High-School-Abschluss als Rekrut bei der Marine, und fünf Jahre später überstand er das knallharte Ausbildungsprogramm SEAL BUD/s (Kampfschwimmer bei den SEALs). Seit diesem Tag war er ein stolzer Diener der Marine.

Als er den Schlüssel in das Schloss der Hintertür steckte, fühlte er die aufgestaute Spannung der letzten Wochen aus seinem Körper entweichen. Dieser Ort war seine Komfortzone—sein Paradies. Das Cottage und die Umgebung hatten ihn immer gestärkt, und es würde nicht lange dauern, bis er sich wieder wie ein normaler Mensch fühlen würde. Es würde ihn vorübergehend von dem Gefühl befreien, auf einem sehr langen Drahtseil zu gehen, voller Sorge, ob die aktuelle Mission vielleicht eine wäre, die sein Leben oder das Leben einer seiner Teamkameraden fordern würde.

KC konnte nicht mehr genau festmachen, wann der Job sich von einem Adrenalinschub zu einer extrem belastenden Dauersituation entwickelt hatte; aber jetzt, mit fünfunddreißig, fragte er sich, ob seine Zeit bei SEAL möglicherweise vorüber war. Bereits das vierte Mal seit dem Verlassen des Stützpunktes dachte er daran, eine ihm angebotene Stelle als Ausbildungsleiter bei SEAL anzutreten. Zweimal hatte er schon abgelehnt, weil er sich seinem Team verpflichtet fühlte und sie nicht im Stich lassen wollte, aber jetzt kamen ihm Zweifel. Nicht wegen seines Teams, denn–neben seinem Onkel und zwei Brüdern–waren die Männer im SEAL-Team-Six wie eine Familie für ihn. Aber die Missionen hatten in letzter Zeit ihren Tribut gefordert—psychisch und physisch. Wie es aussah, stand eine Entscheidung noch aus, aber er würde während seines einmonatigen Urlaubs viel Zeit haben, darüber nachzudenken. Im Moment wollte er nur noch ins Bett. In seinem gegenwärtigen Zustand und seiner Verfassung könnte er wahrscheinlich mindestens achtundvierzig Stunden schlafen, bevor sein Körper wieder fit war.

Nachdem er seine militärgrüne Tragetasche an der Tür mit einem Plumps fallen gelassen hatte, schob er den Riegel von innen wieder vor, knipste das Licht an, drehte sich um, und erstarrte.

Verdammter Mist.

Das Letzte, was er erwartet hatte, als er im Haus seines Onkels ankam, war eine schlanke Frau mit rotbraunem Haar. Sie trug nichts weiter als einen verängstigten Ausdruck im Gesicht und ein dünnes, weißes T-Shirt, das kaum über ihre wohlgeformten Oberschenkel reichte. Auch zielte sie mit einer schwarzen und sehr tödlichen, semi-automatischen 9-Millimeter-Pistole auf seine Brust.

»Wer zum Teufel sind Sie und wie sind Sie hier reingekommen?«, wollte die Frau wissen. Die Kraft in ihrer Stimme stand im starken Gegensatz zu der Angst in ihren Augen und der Unsicherheit, mit der sie die schwere Waffe in ihren ausgestreckten Händen hielt.

In was war er hier reingeraten, verdammt nochmal? Eine Durchreisende, die eingebrochen war, um einen Schlafplatz zu finden? Nun, wenn sie wirklich eine Durchreisende war, wäre sie eine verdammt süße. Verdammt, er musste wirklich sehr müde sein, wenn er eine Einbrecherin mit Pistole für süß hielt!

Er streckte die Arme aus, Handflächen nach oben, um ihr zu zeigen, dass er unbewaffnet war—nun, natürlich war er bewaffnet, aber hatte noch keine Lust, es dieser verrückten Frau zu verraten. KC sprach mit leiser, ruhiger Stimme. »Ich könnte Sie das Gleiche fragen.«

»Ich habe zuerst gefragt.« Ihre Waffe war weiter auf ihn gerichtet, als sie sich langsam nach links hinter ein paar Möbelstücke bewegte.

Er blieb weiter ruhig. »Dies ist das Haus meines Onkels und ich übernachte hier, wenn ich in der Stadt bin. Warum halten Sie die Pistole nicht nach unten, bevor jemand verletzt wird?«

Die Frau kniff ihre schockierend blauen Augen zusammen. Selbst auf die Entfernung konnte er sehen, dass sie die Farbe des seichten karibischen Meerwassers hatten. Dennoch schien sie nicht bereit, ihren vermeintlichen Vorsprung aufzugeben. »Dieser Jemand sind Sie, wenn Sie auch nur einen Muskel bewegen. Ich habe dieses Cottage von Dan Malone gemietet, und er hat nichts von einem Neffen gesagt.«

»Das ist unmöglich.« KC schüttelte langsam ungläubig den Kopf. »Onkel Dan würde dieses Häuschen niemals vermieten.«

Sie hob ihr Kinn trotzig hoch, obwohl es leicht zitterte. »Nun, offensichtlich würde er doch und tat es auch. Vor drei Tagen. An mich. Und jetzt verschwinden Sie.«

KC bemerkte, dass das Gewicht der Waffe schwer in den ausgetreckten Armen der Frau wog, denn sie zitterten und schwankten leicht. Er stieß einen lauten, müden Seufzer aus: »Was muss ich sagen oder tun, damit Sie die Waffe niederlegen oder noch besser, ganz wegstecken?«

»Sie können verschwinden, das können Sie tun.«

»Tut mir leid, Schätzchen, aber das wird nicht passieren.« Er bemerkte, wie ihre Augen vor Wut über den Kosenamen aufflackerten. »Was noch?«

»Wenn Sie Dan Malones Neffe sind, beweisen Sie es!« Ihr Tonfall sagte ihm, dass, egal was er sagen würde, sie nicht umzustimmen war.

KC blickte sich im Zimmer um und stellte fest, dass–falls sein Onkel das Cottage wirklich an diese verrückte Frau vermietet hatte–er es voll möbliert gelassen hatte. Nichts hatte sich verändert, und alle Sachen seines Onkels waren immer noch an ihrem angestammten Platz. Nichts deutete auf persönliche Gegenstände hin, die der Frau, die vor ihm stand, gehören mochten. Obwohl er dies für seltsam hielt, ignorierte er die einfache Tatsache für einen Moment und zeigte auf den Kaminsims über dem roten Backsteinkamin. »Auf dem Foto links sind mein Onkel, meine Brüder und ich selbst auf unserem Angeltrip letztes Jahr zu sehen. Mein Haar ist jetzt etwas länger, aber das ganz rechts bin ich. Ich bin auf den meisten Fotos in diesem Zimmer zu sehen, aber dies hier ist das jüngste.«

Er stand ganz still, als die Frau zum Kamin ging, um sich die Fotos anzusehen. Dabei hielt sie genügend Abstand zwischen sich und KC, um sicherzugehen, dass er sie nicht angreifen konnte. Er wusste, dass er sie leicht überwältigen könnte, aber sie war offensichtlich ängstlich, und es gab keinen Grund, dass irgendjemand unnötig verletzt würde. Sie schaute schnell auf das Foto und dann wieder zu ihm zurück, aber sagte nichts. Sie war offensichtlich immer noch vorsichtig.

»Und der Football-Pokal daneben ist von meinem letzten Jahr an der High School, als wir die Landesmeisterschaft gewonnen haben. Mein Name steht drauf. Wenn ich meine Brieftasche herausnehmen darf, kann ich Ihnen meinen Ausweis zeigen.«

Die Frau dachte kurz nach und nickte dann. »Gut, aber langsam.«

KC holte langsam seine Brieftasche aus der Gesäßtasche und warf sie auf den Boden zu ihren Füßen. Während sie die Pistole weiterhin auf ihn richtete, bückte sie sich vorsichtig, um die Brieftasche aufzuheben. Dann öffnete sie das weiche Lederetui, studierte seinen Ausweis und warf ihm die braune Brieftasche wieder zurück. Er fing sie mit der rechten Hand auf und schob sie langsam zurück in die Gesäßtasche, wobei er die linke Hand so hielt, dass sie sie sehen konnte.

Die Anspannung in ihrem Gesicht und ihren Schultern löste sich leicht, aber sie richtete weiterhin die Waffe auf ihn. »Okay, ich bin überzeugt, dass Sie tatsächlich mit Mr. Malone verwandt sind, aber das erklärt nicht, warum Sie sich hier mitten in der Nacht hereingeschlichen und mich zu Tode erschreckt haben. Sie müssen gehen. Jetzt!«

KC ließ einen weiteren frustrierten Seufzer raus. Die Situation wurde langsam alt und lästig. »Schauen Sie, ich habe bereits bewiesen, dass ich Dans Neffe bin. Können Sie die idiotische Waffe bitte wegtun, bevor Sie mich aus Versehen erschießen?«

Ihre Hand zitterte. »Woher wissen Sie, dass es ein Versehen wäre und keine Absicht?«

Oh, verdammt nochmal! Er ließ seine Arme sinken und bückte sich, um seine Tasche aufzuheben. Das geschah nur einen Tick schneller als in Zeitlupe, um sie nicht zu erschrecken. »Schauen Sie, Lady. Ich bin hier nicht reingeschlichen. Ich weiß immer noch nicht, wer Sie sind, und momentan bin ich auch so müde, dass es mir scheißegal ist. Erschießen Sie mich oder lassen Sie mich ins Bett gehen. Es ist zwei Uhr morgens, und ich habe seit mehr als vierundfünfzig Stunden nicht mehr als zwei Stunden am Stück geschlafen.«

Ihr blieb der Mund offen stehen, als er in Richtung Flur ging, der zu den beiden Schlafzimmern führte. »Aber . . . Sie können hier nicht bleiben!«

Er stoppte und blickte sie über die Schulter an. »Warum zum Teufel denn nicht? Es ist mitten in der Nacht, und ich falle gleich tot um vor Erschöpfung! Ich gehe nicht zurück zum Auto und suche nach einem anderen Platz zum Schlafen, wenn ich hier am Ende des Flurs ein gemütliches Bett habe. Ich werden Ihnen auch nichts tun. Glauben Sie mir, Sie sind bei mir sicherer als fast mit jedem anderen. Wir klären alles morgen. Jetzt gehe ich einfach schlafen.«

Die Frau starrte ihn schockiert an, mit offenem Mund und einer Pistole in der Hand, während er den Flur runterging. Er trat in das kleinere der beiden Schlafzimmer ein, schloss die Tür hinter sich mit einem schwachen, aber festem Klick, und drehte den Schlüssel um. Er glaubte nicht ernsthaft, dass sie ihn erschießen würde, aber besser ist besser!

Was zum Teufel hatte Onkel Dan vor? Sie musste jemand sein, der der ältere Mann helfen wollte—er kam immer Leuten zu Hilfe, die vom Pech verfolgt wurden. Und so wie sie aussah, passte sie perfekt in Dan Malones Profil einer hilfesuchenden Person. Obwohl er nicht leugnen konnte, dass sie in ihrem T-Shirt sündhaft sexy aussah, während sie sich wie ein weiblicher Rambo aufführte, war sie etwas zu dünn. Und die dunklen Ringe unter ihren Augen schienen von mehr herzurühren, als von einem zu kurzen Schönheitsschlaf. Es war zu spät, um seinen Onkel zu wecken, obwohl KC stark versucht war; also zog er sich schnell bis auf seine Boxershorts aus und fiel buchstäblich ins Bett. Das letzte Bild, das er vor Augen hatte, bevor er vom Schlaf überwältigt wurde, waren ein paar lange Beine und ein weißes T-Shirt.

KAPITELDREI

Was zum Teufel?

Moriah setzte sich auf die Couch und starrte immer noch auf die Tür, die der fremde Mann vor ein paar Minuten hinter sich geschlossen hatte. Sie fragte sich immer noch, was gerade passiert war, oder warum der Mann, der sich selber KC nannte, immer noch da war und was sie dagegen tun sollte. Sie konnte sich nicht wieder schlafen legen, wenn sich ein fremder Mann im Schlafzimmer auf dem Flur gegenüber ihrem Zimmer befand. Sie konnte ihn auch nicht zwingen zu gehen, das hatte er bewiesen. Sie wollte auch nicht Mr. Malone mitten in der Nacht anrufen, damit er käme und seinen Neffen nach draußen beförderte. Und sie wollte auf keinen Fall die Polizei anrufen, damit sie ihn mitnähmen—das würde zu viele Fragen aufwerfen, die sie nicht beantworten konnte. Moriah gestand sich zögernd ein, dass ihre einzige Möglichkeit war, eine Kanne Kaffee zu kochen, aufzubleiben und zu warten, bis KC aufwachte. Dann würde sie ihn überzeugen, dass er verschwinden musste. Wenn er das nicht täte, müsste sie wieder auf die Straße und erneut abtauchen.

Vier elende Stunden später saß Moriah immer noch auf der Couch, die Waffe auf dem Kissen neben sich in Reichweite, und nippte an ihrer dritten Tasse Kaffee. Sie wusste gar nicht, warum sie dieses starke Gebräu trank, das sie noch nervöser machte, als sie bereits war. Während sie sich umsah, betrachtete sie die Familienfotos, die überall im Zimmer verteilt waren. Viele von ihnen zeigten Dan Malone, KC und seine Brüder, die alle ziemlich gutaussehend waren. Auf einigen Fotos waren die offensichtlich sehr jungen Brüder zusammen mit ihrem Onkel zu sehen, während andere ein Paar zeigten, das vermutlich ihre Eltern waren. Ein Foto zeigte die drei Jungen kurz vor der Pubertät in Cowboy-Kleidung. Auf einem anderen Foto trugen sie Militäruniformen im Kleinformat.

Es gab auch Fotos mit einem viel jüngeren Dan und einer schönen blonden Frau, und von der Art, wie sie einander ansahen, war offensichtlich, dass sie schwer verliebt waren. Moriah fragte sich, wer die Frau war und wo sie heute steckte. Als sie die Fotos in den verschiedenen Bilderrahmen im Wohnzimmer und auf dem Flur überflog, konnte sie keine Fotos der Frau in jüngerer Zeit oder neuere Fotos der Eltern der Jungen entdecken.

Die Malones schienen eine sehr enge Familie zu sein, und Moriah seufzte, als sie wünschte, dass es bei ihr, in ihrer Kindheit in Chicago, genauso gewesen wäre. Nachdem ihr so genannter Vater immer wieder über längere Zeit abwesend gewesen war, verließ er ihre Mutter für immer, als Moriah ein Teenager war. Als das passierte, hatte sie ihren Traum von einer idealen Kindheit bereits lange begraben. Sie wusste, dass ihre Mutter für sie und ihre Schwester da sein wollte, aber sie hatte zwei Jobs mit langen Arbeitszeiten zu bewältigen, um für ein Dach über dem Kopf und Essen auf dem Tisch zu sorgen. Ihre Arbeit und ihr Schlaf nahmen fast, wenn nicht gar komplett, ihre gesamte Zeit in Anspruch.

Die vierzehn Jahre alte Moriah hatte sich selber das Kochen beigebracht, wusch die Wäsche und half beim Saubermachen. Sie hatte versucht, ihrer Schwester ein Gefühl von Beständigkeit zu geben und ihr den richtigen Weg aufzuzeigen. Trotzdem war Susan, damals elf, mehr an Jungen–und irgenwann an Drogen–interessiert, als auf ihre Schwester zu hören. Während Moriah in der Wohnung blieb, um Hausarbeiten und Schulaufgaben zu machen, schloss Susan sich den falschen Gruppen an und war ständig in niemals endende Probleme verwickelt. Es gab Zeiten, wo sie fast im Jugendknast gelandet wäre. Jetzt fragte sich Moriah, ob ihre Schwester im Knast säße, wenn sie ihr Leben in den Griff bekommen hätte und heute noch leben würde–oder wären die Konsequenzen die gleichen gewesen?

Susans wildes und ausschweifendes Sexleben hatte sie eingeholt, als sie mit siebzehn schwanger wurde. Der Vater des Kindes stritt ab, dass das Baby seines war und verschwand aus der Stadt, bevor es geboren war. Aber der kleine Nicholas wurde der Rettungsanker für Susan, als sie versuchte, erwachsen zu werden und ihrem Kind eine gute Mutter zu sein. Sie war einverstanden, zur Drogenberatung zu gehen und fand für die Abendstunden einen Job als Kellnerin in einem lokalen Restaurant. Durch das extra Einkommen konnte ihre Mutter ihren zweiten Job kündigen und helfen, für das Baby zu sorgen.

Der kleine Junge war der Sonnenschein in Morihas Leben. Sie liebte es, nach ihrer Teilzeitarbeit oder dem Unterricht im städtischen College nach Hause zu kommen, um mit ihm zu spielen. Die Schwestern und ihre Mutter waren total vernarrt in ihn, und Nicholas war ein glückliches Kind–nur ein bisschen verwöhnt. Moriah liebte es, in den Ein-Dollar-Laden ihrer Stadt zu gehen–dieser war alles, was sie sich leisten konnte–und ein neues Spielzeug für ihn zu kaufen oder Kinderbücher aus der Bücherei auszuleihen. Wann immer sie konnte, hatte sie ihm vorgelesen, und dieses Ritual wurde schnell zu ihrer gemeinsamen Lieblingszeit. Sobald Moriah ein Buch ausgelesen hatte, reichte er ihr schon ein anderes. Sie hatte aufgehört zu zählen, wie oft sie ihm Puh der Bär vorgelesen hatte.

Ein paar Jahre lief alles reibungslos in der Familie. Nicholas hatte sich zu einem quirligen Fünfjährigen entwickelt, der jeden von morgens bis abends mit seinen Warum-Fragen bestürmte. Seine Großmutter schien jünger und entspannter, als sie es jemals zuvor gewesen war. Susan blieb sauber und Moriah hatte noch ein Semester bis zu ihrem Abschluss als Lehrerin. Es schien, als würde für die Familie endlich alles gut laufen.

Aber vor ungefähr sieben Monaten bemerkte Moriah an verräterischen Zeichen, dass Susan wieder Drogen nahm. Ihre Schwester stand plötzlich ohne Geld da und musste es von Moriah und ihrer Mutter leihen. Sie fragte öfter und öfter, ob sie Nicholas babysitten würden. Sie kam auch viel später von ihrer Schicht im Chili’s nach Hause und Moriah fragte sich, ob ihre Schwester den Job überhaupt noch hatte. Die auffälligste Veränderung war Susans Aussehen, das immer schlimmer wurde, da sie sich weniger und weniger um ihre Kleidung und körperliche Hygiene kümmerte. Sie verlor dramatisch an Gewicht. Moriah kannte alle Anzeichen, die auf einen Kokain-Abhängigen hindeuteten—in ihrer zwielichtigen Nachbarschaft wimmelte es von ihnen!

Durch die Gerüchteküche in ihrer Nachbarschaft erfuhr sie, dass ihre Schwester einen kleinen Drogendealer namens Leo Simmons datete. Moriah kannte den Mistkerl nur vom Hörensagen. Er hatte damals auf der High School seinen Klassenkameraden Drogen untergeschoben, bevor er deswegen festgenommen wurde und von der Schule flog. Da er damals noch minderjährig war, erhielt er vor Gericht nur eine Warnung und wurde zu einem kurzen Aufenthalt im Jugendgefängnis verurteilt. Nach seiner Entlassung widmete er sich wieder dem Drogengeschäft, und wenn die verbreiteten Gerüchte über ihn stimmten, wurde er von ein paar korrupten Bullen gedeckt.

Moriah hatte ihrer Schwester ein Ultimatum gestellt—mit dem Dreckskerl Schluss zu machen oder auszuziehen. Ohne Nicholas. Moriah weigerte sich, ihren Neffen dem gefährlichen Lebensstil seiner Mutter auszusetzen. Susan bettelte um Verzeihung und schwörte, Leo nicht mehr zu sehen. Sie wurde wieder sauber und schien, für ein paar kurze Wochen, wieder auf dem richtigen Weg zu sein. Moriah würde sich niemals verzeihen, dass sie damals Susans Beschwörung geglaubt hatte, dass alles wieder gut sein würde.