Illuminated Hearts 3: Verräterschatten - Asuka Lionera - E-Book

Illuminated Hearts 3: Verräterschatten E-Book

Asuka Lionera

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Beschreibung

**Wenn das Leuchten der Gefühle Gefahr bedeutet…** Felicity und Shadow stehen sich näher als jemals zuvor, doch ihr gemeinsamer Weg wird immer schwerer. Die Magier-Allianz weiß nun von ihren verbotenen Gefühlen füreinander. Felicity beginnt nicht nur an ihrem Traum zu zweifeln, jemals eine vollwertige Magierin zu werden. Eine unerwartete Begegnung mit ihrer Vergangenheit lässt sie auch alles infrage stellen, was sie bisher zu wissen geglaubt hat. Nicht einmal Shadow kann ihr jetzt noch Halt geben und plötzlich läuft sie Gefahr, von ihrer eigenen Magie verschlungen zu werden. Denn die Dunkelheit verbirgt sich manchmal im hellsten Licht…   //Dies ist ein Roman aus dem Carlsen-Imprint Dark Diamonds. Jeder Roman ein Juwel.// //Alle Bände der magisch-romantischen Reihe:  -- Illuminated Hearts 1: Magierschwärze -- Illuminated Hearts 2: Nachtträger  -- Illuminated Hearts 3: Verräterschatten -- Alle 3 Bände der Reihe über die Magie der Herzen in einer E-Box!// Diese Reihe ist abgeschlossen.   

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Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

Asuka Lionera

Illuminated Hearts 3: Verräterschatten

**Wenn das Leuchten der Gefühle Gefahr bedeutet …** Felicity und Shadow stehen sich näher als jemals zuvor, doch ihr gemeinsamer Weg wird immer schwerer. Die Magier-Allianz weiß nun von ihren verbotenen Gefühlen füreinander. Felicity beginnt nicht nur an ihrem Traum zu zweifeln, jemals eine vollwertige Magierin zu werden. Eine unerwartete Begegnung mit ihrer Vergangenheit lässt sie auch alles infrage stellen, was sie bisher zu wissen geglaubt hat. Nicht einmal Shadow kann ihr jetzt noch Halt geben und plötzlich läuft sie Gefahr, von ihrer eigenen Magie verschlungen zu werden. Denn die Dunkelheit verbirgt sich manchmal im hellsten Licht …

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Vita

Danksagung

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© rini

Asuka Lionera wurde 1987 in einer thüringischen Kleinstadt geboren und begann als Jugendliche nicht nur Fan-Fiction zu ihren Lieblingsserien zu schreiben, sondern entwickelte auch kleine RPG-Spiele für den PC. Ihre Leidenschaft machte sie nach ein paar Umwegen zu ihrem Beruf und ist heute eine erfolgreiche Autorin, die mit ihrem Mann und ihren vierbeinigen Kindern in einem kleinen Dorf in Hessen wohnt, das mehr Kühe als Einwohner hat.

KAPITEL 1

Felicity

Ich schaffe es nicht, mich nach dem Messer zu bücken, das mir vor einigen Sekunden aus den schweißnassen Händen geglitten ist. Selbst wenn es mir gelänge, auch nur einen Muskel zu rühren, könnte ich den Griff nicht umschließen. Die widersprüchlichen Gefühle, die in mir toben, und von Angst über Wut bis hin zum instinktiven Bedürfnis zu fliehen reichen, lassen mich komplett erstarren.

Irgendwo tief in mir weiß ich, dass ich mich in einer Simulation befinde. Dass ich hier bin, um die Prüfungen der Magier-Allianz abzulegen, damit ich mir meinen Lebenstraum erfüllen kann und endlich Meister-Magierin sein werde. Und mir ist ebenfalls bewusst, dass dies meine letzte Aufgabe ist. Die vorherigen drei haben mich bereits ausgezehrt und an die Grenze der Belastbarkeit gebracht, doch diese stellt alles in den Schatten.

Im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich starre auf das Wesen, das sich langsam, aber mit raubtierhafter Eleganz aus der undurchdringlichen Dunkelheit schält, die mich in dieser Simulation umgibt. Ich brauche das Wesen nur anzusehen, um zu wissen, wie sich sein fast rabenschwarzes Fell mit den helleren Spitzen unter den Fingern anfühlt. Ich kenne die fauchenden und grollenden Laute, die es von sich gibt – auch wenn ich sein Schnurren bevorzuge. Und allein vom Hinsehen meine ich, seine festen Muskeln unter den Händen spüren zu können.

Das Wesen vor mir, das mich entfernt an einen viel zu groß geratenen schwarzen Panther erinnert, ist mein Familiar und gleichzeitig derjenige, den ich mehr als alles andere auf der Welt liebe.

»Shadow«, wispere ich heiser.

Kein weiteres Wort verlässt meinen Mund. Erst recht nicht, als sich die blitzenden Silberaugen zu Schlitzen verengen. Sosehr ich auch danach suche, finde ich doch nicht das bekannte Funkeln darin. Keinerlei Erkennen liegt in seinem Blick. Da ist nichts anderes als die eiskalte Berechnung eines Raubtiers, das seine Beute in die Enge getrieben hat. Die Erkenntnis, dass ich diese Beute bin, schnürt mir die Luft ab.

Das ist nur eine verdammte Simulation!, schreit mir eine Stimme im Kopf zu, während die andere wieder und wieder verlangt, dass ich verflucht noch mal die Beine in die Hand nehmen und das Weite suchen soll. Denn Simulation oder nicht, ich erinnere mich gut daran, dass ich hier sehr wohl Schmerz empfinden kann. Ich will nicht herausfinden müssen, was Shadows Simulation mit mir anstellen kann … Selbst ohne die Schattenmagie ist er in seiner wahren Gestalt gefährlich – vielleicht sogar noch gefährlicher als in der menschlichen Illusion. Als Panther kann er zwar nicht auf seine vernichtende Schattenmagie zurückgreifen, verfügt aber über eine Schnelligkeit, von der ich nur träumen kann, und obendrein über verdammt scharfe Zähne und Krallen.

Ich weiß, dass das da vor mir nicht Shadow ist; ich weiß es wirklich! Dennoch kann ich mich nicht dazu überwinden, nach dem Messer zu greifen. Wahrscheinlich könnte ich damit sowieso nichts gegen ihn ausrichten, aber ich versuche es auch gar nicht erst. Ich kann ihn nicht verletzen. Selbst in einer Simulation und mit dem Wissen, dass er nicht echt ist, gelänge es mir nicht.

Doch wenn ich es nicht tue, wenn ich aufgebe – dann habe ich versagt. Ich werde nie eine Meister-Magierin sein können, denn ich darf bei keiner einzigen Aufgabe scheitern, um die Prüfung erfolgreich zu bestehen. Ich stünde vor dem Nichts, denn mein gesamter Lebensinhalt bestand aus dem Wunsch, so zu werden wie meine berühmten Brüder Zachary und Calvin. Ich wollte alles dafür tun, nicht mehr das schwarze Schaf der Familie sein zu müssen, und dank Shadow glaubte ich eine Zeit lang tatsächlich daran, dass ich es schaffen könnte. Dass ich mehr sein könnte als die unbekannte Schwester der gefeiertsten Meister-Magier, die noch dazu mit einer katastrophalen und sinnlosen Gabe geschlagen ist.

Wieder gibt der Schattenpanther ein unheilvolles Grollen von sich, das aufgrund der kurzen Distanz zwischen uns noch tief in mir nachvibriert. Bedächtig setzt er eine riesige Pranke vor die andere und hat mich nun beinahe erreicht. Jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt, um eine Idee aus dem Hut zu zaubern, die mich aus dieser Misere herausmanövriert. Eine Idee, die mich die Aufgabe bestehen lässt. Doch die einzige Möglichkeit ist, das Messer zu schnappen und meinen eigenen Familiar zu töten, denn das ist es, was die Computerstimme von mir verlangt hat, als ich in dieser Simulation zu mir kam. Es genügt nicht, ihn unschädlich zu machen oder wie durch ein Wunder darauf zu hoffen, dass er doch noch zu Sinnen kommt.

Die Aufgabe lautet ganz klar: TÖTE DEINEN FAMILIAR!

Ich lasse den Kopf sinken und sacke auf die Knie. Nun muss ich sogar ein Stück zu ihm aufsehen, als er nur etwa einen Meter von mir entfernt stehen bleibt und sich über das mit langen, spitzen Zähnen besetzte Maul leckt.

Als ich seinen heißen Atem auf der Haut spüre, zittere ich so sehr, dass ich mit den Zähnen klappere. Kurz tastet Shadow mir mit den weißen Schnurrhaaren übers Gesicht und ich zucke zurück, doch ich zwinge mich sogleich dazu, ihn weiter anzusehen. Ich muss das durchstehen … Aber wenn ich das Unvermeidliche noch länger hinauszögere, wird es nur noch schlimmer für mich.

»Ich liebe dich«, hauche ich. »Bitte mach es schnell.«

Ich hasse mich dafür, dass ich aufgebe. Meine Schwäche widert mich selbst an ebenso wie die Tränen, die mir nun ungehemmt die Wangen hinunterlaufen. Aber selbst wenn ich kraftmäßig und kampftechnisch dazu in der Lage wäre – was ich definitiv nicht bin! –, könnte ich Shadow nichts antun, geschweige denn ihn töten. Also ergebe ich mich meinem Schicksal. Was bleibt mir auch anderes übrig? Ich könnte weglaufen, mich irgendwo in der Dunkelheit der Simulation verstecken, aber das würde mein Ende nur unnötig in die Länge ziehen. Früher oder später würde mich Shadow mit seinen scharfen Sinnen aufspüren.

Blitzschnell, sodass mein Blick ihm nicht folgen kann, holt Shadow mit der Pranke aus und lässt sie auf mich niedersausen. Ich kreische auf, als sie mich mit der Wucht eines Vorschlaghammers trifft und die langen Krallen mir Kleidung und Haut zerfetzen. Ich werde zur Seite geschleudert und spüre sofort eine klebrige Nässe am Arm, zusätzlich zu den Schmerzen, die ruckartig wie in wirbelnden Stoßwellen durch mich hindurchrauschen und mir beinahe den Verstand vernebeln. Ich wünschte, es wäre so … Doch ich bleibe bei vollem Bewusstsein und bin machtlos gegen die Panik, die mir einmal mehr die Glieder lähmt.

Als bliebe ihm alle Zeit der Welt, streift der Schattenpanther um mich herum und zielt mit dem nächsten Angriff auf meine Beine. Die Schreie, die sich einen Weg aus meiner Kehle bahnen, klingen hoch und schrill und klingeln mir in den Ohren. Mein Überlebensinstinkt bringt mich dazu, mich auf die Unterarme zu stemmen und ein Stück von Shadow wegzukriechen, aber ich komme nicht weit.

Ich habe einmal beobachtet, wie eine Katze einem Vogel die Flügel gebrochen und ihn anschließend zu Tode gequält hat. Und genau das scheint Shadow auch mit mir vorzuhaben. Wieder und wieder zerfetzt er mir mit den Krallen die Haut, ohne mich tödlich zu verletzen. Ich schreie und flehe und fluche, doch erreiche damit gar nichts. Ganz im Gegenteil … Immer wenn ich versuche mich der Attacke zu entziehen, zielt er auf eine offene Wunde, bis ich im nächsten Augenblick die Spitzen seiner Krallen über die Knochen beider Beine kratzen höre.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergeht, bis mir die Stimme versagt. Nicht einmal ein heiseres Krächzen bekomme ich noch zustande, während ich völlig entkräftet und aus unzähligen Wunden blutend auf dem Rücken liegen bleibe und ins Nichts starre. Ich warte auf den Tod, sehne ihn mir herbei, doch mein Peiniger ist taub für all die Schreie und das Flehen; vielmehr habe ich das Gefühl, ihn dadurch nur noch weiter anzustacheln. Wahrscheinlich ist es ein Segen, dass ich nun keinen Ton mehr von mir geben kann, sondern nur zitternd auf den nächsten Hieb warte, der mir schier die Haut von den Knochen reißt.

Normalerweise müsste ich schon längst tot sein, doch hier in der Simulation bleibe ich am Leben. Als Shadows Raubtiermaul über mir auftaucht, schließe ich die tränenverschleierten Augen und bete stumm zu jedem Gott, der mir einfällt, dass es endlich vorbeiginge. Ich will, dass er mich tötet und dadurch von den unvergleichlichen Schmerzen, die mir durch den Körper rauschen, erlöst. Ich lehne den Kopf, so weit es mir möglich ist, zurück und biete ihm die Kehle dar.

Spitze Eckzähne bohren sich mir in die Haut und Blut strömt in den Mund. Für einen Moment habe ich Angst, ersticken zu müssen, und ich schnappe hastig nach Luft, wodurch nur noch mehr Blut in die Luftröhre fließt. Shadow beißt fester zu, zermalmt meinen Kehlkopf. Augenblicklich weicht jedwede Spannung aus mir.

Das Letzte, was ich höre, ist die verhasste Computerstimme, die monoton verkündet: »AUFGABE FEHLGESCHLAGEN.«

KAPITEL 2

Felicity

Hastig lehne ich mich nach vorn und greife mir mit beiden Händen an den Hals, wobei ich sämtliche Elektroden herunterreiße. Japsend schnappe ich nach Luft und brauche bedeutend länger als die Male zuvor, um aus der Simulation aufzutauchen und wieder in der Wirklichkeit anzukommen.

Noch immer befinde ich mich auf dem Stuhl inmitten des Hauptquartiers der Magier-Allianz. Zwei Männer in langen Kutten stehen um mich herum. Ich spüre ihre Blicke auf mir. Sie beobachten mich so genau, dass es mich nicht wundern würde, wenn sie gleich einen Block zutage förderten, um sich Notizen zu machen. Als wäre ich nichts weiter als ein spannendes Experiment. Wenigstens verspüre ich keine Schmerzen mehr. Nirgends an mir kann ich Wunden oder auch nur den kleinsten Riss in der Kleidung erkennen. Doch die Schmerzen in der Simulation haben sich so verdammt real angefühlt …

Als ich wieder halbwegs normal atme und mich einigermaßen gesammelt habe, reibe ich mir mit den Händen über die Wangen, um die Tränenspuren zu beseitigen. Verletzungen trage ich nicht aus der Simulation davon, aber wie es aussieht, habe ich auch in Wirklichkeit geweint und geschrien, wie mir das Kratzen im Hals beweist. Und die Allianz wird jeden Schrei und jede Träne aufgezeichnet und akribisch bewertet haben. Erst nachdem ich mich einigermaßen gesammelt habe, hebe ich den Kopf und stelle mich dem, was nun folgen wird.

Ich bin gescheitert! Gleich werden sie mir sagen, dass ich die Prüfungen nicht bestanden habe.

Ich zwinge mich dazu, einen der Männer anzusehen, obwohl ich am liebsten hier verschwinden und mich irgendwo verkriechen würde.

»Sieht die finale Aufgabe bei jedem Anwärter so aus?«, frage ich krächzend. Obwohl es nur eine Simulation war, klinge ich nach den Schreien heiser und das Sprechen verursacht mir Schmerzen.

Schon bei der zweiten Aufgabe, als wir die Geiseln bei einem Bankraub befreien sollten, merkte Shadow an, dass das Drumherum sehr unserem Einsatz vor ein paar Tagen ähnelte. Damals haben wir eine Frau aufgehalten, die sich aus Wut und Verzweiflung in die Luft sprengen wollte. Und auch Aufgabe drei war … zu genau auf mich zugeschnitten, denn ich musste gegen eine Simulation meines zweitältesten Bruders Cal antreten. Danach hat die Magier-Allianz erfahren, dass Shadow und mich mehr verbindet, als es bei einem Träger und seinem Familiar normal ist, da er mein Herz heilen musste. Deshalb ist der Gedanke, dass die Simulationen auf jeden Anwärter gesondert angepasst werden, nicht abwegig. Aber wie ist ihnen das so schnell gelungen?

»Ja«, entgegnet einer der Männer zu meiner Überraschung. »Die Aufgaben sind in ihren Grundzügen für alle gleich, damit jeder Prüfling eine fast identische Ausgangssituation hat. Aufgabe eins beinhaltet den reinen Kampf ohne Ablenkungen. Aufgabe zwei befasst sich mit der Zusammenarbeit anderer und das Begrenzen von zivilen Verlusten. Aufgabe drei ist immer ein Kampf gegen einen anderen Meister-Magier. Und Aufgabe vier …« Er schweigt und ich schlucke angestrengt. »Die vierte Aufgabe besteht stets darin, den eigenen Familiar zu töten. Und du bist gescheitert.«

»Aber … warum?«, will ich wissen. »Wieso sollte ich meinen Familiar töten wollen? Das ergibt keinen Sinn!«

Ehe mir einer der beiden antworten kann, bricht im Nebenraum, wo sie Shadow während der Simulationen untergebracht haben, ein Tumult los. Ich höre es scheppern, gefolgt von einem aufgeregten Stimmengewirr. Doch eine Stimme übertönt all die anderen und wider besseres Wissen bildet sich in mir ein eisiger Knoten im Magen. Denn das zornige Grollen, das in Shadows menschlicher Stimme mitschwingt, versetzt mich zurück in die Simulation. Beinahe meine ich, die tiefen Kratzwunden in Armen und Beinen und das klebrige, heiße Blut, das aus ihnen hervorquillt, erneut zu spüren.

Die Tür zum Nebenraum wird aufgerissen. Ich halte die Luft an, als mein Blick Shadows begegnet. Ein paar Sekunden bleibt er im Türrahmen stehen, dann kommt er mit ausladenden, aber katzenhaft eleganten Schritten auf mich zugeeilt. Die Art, wie er sich bewegt … Es sieht so aus wie vorhin – ehe er in seiner wahren Gestalt die Krallen in mich geschlagen hat.

Als er vor mir steht und eine Hand nach mir ausstreckt, weiche ich vor ihm zurück, so weit es mir auf dem Stuhl möglich ist, und Shadow lässt die Hand sofort sinken. Ich werde von einem Zittern geschüttelt und muss mich dazu überwinden, zu ihm aufzuschauen. Fast erwarte ich, gleich sein Raubtiermaul über mir zu sehen, ehe er mit spitzen Fangzähnen erneut meine Kehle zerfetzt.

Doch stattdessen schaue ich in rot geränderte Augen, in deren Blick so viel Angst und Sorge liegen. Die Augenbrauen kummervoll zusammengezogen mustert er mich traurig und resigniert. Langsam, um mich nicht erneut zu erschrecken, reibt er sich mit der Hand über die Brust – direkt über das Mal über seinem Herzen.

Ich schlucke krampfhaft. Tränen schwimmen mir in den Augen und nehmen mir fast die Sicht, während ich den so gebrochen wirkenden Mann vor mir betrachte.

»Was … was haben sie dir angetan?«, hauche ich mit erstickter Stimme, ehe ich eine Hand nach ihm ausstrecke. Shadow ergreift sie, führt sie an die Wange und schmiegt sich dagegen, während er seufzend die Augen schließt und sich neben den Stuhl kniet. Mit der anderen Hand fahre ich ihm nach kurzem Zögern durchs Haar.

Shadow haucht mir einen sanften Kuss auf die Handfläche, bevor er murmelt: »Es war nur eine Simulation.« Er sieht wieder zu mir auf und streicht mit dem Daumen die Tränen weg, die sich einen Weg aus meinen Augen bahnen. »Ich wusste die ganze Zeit über, dass es eine Simulation ist, aber …«

»… es fühlte sich verdammt real an«, beende ich seinen Satz.

»Was war deine Aufgabe?«, fragt er, nachdem er mich einen Moment stumm gemustert hat.

Ich schließe die Augen, doch die Tränen fließen unaufhaltsam unter den Lidern hervor. »Ich sollte dich töten. Aber ich konnte es nicht. Ich konnte nicht einmal nach dem blöden Messer greifen, was sie mir großzügigerweise in die Simulation eingebaut haben.«

»Felicity hat die Aufgabe nicht erfüllt«, sagt einer der Männer neben uns und ich sacke in mir zusammen. Egal wie oft ich höre, dass ich versagt habe, es wird dadurch nicht besser. Trotzdem lässt mich die Endgültigkeit in der Stimme des Mannes schier ins Bodenlose fallen. »Somit kann sie keine Meister-Magierin werden. Ich erkläre die Prüfung daher für …«

»Nicht so schnell!« Shadow springt auf die Füße. »Ich habe die letzte Aufgabe bestanden.«

Ich blinzele verwirrt. Wovon spricht er da?

Einer der Männer geht zu einem Pult am anderen Ende des Raumes und drückt auf mehrere Knöpfe. »Hmm«, macht er, während er auf den Monitor vor sich schaut. »Wie es aussieht, sagt er die Wahrheit.« Er wendet sich zu den anderen um, die mit Shadow im Nebenraum waren und sich nun in der Nähe der Verbindungstür herumdrücken. »Wie konnte er die letzte Aufgabe bestehen?«

»Bisher hat das noch kein Familiar geschafft«, murmelt einer der Männer. Ich habe hoffnungslos den Überblick verloren, wer hier wer ist. »Ihr Überlebenswille war jedes Mal stärker. Was machen wir jetzt? Wir haben eine Anwärterin, die nach allen Regeln der Kunst bei der letzten Aufgabe gescheitert ist. Sie hat ja nicht mal versucht den Anforderungen gerecht zu werden!«

»Das stimmt«, wirft ein anderer ein. »Wenn sie sich wenigstens verteidigt hätte, dann könnten wir das zu ihren Gunsten auslegen, aber sie hat quasi nur dagelegen und darauf gewartet, dass er sie zerfleischt.«

Shadow zuckt bei diesen Worten zusammen und starrt mich aus großen Augen an. Ich streichele ihm über die Stirn, um die Sorgenfalten zu glätten, allerdings ohne Erfolg. Auch das kleine Lächeln, an dem ich mich versuche, hat nicht den gewünschten Effekt.

»Aber er ist der erste Familiar, der die letzte Aufgabe bestanden hat«, sagt wieder ein anderer. »Einen solchen Fall hatten wir noch nie. Sollten wir das nicht irgendwie würdigen?«

»Indem wir sie doch bestehen lassen, meinst du?«, knurrt der erste Mann. »Das ist nicht der Sinn der Prüfungen!«

»Außerdem ist Felicity eine Gefahr für die Allgemeinheit«, sagt ein anderer.

»Allerdings. Nicht auszudenken, was sie anrichten könnte, wenn ihr Familiar krepiert«, murmelt der erste.

Der Mann ganz links, der bisher die ganze Zeit geschwiegen hat, gibt einen abschätzigen Laut von sich. »Was will sie denn anrichten?« Wie auch schon zuvor kommt mir seine Stimme seltsam vertraut vor. »Sie beherrscht keine Elemente. Dass sie irgendwo einen Kontinent überflutet, halte ich daher für ausgeschlossen.«

»Dass du sie bestehen lassen willst, ist mir klar«, murrt der erste Mann seufzend.

»Und ich wundere mich darüber, dass du kein besonderes Interesse an ihrem Familiar zeigst«, hält der andere dagegen. »Wann bekommst du denn die Chance, einen menschenähnlichen Familiar untersuchen zu können?«

Beim Wort »untersuchen« kämpfe ich mich trotz zitternder Knie vom Stuhl hoch und stelle mich vor Shadow.

»Niemand untersucht meinen Familiar!«, zische ich und recke das Kinn. »Er gehört mir und keiner von euch wird ihn anrühren! Ihr braucht euch gar nicht mehr die Köpfe heißreden. Ich habe die Prüfung nicht bestanden und verspüre nicht die geringste Lust, diesen Irrsinn noch mal mitzumachen!«

»Nicht, Feli!«, wispert Shadow hinter mir. »Was ist mit deinem Traum?«

Doch ich schüttele den Kopf. Wenn mein Traum bedeutet, dass ich Shadow diesen Kutten tragenden Idioten ausliefern muss, dann verzichte ich dankend darauf! Ich werde nicht zulassen, dass sie auch nur noch einen Finger an ihn legen!

»Du ziehst deine Teilnahme an den Prüfungen freiwillig zurück?«, fragt mich der erste Mann.

»Wobei es eine Verschwendung wäre«, sagt ein anderer. »Als Meister-Magierin nützt sie uns mehr – vorerst. Und ihr Familiar sowieso.«

»Aber wir müssen auch ihre …« Der erste macht eine wegwerfende Handbewegung in meine Richtung. »Ich weiß gar nicht, wie ich das nennen soll … Das, was da zwischen ihr und dem ihr zugeteilten Familiar ist, sollten wir jedenfalls berücksichtigen.«

»Das geht keinen von euch etwas an!«, grolle ich.

»Lass uns verschwinden«, sagt Shadow, bevor ich mich zu weiteren Äußerungen hinreißen lassen kann – oder dazu, doch noch auf einen der Typen loszugehen, nachdem sie mich durch meine persönliche Hölle geschickt haben. Sanft, aber bestimmt schlingt er einen Arm um meine Mitte und zieht mich an sich. »Schicken Sie uns eine Nachricht, wenn Sie sich entschieden haben.«

Der erste der Männer stellt sich breitbeinig vor den Ausgang, verschränkt die Arme. »Ich würde viel dafür geben, dich hierbehalten zu können. Zumindest bis die Auswertungen deiner letzten Aufgabe vorliegen. Wie konntest du bestehen? Und warum ist es den Familiaren ihrer Brüder nicht gelungen?«

Ich greife nach Shadows Hand. »Wir sind nicht darauf angewiesen, durch diese Tür zu gehen!«

Shadow verschränkt unsere Finger miteinander und zieht mich ein Stück zurück in den Schatten jener teuflischen Maschinen. Bevor einer der Männer reagieren kann, sind wir bereits verschwunden.

KAPITEL 3

Felicity

Shadow bringt mich nach Hause. Noch bevor ich die Augen öffne, weiß ich, dass wir in meinem Zimmer sind. Ein Teil von mir hat gehofft, dass wir zurück ins Hotel gehen, wo ich mich noch eine Weile vor Zac und Cal und meinem eigenen Selbstmitleid verstecken kann.

»Warte kurz hier«, murmelt Shadow und streichelt mir über die Wange, während ich reglos mitten im Zimmer stehe. »Ich bin gleich wieder da.«

Er entweicht wieder in den Schatten und ich bleibe allein zurück. Nun, da ich nicht mehr der Allianz direkt gegenüberstehe, fällt jedwede Anspannung von mir ab und ich sacke kraftlos auf dem Boden zusammen. Beide Hände kralle ich in den hochflorigen Teppich, weil ich das Gefühl habe, dass mir alles entgleitet – als würde die Welt, wie ich sie bisher gekannt habe, auseinanderbrechen.

Wenn der Grundgedanke der vier Aufgaben immer gleich ist, haben Zac und Cal gewusst, was auf mich zukommt. Deshalb waren sie sich auch sicher, dass ich nicht bestehen würde. Und sie hatten recht … Ich war so motiviert und wollte sie mit aller Kraft vom Gegenteil überzeugen, doch jetzt …

Und was ist mit Shadow? Er hat seine Aufgabe erfüllt. Ich konnte ihn bisher nicht fragen, wie ihm das gelungen ist und warum er danach derart neben sich stand. Er sah völlig fertig aus, mindestens genauso schlimm, wie ich mich gefühlt habe.

Innerhalb eines Nachmittags hat sich mein Lebenstraum in Luft aufgelöst. Selbst wenn mich die Allianz dank Shadows Einsatz in den Stand einer Meister-Magierin erheben sollte, werde ich nicht zustimmen, solange sie ein solches Interesse an meinem Familiar haben. Für keinen Lebenstraum der Welt werde ich Shadow ihnen ausliefern!

Die Tür öffnet sich und Shadow kommt zurück. Für einen Moment versteife ich mich, aber dann rufe ich mir ins Gedächtnis, dass Shadow mir nie etwas antun würde. Dass es nichts weiter als eine dumme Simulation war – programmiert von irgendwelchen Männern, die keine Ahnung davon haben, was sie damit anrichten würden.

In den Händen hält mein Familiar die Tüte, die wir heute Mittag im Hotelzimmer zurückgelassen haben. Ich schließe die Augen und seufze. Der gestrige Abend und heutige Morgen kommen mir auf einmal ganz weit weg vor. Ich wünschte, ich könnte in das Hotel zurückkehren und das, was danach geschehen ist, einfach vergessen. Ich will an einen Ort, an dem es nur Shadow und mich gibt – ohne das Damoklesschwert des Versagens, das nun über mir schwebt und mich kaum noch einen klaren Gedanken fassen lässt.

Shadow legt die Tüte auf den Schreibtisch und kniet sich in einiger Entfernung vor mich hin. Zögerlich, als hätte er Angst, mich erneut zu erschrecken, streckt er die Hand nach mir aus. Ich schmiege mich mit der Wange gegen die herrlich warme Handfläche und stoße den Atem aus, den ich kurz angehalten habe.

»Ich habe Zac und Cal Bescheid gegeben, dass wir zurück sind«, murmelt Shadow in die anhaltende Stille zwischen uns. »Und ich habe ihnen gesagt, dass sie uns für heute in Ruhe lassen sollen.«

Ich schlucke angestrengt. »Sie wussten, dass ich scheitere. Es wird sie also nicht überraschen. Ich mache mir nur Sorgen um Ilena.«

Gestern erst traf ich eine Abmachung mit Zac, meinem ältesten Bruder, vorerst nichts wegen Ilena, die als Abtrünnige bei uns festgehalten wird, zu unternehmen. Dass sie hierbleiben kann, war mit meinem Bestehen bei den Prüfungen verknüpft, denn ich bot ihm an, selbst mit der Magier-Allianz zu reden und sie mithilfe meiner Gabe davon zu überzeugen, dass nicht von jedem Abtrünnigen eine Gefahr ausgeht.

Aber das kann ich mir nun aus dem Kopf schlagen.

»Glaubst du, Zac wird sie heute Abend noch wegschaffen lassen?«, fragt Shadow.

Ich zucke mit den Schultern. »Ich kann ihn nicht einschätzen – nicht mehr. Zac hatte schon immer den Hang, sich alles selbst aufzubürden – vor allem, nachdem unsere Eltern starben. Doch in den letzten Wochen ging so vieles schief … Ich, die ich mir trotz des Verbots meiner Brüder einen Familiar geholt habe. Dann die beiden Niederlagen gegen die Wasserbändigerin. Cal, der seine Seelengefährtin findet, die sich als Abtrünnige entpuppt. Das wächst Zac alles über den Kopf. Ich will mir gar nicht vorstellen, was geschieht, sobald er von uns erfährt! Und nun habe ich bei den Prüfungen versagt. Cal hat mir vertraut und darauf gehofft, dass ich dank meiner Gabe, mit der ich das Glimmen von Herzen wahrnehme, die Magier-Allianz von ihm und Ilena überzeugen kann. Ich … habe das Gefühl, alles falsch zu machen. Bei allem, was ich anpacke, scheitere ich.«

Ich beiße mir auf die Unterlippe und versuche verzweifelt das Schluchzen zu unterdrücken, das sich in mir zusammenbraut. Ich hasse mich selbst dafür, die letzten Stunden nahezu komplett mit Heulen verbracht zu haben, aber ich kann nicht aufhören … Ich stehe vor dem Nichts. Als würde ich in ein endloses schwarzes Loch gezogen werden, aus dem es kein Entrinnen gibt.

Zwischen Shadows Augenbrauen bildet sich eine steile Falte, ehe er aufsteht und mir die Hand hinhält. »Hoch mit dir!«, sagt er, als ich mich nicht rühre.

Ich verspüre nicht die geringste Lust dazu, mein Zimmer zu verlassen und mich der Realität zu stellen, aber Shadows unnachgiebiger dunkler Blick lässt mich schließlich einknicken. Sobald ich die Hand in seine gelegt habe, zieht er mich so schwungvoll auf die Füße, dass ich gegen seine Brust stolpere. Noch bevor ich aus eigener Kraft wieder stehen kann, legt er mir eine Hand unter die Kniekehlen, die andere an den Rücken und hebt mich hoch. Mir entweicht ein erschrockener Aufschrei, bevor ich einen Arm um seinen Hals schlinge.

***

Als Shadow die Tür zum großen Badezimmer im Erdgeschoss aufstößt, schlägt mir warme dampfende Luft entgegen und ein fruchtiger Duft kitzelt mir in der Nase. Hinter uns tritt Shadow die Tür mit dem Fuß zu und lässt mich erst dann herunter.

Nur langsam sickert die Erkenntnis in mein Bewusstsein: Während ich mich selbst bemitleidet habe, hat er mir die Wanne eingelassen.

Herrgott, ich könnte schon wieder anfangen zu flennen!

»Ich muss noch etwas holen«, sagt Shadow. »Schaffst du es allein, dich auszuziehen?«

Ich gebe ein Schniefen von mir. »Ich bin seelisch am Boden, aber meine Hände funktionieren ausgezeichnet.«

Mit einem kaum wahrnehmbaren Grinsen beugt er sich zu mir herab. »Es hätte ja sein können, dass du lieber wartest, bis ich das übernehme.«

Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass ich nach den katastrophalen letzten Stunden in nächster Zeit dazu in der Lage wäre, aber mit dieser kleinen Bemerkung gelingt es Shadow, mir ein wohliges Kribbeln im Bauch zu bescheren.

»Dann werde ich hier warten, bis du zurück bist.«

Er schenkt mir ein Lächeln, das jedoch kaum seine Augen erreicht, und verschwindet aus dem Bad.

Ich stoße den Atem aus und lege den Kopf in den Nacken. »Reiß dich zusammen, Feli!«, schimpfe ich mit mir selbst. »Du hilfst niemandem, wenn du nur Trübsal bläst!«

Shadow und ich haben während der Prüfungen unser Bestes gegeben. Mehr kann keiner von uns verlangen. Jetzt müssen wir abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Ich werde keine Minute länger den Kopf in den Sand stecken.

Während ich überlege, welches Problem ich morgen als Erstes angehen soll, werden vor dem Badezimmer plötzlich Stimmen laut. Ich seufze, ehe ich die Tür aufreiße und Cal niederstarre, der mit Shadow, der ein großes Tablett in den Händen hält, aneinandergeraten ist. Mein Bruder verstummt, als er mich im Türrahmen stehen sieht, und mustert mich einen Moment.

»Schwesterchen«, murmelt er kleinlaut. »Ich wollte nur sehen, ob es dir gut geht, aber der da«, er deutet mit einem Kopfnicken auf Shadow, »wollte mich nicht zu dir lassen.«

Ich weiß genau, dass das nicht der einzige Grund ist, weshalb er hier solch einen Radau macht. Er wollte Shadow daran hindern, zu mir ins Badezimmer zu kommen. Der übertriebene Schwesterkomplex meiner Brüder geht mir langsam, aber sicher auf die Nerven.

»Ich habe die Prüfungen vergeigt«, sage ich so emotionslos wie möglich. »Es geht mir also nicht gut.« Ein Lächeln zupft an meinen Mundwinkeln. »Aber ich bin mir sicher, dass sich mein Familiar mit Freuden darum kümmern wird, das zu ändern.«

Cals Augen weiten sich – vor allem, nachdem ihm der Blick auffällt, den Shadow und ich tauschen.

»Du wirst ihn jetzt augenblicklich durchlassen und weder du noch Zac oder einer eurer Familiare wird uns heute Abend auf den Keks gehen«, fahre ich fort. »Falls doch, werde ich Shadow bitten, euren Geist in Schatten zu hüllen oder euch auf einer gottverlassenen, einsamen Insel auszusetzen, bis ich euch wieder holen lasse! Habe ich mich klar ausgedrückt?«

Shadow hat sichtlich Mühe, sich ein Lachen zu verkneifen, während er versucht Cal genauso erbarmungslos niederzustarren wie ich.

»Wo … wart ihr gestern Abend?«, fragt Cal, nachdem er seine Stimme wiedergefunden hat. »Wir haben nach euch gesucht.«

Ich ziehe eine Augenbraue nach oben und hebe einen Mundwinkel an. Nun gelingt es Shadow nicht mehr, sich ein breites Grinsen zu verkneifen. Endlich kehrt auch der Anflug des Funkelns in seine dunklen Augen zurück, den ich bereits schmerzlich vermisst habe.

»Erstens geht dich das nichts an«, antworte ich Cal schmunzelnd, »und zweitens willst du das nicht wissen. Wenn du uns jetzt also entschuldigen würdest? Das Wasser wird kalt.«

Anstatt endlich zu verschwinden, wirbelt Cal zu Shadow herum. »Wie kannst du es wagen, dich an meiner kleinen Schwester …?«

Noch während er spricht, holt er mit der Faust aus, doch ich bin bereits zur Stelle. Eine Hand auf Shadows Arm gelegt spüre ich sofort die kribbelnde Magie des Schutzschildes, den ich nur bei Shadow hervorrufen kann. Der Kraftimpuls, mit dem ich Cal zurückstoße, ist bei Weitem nicht so stark wie normalerweise, aber es genügt, um meinen Bruder zu Boden gehen zu lassen.

Mit verschränkten Armen baue ich mich über ihm auf. »Ich habe dich heute schon einmal besiegt. Zwar war es nur eine Simulation von dir, aber meine Nerven sind ein wenig überstrapaziert. Deshalb könnte ich vergessen, meinen Familiar diesmal zurückzuhalten, wenn du nicht augenblicklich verschwindest.«

Shadow gibt ein tiefes Grollen von sich, das mir sofort wieder ein Schmunzeln entlockt.

»Du bist mein Bruder und ich liebe dich«, fahre ich fort. »Aber ich brauche weder deinen noch Zacs Schutz. Dafür habe ich jetzt meinen Familiar. Ich bin alt genug, um selbst entscheiden zu können, was ich will und was nicht. Keiner von euch wird mir je wieder in mein Leben reinreden. Ich frage euch, wenn ich eure Meinung hören will, aber ansonsten habt ihr euch verdammt noch mal rauszuhalten!«

Cal rappelt sich auf und bleibt außerhalb meiner und Shadows Reichweite stehen. »Zac wird toben, wenn er …«

»Zac kann mir den Buckel runterrutschen!«, zische ich. »Bevor er über Shadow und mich urteilt, sollte er vor seiner eigenen Haustür kehren!« Seufzend reibe ich mir mit der Hand über die Stirn. »Ich will mich nicht mit dir streiten. Die letzten Stunden … Ich bin einfach fertig, verstehst du? Ich brauche Ruhe und Zeit, um meine Magie wieder regenerieren zu können. Bitte bring mich nicht dazu, Dinge zu tun oder zu sagen, die ich nicht so meine und hinterher bereue. Geh einfach und tu noch einen Abend so, als wüsstest du von nichts! Mehr verlange ich nicht. Sobald Shadow und ich wieder auf der Höhe sind, werde ich mit Zac reden. Aber bitte, halte ihn uns heute Abend vom Hals!«

Einen Moment lang ringt Cal noch mit sich, dann stößt er geräuschvoll den Atem aus und wendet sich an Shadow. »Kümmere dich gut um Feli!« Anschließend sieht er wieder zu mir. »Du hast recht, ich bin der Letzte, der euch Vorhaltungen machen sollte. Außerdem haben wir eine Abmachung und ihr habt euch bereits zweimal an euren Teil gehalten. Ich sehe zu, dass ich Zac dazu überreden kann, mit mir um die Häuser zu ziehen, damit ihr vor ihm Ruhe habt.«

»Danke«, murmele ich.

Cal stellt sich vor mich, wirft schnell Shadow einen abwägenden Blick zu und haucht mir einen Kuss auf die Stirn. »Nicht dafür. Wenn man sich nicht auf seine Familie verlassen kann, auf wen dann? Alles andere kann bis morgen warten.«

Ohne ein weiteres Wort, dreht er sich um und geht. Die Auseinandersetzung scheint mich die letzten Kraftreserven gekostet zu haben, und so sinke ich gegen Shadow, der schnell den freien Arm um mich schlingt, um mich aufrecht zu halten. Meine Hände kribbeln, als würden mir plötzlich Abertausende Ameisen durch die Adern wuseln, und ich habe Probleme, scharf zu sehen. Alles um mich herum verschwimmt, als würde ich meine Umgebung durch schmutziges Glas betrachten.

Shadow schnuppert kurz an mir; als Familiar kann er anhand meines Geruches die Höhe meines Magieüberschusses bestimmen. Was auch immer er da riecht, es scheint ihm nicht zu gefallen. Ich höre ihn grollen, ehe er mich umständlich zusammen mit dem voll beladenen Tablett zurück ins Bad bugsiert. Vorsichtig lässt er mich gegen die Wanne sinken, stellt dann das Tablett auf den Waschtisch und schließt die Tür ab. Bevor ich auch nur zweimal blinzeln kann, ist er wieder bei mir und zieht mich sanft zurück auf die Füße.

»Gleich kannst du dich ausruhen, Kleines«, murmelt er. »Hilf mir nur noch einen kurzen Moment, okay?«

Ich hebe gehorsam die Arme, als er nach dem Saum des Hoodies greift, um ihn mir über den Kopf zu ziehen. Doch selbst diese einfache Bewegung treibt mich an meine Grenzen. Ich bekomme nur am Rande mit, dass Shadow mir auch BH und Rock auszieht und mich dann auf den kniehohen Schemel setzt, der eigentlich dazu dient, dass ich an die oberen Regale der Hängeschränke herankomme. Er kniet sich vor mich, schnürt die Schuhe auf und streift sie zusammen mit der Leggins und der Unterwäsche ab. Alles landet auf den Fliesen und kurz durchzuckt mich die Erkenntnis, dass ich mein geliebtes Kostüm wohl nie wieder tragen werde. Die Magier-Allianz hat mir untersagt, je wieder als Lady Luck in Erscheinung zu treten oder Verbrecher zu jagen, sofern ich die Prüfungen nicht bestehe.

Shadow lehnt sich nach vorn und küsst die Stelle, wo er mich gestern Abend markiert hat. Hitze rauscht durch mich hindurch und belebt meine müden Glieder einen Augenblick, als seine Lippen mein Glimmen berühren.

»Festhalten«, wispert er.

Ich klammere mich mit all der verbliebenen Kraft an ihn, als er mich hinüber zur Wanne trägt, dann mit einer Hand die Wassertemperatur prüft und mich anschließend behutsam hineinsetzt. Ich seufze wohlig, als mich das angenehm heiße Wasser umspült, und lehne mich mit geschlossenen Augen zurück. Berge aus himmlisch duftendem Schaum hüllen mich ein.

Ich höre, dass sich Shadow den Schemel zur Wanne zieht. »Mund auf«, sagt er.

Ich schmunzele über den knappen, aber sanften Befehlston und lege gehorsam die Lippen um den Strohhalm, den er mir hinhält. Was auch immer ich da trinke, es besteht mindestens zu neunundneunzig Prozent aus Zucker, aber es ist genau das, was ich gerade brauche, um möglichst viel Magie zu regenerieren.

»Heute kein Gemecker, dass ich dir Zuckerwasser zu trinken gebe?«, will Shadow mit einem schwachen Lächeln wissen.

»Selbst dazu fehlt mir die Kraft«, antworte ich und beiße in den Schokoriegel, der nun vor meiner Nase auftaucht.

Wie ich Shadow kenne, wird er nicht eher Ruhe geben, bis ich alles verputzt habe, was er mitgebracht hat – und erst wenn er der Meinung ist, dass ich genügend gekräftigt bin, wird er sich an meiner Magie nähren. Es widerstrebt mir, ihn hungern zu lassen, während er mich füttert, aber ich fühle mich nicht in der Lage für eine weitere Diskussion. Lieber nehme ich mir nachher die nötige Zeit, um ihn ausgiebig zu versorgen.

***

Nachdem ich auch die zwei Sandwiches gegessen habe, die Shadow mir mitgebracht hat, genieße ich ein paar Minuten die wohltuende Wärme des Wassers.

Keiner von uns sagt ein Wort, doch das liegt nicht nur daran, dass wir völlig fertig sind und uns dringend ausruhen müssen. Wir wissen beide nicht, wie wir die Frage, die uns auf der Seele brennt, formulieren sollen. Wenn es nach mir ginge, würde ich den heutigen Nachmittag auf ewig aus meinem Gedächtnis streichen, aber dadurch, dass wir das Geschehene totschweigen, wird es nicht besser. Wir müssen darüber reden, andernfalls werden uns die Schrecken, die uns heute widerfahren sind, immer wieder heimsuchen.

»Erzählst du’s mir?«, bitte ich schließlich. »Ich meine, was in deiner Simulation passiert ist.«

»Wenn du im Gegenzug erzählst, was in deiner geschehen ist«, antwortet Shadow mit rauer Stimme.

Der Blick, mit dem er mich bedenkt, erinnert mich an den, als er aus dem Nebenraum im Hauptquartier der Magier-Allianz kam, direkt nach der letzten Simulation; er wirkte gebrochen und resigniert. Die Enge im Hals lässt mich kaum noch atmen, doch ich strecke die Hand nach Shadow aus und streichele ihm über die Wange. Mit einem ergebenen Seufzen schließt er für einen Moment die Augen.

Ich beginne zu berichten. Stockend lasse ich die Schrecken der Simulation erneut in mir aufsteigen, während ich Shadows Blick ausweiche. Hin und wieder drückt er meine Hand, wenn ich etwas Zeit brauche, um die richtigen Worte zu finden. Als ich ihm so emotionslos wie möglich schildere, wie er mir in der Simulation die Kehle herausgerissen hat, gibt Shadow einen gequälten Laut von sich, bei dem sich mir das Herz noch weiter zusammenzieht.

»Es tut mir so leid«, wispert er, als ich schließlich schweige.

Doch ich schüttele schnell den Kopf. »Du bist der Letzte, der etwas dafürkann! Ich wusste die ganze Zeit über, dass es nur eine Simulation und nicht der echte Shadow war, der mir gegenüberstand. Aber das hat nichts geändert. Und selbst als du dann vor mir standest, wusste ich, dass du mir nie etwas tun würdest; trotzdem bin ich vor dir zurückgezuckt.« Ich strecke die Hand aus und streiche ihm durchs Haar. »Das tut mir am meisten leid. Du sahst aus, als wärst auch du kurz zuvor durch die Hölle gegangen, und ich Idiotin weiche vor dir zurück, obwohl das, was ich erlebt habe, nicht echt war.«

»Denkst du, die Magier-Allianz hat uns absichtlich diese letzte Aufgabe vorgesetzt?«, fragt er. »Nachdem sie nach der dritten Prüfung wussten, dass …«

»Nein«, sage ich. »Ich habe die gleiche Frage gestellt, als ich wieder in der Realität ankam. Die Allianz meinte, dass die vierte Aufgabe immer darin bestehe, den eigenen Familiar zu töten. Ich weiß nur nicht, wozu das gut sein soll.«

»Für sie sind Familiare nichts anderes als Werkzeuge«, murmelt Shadow. »Und wenn ein Werkzeug nicht mehr die Aufgabe verrichten kann, für die es vorgesehen ist, muss man es ersetzen. Das wird der Hauptgrund sein, weshalb jeder Anwärter diese letzte Prüfung ablegen muss: Um zu testen, ob der Magiebegabte seinen Familiar als etwas Austauschbares ansieht. Und wenn du dich umsiehst, wie viele Anwärter in den Stand eines Meister-Magiers aufgenommen werden, weißt du, wer genauso denkt wie die Allianz.«

Seufzend lasse ich den Kopf hängen. »Ich verstehe es nicht … Wie konnten Zac und Cal …?«

Shadow streckt die Hand nach mir aus und streicht mir eine klamme Haarsträhne hinters Ohr. »Es war nichts weiter als eine Simulation. Uns hätte es auch eine Menge Ärger erspart, wenn du einfach getan hättest, was die Computerstimme von dir verlangt hat. Du hättest deinen Traum erfüllen können und müsstest jetzt nicht bangen, wie die Allianz in dem Fall entscheidet.«

»Warum haben wir überhaupt einen Aufschub bekommen?«, frage ich.

Shadow lässt die Hand sinken, verzieht den Mund und weicht meinem Blick aus. »Weil ich die Aufgabe bestanden habe, die sie mir gestellt haben. Dabei wusste ich nicht einmal, dass ich eine Aufgabe erfüllen musste, denn es gab keine Computerstimme, die mir sagte, was ich tun soll. Erst am Ende, kurz bevor ich die Simulation verließ, hörte ich die Stimme sagen, dass ich bestanden hätte.«

Jedweder Glanz ist aus Shadows dunklen Augen verschwunden und mein Herz zieht sich bei diesem Anblick zusammen.

»Sag mir, was sie dir angetan haben«, bitte ich heiser.

Shadow schluckt sichtlich und stößt dann den Atem aus. »Wie du war ich allein in einem nahezu pechschwarzen Raum. Ich habe nach dir gerufen und dich gesucht, denn ich wusste, dass ich in einer Simulation war. Es bedeutete, dass die letzte Aufgabe bevorstand. Du hattest bei der dritten Prüfung so viel Kraft verbraucht, als du Ice Kings Herz geheilt hast … Ich musste dich finden und dir helfen, denn allein hättest du kaum eine Chance gehabt, die letzte Prüfung zu bestehen. Also bin ich weitergelaufen und habe immer wieder deinen Namen gerufen. Und irgendwann … standest du vor mir, wie aus dem Nichts. Ich war so erleichtert! Bis … bis ich das Messer gesehen habe, das du in der Hand hieltest.«

Ich möchte ihm sagen, dass ich nicht hören will, wie es weitergeht, doch genau wie ich muss er darüber reden. Also warte ich geduldig, bis er so weit ist.

»Ich habe mich noch darüber gewundert, dass du die Maske wieder aufhattest, doch bevor ich dich danach fragen konnte, bist du mit dem Messer auf mich losgegangen. Du warst schnell, aber ich hätte dich jederzeit überwältigen können. Obwohl wir nur in einer Simulation waren, verfügtest du über deine normale Kraft und Geschwindigkeit. Es wäre ein Leichtes gewesen, dir das Messer zu entwenden und dich bewusstlos zu schlagen, aber …« Er zuckt hilflos mit den Schultern. »Mir ging es wie dir. Ich konnte es nicht. Ich habe auf dich eingeredet, dich angefleht, mit dem Blödsinn aufzuhören, doch natürlich hat das nichts gebracht, denn es war von der Simulation nicht vorgesehen. Ein paarmal hast du mich mit dem Messer erwischt. Auch ich war nach den drei vorherigen Prüfungen ziemlich am Ende und irgendwann schaffte ich es nicht mehr, dir auszuweichen. Ich fiel hin und plötzlich saßest du auf mir, das Messer erhoben. Ich war zwar so schwach, dass ich mich kaum rühren konnte, doch ich hätte dich noch immer von mir stoßen können. Stattdessen packte ich dich am Handgelenk und zielte mit dem Messer direkt auf mein Herz, um dieses kranke Spiel endlich zu beenden. Du … hast nicht gezögert und mir die Klinge direkt in die Brust gerammt.«

Mein Mund ist wie ausgetrocknet, während ich Shadow lausche, und ich fühle mich, als wäre ich zurück in der Simulation und würde das, was er erzählt, durch seine Augen erleben.

»Bevor ich aus der Simulation verschwand, sagte die Computerstimme, dass ich bestanden hätte. Und als ich wieder zu mir kam, murmelte der Kerl von der Allianz, dass so was noch nie vorgekommen wäre. Dass der Überlebensinstinkt der Familiare immer stärker war als die Bindung zu ihrem Träger.« Shadow beugt sich vor, umschließt mein Gesicht mit beiden Händen und küsst die Tränen weg, die mir die Wangen hinunterrollen. »Aber sie haben etwas Wichtiges vergessen«, flüstert er dabei. »Du bist viel mehr als nur meine Trägerin.«

»Und du bist viel mehr als mein Familiar«, wispere ich mit erstickter Stimme.

Er küsst mich zum ersten Mal, seit wir wieder zurück sind, auf den Mund. Vorsichtig und zurückhaltend begegnen seine Lippen meinen, als rechne er jeden Augenblick damit, dass ich ihn von mir stoße oder ihm wieder ein Messer in die Brust ramme. Ich streiche mit der Zunge über seine Unterlippe und er gibt ein kurzes Stöhnen von sich, ehe er den Mund öffnet. Dieser winzige Laut genügt, um mich die eigene unterschwellige Angst vergessen zu lassen. Ich kralle beide Hände in sein Shirt und ziehe ihn noch näher zu mir heran, bis er fast in die Wanne fällt.

»Du solltest langsam da rauskommen«, murmelt er zwischen zwei Küssen. »Bestimmt hast du schon Froschhände!«

Ein Lächeln zupft an meinen Mundwinkeln. »Ist das der einzige Grund, warum ich aus der Wanne steigen soll?«

»Nein«, gibt er zu und lehnt sich ein Stück zurück, um mich ansehen zu können. Ein riesiger Stein fällt mir vom Herzen, als ich das vertraute Funkeln in den Augen entdecken kann. »Ich war so frei und habe mit deiner Kreditkarte das Hotelzimmer von gestern Nacht bezahlt … und die Buchung bis morgen verlängert. Ich hoffe, das ist okay …?«

Ich beiße mir auf die Unterlippe, um das Schmunzeln zu kaschieren. »Und das sagst du mir erst jetzt? Was zum Teufel machen wir dann noch hier?«

»Ich wollte erst, dass du dich erholst und neue Magie regenerierst«, sagt Shadow. »Wenn du noch eine Weile brauchst, um das, was heute geschehen ist, zu verarbeiten, kann ich die Buchung bestimmt stornieren.«

»Ich brauche nichts weiter als dich«, flüstere ich und streichele ihm über die Wange. »Du bist derjenige, der mich immer wieder aufrichtet, egal wie oft ich strauchele.«

Er haucht mir einen Kuss auf die Handfläche, ehe er aufsteht und mir ein Handtuch hinhält. »Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, egal ob du nun eine Meister-Magierin wirst oder nicht. Das Urteil der Allianz wird nichts daran ändern, dass ich immer hinter dir stehen werde.«

Ich klettere aus der Wanne und lege mir das dargebotene Handtuch um. Zwar haben sich die Sorgenfalten auf seiner Stirn geglättet, doch die bläulichen Schatten unter Shadows Augen sind geblieben. Auch das Funkeln kann nicht über den glasigen Blick hinwegtäuschen. Doch dank seiner Fürsorge spüre ich in mir wieder die Magie zirkulieren. Magie, mit der ich ihn liebend gern versorgen werde, sobald wir endlich allein sind. Zwar hat Cal versprochen, uns in Ruhe zu lassen, aber ich bin froh darüber, mit Shadow irgendwohin gehen zu können, wo wir nicht ständig damit rechnen müssen, doch gestört zu werden.

Er küsst mich auf die Stirn. »Trockne dich ab und zieh dir was an! Ich packe uns solange ein paar Sachen zusammen und sage Terra oder Lumia Bescheid, damit sich deine Brüder keine Sorgen machen.«

Ich spüre ein Lächeln in mir aufsteigen. »Das klingt, als würden wir länger wegbleiben.«

»Solange du willst, Mylady.«

***

Shadow bringt uns mit einem Schattensprung in das Hotelzimmer von gestern. Zwischendurch wurde das Bett gemacht und aufgeräumt und ein Tablett mit kalten Speisen steht für uns bereit. Ich spüre ein Lächeln in mir aufsteigen. Shadow denkt wirklich an alles! Diesmal hat er sogar eine kleine Tasche gepackt, die er achtlos aufs Bett wirft.

Mein Familiar schwankt leicht; normalerweise bin ich es, die nach einem Schattensprung Probleme damit hat, den rebellierenden Magen in Schach zu halten. Es grenzt an ein Wunder, dass Shadow uns hierherbringen konnte, obwohl er so geschwächt ist, dass er kaum noch die Augen offen halten oder allein stehen kann. Am liebsten würde ich deswegen mit ihm schimpfen, aber ich beschränke mich auf ein resigniertes Kopfschütteln.

Ich dirigiere ihn hinüber zum Bett und klettere auf seinen Schoß, nachdem er sich gesetzt hat. Seufzend schmiegt er den Kopf an meine Brust, als wollte er meinem Herzschlag lauschen; ich fahre ihm mit einer Hand durchs Haar und kraule ihm den Nacken. Einen Moment genieße ich die Nähe zu ihm und das vertraute Gefühl seines Körpers an meinem, während ich den Duft nach dunklen Sommernächten einatme. Dann halte ich ihm den Ring vor die Lippen und warte voll kribbelnder Ungeduld auf die bevorstehende Verbindung. Viel zu lange ist es her, seit er sich zuletzt genährt hat, doch wie bereits so oft zuvor stellt er zuerst mein Wohlergehen über seines.

Shadow schlingt beide Arme um mich, ehe er dann jedoch – zögerlich und nicht ohne mir noch einen abwägenden Blick zuzuwerfen – den Ring zwischen die Lippen nimmt. Augenblicklich explodiert meine Welt und ich lege mit einem Stöhnen den Kopf in den Nacken. Ich liebe das Gefühl, wenn sich unsere Magie vermischt und er seine immer tiefer in den Magiewirbel vorschickt, um sich nähren zu können. Durch die Verbindung wird schier jede Nervenzelle in mir in Schwingung versetzt, bis ich nichts anderes mehr spüre als Shadow. Überall. Wenn ich es könnte, würde ich dieses Gefühl auf ewig bestehen lassen.

Als Shadow meine Hand sinken lässt und zu mir aufschaut, sind die dunklen Schatten unter den Augen verschwunden und die Iriden erstrahlen wieder in einem rauchigen Silbergrau, anstatt fast schwarz zu wirken. In dem Moment, als ich seinem Blick begegne, fällt die Spannung des vergangenen Tages von mir ab. Wir sind beide hier und es geht uns den Umständen entsprechend gut. Ich verschwende keinen Gedanken mehr daran, was nun vor mir liegt und wie ich es bewältigen soll. Diese Sorgen verschiebe ich auf später. Wir haben es geschafft, zwar nicht siegreich, aber ohne vollends zu versagen.

Nun ist es an der Zeit, uns um die »Wunden« zu kümmern, die wir davongetragen haben.

Shadow streift mir das weite Shirt, das ich kurz nach dem Baden angezogen habe, über den Kopf und lässt es zu Boden gleiten. Da ich mich beeilt habe, um aus der Villa zu kommen, trage ich nichts darunter. Kurz will ich aus einer alten Gewohnheit heraus die Hände über mein Glimmen legen, um es vor ihm zu verbergen, und ich muss beinahe selbst über diese Dummheit lächeln. Selbst wenn Shadow das Leuchten sehen könnte, gäbe es für mich keinen Grund, es vor ihm zu verstecken. Vielmehr schwelge ich in dem verlangenden Ausdruck in seinen Augen, während er den Blick langsam über mich gleiten lässt. Beinahe glaube ich, ihn auf der Haut wie eine streichelnde Berührung spüren zu können.

Langsam lehnt er sich nach vorn, hält meinen Blick dabei gefangen, und streift leicht mit den Lippen über die Stelle knapp über der Brust, von der das Glimmen ausgeht und wo er auf meinen Wunsch hin die spitzen Eckzähne vergraben hat. Sofort rauscht ein elektrisierendes Prickeln durch mich hindurch, das sich wellenartig bis in die Fingerspitzen ausbreitet und mein Blut schier zum Kochen bringt.

Ich höre endlich auf zu denken, fühle nur noch. Mittels dieser kurzen Berührung gelingt es Shadow, mich für eine Weile die Schrecken des vergangenen Tages vergessen zu lassen. In diesem Moment und diesem Zimmer gibt es nur ihn und mich. Keine Erwartungen, die ich nicht erfüllen konnte. Keine abwertenden oder mitleidigen Blicke, die mir andere zuwerfen. Keine Verpflichtungen.

Wie von selbst schmiege ich mich fester an ihn, begierig darauf, seinen harten Körper, der perfekt zu meinem passt, noch mehr spüren zu können. Begleitet von einem kehligen Laut erwidert er mein verzweifeltes Drängen, indem er mir eine Hand auf die Hüfte legt und mich sanft, aber bestimmt nach unten drückt, direkt auf seine Härte. Ich stöhne auf und lege den Kopf in den Nacken. Shadow gibt ein tiefes Schnurren von sich, wodurch er mich nur noch mehr erregt. Abwechselnd leckt und saugt er an der Brustwarze – mal sanft, mal fester, aber immer genau richtig, um mir die Sinne zu vernebeln. Manchmal spüre ich seine Zähne, vor allem die spitzeren Eckzähne, und keuche auf. Ohne mich zu verletzen, steigert er durch diesen bittersüßen Schmerz mein Verlangen schier ins Unermessliche. Ich kralle beide Hände in sein Haar, um ihn genau dort zu halten und mich ihm noch weiter entgegenrecken zu können, während ich mich auf seinem Schoß in der Hoffnung winde, dadurch das verlangende Pochen zwischen den Beinen etwas lindern zu können. Vergeblich.

Unvermittelt packt mich Shadow mit beiden Händen an den Hüften, hebt mich ein Stück hoch und wirft mich aufs Bett. Ich japse nach Luft, während er meine Handgelenke über dem Kopf umklammert hält und mich abwartend mustert.

Ich brauche einen Moment, um zu begreifen, was er vorhat. Ein aufgeregtes, aber auch leicht panisches Kribbeln breitet sich in mir aus, ehe ich angestrengt schlucke und den Kopf so weit wie möglich in den Nacken lege, um ihm die Kehle darzubieten. Verbissen verdränge ich die Erinnerungen an die Simulation aus dem Gedächtnis und konzentriere mich nur auf den Mann, der über mir aufragt. Den echten Shadow – nicht die Simulation.

Langsam, um mir genügend Zeit zu geben, doch noch meine Meinung ändern zu können, senkt Shadow den Kopf und verteilt winzige Küsse auf dem Halsansatz, dem Kinn und schließlich direkt auf der Kehle. Ich versteife mich einen Augenblick, als ich mich wieder an den Geschmack des Blutes erinnere, das mir in den Mund und anschließend die Luftröhre hinunterfloss, doch schon nach wenigen Augenblicken gelingt es mir, diese Schrecken zu verdrängen und mich Shadows Liebkosungen hinzugeben. Er lässt sich Zeit, bis ich mich komplett entspanne und wohlig unter ihm winde. Erst dann knabbert er sanft mit den spitzen Eckzähnen an der empfindlichen Haut, unter der mein Puls wie verrückt hämmert, bevor er sich mit dem Mund weiter nach unten arbeitet, leider nur flüchtig über die aufgerichteten Brustwarzen streicht und schließlich eine heiße Spur über den Bauch bis hinab zum Nabel zieht. Wie von selbst dränge ich mich ihm entgegen, lechze nach weiteren Berührungen und hebe die Hüften, damit er mir die Hose abstreifen kann.

Ich genieße den kurzen Blick, den er mir zuwirft und in dem sich ein Hauch Unglauben mit sehr viel Verlangen mischt, als er bemerkt, dass ich nichts darunter trage.

Ohne Hast spreizt er meine Schenkel und beugt sich vor. Dabei beobachtet er mich mit einem schiefen Grinsen, als ich seinen warmen Atem auf dem erhitzten Fleisch spüre und zitternd Luft hole; ich unterdrücke gerade so einen frustrierten Aufschrei, während ich ihn gleichzeitig stumm verfluche. Shadow liebt es, mich zu reizen, bis ich es vor Lust kaum noch aushalte. Ich kralle beide Hände ins Laken, um mich davon abzuhalten, seinen Kopf sofort dorthin zu drücken, wo ich ihn haben will.

Als ich mich kaum noch beherrschen kann, überbrückt er endlich die kurze Distanz und leckt über meine feuchte Scham, saugt am Kitzler und stößt erst mit der Zunge und anschließend mit zwei Fingern in mich hinein, während ich mich stöhnend auf dem Bett winde und den Rücken durchdrücke. Die Hitze, die durch die Adern peitscht, lässt mich keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich bebe und zittere vor Lust und Verlangen, während mich jedes neckende Spiel seiner Zunge oder der Finger immer weiter zu versengen scheint.

Kurz bevor ich komme, rutsche ich jedoch ein Stück auf dem Bett zurück. Verwirrt schaut Shadow mit feucht glänzenden Lippen zu mir auf. Ich schenke ihm ein Lächeln und deute ein Kopfschütteln an, ehe ich ihm anschließend aus der Kleidung, die viel zu viel seines wundervollen Körpers bedeckt, helfe. Bedächtig streiche ich über seine Arme, die Schultern und den Bauch und genieße das leichte Zucken der Muskeln unter den Fingerspitzen.

Während ich gestern, als wir den Abend im selben Hotelzimmer verbrachten und zum ersten Mal miteinander schliefen, absolut überwältigt davon war, was Shadow mit mir anstellen kann, nehme ich mir nun zum ersten Mal die Zeit, ihn zu berühren und seinen Körper komplett zu erkunden – nicht nur oberflächlich. Ich möchte die Stellen finden, die ihn um den Verstand bringen, wenn ich darüber streichele. Ich möchte ihn hören – das kehlige Grollen ebenso wie das ergebene Schnurren. Ich möchte seinen festen Körper spüren und die Gewissheit haben, dass sich nichts – aber auch gar nichts! – zwischen uns geändert hat, ganz gleich, was wir heute durchmachen mussten.

Noch immer kniet er über mir und sein Blick wird bei jedem Zentimeter, den ich meine Hand an seinem Bauch nach unten gleiten lasse, dunkler. Vor dem Hosenbund halte ich inne. Ein Muskel zuckt an seinem Hals und ich spüre ein Schmunzeln, das sich auf meinen Lippen ausbreitet.

»Stillhalten«, wispere ich, als er Anstalten macht, nach meinem Handgelenk zu greifen.

Die Hände ins Bettlaken gekrallt gehorcht er. Ein unbekanntes Gefühl von Macht und Vorfreude durchströmt mich, als ich seinem ungeduldigen, aber gleichzeitig flehenden Blick standhalte. Die Muskeln in seinen Armen, die er rechts und links von mir abgestützt hat, zittern, als ich bedächtig über den Stoff in seinem Schritt streichele. Shadow lehnt den Kopf ein Stück nach hinten und bleckt die Zähne. Nicht der kleinste Anflug von Angst durchzuckt mich, als ich seine Eckzähne aufblitzen sehe.

Ein paarmal streiche ich noch über den Stoff, spüre seine Härte und das leichte Pulsieren darunter. Dann hake ich beide Daumen in den Bund und ziehe die Hose über seine Hüften herunter. Shadow saugt scharf die Luft ein, während ich die leicht glänzende Penisspitze betrachte, und ich sehe ihm deutlich an, dass es ihn Mühe kostet, sich nicht zu bewegen. Langsam taste ich mich vor, berühre ihn erst mit einem Finger, dann mit zweien, ehe ich ihn mit der Hand umschließe. Ich bin überrascht von dem weichen, fast samtigen Gefühl der Haut und gleichzeitig der unnachgiebigen Härte.

Ich reiße den Blick los und schaue Shadow in die Augen, ehe ich mit dem Daumen über die empfindliche Spitze reibe. Fest genug, um mich an dem gezischten Stöhnen zu erfreuen, das er dabei ausstößt. Schwer atmend lehnt er sich mit der Stirn gegen meine Schulter, während ich ihn weiterhin mit der Hand verwöhne und ihm mit den Fingern der anderen durchs Haar fahre. Sein Glied zuckt in meiner Handfläche, wann immer ich eine besonders sensible Stelle treffe, und ich könnte ewig damit weitermachen. Aber das brennende Verlangen zwischen den Beinen erinnert mich daran, dass ich ihn in mir spüren will.

Doch zuvor muss ich noch etwas erledigen. Um nichts in der Welt möchte ich je wieder den Ausdruck in Shadows Gesicht sehen, kurz nachdem er nach der letzten Prüfung zu mir kam.

Ich küsse ihn auf die Stirn und bringe ihn mit leichtem Druck dazu, sich nach hinten auf die Matratze zu legen, sodass ich rittlings auf ihn klettern kann. Für einen kurzen Moment weitet Shadow panisch die Augen, als ich über ihm aufrage, wie es zweifelsohne auch in der Simulation der Fall war. Ich verstehe seine Angst … Aber genau wie er mir die meine vor seinen Zähnen nahm, werde ich auch seine in etwas Angenehmes verwandeln.

Mit den Fingern streiche ich behutsam über das bereits verblassende Mal direkt über seinem Glimmen und genieße das warme Prickeln, das mir dabei den Arm hinaufkriecht. Die andere Hand lasse ich über die festen Muskeln an Bauch und Brust gleiten und gebe ihm dadurch die Zeit, die er braucht, um die Schrecken der Simulation langsam vergessen zu können. Aufmunternd lächele ich ihm zu, als er die Hände an meinen Schenkeln hinaufgleiten lässt.

Erst als auch der letzte Rest Angst aus seinem Blick verschwunden ist, nehme ich ihn vorsichtig in mich auf.

Der bittersüße Schmerz, der mich durchzuckt, während er mich dehnt und vollends ausfüllt, und Shadows raues Stöhnen genügen, um mich erneut das heiße Kribbeln kurz vor dem Höhepunkt spüren zu lassen, dem ich mich vorhin entzogen habe. Er kommt zu schnell, viel zu schnell, aber ich bin machtlos gegen die verzehrende Hitze, die durch mich hindurchrauscht und mich beinahe von innen heraus verbrennt. Ich bewege die Hüften – zunächst langsam, dann schneller, bis er beinahe wieder aus mir herausgleitet –, stütze mich mit einer Hand auf Shadows Brust ab, während er mir beide Hände an den Po legt und so meine Bewegungen ein Stück weit steuert.